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N-Fluss Schwein und Strategie einer emissionsarmen Fütterung

2. Physiologische Grundlagen und Fütterungspraxis Schweiz

2.1. Physiologische Grundlagen

2.1.1. N-Fluss Schwein und Strategie einer emissionsarmen Fütterung

Der Zweck der Schweinehaltung ist die Fleischproduktion. Die Umwandlung von Futterprotein in Fleisch- bzw. Körpergewebeprotein ist mit Verwertungsverlusten verbunden. Beim wachsenden Schwein wird der mit dem Futter aufgenommene N zu 30 – 40 % retiniert (Abb. 11), der Rest wird ausgeschieden (Ferket et al 2002, Dourmad et al 2007, Aarnink et al 2007). Die N-Retention ist mit dem N-Ansatz bzw. Proteinansatz nicht völlig identisch, da ein Teil der retinierten Aminosäuren für Erhaltungsaufgaben genutzt werden (Moughan 2003, Wesseling 2003). Alle Proteine des tierischen Organismus unterliegen einem permanenten Turnover (Eder 2006). Im Wachstum überwiegt die Proteinsynthese im Vergleich zum Proteinabbau. Das Proteinansatzvermögen ist alters-, geschlechts- und genotypabhängig, dessen Ausschöpfung durch die Nährstoffverfügbarkeit und Stressfaktoren eingeschränkt werden kann.

Abb. 11. N-Fluss Mastschwein und Ammoniakbildung

Der Kot-N (15–25 % des Futter-N) setzt sich vorwiegend aus unverdautem Futterprotein, endogenem N (aus Zellen, Mucus und Verdauungssäften) und Bakterienprotein zusammen. Da der

Harn-N

Kot-N

Urease

organischer N

NSP, fFS, pH

vRP

15-25 %

30-40 %

45-55 %

Harnstoff-N

pH pH

NSP

Gülle-N

Urease [NH3/NH4

+] org. N

NH

3Ga

Anteil Bakterien-N am Kot-N 70-85 % ausmacht, ist der Kot-N hauptsächlich organisch gebunden (Pfeiffer 1993, Hansen et al 2007). Der organisch gebundene N ist gegenüber Abbauvorgängen resistenter. Erst nach monatelanger Güllenlagerung wird er zu Ammoniak/Ammonium abgebaut (Aarnink et al 2007). Der Kot-N hat deshalb in Bezug auf Ammoniakemissionen eine untergeordnete Bedeutung. Hingegen wird die Kotzusammensetzung durch mikrobielle Abbauvorgänge im Dickdarm beeinflusst. Flüchtige Fettsäuren aus der Dickdarmfermentation von NSP (Nicht-Stärke-Polysaccharide) sind für den Kot-pH verantwortlich (Canh 1998). Im sauren Bereich wird die Ammoniakverflüchtigung gehemmt. Die durch NSP gleichzeitig geförderte mikrobielle N-Fixierung bewirkt eine Verschiebung des N vom Harn zum Kot.

Das verdaute aber nicht retinierte Futterprotein erscheint nach Desaminierung der Aminosäuren als Harnstoff im Harn (45-55% des Futter-N). Der Harn-N besteht zu über 80 % aus Harnstoff (Pfeiffer 1993).

Da Harnstoff der Vorläufer von Ammoniak ist (siehe Kap. 1.1), bestimmt der relative Harnanteil am Kot-Harngemisch und die initiale Harnstoffkonzentration massgeblich die Ammoniak/Ammoniummenge, die potentiell und pH-abhängig emittiert werden kann.

Die Harnstoffausscheidung und der Harnanteil können durch die Fütterung verändert werden. Eine über dem Bedarf liegende Proteinzufuhr führt dazu, dass die Aminosäuren über die oxidative Desaminierung unspezifisch zur Energienutzung verwertet werden. Der abgespaltene N wird als Harnstoff ausgeschieden. Im Fall von Aminosäurenimbalanzen wird vermehrt Harnstoff ausgeschieden, wenn ein Mangel einer essentiellen Aminosäure limitierend für die Proteinsynthese von Körpergewebe wird. Ebenso kann ein Energiemangel den Proteinansatz einschränken.

Stressfaktoren wie Infektionsdruck, Gruppengrösse und Stallklima wirken leistungsmindernd und fördern den Körperproteinabbau, so dass das Proteinansatzvermögen nicht ausgeschöpft wird und der N-output zunimmt.

Die Strategie einer emissionsarmen Fütterung muss folglich auf zwei Ebenen ansetzen (Ferket et al 2002, Dourmad et al 2007, Aarnink et al 2007):

1. Reduktion der N-Ausscheidungen 2. Reduktion des flüchtigen N

Das Emissionsgeschehen von ausgeschiedenem Kot und Harn wird massgeblich von stallbaulichen und physikalischen Gegebenheiten beeinflusst wird, welche die Fütterungsmassnahmen überlagern.

Die Möglichkeiten zur Verminderung der Ammoniakemissionen durch die Fütterung und Produktionstechnik gehen aus folgender Uebersicht hervor:

Ziel

Reduktion der Harnstoffmenge Reduktion des Harnanteiles Reduktion der N-Ausscheidung Reduktion des Güllen-pH (Kot, Harn) Ausschöpfung des

Proteinansatzver-mögens

Verbesserung der N-Effizienz (N-Ret/N-input)

Massnahmen Genaue Bedarfsableitung

Kenntnis der Futterzusammensetzung und – bewertung

optimierte Sicherheitsmargen

bedarfsgerechte Fütterung in allen Produktionsphasen Phasenfütterung Proteinreduzierte Rationen mit optimier-ten Aminosäurenprofilen (synth. Amin.) hohe Verdaulichkeit, Verfügbarkeit der

Aminosäuren

im Dickdarm fermentierbare NSP pH-senkende Futterzusätze

Neben den Fütterungsmassnahmen im engeren Sinn kommen fütterungstechnische und produktionstechnische Aspekte zum tragen. Trogdesign, Futterform (Mehl, Pellets, flüssig) und Rationierung (rationiert, ad libitum) beeinflussen die Höhe von Futterverlusten. Eine ungenügende Dosiergenauigkeit führt zu Unter- und Ueberversorgung von Einzeltieren oder Gruppen. Es ist davon auszugehen, dass unter günstigen Bedingungen bis 5 % des Futterangebotes ungenutzt in der Gülle landet. Die Futterverluste können aber bei schlechter Fütterungstechnik bis 20 % betragen (Ferket et al. 2002). Der Futterverbrauch und die tatsächlich gefressene Futtermenge sind nicht identisch.

Mit einer gezielten Gruppierung der Tiere nach Gewicht und Geschlecht wird die Ausgeglichenheit von Tiergruppen erhöht und die Fütterung kann gezielter angepasst werden. Da das Proteinansatzvermögen und somit der Aminosäurenbedarf geschlechtsabhängig sind, bringt die geschlechtsgetrennte Mast Vorteile in Bezug auf Leistung und Emissionen.

Im Bereich der Haltung besteht Optimierungspotential hinsichtlich Hygiene, Platzangebot, Gruppengrösse und Gesundheitsstatus (Tab. 3). Die Haltungsfaktoren sind alle leistungsrelevant und beeinflussen den Nährstoffbedarf sowie letztlich die N-Effizienz. In den Versuchen von Williams et al. (1997) bewirkte chronischer Stress durch mangelnde Hygiene und erhöhtem Keimdruck Leistungseinbussen von 10 – 25 % und einen verringerten Muskelanteil bzw. N-Ansatz.

Mastauswertungen aus dem süddeutschen Raum belegen den Einfluss der Produktionstechnik auf die

in Praxisbetrieben erzielten Leistungen (Tab. 3). Leider fehlen entsprechende, öffentlich zugängliche Auswertungen von schweizerischen Praxisbetrieben. Die beobachteten Tendenzen und Ansatzpunkte zur Optimierung dürften auch auf unsere Verhältnisse zutreffen. Bei der Grössenordnung der Futterverwertung ist zu berücksichtigen, dass in Deutschland auf ein Mastendgewicht von 120 kg gemästet wird.

Tabelle 3. Einfluss der Produktionstechnik auf die Mastleistung in Praxisbetrieben (Mauer, Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg, 2009)

2005-2008 Verluste % TZW g FVW kg/kg

Bei der Mischfutterherstellung ist die Futterzusammensetzung über eine Eingangs- und Ausgangskontrolle zu überwachen. Die Handhabung von Sicherheitsmargen und gewählten Restriktionen in den Optimierungsprogrammen lässt einen gewissen Spielraum zu. Aufgrund der Variabilität der Futterrohkomponenten, der Tiergenetik und Betriebsverhältnisse sind Sicherheitsmargen eine Ermessensfrage. Die Futteroptimierung auf Stufe ilealer Verdaulichkeit der Aminosäuren auf der Grundlage des Idealproteinkonzeptes kommt dem Aminosäurenbedarf am nächsten (ALP 2004, GfE 2006). Da noch nicht alle Rohkomponenten durch Verdaulichkeitsversuche abgestützt sind, werden die Lücken mit Schätzungen gefüllt oder es wird nach Bruttogehalt gerechnet. In Spezialfällen kann es zu Fehleinschätzungen kommen. Lysin reagiert besonders empfindlich auf Hitzeschädigung von thermisch behandeltem Futter. Durch die

Maillard-Reaktion (Verbindung mit Zucker) wird die Lysinverfügbarkeit für die Proteinsynthese drastisch eingeschränkt (Moughan et al. 2000). Auswirkungen auf die Leistung sind zu erwarten.

Die bedarfsgerechte Proteinversorgung in allen Produktionsphasen ist eine emissionsmindernde Massnahme mit grosser Wirkung. In der Praxis werden häufig Kompromisse gemacht, welche zum Teil technische und logistische Ursachen haben. Ein Teil dieser Kompromisse liesse sich vermeiden und dadurch können die Totalemissionen der Branche reduziert werden.