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Olefinpolymerisation mit kationischen Spätübergangsmetall-Komplexen

Neben den oben beschriebenen Neutralkatalysatoren spielen kationische Komplexe mit zwei- und dreizähnigen Chelatliganden eine herausragende Rolle. In den letzten Jahren fanden vor allem Nickel(II)- und Palladium(II)-Komplexe mit sperrig substituierten α-Diimin-Liganden große Beachtung. Diese Komplexe sind bereits ab Ende der 1970er Jahre von tom Dieck101-103 und Vrieze104-106 intensiv untersucht worden. Es gelang jedoch erst Brookhart 1995 diese

Systeme (17, Abb. 4.8) für die Homo- und Copolymerisation von Olefinen einzusetzen.107 Sie sind als Versipol®-Katalysatorsysteme von der Firma DuPont patentiert.108

R' N N

M

L L

R R

R'

17

Abbildung 4.8 Grundform eines α-Diimin-Komplexes (17) zur Olefinpolymerisation nach Brookhart: M = Ni, Pd; L = Hal, Alkyl, (ac), etc.; R = H, Alkyl, An; R’ = Alkyl, Aryl.

Für die Wirkungsweise der α-Diimin-Katalysatoren in der Olefinpolymerisation sind verschiedene Aspekte von entscheidender Bedeutung. Das kationische Zentrum des aktiven Nickel(II)- oder Palladium(II)-Komplexes weist eine hohe Elektrophilie auf, wodurch eine sehr hohe Insertionsgeschwindigkeit möglich ist. Wie bereits erwähnt, ist es zum Erreichen hoher molarer Massen wichtig, die Kettenübertragungsreaktionen zu Gunsten der Kettenwachstumsreaktion zurückdrängen. Dies geschieht durch Einbringen voluminöser Substituenten am α-Diimin-Grundgerüst, meist in ortho-Position der N-Aryl-Systems und in der Brückeneinheit. Daneben ist es sehr wichtig, dass nichtkoordinierende Gegenionen (oder Reagenzien, die nichtkoordinierende Gegenionen bilden, z. B. MAO) verwendet werden, die die vakante Koordinationsstelle für das eintretende Olefin nicht blockieren.

Die Synthese der Liganden erfolgt meist einfach durch säurekatalysierte Kondensation eines α-Diketons mit zwei Äquivalenten des entsprechend substituierten Anilins (Abb. 4.9).101

R' N N

R R

R' NH2

R' O

R R O

H+

+ 2

CH3OH + 2 H2O

Abbildung 4.9 Allgemeine Synthese von α-Diimin-Liganden durch säurekatalysierte Kondensation. R = H, Alkyl, An; R’ = Alkyl, Aryl.

Einige α-Diimine lassen sich nicht durch direkte Kondensation darstellen. In diesen Fällen wird die Synthese in Gegenwart eines Metallsalzes (meist Nickel- oder Zink-Salze) als

Templat durchgeführt. Zur Isolierung des Liganden kann der resultierende (α-Diimin)metall-Komplex anschließend mit Cyanid demetalliert werden.105

Die Synthese der Katalysatoren erfolgt je nachdem, ob es sich um Nickel- oder Palladium-Komplexe handelt, auf unterschiedlichen Weg. (α-Diimin)nickel(II)-Palladium-Komplexe lassen sich einfach durch Austausch des labilen Liganden (zum Beispiel 1,2-Dimethoxyethan, dme) eines Nickel-Precursors ([dme]NiBr2) gegen das α-Diimin herstellen (siehe hierzu auch Abschnitt 7.2). Bei der polymerisationsaktiven Spezies handelt es sich wie im Falle der Metallocen-Katalyse um einen kationischen Monoalkylkomplex des Nickels. Die Aktivierung erfolgt zweckmäßig mit MAO direkt im Polymerisationsreaktor. Bei (α-Diimin)palladium(II)-dihalogeniden ist die Aktivierung mit MAO dagegen wenig erfolgreich. Es ist zumeist einfacher, den Palladium-Precursorkomplex vor der Umsetzung mit dem α-Diimin zu alkylieren. In diesem Falle sind (η22-Cycloocta-1,5-dien)chloromethylpalladium ([cod]PdMeCl) und (η22-Cycloocta-1,5-dien)dimethylpalladium ([cod]PdMe2) geeignete Verbindungen. Analog zur Darstellung der Nickel-Komplexe erfolgt dann die Bildung des Katalysators durch Austausch des labilen Cyclooctadien-Liganden gegen das gewünschte α-Diimin. Anschließend kann die aktive kationischen Spezies als reine Substanz dargestellt und isoliert werden. Dabei wird das (α-Diimin)chloromethylpalladium mit geeigneten Salzen nichtkoordinierender Anionen umgesetzt. Eine häufig genutzte Verbindung ist Natrium-(tetrakis[3,5-bis(trifluoromethyl)phenyl]borat), das sogenannte Brookhart-Salz Na(BArf4).107,109-111 Die Umsetzung wird in Gegenwart eines schwachen Donorliganden durchgeführt, der den kationischen Komplex stabilisiert ohne die freie Koordinationsstelle zu blockieren. Als besonders geeignet hat sich Acetonitril gezeigt (Abb. 4.10).

MeCN

B

CF3

CF3 4

_

N Na+

R N R

Pd

Me Cl

R' R' +

+

N R

N R

Pd

Me NCMe

R' R' B

CF3

CF3 4

_

+ NaCl

Abbildung 4.10 Darstellung isolierter (α-Diimin)palladium-Komplexe unter Verwendung von Natrium(tetra[3,5-bis(trifluormethyl)phenyl]borat.

Die Acetonitril-Komplexe des Palladiums sind als Feststoff nahezu unbegrenzt lagerfähig und einfach in der Handhabung. Sie können ohne weiteren Zusatz eines Cokatalysators oder Scavengers direkt zur Polymerisation eingesetzt werden. Die entsprechenden Nickelverbindungen sind extrem labil und lassen sich nicht als isolierte, lagerfähige Katalysatoren herstellen.

α-Diimin-Komplexe des Nickels und des Palladiums sind die bis heute am intensivsten untersuchten kationischen Polymerisationskatalysatoren auf Basis später Übergangsmetalle.

Einige (α-Diimin)nickel(II)-Katalysatoren weisen gegenüber Ethen mit bis zu 1·105 kgPE·molNi-1·h-1 Aktivität auf,83 die an die von Metallocenen/MAO-Systemen heranreichen.112 Entsprechende (α-Diimin)palladium(II)-Verbindungen sind etwa um den Faktor 1000 weniger aktiv. Die molaren Massen der Polyethene können durch Variation der Ligandenstruktur und Wahl geeigneter Reaktionsbedingungen zwischen oligomeren und hochmolekularen Produkten (Mw > 1000000 g·mol-1) eingestellt werden. Mit Nickel-Systemen lassen sich Polyethene mit hochlinearer bis hochverzweigter Mikrostruktur produzieren (1 bis 100 Verzweigungen pro 1000 Kohlenstoffatome), so dass das erhaltene Produktspektrum von hochkristallinen bis zu amorphen Polymeren reicht. Für eine industrielle Anwendung von besonderem Interesse ist, dass sich α-Diimin-Komplexe des Nickels leicht auf anorganischen Trägern wie Silica heterogenisieren lassen.113-116

Palladium-Katalysatoren liefern generell hochverzweigte amorphe Polyethene (ca. 100 Verzweigungen pro 1000 Kohlenstoffatome).108,117 Sie unterscheiden sich in der Mikrostruktur stark von den durch Nickel-Katalysatoren erzeugten. Neben normalen Verzweigungen treten verstärkt Hyperverzweigungen, d. h. verzweigte Verzweigungen, auf.

Diese Eigenschaft wird durch den Mechanismus des sogenannten chain walking erreicht, der in geringerem Umfang auch für Nickel-Systeme typisch ist (der Mechanismus der Olefinpolymerisation mit α-Diimin-Katalysatoren wird detailliert in Abschnitt 4.4 beschrieben). Die erhaltenen Polymere sind je nach Verzweigungsgrad Elastomere bis hin zu hochviskosen Ölen.118 Da diese Öle hohe Molekulargewichte aufweisen, sind sie interessant für industrielle Anwendungen und können zum Beispiel als Basismaterial oder Additiv für Schmiermittel eingesetzt werden.

Nickel(II)- und Palladium(II)-Komplexe mit α-Diimin-Liganden ermöglichen die Copolymerisation von Ethen mit polaren funktionalisierten Monomeren, wie zum Beispiel Acrylaten oder Allyl- und Vinylestern.110,111,119,120 Die entsprechenden Nickel-Systeme zeigen hingegen bei gleichen Bedingungen einen sehr niedrigen Einbau an polarem Comonomer.121 Die Entdeckungen von Brookhart führten in der Folgezeit zu einer intensiven Suche nach alternativen Ligandenstrukturen. 1998 wurde von Brookhart122, Bennett123 und Gibson124-126 unabhängig voneinander über neue kationische Eisen- und Cobalt-Katalysatoren mit dreizähnigen 2,6-Bis(imino)pyridyl-Liganden (18, Abb. 4.11) berichtet, die Ethen mit außergewöhnlich hohen Aktivitäten polymerisieren.

R R R

R

N

N N

M Cl Cl

18

Abbildung 4.11 Allgemeine Form von [2,6-Bis(imino)pyridyl] –Komplexen (18). M = Fe, Co; R = H, Me, iPr, tBu.

Mit den Eisen-Systemen werden in Kombination mit MAO Aktivitäten bis 3.3·105 kgPE·molFe-1·h-1 beobachtet. Die entsprechenden Cobalt-Katalysatoren sind unter gleichen Bedingungen um etwa eine Größenordnung weniger aktiv. Die Synthese der 2,6-Bis(imino)pyridyl-Liganden lässt sich ähnlich wie bei den α-Diiminen über eine

säurekatalysierte Kondensation von 2,6-Diacetylpyridin mit zwei Äquivalenten Anilin durchführen. Die Metallierung erfolgt anschließend über die Umsetzung des Liganden mit Eisen(II)- bzw. Cobalt(II)chlorid.

Auch in diesem Fall sind es sterisch anspruchsvolle Substituenten in ortho-Position des N-Aryl-Systems, die die Kettenwachstumsreaktion gegenüber der Kettenübertragungsreaktion begünstigen. Wird der sterische Anspruch der Substituenten verringert, so werden hochwirksame Oligomerisierungskatalysatoren erhalten, die in ihrer Aktivität die gängigen SHOP-Katalysatoren deutlich übersteigen.127,128 Eine Kombination aus Eisen- oder Cobalt-Oligomerisierungskatalysatoren mit Metallocen/MAO-Systemen ermöglicht die Synthese von LLDPEs direkt aus Ethen in einer Tandemreaktion. Die zunächst durch den Eisen/Cobalt-Katalysator gebildeten α-Olefine werden hierbei durch das Metallocen mit Ethen copolymerisiert.129,130

Im Gegensatz zu α-Diimin-Katalysatoren tritt kein chain walking auf, die erhaltenen Polymere sind hochlineare HDPEs. Die Natur der aktiven Spezies nach der Umsetzung mit MAO ist nicht bekannt. Theoretische Berechnungen zeigen, dass auch hier eine kationische aktive Spezies vorliegt.131,132 Neuere Mössbauer- und EPR-spektroskopische Untersuchungen geben Hinweise darauf, dass keine kationische Eisen(II)alkyl-Spezies beteiligt ist, sondern durch Oxidation gebildetes hexavalentes Eisen(III).133

Neben der β-Hydrid-Eliminierung werden auch Kettenübertragungsreaktionen auf den Cokatalysator beobachtet. Dadurch werden Polymere mit breiter und bimodaler Verteilung der molaren Massen erhalten.122 Um Polymere mit relativ enger und monomodaler Verteilung der molaren Massen (Mw/Mn = 5-7) zu erhalten, ist es notwendig, mit niedrigen Metall/Aluminium-Verhältnissen zu arbeiten.

2,6-Bis(imino)pyridyl-Katalysatoren des Eisen sind ebenfalls die ersten Katalysatoren auf Basis später Übergangsmetalle, die Propen durch chain end-Kontrolle zu einem isotaktischen Polymer umsetzen. Daneben sind dies die ersten isospezifischen Systeme, bei denen die Propen-Insertion 2,1-orientiert erfolgt.134

4.4 Mechanismus der Olefinpolymerisation mit (α-Diimin)palladium(II)-Katalysatoren

Der Mechanismus der Olefinpolymerisation mit kationischen α-Diimin-Komplexen des Nickels und Palladiums ist recht gut aufgeklärt und kann anhand einiger Modellverbindungen

durch Tieftemperatur-NMR-Spektroskopie verfolgt werden.135-138 Gut geeignete Ausgangsverbindungen für diese Untersuchungen sind die kationischen Ether-Addukte 19 und 20 (Abb. 4.12).

R' N N

M

R R

R' R'

R' a) M = Ni:

b) M = Pd:-130 °C -80 °C [H (OEt+ 2)2][BArf4_ ], Et2O

+

BArf4_

R' N N

M R OEt2

R' R'

R'

a) M = Ni, R = C3H7 (19) b) M = Pd, R = CH3 (20)

Abbildung 4.12 Kationische Ether-Addukte für Tieftemperatur-NMR-Untersuchungen zur Aufklärung des Polymerisationsmechanismus.

Der Diethylether-Donorligand ist insbesondere im Nickel-Komplex (19) extrem labil und lässt sich leicht durch andere Donorliganden ersetzen. Untersuchungen mit diesen Komplexen führten zu dem in Abbildung 4.13 wiedergegebenen Mechanismus für die Ethen-Polymerisation.

Abfang durch Insertion - Et2O

R' N N

R R

R' N

N M

N N

CH3

+

M N N

R

+

M N N

H R

+

BAr'4_ M

Et2O

N N

CH3

+

M N N

R H

+ +

M N N H

R 21

Ruhezustand des Katalysators

Insertion

Insertion

Methylverzweigung im Polymer extensiveres

chain walking Langketten- und

Hyperverzweigung

=

M = Ni, Pd 19, 20

24 25

22 23

Abbildung 4.13 Mechanismus der Olefinpolymerisation mit α-Diimin-Komplexen des Nickels und Palladiums.

Nach der Initiierung durch Austausch des Donorligands gegen Ethen erfolgt das Kettenwachstum durch migratorische Insertion. Der kationische (Alkyl)ethen-Komplex (21) ist sowohl für Nickel- als auch Palladium-Systeme der Ruhezustand des Katalysators. Die Aktivierungsenergie für die Insertionsreaktion beträgt für (α-Diimin)palladium(II)-Systeme 73-79 kJ·mol-1 und ist damit etwa 17-21 kJ·mol-1 höher als für die Nickel-Analoga.139,140 Dies bewirkt den deutlichen Aktivitätsunterschied zwischen Nickel- und Palladium-Katalysatoren.

Nach der Insertion wird der Komplex über eine β-agostische Wechselwirkung stabilisiert (22). Durch Koordination von Ethen kehrt der Katalysator in den Ruhezustand zurück.

Gleichzeitig ist der β-agostische Komplex Ausgangspunkt für umfangreiche Isomerisierungsreaktionen.

Der Isomerisierungsprozess ist insbesondere für (α-Diimin)palladium(II)-Komplexe detailliert untersucht worden. Die Aktivierungsenergie der Isomerisierungssequenz, β-Hydrid-Eliminierung – Olefin-Rotation – Reinsertion (chain walking, 22 →23 →24), beträgt weniger als 64 kJ·mol-1 und ist damit deutlich geringer als die der Insertionsreaktion. Die Isomerisierung erfolgt deutlich schneller als das Abfangen der β-agostischen Spezies durch Ethen (22 →21). Dies erklärt die sehr hohen Verzweigungsgrade, die bei durch (α-Diimin)palladium(II)-Katalysatoren hergestellten Polyethenen beobachtet werden. Dabei ist die Verzweigungsdichte nahezu unabhängig von den Reaktionsbedingungen. Über die Polymerisationstemperatur und die Monomerkonzentration lässt sich lediglich das Verhältnis der unterschiedlichen Verzweigungen zueinander beeinflussen, während die Gesamtverzweigungsdichte konstant bleibt. Häufig tritt eine überproportionale Anzahl von Ethyl- und Butyl-Verzweigungen auf (typisches Verzweigungsmuster eines Polyethens in Verzweigungen pro 1000 Methylen-Gruppen: Me 36, Et 26, Pr 3, Bu 12, Amyl 2, Hexyl und länger sowie Endgruppen 34).108 Im Gegensatz dazu ist die Bildung von Verzweigungen bei (α-Diimin)nickel(II)-Systemen stark von der Temperatur und Ethen-Konzentration abhängig, sowie in geringerem Maße von der Ligandenstruktur. Die Aktivierungsenergie der β-Hydrid-Eliminierung in Zuge der Isomerisierung ist mit ~59 kJ·mol-1 deutlich höher als bei den Palladium-Systemen und wenig höher als die Aktivierungsbarriere der Insertionsreaktion (~57 kJ·mol-1). Bei tiefen Temperaturen werden deshalb nahezu lineare Polymere erhalten.

Mit steigender Temperatur nimmt die Verzweigungsdichte zu.138 In den meisten Fällen tritt eine monotone Abnahme der Häufigkeit von n-Alkyl-Seitenketten auf (typisches Verzweigungsmuster je 1000 Methylen-Gruppen108: Me 41, Et 6, Pr 3, Bu 2, Amyl 1, Hexyl und länger sowie Endgruppen 5).

Noch nicht vollständig geklärt ist der Mechanismus der Kettenübertragung. In dem von Brookhart vorgeschlagenen Mechanismus erfolgt beim Kettenabbruch zunächst eine β-Hydrid-Eliminierung unter Ausbildung eines Olefin-Hydrid-Komplexes und anschließenden assoziativen Austausch des Olefins gegen neues Monomer (Abb. 4.14 I).107

+

M N N

H R

M N N

H R

+ + +

M N N M

N N

H R R

+

M N N

R

+

M N N H

R

+

M N N H

+

M N N

R assoziativer

Austausch (I) Assoziativer Austausch

(II) Konzertierter β-Wasserstofftransfer auf koordiniertes Monomer

Abbildung 4.14. Mechanismus der Kettenübertragung durch assoziativen Austausch des Olefins gegen Monomer (I) und durch konzertierten β-Wasserstoff-übertrag auf koordiniertes Monomer (II).

Nach kombinierten quanten- und molekularmechanischen Berechnungen von Ziegler et al. für die Ethen-Polymerisation mit (α-Diimin)nickel(II)-Katalysatoren erfolgt der Kettentransfer jedoch in einem konzertierten Prozess, in dem der β-ständige Wasserstoff direkt auf koordiniertes Monomer übertragen wird (Abb. 4.14 II).141,142 Unabhängig vom betrachteten Prozess besetzt der Übergangszustand die beiden axialen Positionen des Metallzentrums. Die sterisch anspruchsvollen Substituenten des Liganden bewirken, dass die N-Aryl-Gruppen in eine senkrecht zur Ebene des quadratisch-planaren Komplexes orientierte Position gezwungen werden. In dieser Orientierung blockieren die ortho-Substituenten der N-Aryl-Gruppen die axialen Positionen des Metallzentrums, so dass es durch sterische Wechselwirkungen zu einer Erhöhung der Aktivierungsbarriere der Kettenübertragungsreaktion kommt. Der Übergangszustand der migratorischen Insertion besetzt dagegen ausschließlich die äquatorialen Koordinationsplätze des Komplexes und wird daher von den axial ausgerichteten Liganden weit weniger beeinflusst. Ein zunehmender sterischer Anspruch des Liganden führt daher zu steigenden molaren Massen der gebildeten Polymere.

5 A

UFGABENSTELLUNG

In den letzten Jahren haben Nickel(II)- und Palladium(II)-Komplexe mit sperrig substituierten α-Diimin-Liganden, als äußerst vielseitige und einfach herzustellende Katalysatoren für die Polymerisation einer großen Bandbreite von Olefinen, hohes Interesse in der akademischen und industriellen Forschung erlangt. Aufgrund der geänderten elektronischen Verhältnisse am aktiven Zentrum unterscheiden sich diese Verbindungen in ihrem Polymerisationsverhalten drastisch von Komplexen auf Basis früher Übergangsmetalle. Im Rahmen dieser Arbeit sollte dies auf zwei verschiedenen Gebieten untersucht werden.

Der erste Teil befasst sich mit der Copolymerisation von Ethen und Norbornen durch (α-Diimin)palladium(II)-Katalysatoren. In der Diplomarbeit wurden 16 verschiedenen α-Diimin-Liganden in einer screening-artigen Prozedur hinsichtlich ihrer Eignung für die Ethen/Norbornen-Copolymerisation untersucht. Basierend auf den Ergebnissen dieses Screenings, sollten im Umfang der Doktorarbeit vier Katalysatoren ausgewählt und als isolierte, direkt polymerisationsaktive Spezies hergestellt werden. Der Schwerpunkt sollte dabei auf der Untersuchung des Einflusses unterschiedlicher Monomerverhältnisse im Ansatz auf die Eigenschaften der gebildeten Polymere liegen. Neben der Einbaurate des Comonomers ist dessen Verteilung entlang der Polymerkette und die räumliche Orientierung der Einheiten zueinander von entscheidender Bedeutung. Daher sollte die Mikrostruktur mit Hilfe der 13C-NMR-Spektroskopie bestimmt werden, um daraus eine Beziehung zum Substitutionsmuster des Liganden ableiten zu können. Des weiteren sollte der Einfluss der Polymerisationstemperatur auf Aktivität und Einbauverhalten der Katalysatoren, sowie Glasübergangstemperatur und molare Masse der Copolymere untersucht werden.

Der zweiten Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Polymerisation von trans-2-Buten durch (α-Diimin)nickel(II)-Katalysatoren im Rahmen einer Industriekooperation mit der Bayer AG.

Drei Jahre nach den ersten veröffentlichten Untersuchungsergebnissen durch Brookhart et al., ist die Anzahl der Publikationen auf diesem Gebiet immer noch sehr überschaubar.

Dementsprechend klein ist der Kenntnisstand im Bereich der katalytischen Polymerisation von Olefinen mit interner Doppelbindung. Grundlegende Arbeiten wurden von Arndt-Rosenau bei der Bayer AG im Vorfeld dieser Kooperation durchgeführt. Ziel des Projektes war es, diese Kenntnisse zu vertiefen. Dazu sollte eine geeignete Polymerisationsanlage konzipiert und gebaut werden. Zunächst sollten Zeit/Umsatz-Experimente mit trans-2-Buten

durchgeführt werden, um die Reproduzierbarkeit der Polymerisationen zu kontrollieren und die erhaltenen Ergebnisse mit denen von Arndt-Rosenau bei der Bayer zu vergleichen.

Der Schwerpunkt wurde jedoch auf die Untersuchung des Polymerisationsmechanismus gelegt. Es ist seit längerem bekannt, dass Salze später Übergangsmetalle die Isomerisierung von Olefinen mit innenständiger Doppelbindung zu 1-Olefinen katalysieren. Es sollten daher Anhaltspunkte gefunden werden, ob und in welchem Umfang eine Isomerisierung von trans-2-Buten zu 1-Buten vor der Insertion stattfindet. Zu diesem Zweck sollten Konzentrationsreihen mit 1-Buten und trans-2-Buten bis hin zu sehr niedrigen Monomerkonzentration durchgeführt und die erhaltenen Polymere detailliert untersucht werden. Dies betraf insbesondere die Bestimmung der Mikrostruktur mit Hilfe der

13C-NMR-Spektroskopie. Daneben sollten gaschromatographische Untersuchungen der Zusammensetzungen des Gasraums bei den trans-2-Buten- und 1-Buten-Polymerisationen vorgenommen werden.

6 C

OPOLYMERISATION VON

E

THEN UND

N

ORBORNEN MIT

(α-D

IIMIN

)

PALLADIUM

(II)-K

ATALYSATOREN

6.1 Allgemeines