• Keine Ergebnisse gefunden

1.4 pH-sensitive NIR-Fluoreszenzindikatoren

1.4.2 NIR-Fluoreszenzindikatoren

Indikatoren sind Molek¨ule, welche die F¨ahigkeit besitzen, eine chemische Information, wie z.B. die Konzentration eines bestimmten Analyten, in ein analytisch verwertbares Signal

2Die Absorptionsmaxima dieser Verbindungen liegen meist aber dennoch im Bereich des

optischen Fens-ters“ (vgl. Abb. 1.1).

zu ¨ubersetzen. Fluoreszenzindikatoren auch Fluoreszenzsonden oder sensoren genannt -sind somit Indikatoren, welche die Emission von Fluoreszenzlicht als analytisches Signal nutzen. Ein typischer Fluoreszenzindikator vereint eine analytische Bindungsstelle (Che-lator, Koordinationsstelle, Rezeptor oder Ligand genannt) mit einem Fluorophor, welcher das Bindungsereignis zwischen dem Analyten und der Bindungsstelle in einen Fluoreszen-zoutput ¨ubersetzt. Fluoreszenzsonden, welche spezifische Molek¨ule oder Ionen detektieren, quantifizieren und/oder abbilden k¨onnen sind zu unerl¨asslichen, empfindlichen Werkzeugen in Medizin und Technik geworden und haben wesentlich zum Verst¨andnis chemischer und biologischer Systeme beigetragen. Fluoreszenzspektroskopie ist hierbei eine experimentell vielseitige Methode: die Fluoreszenzsignale k¨onnen als Anregungs- oder Emissionsspektren, Intensit¨aten, Intensit¨atsverh¨altnisse (ratiometrisch), Lebenszeiten und sogar als Anisotro-pie beobachtet werden.[160] Auch bei der Verwendung von Fluoreszenzsonden gelten f¨ur Systeme im nahen Infrarot nat¨urlich dieselben Vorteile wie f¨ur Fluorophore im Allgemei-nen (s. Kap. 1.1.1). Interessant f¨ur diese Arbeit sind eben solche Fluoreszenzindikatoren, die im NIR operieren, wenngleich auch hier die Auswahl an entsprechenden Systemen f¨ur den sichtbaren Bereich naturgem¨aß viel gr¨oßer ist.

Es existieren mittlerweile Fluoreszenzindikatoren f¨ur eine große Anzahl denkbarer Ana-lyten. Einige Metallkationen spielen beispielsweise sehr wesentliche Rollen in verschiedenen biologischen Prozessen, w¨ahrend andere mit Toxizit¨at und Erkrankungen in Verbindung ge-bracht werden.[161–163]So k¨onnen verschiedenste Metallkationen, wie z.B. Na+,[164]K+,[165]

Ca2+,[166–168] Fe3+,[169] Cu2+,[169] Zn2+,[169–171] Hg2+,[172,173] aber auch Anionen, wie z.B.

F,[174] CN,[175] Biomolek¨ule wie Toxine,[176] Peptide/Proteine,[177] Saccharide,[178] oder reaktive Sauerstoff/Stickstoff Spezies (reactive oxygen/nitrogen species, ROS/RNS), wie z.B. HOCl oder NO,[179,180] addressiert werden.

Die Strukturen einiger ausgew¨ahlter NIR-Fluoreszenzindikatoren f¨ur verschiedene Me-tallionen sind in Abb. 1.5a gezeigt. Das Bodipy-Derivat 41 ist ein selektiver Indikator f¨ur Hg2+-Ionen.[181]In seiner metallfreien (

”apo“) Form liegt das Absorptionsmaximum in THF bei 720 nm und ein ICT (internal charge transfer) Prozess von den Stickstoffdonoren in den beiden Dithia-Dioxa-Aza-Kronen zum Bodipy-Chromophor quencht die Fluoreszenz bei 740 nm stark. Durch Zugabe von Hg(ClO4)2 geht 41in seine ionengebundene Form42

¨

uber und das Absorptionsmaximum wird 90 nm hypsochrom verschoben. Gleichzeitig entwi-ckelt sich eine starke Fluoreszenz bei 660 nm. Durch Zugabe anderer Metallsalze wird diese signifikante ¨Anderung in den spektroskopischen Eigenschaften nicht erreicht. Die Dissozia-tionskonstante Kd f¨ur diesen Chemosensor mit zwei ¨Aquivalenten an Hg2+-Ionen betr¨agt 1.8·10−6 M2. Einen weiteren Fluoreszenzindikator stellt das dipicolylsubstituierte Cy7-Derivat43bzw.44dar, welches selektiv auf Zn2+-Ionen anspricht.[182] In seinerapo-Form

weist diese Verbindung in HEPES-gepufferter, w¨assriger Acetonitrill¨osung ihr Absorptions-maximum bei 730 nm und ihr EmissionsAbsorptions-maximum bei 780 nm auf. Nach Chelatisierung von Zn2+-Ionen durch die Dipicolylamineinheit ¨andern sich die spektralen Lagen von Ab-sorption und Emission nicht, aber die Fluoreszenz steigt bis um das 20-fache an. Zus¨atzlich zeigt dieses Derivat keine Abh¨angigkeit vom pH-Wert im physiologischen Bereich. Somit eignet sich dieser Indikator zur Bestimmung von Zn2+-Konzentrationen in Zellen mit einer Dissoziationskonstante Kd von 6.3·10−8 M.

Allen Fluoreszenzindikatoren ist gemein, dass sie chelatisierende Gruppen tragen, wel-che Donoreinheiten - meist Amine - aufweisen. Kronenetherderivate als Chelatoren, wie bei 41bzw.42 sind nicht untypisch und werden f¨ur viele Metallkationen verwendet. Diese Chelatoren sind entweder im konjugierten π-System eingebaut (z.B. bei41 bzw.42) oder durch einen nicht-konjugierten Spacer vom Fluorophor getrennt (z.B. bei43bzw.44). Das Fluoreszenzl¨oschen in derapo-Form ist im Wesentlichen auf zwei photophysikalische Prozes-se zur¨uckzuf¨uhren und abh¨angig vom Design der Indikatoren. Bei Systemen, in denen der Chelator mit dem Fluorophor inπ-Konjugation steht, tritt oft ein interner Ladungstransfer (internal charge transfer, ICT) auf. Wenn der Chelator ¨uber einenσ-Spacer vom Fluorophor konjugativ getrennt ist, ist es meist ein photoinduzierter Elektronentransfer (photoinduced electron transer, PET) vom Chelator zum Fluorophor, welcher einen strahlungslosen Kanal f¨ur die Desaktivierung des elektronisch angeregten Zustandes ¨offnet. Durch Chelatisierung des entsprechenden Analyten werden die zuvor energetisch hochliegenden Donororbitale stabilisiert, also energetisch abgesenkt, und ICT bzw. PET kann nicht mehr stattfinden -die Fluoreszenzquantenausbeute steigt stark an.[160,183]

Sehr große Bedeutung kommt Fluorophoren zu, welche selektiv auf Protonen gegen¨uber anderen Kationen ansprechen. Abb. 1.5b zeigt verschiedene sogenannte pH Fluoreszenz-indikatoren, welche zudem elektronische ¨Uberg¨ange im NIR aufweisen. In der Literatur findet sich eine Vielzahl solcher pH Fluoreszenzindikatoren f¨ur den sichtbaren Bereich aus unterschiedlichen Farbstoffklassen, wie z.B. Cyaninen,[184] Bodipys,[160,185–187] Rhodami-nen[188–190] oder anderen.[191–193] F¨ur das NIR ist die Auswahl naturgem¨aß wiederum viel geringer. Die meisten pH-sensitiven Fluoreszenzindikatoren bauen hier auf Bodipys (wie 45)[93,160,194–196] oder Heptamethinen (wie46)[158,197–205] auf. Aber auch andere Systeme, wie Styrylcyanin47, sind bekannt.[206–210]Wichtig beim rationalen Design von pH Fluores-zenzindikatoren ist die Absch¨atzung, welchen pKaWert das Amin (bzw. die Donorfunktion) in der Zielstruktur aufweist. F¨ur Arbeiten in eukaryotischen, zellul¨aren Umgebungen bei-spielsweise gibt es im Wesentlichen zwei interessante pH-Bereiche, an die der pKa Wert entsprechend angepasst werden muss: der physiologische Bereich zwischen ca. 6.8-7.4 und der st¨arker saure Bereich zwischen ca. 4.5-5.5, welcher in sp¨aten Endosomen bzw. Lysosomen

N N

Abbildung 1.5: Ausgew¨ahlte NIR-Fluoreszenzindikatoren; a) f¨ur Metallkationen: Hg2+-sensitives Bodipy-Derivat in apo- (41) und ionengebundener Form (42), Zn2+-sensitives Cy7-Derivat in apo- (43) und ionengebundener Form (44); b) f¨ur Protonen:

Bodipy- (45), H-ICG- (46) und Styrylcyanin-Derivat (47).

vorherrscht. Systeme mit pKa Werten unter 4 k¨onnen mitunter f¨ur acidophile Prokaryoten interessant sein.[192,193]Der beobachtbare pH-Bereich ergibt sich etwa zu pKa±1. Der pKa

Wert des pH-sensitiven Fluoreszenzindikators kann ¨uber intelligentes, chemisches Design maßgeschneidert werden. Substitutionen an aromatischen Untereinheiten oder an den Do-noreinheiten selbst f¨uhren zu Verschiebungen in den pKaWerten gem¨aß ihrer elektronischen und sterischen Effekte. So kann bspw. der pKa Wert von47von 4.40 durch Entfernen des an der Indoleinheit anellierten Benzolringes auf 4.71 angehoben werden.[206]Auch das Ersetzen des Iodatomes am Phenylring in dermeso-Position von Bodipy45durch andere Halogena-tome oder Wasserstoff f¨uhrt sicher zur ¨Anderung der pKa Werte der endst¨andigen Aniline.

Die Derivatisierungsm¨oglichkeiten zum Einstellen der pKa Werte sind vielf¨altig.[160]

Eine wesentliche Eigenschaft von Fluoreszenzindikatoren, wenn man von deren pH-Sensitivit¨at spricht, sollte nat¨urlich eine gute Wasserl¨oslichkeit dieser Systeme sein. Zwar wird in vielen Publikationen von (NIR) pH Fluoreszenzindikatoren gesprochen, dennoch sind viele Verbindungen nicht in reinem Wasser l¨oslich. Ihre (spektroskopischen) Eigen-schaften, vor allem pKa Werte, werden dann oft in Gemischen aus Wasser und Alkoholen oder anderen organischen L¨osungsmitteln/Zus¨atzen bestimmt.[160,195,206] Man kann erwar-ten, dass solche Fluorophore gerade in biologischen Bereichen oft nur bedingt angewendet werden k¨onnen. Die Darstellung von pH-sensitiven NIR-Fluoreszenzindikatoren, die wirk-lich alle Eigenschaften - Absorption und Emission im NIR-Bereich von 800 nm oder dar¨uber, selektives Fluoreszenzschalten durch Protonierung in gew¨unschten pH-Bereichen und hohe Wasserl¨oslichkeit - auf sich vereinen, stellt eine anspruchsvolle Herausforderung dar.