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5. DISKUSSION

5.3. Ö KOLOGISCHE C HARAKTERISIERUNG DER S TANDORTE ANHAND DER

5.3.4. Nahrung

Bereits 1961 publizierte KARG die Theorie, dass bei den Gamasida ein direkter Zusammenhang zwischen dem Beutespektrum und dem Bau der Cheliceren besteht. Daraus folgerte er, dass zumindest einige der Gamasida-Arten als Nahrungsspezialisten anzusehen seien. KARG stützte seine Aussagen auf die Ergebnisse von Fütterungsversuchen, Beobachtungen an jagenden Tieren, vergleichende Untersuchungen an unterschiedlich stark mit Nematoden verseuchten Böden und Experimenten mit Pflanzenschutzmitteln (KARG, 1961a, b, 1962, 1963, 1967a, 1967b, 1983). Als typische Beispiele der Spezialisierung werden von KARG Alliphis siculus (frisst ausschließlich Nematoden) und Vertreter der Gattungen Veigaia und Pergamasus (Mikroarthropoden-Jäger) aufgezählt. Auf dieser Spezialisierung begründete er schließlich teilweise die Eignung der Gamasida als gute Bioindikatoren im Boden. Als Endglieder unterschiedlicher Nahrungsketten könnten sie vor allem Rückschlüsse auf die Dichten der Mesofauna zulassen. Die Theorie, dass Cheliceren spezialisierte Beutefang-Instrumente sind und aus diesem Grund einen jeweils der Beute besonders angepassten Bau aufweisen und dass daher aus dem Bau der Cheliceren auf das Beutespektrum des Trägers zu schließen sei, wurde von anderen Autoren übernommen (u.a. WALLWORK, 1967; DUNGER, 1974, 1983; EISENBEIS &WICHARD, 1985), aber auch in Frage gestellt (LUXTON, 1982; WALTER et al., 1987).

Angaben über die Nahrungspräferenzen der Gamasida finden sich zahlreich in der Literatur (Zusammenfassung in BURYN & BRANDL, 1992). Danach zeigen die Gamasida zwar anscheinend Nahrungspräferenzen, von einer ausgesprochenen Spezialisierung auf eine Beuteart kann jedoch meistens nicht gesprochen werden. Berechnungen der Korrelation der Dichten der Gamasida mit ihren potenziellen Beutetieren (BURYN, 1990) könnten bei wenigen

Arten auf eine tatsächliche Räuber-Beute-Beziehung hindeuten: Übereinstimmend mit Literaturangaben konnte für Veigaia exigua eine positive Korrelation mit dem Vorkommen von Collembolen und für Pergamasus quisquiliarum und V. nemorensis eine entsprechende Korrelation mit Collembolen und mit Nicht-Gamasida-Milben nachgewiesen werden. Mit Arctoseius certratus trat ebenfalls eine positive Korrelation mit beiden Gruppen auf, wobei diese Art sonst eher als Nematoden-Vertilger eingeschätzt wird (dito).

Die Struktur der Cheliceren lässt sich mit Hilfe morphometrischer Methoden erfassen (BURYN & BRANDL, 1992). Die Nahrungspräferenzen der Gattungen waren über morphometrische Kennwerte gleichmäßig verteilt, so dass es nicht möglich war, aufgrund der Chelicerenstruktur auf die Nahrungsspezialisierung zu schließen. Und es war somit auch nicht möglich, Voraussagen über Gattungen zu machen, deren Nahrungsansprüche nicht bekannt sind. Eine analoge Untersuchung auf Artniveau kam zu sehr ähnlichen Ergebnissen. Es wurden insgesamt 20 Arten analysiert, von denen die Nahrungspräferenzen in der Literatur beschrieben sind. Lediglich eine sehr vage Tendenz weist darauf hin, dass Nematodenspezialisten eher kleinere Cheliceren haben.

Es zeigte sich also, dass die von KARG vorgeschlagene Erklärung für die unterschiedliche Struktur der Cheliceren zu einfach ist. Alternativ zur Theorie von KARG wäre es vorstellbar, dass die Form und Struktur eine Bedeutung beim Aufschlitzen der Beute hat. Hier wäre z.B. wichtig, ob es sich dabei um die Wand eines Insekteneis oder um das Integument eines Collembolen handelt. Auch für die Aufbereitung der Beute als Nahrungsbrei zur extraintestinalen Verdauung könnten diese Strukturen von Bedeutung sein. Eine mit Vertretern der Cryptostigmata-Milben durchgeführte Analyse der Chelicerenstruktur ergab einen deutlichen Zusammenhang zwischen den Nahrungsansprüchen der Tiere und dem Bau ihrer Mundwerkzeuge. Dieses Ergebnis lässt sich möglicherweise durch eine im Vergleich mit den Gamasida größere Nahrungspezialisierung der Oribatiden erklären (KANEKO, 1988).

Obwohl die überwiegende Zahl der Arten und Gattungen potenziell ein breites Nahrungsspektrum ausnutzen könnten, ist bei den meisten Gamasida jedoch eine deutliche Präferenz für eine bestimmte Nahrung zu beobachten. So bleibt die Aussage also berechtigt, dass die Gamasida aufgrund ihrer Nahrungspräferenzen eine bioindikatorische Bedeutung haben können. In welchem Zusammenhang mit dieser Beutepräferenz aber die Chelicerenstruktur steht, bleibt noch zu klären. Hier wären intensivere und genauere Untersuchungen zur Ernährungsweise und zum Nahrungsspektrum der Gamasida notwendig.

Einen interessanten Ansatz hierfür zeigten SCHEU &FALCA (2000) die über Isotopenanalyse die Nahrungspfade innerhalb der Nahrungsnetze verfolgt können. Die Untersuchungen in den von der Makro- und Mesofauna dominierten Zönosen im Solling und im Göttingen Wald lassen z.B.

wobei offensichtlich beide Gruppen zu den omnivoren Organismen gehören (Fresser an mehreren trophischen Ebenen).

Die Gamasida-Fauna der untersuchten Standorte im Solling waren meist durch die Fresser von Arthropoden dominiert (Ausnahme: die 120-jährigen Buchenreinbestände). Je älter die Waldbestände, desto höhere Dichten erreichten jedoch die Vertilger der wurmartigen Beute und die omnivoren Gamasida. So erreichten Gamasida der trophischen Gilde der Fresser von wurmartiger Beute in den 120-jährigen Wäldern nicht nur eindeutig höhere Dichten als in den 30-jährigen Beständen, sondern steigerten ihre Dominanzanteile um das fünffache. Die Milben der trophischen Gilde der Omnivoren kamen in den 120-jährigen Beständen im Vergleich zu den 30-jährigen mit doppelt so hohen Abundanzen vor und ihre Dichten waren in den Buchen- im Vergleich zu den Dichten in den Fichtenwäldern fast doppelt so hoch. Dieser Trend wird bestätigt, wenn die Ergebnisse der Untersuchung in 150-jährigen Buchenbeständen in die Betrachtung einbezogen werden. Ein wesentlicher Unterschied besteht für diese Standorte jedoch darin, dass hier die polyphagen Gamasida über 10 % der Abundanzen ausmachen.

Insgesamt ist der Einfluss der Baumartenzusammensetzung auf die Verteilung der trophischen Gilden nicht sehr ausgeprägt. Die Arthropodenfresser erreichten die höchsten Dominanzen in den Fichtenreinbeständen, deren Dominanzen in den Buchenreinbeständen ist nicht deutlich niedriger. Auch die Fresser wurmartiger Beute und die polyphagen Gamasida kamen mit annähernd ähnlichen Dichten und Abundanzanteilen auf den unterschiedlich bestockten Standorten vor. Den höchsten Dominanzwert auf einem Standort erreichten die Arthropodenvertilger in 30-jährigen Fichtenreinbeständen mit 45 %.

Ein Hinweis auf die möglichen Ursachen für die Verteilung der trophischen Gilden geben die Ergebnisse der Untersuchung der Dipteren gleicher Standorte (PLATNER et al., 1997). Die Dichten der Dipteren (hier v. a. Cecidomyiidae), deren Eier zum Beutespektrum der Gamasida gehören, stiegen im 120-jährigen Beständen von der Fichtenrein- über Misch- zur Buchenreinbeständen sehr stark an und waren insgesamt in den älteren Wäldern deutlich häufiger. Dagegen waren aber die Dichten der Nematoden auf den jüngeren Beständen um Faktor 1,4 höher als auf älteren (ALPHEI & KLAGES, 1997). Die Dichten der Collembolen und Oribatiden, die ein Teil der Beute der Arthropodenfresser sind, waren dagegen nicht signifikant unterschiedlich auf den Standorten (MIGGE, 1996; SALAMON, 1997).

Eine Analyse der Biomassenverteilung der Bodenorganismen (Nematoden, Enchytreiden, Lumbriciden, Asseln, Dipteren, Laufkäfern, Oribatiden, Elateriden, Curculioniden, Schmetterlingslarven, Hundertfüßler, Laufkäfer, Cantharididen, Staphyliniden, Spinnen und Gamasida) auf denselben Standorten, aufgeteilt in carnivore, microbivore-detrivore und herbivore Taxa, zeigte keine nähere Korrelation zwischen irgendeiner der potenziellen Beutegruppe mit den Gamasida (SCHEU et al., 2003). Lediglich zu den Springschwänzen

besteht eine gewisse Korrelation, weil der Schwerpunkt für die Biomasse der Gamasida in einer Linie mit dem Schwerpunkt dieser Beute liegt, was ein näheres Räuber-Beute-Verhältnis impliziert.

Die trophische Struktur der Nematodengemeinschaften unterschied sich auf gleichen Flächen des Sollings hinsichtlich der Baumart im Bestand (ALPHEI & KLAGES, 1997). Die Dominanz omnivorer Nematoden erhöhte sich in beiden Altersklassen von Buche über Mischbestand zu Fichte, zeigte also eine gegenläufige Tendenz zu den Gamasida.

Demgegenüber besiedelten Räuber und Pflanzenparasiten bevorzugt den Buchenaltbestand (vor allem im Altbestand). Mikrophytophage Nematoden zeigten kein signifikantes Muster im Gradient von Buche zu Fichte und die Wurzelfresser dominierten auf allen Flächen mit Anteilen von ca. 50 %.

Auf den gedüngten Flächen wurden höhere Dichten der Vertilger von wurmartiger Beute, der Arthropodenfresser und der omnivoren Gamasida festgestellt. Die Kalkung führte auch zu einer Zunahme der Dominanzanteile dieser trophischen Gilden: Nur für die Fresser wurmartiger Beute ist diese Zunahme jedoch deutlich (von 11 auf 19 %). Die einzige Gilde, die mit Abnahme der Abundanzanteile auf die Kalkung reagierte, war die Gilde der polyphagen Arten: Die Düngung führte zu einer Halbierung ihrer Dominanzanteile (von 11 auf 5 %). Nur kleine Verschiebungen der Dominanzanteile bewirkte der Femelschlag: Gestiegen sind die Anteile der Arthropodenfresser (von 27 auf 33 %), gesunken die Anteile von Fressern wurmartiger Beute (von 19 auf 13 %). Bei den omnivoren und polyphagen Arten gab es praktisch keine Unterschiede zwischen den Dominanzanteilen der Gamasida-Zönosen in den Wäldern und Femeln.

Auf den gleichen gekalkten und ungekalkten Femelflächen und umliegenden Wäldern Sollings wurden auch Dipteren und Coleopteren untersucht und deren Vorkommen unter Aufteilung in Ernährungstypen ausgewertet (THEENHAUS, 1993). Die Dipterenlarven aus Eklektorenfängen wurden auf Familienebene den trophischen Gruppen: Phytosaprophagen, Mikrohumiphagen, Phytophagen, Myzetophagen, „surface scrapers“, Nekrophagen und Zoophagen zugeordnet. Die Zuordnungen waren problematisch, da in vielen Familien verschiedene Ernährungsformen vorkommen und zudem die Ernährungsweisen oft nur wenig erforscht sind (dito). Beim Vergleich der Teilflächen hinsichtlich der Dominanzstruktur der Ernährungstypen sind keine bemerkenswerten Unterschiede zu erkennen. Auch die Gruppe aller zoophagen Dipteren zusammen zeigte keine signifikanten Flächenunterschiede. Bei den Empididen (auf den gekalkten Flächen niedrigere Schlupfdichte) und Dolichopodiden (höhere Schlupfabundanz auf den Femeln als auf den Waldflächen sowie auf gekalkten Flächen als auf

Ein Zusammenhang zwischen der Verteilung der Gamasida und ihrer potenzielle Beute wurde auch in der Untersuchung über die Bedeutung der Regenwurmhügel auf die Mikro- und Mesofauna der Boden im Buchenwald des Göttinger Waldes (MARAUN et al., 1999) hergestellt.

Die durch Grabtätigkeit der Regenwürmer (Lumbricus terrestris) entstandenen Mikrohabitate des Waldbodens wiesen signifikant höhere Dichten von Gamasina, Uropodina und Collembolen sowie höhere Biomasse der Nematoden auf. Insbesondere die Arthropodenfresser (Lysigamasus-, Leptogamasus-, Pergamasus-Arten und V. nemorensis) zeigten eine hohe Präferenz für die Regenwurmhügel (PCA-Analyse). Die höheren Dichten der Uropodina, insbesondere der Fresser von wurmartiger Beute in den Regenwurmhügeln, wurde mit der höheren Biomasse der Nematoden erklärt, wobei die Collembolen als Lieferanten der weiteren Nahrungsquelle (Eier) sicherlich zu dieser Verteilung beitragen.

Auf der Wiese in der Nähe einer oberfränkischen Hecke waren die Polyphagen Gamasida mit 42 % der Dominanzanteile vertreten, in der Hecke selber nur mit 10 (Rand) und 6 % (Heckenmitte) (BURYN & HARTMANN, 1992). Die Fresser wurmartiger Beute waren entsprechend in der Wiese mit 14 % in der Hecke mit 5 bzw. 8 % der Dominanzanteile vertreten. Umgekehrte Verhältnisse wurden für die Fresser der Arthropoden determiniert: in der Wiese 4 % in der Hecke 24 bzw. 32 %.