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Palladium-Komplexen eine Präferenz für Norbornen zeigt.198 Dem entgegen wirkt der hohe sterische Anspruch des Norbornens. Die relativ offene Struktur des Katalysators 1 erleichtert die Koordination des Norbornens und ermöglicht so die hohen Aktivitäten bei niedrigem Norbornen-Konzentrationen. Allerdings werden recht schnell Polymere gebildet, die hohe Anteile an Norbornen-Diaden-Strukturen aufweisen (Abschnitt 6.4.1). Da keine höheren Norbornen-Blöcke gebildet werden können, muss nach zwei Norbornen-Einheiten die Insertion von Ethen erfolgen. Mit zunehmenden Norbornen-Anteil im Ansatz ist immer weniger Ethen vorhanden und die Aktivität bzw. TOF wird kleiner. Der sperrig substituierte Katalysator 2 zeigt diese Abnahme sofort, da das aktive Zentrum bereits nach der Insertion einer Norbornen-Einheit derart blockiert ist, dass nur noch Ethen koordiniert und insertiert werden kann.

Die Katalysatoren 3 und 4 zeigen ein Verhalten, dass zwischen diesen beiden Extremen liegt.

Für 4 folgt die Abhängigkeit der TOF einem ähnlichen Verlauf wie 2, jedoch ohne die hohen Aktivitäten für die Ethen-Homopolymerisation. Katalysator 3 weist erst bei einem recht hohen Anteil des Norbornens im Ansatz seine maximale Aktivität bzw. TOF auf und ist auch bei xN = 0.4 bis 0.6 noch recht aktiv. Wie bei 1 erleichtert auch hier die relativ offene Umgebung des aktiven Zentrums die Koordination von Norbornen. Die vermutlich wie im Falle der Ethen-Insertion höhere Aktivierungsbarriere im Vergleich zu den anderen Katalysatoren könnte erklären, warum das Aktivitätsniveau von 1 nicht erreicht wird.

Daneben zeigt Katalysator 3 als einziger eine nennenswerte Aktivität in den Homopolymerisation von Norbornen. Allerdings ist anzunehmen, dass nicht der (α-Diimin)-Komplex selbst, sondern durch vollständige Ablösung des Liganden gebildetes „nacktes“

Palladium für die Polymerisation verantwortlich ist. Das α-Diimin als nicht-kovalent gebundener reiner Donorligand könnte bei hohen Ansatzkonzentrationen durch Norbornen selbst verdrängt werden.

Abbildung 6.35 verdeutlicht, welche Kombinationen aus Gewichtsmittel der molaren Massen und Einbaurate des Norbornens zugänglich sind.

0 25000 50000 75000 100000 125000 150000 175000 200000

0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8

XN Molanteil Norbornen im Polymer Mw [g·mol-1 ]

1 2 3 4

Abbildung 6.35 Gewichtsmittel der molaren Massen als Funktion der Einbaurate des Norbornens im Polymer.

Beide Größen werden direkt durch das Substitutionsmuster des Liganden beeinflusst. Wie in Abschnitt 4.4 beschrieben, erfolgt die für das Erzielen hoher molarer Massen entscheidende Kettenübertragungsreaktion durch β-Wasserstoffübertrag auf koordiniertes Monomer.141,142 Dieser Vorgang wird durch sperrige Substituenten behindert. Die Kettenwachstumsreaktion wird in der in Abschnitt 6.4.3 beschriebenen Weise durch diese Substituenten beschleunigt, so dass hohe molare Massen erzielt werden können. Gleichzeitig behindern sperrige Substituenten die Koordination und Insertion voluminöser Monomere wie Norbornen. Dies zeigt sich in Abbildung 6.35 . Katalysator 2 liefert die höchsten molaren Massen bei der Homopolymerisation von Ethen mit etwa 142000 g·mol-1. Ist Norbornen im Ansatz enthalten, gehen die molaren Massen der Polymere kontinuierlich zurück. Ein gegenläufiges Verhalten zeigt der Katalysator 1. Bei der Ethen-Homopolymerisation werden lediglich Oligomere

gebildet, da sein wenig anspruchsvoll substituierter Ligand Kettenübertragungsreaktionen nicht wirkungsvoll unterdrücken kann. Aus dem selben Grund sind die molaren Massen der Norbornen-haltigen Copolymere mit Werten bis 66000 g·mol-1 recht gering, wobei allerdings sehr hohe Einbauraten erreichbar sind.

Der Anstieg der molaren Massen mit steigendem Norbornen-Gehalt lässt sich erklären, wenn der Mechanismus der Übertragungsreaktion betrachtet wird. Mit Norbornen als zuletzt insertierter Monomereinheit kann kein Kettenabbruch durch β-Hydrid-Übertrag erfolgen.

Eine Voraussetzung für den β-Hydrid-Übertrag ist die Coplanarität der Metall-Kohlenstoff-Bindung und des β-Wasserstoffs. Dies ist nach der 2,3-cis-exo-Insertion nicht der Fall.

Daneben ist eine Eliminierungsreaktion unter Einbeziehung des Brückenkopf-Wasserstoffatoms aufgrund der Bredt’schen Regel verboten. Ein Kettenabbruch ist also nur nach Insertion von Ethen möglich. Deshalb sollte mit kleiner werdendem Ethen-Anteil im Polymer die molare Masse zunehmen.199 Die Katalysatoren 3 und 4 weisen daher ähnliche Verläufe auf. Beide erzielen bei niedrigen Molanteilen des Norbornens im Polymer nur geringe molare Massen. Die Kombination aus hohen molaren Massen und vergleichsweise hohen Einbauraten des Norbornens bis zu XN = 0.50 ist möglich. Mit Katalysator 3 werden molare Massen bis 191000 g·mol-1 erreicht. Offensichtlich gelingt mit diesem Liganden ein guter Kompromiss zwischen leichter Koordination von Norbornen und wirksamer Unterdrückung der Kettenübertragung. Überraschenderweise zeigt Katalysator 4 mit Werten bis zu 159000 g·mol-1 ebenfalls hohe molare Massen bei Norbornen-reichen Polymeren auf.

Die strukturellen Parallelen des Liganden von 4 mit dem von Katalysator 2 ließen einen ähnlichen Verlauf erwarten.

Wie schon bei der Aktivität, so wird auch bei der Berechnung der molaren Massen der Einfluss der Einbaurate des Norbornens vernachlässigt. Werden Copolymere mit der gleichen Anzahl verknüpfter Monomereinheiten betrachtet, so weist ein Norbornen-reiches stets eine höhere molare Masse auf als ein Ethen-reiches. Die falsche Gewichtung wird vermieden, wenn die Kettenlänge der Polymere über den mittleren Polymerisationsgrad Pw angegeben wird. Dieser lässt sich aus dem Gewichtsmittel der molaren Massen und der Einbaurate des Norbornens im Polymer berechnen.

[

N N

] [

wE

(

N

) ]

w M X M 1 X

P M

⋅ +

= ⋅ (4)

In Abbildung 6.36 ist der über die Gewichtsmittel der molaren Massen berechnete mittlere Polymerisationsgrad als Funktion der Einbaurate des Norbornens im Polymer dargestellt.

0 1000 2000 3000 4000 5000 6000

0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8

XN Molanteil Norbornen im Polymer Pw

1 2 3 4

Abbildung 6.36 Mittlerer Polymerisationsgrad als Funktion der Molanteils Norbornen im Polymer für Ethen/Norbornen-Copolymere hergestellt unter Verwendung der Katalysatoren 1 bis 4 bei 30 °C in Toluol.

In Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Ziegler et al. liefert Katalysator 2 die insgesamt höchsten Polymerisationsgrade, wobei allerdings nur niedrige Norbornen-Einbauraten realisierbar sind. Sollen hohe Norbornen-Einbauraten in Verbindung mit hohen Polymerisationsgraden erreicht werden, sind die Katalysatoren 3 und 4 besser geeignet.

Einbauraten über XN = 0.50 sind nur mit 1 zu erzielen, wobei die Polymerisationsgrade einen Wert von 1000 nicht überschreiten.

Polydispersitäten von Mw/Mn = 2 sind typisch für Katalysatoren auf Basis früher Übergangsmetalle, bei denen die Kettenübertragungsreaktionen statistisch erfolgen. Der überwiegende Anteil der durch die Katalysatoren 1 bis 4 gebildeten Copolymere weist Polydispersitäten auf, die teilweise deutlich unter Mw/Mn = 2 liegen. Es ist daher

anzunehmen, dass die Polymerisation zu einem gewissen Teil lebenden Charakter aufweist.

Diese Beobachtungen stimmen mit Ergebnissen von Brookhart et al. überein, nach denen die Ethen- und α-Olefin-Polymerisation mit α-Diimin-Komplexen des Palladiums200 und des Nickels201 unter geeigneten Bedingungen (niedrige Polymerisationstemperatur, niedrige Katalysatorkonzentration, hohe Monomerkonzentration) über einen lebenden Mechanismus abläuft.

1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

XN Molanteil Norbornen im Polymer Mw/Mn

1 2 3 4

Abbildung 6.37 Polydispersitäten der durch die Katalysatoren 1 bis 4 bei 30 °C in Toluol hergestellten Ethen/Norbornen-Copolymere als Funktion des Molanteils Norbornen im Polymer.

Die meisten Copolymere sind monomodal. Dies gilt ebenfalls für die durch Katalysator 3 gebildeten Polymere. Unter der Annahme, dass beide Isomere des Katalysators aktiv sind, wären bimodale Produkte zu erwarten. Die Ursache für dieses Verhalten ist unklar.

Möglicherweise findet unter den gegebenen Polymerisationsbedingungen eine Isomerisierung des Katalysators durch Rotation der N-Aryl-Gruppen statt.

Bi- oder Multimodalität tritt hauptsächlich dann auf, wenn der Anteil des Norbornens im Ansatz xN = 0.60 übersteigt. Dieses Verhalten kann erneut einer partiellen Ablösung des

Liganden vom Metall-Zentrum zugeschrieben werden. Die Einzelsignale im Chromatogramm sind jedoch meist extrem eng verteilt, so dass die Gesamtpolydispersität häufig auch bei bimodalen Polymer unter Mw/Mn = 2 liegt.