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Teil 2 (Mobilfunksysteme): Kap. 7

8 Mobilfunknetze 2G (Mobiltelefonie, GSM, GPRS u.a.)

8.1 GSM - Global System for Mobile Communications

8.1.7 Neuere Sprachdienste (ASCI) und Datendienste (HSCSD)

Im GSM 1994 eingeführte Datendienste basieren auf kanalvermittelter Übertragung. Jeder Nutzer erhält bei Sprachübertragung eine exklusive Verbindung über einen TCH (Traffic Channel) ~> ineffiziente Kanalauslastung und hohe Gebühren (Problem für Internet-Dienste).

Bestehende Datendienste mit max. DÜ-Rate 9.6 kbit/s (mit spezieller Kodierung bis 14,4 kbit/s). Leistung nicht ausreichend, Gebührenabrechnung erfolgt für Dauer der Übertragung statt Menge der übertragenen Daten.

Zwei prinzipielle Ansätze für neue Datendienste im GSM mit DÜ-Rate > 9,6 kbit/s:

- hochbitratige kanalvermittelte Datendienste,

- paketorientierte Datendienste mit variablen Bitraten.

46 Hochbitratige kanalvermittelte Datendienste:

Sie basieren auf paralleler Nutzung mehrerer Verkehrskanäle. Durch Zusammenfassen der 8 Verkehrskanäle einer Trägerfrequenz (Bündelung) kann eine max. Datenrate von 8 * 9,6 = 76,8 kbit/s erreicht werden ~> standardisiert von ETSI als HSCSD (High Speed Circuit Switched Data). Realisierung HSCSD durch Änderungen in Kanalzuweisung, Verbindungs-aufbau, Handoverprozeduren und im Übergang zum Festnetz (Interworking). Mit spezieller Kanalcodierung können 14,4 kbit/s je Zeitschlitz erzielt werden. Bei Bündelung von 8 Kanä-len könnte theoretisch eine Übertragungsrate von 8 * 14,4 = 115 kit/s erreicht werden.

Nachteilig: Veränderung der Kanalanzahl ist bei den traditionellen Zuteilungs- und Abschal-tungsmechanismen sehr träge (ungeeignet für Internet-Anwendungen mit hohen Spitzenge-schwindigkeiten).

Paketorientiertes Datendienstkonzept:

Paketisierung des Datenstroms. Ressourcenzuteilung nur für Dauer eines Paketes. Abrech-nung für Datenmenge (Anzahl Pakete). Es kann nicht nur Datenraten wie HSCSD erzielen, sondern durch Multiplexen mehrerer Verbindungen auf einem oder mehreren parallel genutz-ten Verkehrskanälen auch eine flexible Kanalnutzung für Anwendungen mit variablen Bitra-ten erreichen. Da GSM kanalvermittelt (circuit switched) überträgt, waren für einen Paket-dienst signifikante Modifikationen erforderlich.

ETSI 1997: Standardisierung eines paketorientierten Dienstkonzeptes im GSM Phase 2+

(2.5G): GPRS (General Packet Radio Service). Mit spezieller Kanalkodierung sind Spitzen-raten von 8 * 21,4 = 171,2 kbit/s möglich. Im Rahmen der Standardisierung von Enhanced Data Rates for GSM Evolution (EDGE) wird GPRS-Standard zum Enhanced GPRS-Standard (EGPRS) erweitert. Mittels neuer Modulation und Kanalkodierung -> max. Übertragungsrate von 8 * 43,2 = 345,6 kbit/s.

2. Advanced Speech Call Items (ASCI)

Neben neuen Datendiensten auch neue Sprachdienste (z.B. Gruppenkommunikation) erforder-lich (bisher nur in Bündelfunksystemen angeboten). Seit 1994 werden auf Betreiben der in-ternationalen Eisenbahnvereinigung UIC (Union des Chemins der Fer) unter der Bezeichnung ASCI (Advanced Speech Call Items) Gruppen- und Rund-Funkdienste mit schnellem Ver-bindungsaufbau und Prioritätensteuerung innerhalb GSM Phase 2+ bearbeitet.

Im Bereich Deutsche Bahn 8 verschiedene inkompatible Funksysteme (2000), analog in Eu-ropa. Triebwagen verwenden im nationalen und internationalen Zugverkehr unterschiedliche Kommunikationssysteme. Unter Federführung der UIC wird ein einheitliches europäisches Betriebsfunksystem entwickelt: European Train Control System (ETCS). GSM-Funkkanal nur für max. Terminalendgeschwindigkeit von 250 km/h spezifiziert, Versuche haben 300 km/h bestätigt. Betriebsfunk der DB wird unter der Bezeichnung DIBMOF (diensteintegrierender Bahnmobilfunk) entwickelt. Kommunikationsplattform: GSM-Rail (GSM-Rail-Netz liegt neben dem GSM-Erweiterungsband).

Um Anforderungen des UIC-Betriebsfunks zu genügen, müssen Gruppen- und Rundfunkrufe mit schnellem Verbindungsaufbau in das GSM integriert werden, ergänzt durch eine aus dem ISDN abgeleitete Prioritätensteuerung. Standardentwürfe der ETSI umfassen die Spezifikati-onen von Voice Broadcast Service (VBS), Voice Group Call Service (VGCS), Enhanced Multi-Level Precedence and Pre-Emption (eMLPP).

Voice Broadcast Service

Sprach-Rundfunkdienst (Voice Broadcast Service): damit können Teilnehmer des Mobilfunk- und Festnetzes eine Nachricht an mehrere sog. Zuhörer senden.

47 Abbildung 8.17: Voice Broadcast Service

Logisches Konzept der erweiterten Sprachdienste: Wird ein Rundfunkruf von einer Mobilsta-tion initiiert, wird die Identität der entsprechenden Zelle und die angeforderte Gruppenidenti-tät zum Gruppenrufregister (Group Call Register, GCR) des zugehörigen MSC weitergeleitet.

Bei einem aus dem Festnetz initiierten Ruf wird entsprechende Teilnehmer- und angeforderte Gruppenidentität zum GCR übertragen. GCR sendet darauf hin eine Liste der Zellen zurück, in denen der Ruf gemäß der Gruppenzusammensetzung und dem Aufenthaltsort der Grup-penmitglieder ausgestrahlt werden soll. Verantwortliches MSC leitet Liste zu den betreffen-den MSCs weiter. Diese instruieren die zugehörigen BSCs, einen Rundfunkkanal in jeder betroffenen Zelle einzurichten und auf neu definiertem Signalisierkanal eine Rufbenachrichti-gung (Notification) aus zusenden. In GSM-Empfehlung 08.58 wurden die GSM-Steuerkanäle um die Notification Common Control Channel (NCCH) erweitert.

Voice Group Call Service

Vom ASCI unterstützter Sprachgruppenruf, sog. Voice Group Call Service (VGCS). Ermög-licht Festnetz- oder Mobilstationen, einen Gruppenrufkanal aufzubauen, auf dem Gruppen-mitglieder hören oder übertragen können. Nachdem Rufinitiator seine Nachricht übermittelt hat, gibt er Kanal frei und wechselt in Zuhörermodus. Einteilung der Adressatengruppe des VGCS wie beim VBS in Mobilstationen, die der Gruppe angehören und sich in einem vorde-finierten geographischen Gebiet aufhalten, sowie eine fest definierte Gruppe von Festnetzsta-tionen.

Sobald kein Gruppenrufteilnehmer spricht, kann jeder Teilnehmer die Zuweisung des Kanals beantragen. Bei erfolgreicher Zuweisung erhält er Senderecht, bis er Kanal frei gibt und wie-derum in den Zuhörermodus wechselt. Rundfunkruf wird i.d.R. explizit durch den Initiator beendet. Falls Verbindung durch Störung unterbrochen, kann diese nicht erkannt werden ~>

Rufabbau erfordert beim Gruppenruf die Funktion Voice Activity Detection (VAD).

eMLPP: Dienst zur Prioritätensteuerung

Prioritätenstrategie der ASCI ist von dem im SS7 verwendeten Multi-Level-Precedence and Emption-Schema (MLPP) abgeleitet und als enhanced Multi-Level Precedence and Pre-Emption (eMLPP) in GSM eingeführt. MLPP definiert eine 5-stufige Priorität, eMLPP 7 Prio-ritätsklassen. Zusätzlich zu den 5 Klassen des MLPP (0 ... 4) sind 2 weitere Klassen A und B für ausschließlich netzinterne Vorgänge festgelegt (z.B. Konfiguration der Gruppen- und Rundfunkrufe VGCS und VBS). Rufe mit Priorität A oder B können nur lokal innerhalb des Versorgungsbereiches einer MSC benutzt werden. Falls diese global verwendet werden sollen (z.B. GSM-Ruf, ISDN), wird die Prioritätsklasse 0 der MLPP-Prioritäten zugeordnet. Die einem Teilnehmer zugewiesene maximale Priorität wird mit dem Dienstanbieter bei Vertrags-abschluss ausgehandelt und auf der SIM-Karte gespeichert.

48 3. High Speed Circuit Switched Data (HSCSD)

Kanalbündelungstechnik

Mit Hilfe des hochratigen kanalvermittelten Datendienstes HSCSD (High Speed Circuit Swit-ched Data) können einer Mobilstation innerhalb eines 200 kHz Frequenzkanals für die Dauer der Übertragung gleichzeitig mehrere Vollratenverkehrskanäle (TCH/F9,6) zugewiesen wer-den. Bei paralleler Nutzung aller 8 Zeitschlitze sind damit, abhängig vom verwendeten Trä-gerdienst, unter der Voraussetzung GSM-konformer TCH/F9,6-Codierung, Datenraten bis zu 76,8 kbit/s erreichbar. Eine parallele Nutzung von mehr als 4 Kanälen erfordert aufwendige Sende- und Empfangseinrichtungen in den Mobilstationen. Im Standard war anfangs die An-zahl vorläufig auf 2 Kanäle begrenzt, ab 2004 5 Kanäle eingerichtet. HSCSD entspricht einer Leitungsvermittlung mit Kanalbündelung.

Logische Architektur

Im GSM sind die DÜ-Funktionen i.w. in der Endgeräteanpassungsfunktion (Terminal Adapti-on FunctiAdapti-on, TAF) der MS sowie der NetzübergangsfunktiAdapti-on (Interworking FunctiAdapti-on, IWF) der MSC angesiedelt. Prinzipiell ist im HSCSD diese funktionelle Aufteilung beibehalten.

Gleichzeitige Nutzung mehrerer Verkehrskanäle erfordert i.w. nur eine zusätzliche Split-ting/Combining-Funktion in den Komponenten der MS (TAF) bzw. MSC (IWF).

Abbildung 8.18: Architektur HSCSD

Aus logischer Sicht besteht zwischen Mobilstation (MS) und Mobile Switching Center (MSC) lediglich eine Verbindung. Das Segmentieren und Wiederherstellen basiert daher auf einer fortlaufenden Nummerierung der einzelnen Datenrahmen. Die an der Funkschnittstelle ver-wendeten Zeitschlitze am Abis -Bezugspunkt zwischen BTS und BSC werden transparent ab-gebildet. Am A-Bezugspunkt (bzw. E-Bezugspunkt zwischen zwei MSCs) werden die HSCSD-Kanäle dann auf eine 64 kbit/s Verbindung gemultiplext.

Funkschnittstelle

An der Funkschnittstelle kann eine HSCSD-Verbindung aus bis zu 8 Verkehrskanälen (TCH) bestehen (Multislot Assignement, MSA). Alle Kanäle einer HSCSD-Verbindung verwenden gleiches Frequenzsprungverfahren und gleiche Trainingsfrequenz, aus Sicherheitsgründen jedoch eine separate Verschlüsselung pro Kanal. Kanalcodierung, Interleaving und Raten-adaption der bestehenden Verkehrskanäle werden beibehalten, um Implementierung gering zu halten. Jedem Teilkanal ist ein SACCH (Slow Associated Control Channel) zugeordnet ~>

ermöglicht individuelle Sendeleistungskontrolle und verbessert Interferenzpegel. Zeitliche Ausrichtung erfolgt nach Zeitschlitz 0. Damit werden die Idle TDMA-Rahmen im 26er Mehr-fachrahmen nicht verwendet, so dass eine Synchronisierung mit den Nachbarzellen ermög-licht wird. Pro HSCSD-Verbindung existiert nur ein schneller beigeordneter Steuerkanal (Fast Associated Control Channel, FACCH), der als Haupt-HSCSD-Teilkanal (Main HSCSD Sub Channel, MHCH) bezeichnet wird.

49 Trägerdienste

Im HSCSD werden transparente und nichttransparente Trägerdienste unterstützt (in Anleh-nung an bestehende GSM-Trägerdienste). Transparenter Dienst garantiert bei schwankender Dienstgüte eine gleich bleibende Datenrate. Falls die Dienstgüte unter einen Schwellwert sinkt, kann die Anzahl der zugewiesenen Kanäle erhöht werden. Nichttransparenter Träger-dienst garantiert eine gleichbleibende Dienstgüte bei schwankendem Durchsatz.

Signalisierung

Beim HSCSD können höhere Blockier-Wktn. auftreten, da parallele Verkehrskanäle gleich-zeitig belegt werden. Im bestehenden GSM existiert für jede Datenrate ein Trägerdienst. Mit dem HSCSD je nach Konfiguration verschiedene variable Datenraten realisierbar. Um nicht weitere Trägerdienste je Datenrate zu definieren, wird beim HSCSD die Datenrate nur als Dienstgüteparameter betrachtet ~> Konzept des Flexible Bearer Services (FBS): gewünschte Datenrate (Desired Number of Channels, DNC) bzw. erforderliche Datenrate (Required Num-ber of Channels, RNC).

Einer Mobilstation kann jede Datenrate zwischen gewünschter und erforderlicher Datenrate zugewiesen werden. Damit im Handover geringere Blockier-Wkt. erreichbar. Mit FBS-Konzept kann die Übertragung aufrecht erhalten werden, wenn während des Handovers die Zielzelle nicht über genügend freie Kanäle verfügt, solange in Zielzelle ausreichend Kanäle für die geforderte Datenrate verfügbar sind.

8.1.8 General Packet Radio Service (GPRS)