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4. Institutionalisierung von Berufsberatung und Berufs-

4.5 Institutionalisierung von Berufsberatung

4.5.2 Deutschland: Aufbau und Organisation der BA

4.5.2.2 Neuausrichtung der Berufsberatung

Die Berufsberatung genießt daher innerhalb des Bereichs der Jugendlichen unter 25 Jahren (U25) mit den Elementen der Berufsberatung und Ausbildungsvermittlung eine Reihe von Besonderheiten, die sicherlich auch aus der Kritik am mechanisti-schen Ansatz der oben bereits angesprochenen Handlungsprogramme resultiert. Im Rahmen eines Modellversuchs in der Agentur Ludwigshafen aus dem Jahre 2006 wurde eine der traditionellen Berufsberatung angepasste Version der

Handlungspro-gramme für den Kundenbereich Berufsberatung und Ausbildungsvermittlung einge-führt (Bieber et al. 2006, S. 169).

Die formalen Grundstrukturen des Handlungsprogramm-Konzepts der Vermittlung finden sich ebenfalls in dem Konzept für Beratung und Ausbildungsvermittlung. Die Elemente seien hier aufgelistet, aber inhaltlich nicht näher erläutert:

Kundensteuerung durch Empfang, Eingangszone und Service Center (vgl.

Abbildung 8)

Arbeitspaket zur Vorbereitung von Beratung und Vermittlung Handlungsprogramme

Differenzierung auf Arbeitgeberseite in Standard- und Zielkunden Stellenspezifische Matchingstrategien.

Abbildung 7: Aufbau des Kundenzentrums der Agenturen für Arbeit

Eine wesentliche Besonderheit im Vergleich zur allgemeinen Arbeitsvermittlung tritt im Beratungsprozess der Berufsberatung zu Tage, da diesem selbst keine Kundendiffe-renzierung und keine Handlungsprogramme obliegen. Hier wird die Sonderstellung der traditionellen Berufsberatung ersichtlich, durch die die funktionale Trennung in Beratung und Ausbildungsvermittlung nachvollziehbar wird, da das eigenständige Angebot der Beratung unabhängig von Handlungsprogrammen und Ausbildungs-vermittlung bestehen bleibt. Neu ist allerdings der Anspruch, eine höhere

Verbind-lichkeit zu erreichen, indem eine verpflichtende Eingliederungsvereinbarung zwi-schen Berater und jugendlichem Kunden getroffen werden soll. Fraglich ist zum ge-genwärtigen Zeitpunkt allerdings noch, inwieweit die Praxis der Berufsberatung die-sem theoretischen Anspruch gerecht werden kann. Neu ist außerdem, dass unter-stützungsbedürftige Jugendliche verstärkt fokussiert werden sollen.

Somit lässt sich festhalten, dass den Berufsberatern im Team U25 ein gewisser Handlungsfreiraum bleibt, der sich konkret darin äußert, dass sowohl der Beratungs-prozess von jugendlichen Berufswählern als auch die Auswahl und der Einsatz von entsprechenden Handlungsprogrammen in der Hand des Beraters liegen. So sollen beraterische Interventionen im Ablauf eines Handlungsprogramms weiterhin möglich bleiben. Der Handlungsprogrammansatz kommt nach Aussage der Autoren Bieber et al. allerdings erst nach dem Übergang des Jugendlichen in die Ausbildungsvermitt-lung zum Tragen (ebd., S. 170), wobei die Übergänge im Prozess der Beratung si-cherlich fließend und nicht klar voneinander zu differenzieren sind.

Kritik an der Neuausrichtung der Berufsberatung gab es unter den Fachkräften be-züglich der oben bereits angesprochenen neuen Konzentration auf besonders unter-stützungsbedürftige Jugendliche. Die am Modellversuch beteiligten und im Ergebnis befragten Fachkräfte bezweifelten, dass diese Zielgruppe aufgrund der Neuausrich-tung tatsächlich erreicht werde. Zudem zeigten sie sich wenig überzeugt, dass es durch die Handlungsprogramme zu einer qualitativen Verbesserung der Ausbil-dungsvermittlung komme. Ein weiterer Kritikpunkt, der erneut eher den Teilbereich der Ausbildungsvermittlung betrifft, bezieht sich auf die Zuordnung zu Kundengrup-pen nach dem Kriterium des Handlungsbedarfs. Die Zuordnung konzentriere sich jedoch ausschließlich am Bedarf, wodurch nach Ansicht der befragten Fachkräfte zu stark die Schwachstellen der jugendlichen Kunden in den Vordergrund gestellt wer-den.

Einzig positiv bewerteten die befragten Fachkräfte die Zuordnung zu Kundengruppen anhand des Handlungsbedarfs als mögliches Strukturierungsmittel, jedoch wird die-ser Vorteil durch die Kritik an der Schwachstellenorientiertheit dieses Mittels gleich-zeitig wieder relativiert (ebd., S. 170).

4.5.3 Zusammenfassung

Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich die deutsche BA-Struktur bezüglich der Kundensteuerung durch Empfang, Eingangszone und Service Center am

österreichi-schen 3-Zonenmodell orientiert und ähnliche Strukturen aufweist. Jedoch sind die Kundensteuerungsprozesse innerhalb der deutschen BA in sich viel stärker ausdiffe-renziert, was sich beispielsweise auch in den Handlungsprogrammen der jeweiligen Kundenbereiche widerspiegelt.

Beim Vergleich beider Institutionen fällt bezüglich der Berufsberatung auf, dass das österreichische 3-Zonen-Modell keinen Raum für die Beratung von Schülern/

Jugendlichen im Berufswahlprozess vorsieht, wodurch sich das AMS stark vom strukturellen Aufbau der deutschen BA unterscheidet. Bei letzterer ist das Team U25 zu nennen, das sowohl aus der Berufsberatung als auch der Ausbildungsvermittlung besteht, und fest in die institutionellen Strukturen der regionalen Geschäftsstellen integriert ist. Die hier zuständigen Fachkräfte beraten, orientieren und informieren Jugendliche unter 25 Jahren.

Im Unterschied zu Österreich können deutsche Schüler auch weiterhin neben den Informationsangeboten in den an die Agenturen für Arbeit angeschlossenen Berufs-informationszentren (BIZ) ein persönliches Beratungsgespräch mit einem Berufsbe-rater der Agentur führen.

In Österreich erhalten die Schulen bzw. Jugendlichen seitens des AMS lediglich die Möglichkeit, die den AMS-Geschäftsstellen zugehörigen Berufsinformationszentren aufzusuchen. Dort erhalten Schüler Informationsmaterial in Form von Broschüren und Informationsfoldern (ca. 200 Folder), die mindestens alle drei Jahre überarbeitet werden. Zudem ist eine Online-Datenbank für die Jugendlichen zur Recherche zu-gänglich. Das OECD-Gutachterteam bemängelte, dass einige Informationsunterla-gen benutzerfreundlicher sein könnten. Oft seien sie dicht bedruckt und nicht immer leicht zu lesen gewesen und schwer überschaubar, da sie auch wenige Grafiken und Illustrationen enthielten (OECD 2003, S. 10).

Diese Berufsinfozentren ähneln in ihrer Struktur den deutschen Zentren, die eben-falls den regionalen Organisationen angeschlossen sind, wobei sie im deutschen Raum eher eine ergänzende Funktion und keine ausschließliche Beratungs- und In-formationsfunktion wie in Österreich übernehmen.

Auffällig beim AMS ist, dass sich der Schwerpunkt der Tätigkeit des AMS auf die Un-terstützung Arbeitsloser richtet (etwa 90%), was gut an dem 3-Zonenmodell ersicht-lich wird, das sich verstärkt auf Arbeitssuchende, die Arbeitslosenunterstützung

er-marktpolitischer Faktoren. Durch die Zunahme der Arbeitslosigkeit in den 1990er Jahren kam es nämlich erst zu dieser Verlagerung, die u. a. dazu geführt hat, dass das AMS ihr Mitarbeiterbesuchsprogramm an Schulen eingestellt hat und nunmehr Schulen von den Berufsinfozentren (BIZ) betreuen lässt (ebd., S. 10).

Die Fokussierung auf die allgemeine Arbeitsvermittlung wie auf die Ausbildungsver-mittlung ist allerdings auch ein Charakteristikum der reformierten BA, was sich ja auch spezifisch in der Neuausrichtung der Berufsberatung bezüglich der besonderen Berücksichtigung unterstützungsbedürftiger Jugendlicher niederschlägt.

Welche Implikationen diese wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Faktoren für die Funktionen der staatlichen Berufsberatung und Berufsorientierung einerseits haben, und die Berufs- bzw. Bildungswegentscheidung der Jugendlichen andererseits, wird in Kapitel 6 bei der Beleuchtung des Beratungsprozesses ausführlich thematisiert.