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1 Einleitung

1.1 Myelodysplastisches Syndrom (MDS) und sekundäre akute myeloische Leukämie (sAML)

1.1.1 Definition

MDS ist eine klonale Störung der hämatopoetischen Stammzellen, welche sich durch Zytopenien der megakaryozytären, erytropoetischen und myeloischen Reihen im peripheren Blut (PB) sowie Dysplasien im Knochenmark (KM) auszeichnet. Dabei können eine oder mehre Reihen betroffen sein. Eine Weiterentwicklung zu einer sekundären akuten myeloischen Leukämie (sAML) ist möglich und tritt bei ungefähr 30% der Patienten auf (Arber et al., 2016; Bejar, Levine, & Ebert, 2011).

1.1.2 Epidemiologie

Nach Daten der US-amerikanischen Krebsdatenbank SEER (Surveillance, Epidemiology and End Results Programm) hat es in den USA 2003 schätzungsweise 10.300 MDS-Neuerkrankungen gegeben. Dabei war die Inzidenz bei Männern mit 4,5/100.000 pro Jahr signifikant höher als bei Frauen mit 2,7/100.000 pro Jahr (Ma, Does, Raza, &

Mayne, 2007). Die Anzahl der Neuerkrankungen stieg 2013 auf 5,8/100.000 pro Jahr bei Männern und auf 3,3/100.000 pro Jahr bei Frauen. Dies entspricht ca. 14.000 Neuerkrankungen pro Jahr1. Das Verhältnis von Männern zu Frauen ist konstant.2 Das Risiko zu erkranken steigt mit dem Lebensalter. Ca. 86%

der MDS Fälle werden bei über 60jährigen diagnostiziert und das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 76 Jahren. Das Überleben ist mit einer 3-Jahres Überlebensrate von nur 35% eher gering.

Männliche und über 60jährige Patienten haben eine signifikant schlechtere Überlebenschance (Ma et al., 2007).

1.1.3 Klinik

Die Symptomatik der Patienten wird durch die Folgen der Zytopenien definiert. Häufig treten eine (transfusionspflichtige) Anämie, vermehrte Infekte aufgrund der Neutropenie sowie eine Blutungsneigung auf dem Boden der Thrombozytopenie auf.

Mögliche Frühsymptome können Müdigkeit, Dyspnoe, Leistungsabfall, Hämatome oder Infektionen sein. Patienten können sich auch asymptomatisch präsentieren. Dann kann der Verdacht auf MDS durch Auffälligkeiten im Blutbild gestellt werden (Steensma, 2015).

1 Einwohnerzahl der USA 2014: 317,773 Mio https://www.census.gov/popclock/ 05.10.2016

2http://seer.cancer.gov/faststats/selections.php?#Output 05.10.2016

Abbildung 1 Altersspezifische Inzidenz von MDS 2009-2013, Daten aus der SEER-Datenbank

1.1.4 Diagnosesicherung

Zur Grundlage der MDS Diagnostik gehört der Ausschluss von Differentialdiagnosen. Dazu zählen nicht-maligne Ursachen einer Zytopenie (Strahlenexposition, familiäres Knochenmarkversagen, vorangegangene Chemotherapie, Infektionen, Alkohol, usw.) sowie eine primäre AML. Deswegen werden häufig zunächst ein Differentialblutbild, die Kontrolle biochemischer Laborparameter und eine Virusdiagnostik durchgeführt (Arber et al., 2016)

Basis einer jeden Diagnostik ist die mikroskopische morphologische Untersuchung und Beurteilung von May-Grünwald-Giemsa gefärbtem peripherem Blut (PB) und Knochenmark (KM) nach WHO-Kriterien. Zur Darstellung von Ringsideroblasten wird zusätzlich eine Eisenfärbung mit Preußisch Blau durchgeführt. Charakteristisch für ein MDS sind periphere Zytopenien bei hyperplastischem Knochenmark.

Die Untersuchung der Knochenmarkbiopsie richtet sich speziell auf Fibrosierungen, die Zellularität und hämatopoetische Stammzellen. Das Knochenmark stellt sich meist normo- oder hyperzellulär dar. Hypozellularität schließt ein MDS jedoch nicht aus. In den KM-Ausstrichen lässt sich durch die Anzahl der Blasten eine AML (>20% Blasten) differentialdiagnostisch ausschließen (Arber et al., 2016). Außerdem erfolgen zytogenetische Untersuchungen zum Nachweis von Chromosomenaberrationen, da diese seit der WHO-Klassifikation von 2008 diagnosedeterminierend sind und in die Risikoscores miteinfließen. Zusätzlich können eine Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH), ein Single Nucleotide Polymorphism (SNP) - Array oder eine Fluorescence-activated cell sorting (FACS) Analyse erfolgen. Die Analyse somatischer Mutationen wird standardmäßig durchgeführt. (Malcovati et al., 2013).

1.1.5 Klassifikation

1982 veröffentliche die French American British Cooperative Group die erste MDS–Klassifikation, welche neue Diagnosekriterien umfasste. Die Aufteilung erfolgte anhand von vier Merkmalen.

Dazu zählten morphologische Kriterien, Anzahl der Blasten in peripherem Blut und Knochenmark im Verhältnis zur absoluten Anzahl der Monozyten sowie das Vorhandensein von Auer Stäbchen in Granulozyten. Folgende Gruppen wurden unterteilt(Bennett et al., 1982):

 refraktäre Anämie (RA)

 RA mit Ringsideroblasten (RARS),

 RA mit Blastenüberschuss/-Excess (RAEB),

 chronische myelomonozytäre Leukämie (CMML)

 RAEB in Transformation.

Dabei haben Patienten mit MDS RAEB, eine schlechtere Überlebensrate als solche mit anderen Formen (Ma et al., 2007).

In den WHO Klassifikationen von 2001 und 2008 wurden diese Kategorien ergänzt und die Definitionen angepasst. Die Kategorie refraktäre Zytopenie mit multilineärer Dysplasie (RCMD) mit und ohne Ringsideroblasten wurde neu eingeführt. Die Kategorie RAEB wurde in RAEB1 und RAEB2 aufgeteilt. Das 5q Syndrom wird als eigene Entität beschrieben. Die CMML zählt nun nicht mehr zum MDS, sondern zu den myeloproliferativen Erkrankungen (Tefferi, Thiele, & Vardiman, 2009).

Außerdem wurde die Zytogenetik in die Klassifikation eingeschlossen (Tefferi et al., 2009;

Vardiman, Harris, & Brunning, 2002). Dazu wurden 2008 MDS-definierende zytogenetische Aberrationen definiert, welche unabhängig von morphologischen Dysplasien ein MDS diagnostizieren können (siehe Tabelle 2). Diese Mutationen müssen im Karyogramm nachweisbar sein. Ein isolierter Nach weis in der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) ist nicht ausreichend (Arber et al., 2016).

Da viele Studien und auch die hier besprochene Patientenkohorte auf der WHO-Klassifikation von 2008 beruhen, soll diese ausführlicher dargestellt werden (Tabelle 1 und Tabelle 2).

Im Jahr 2016 erfolgte eine erneute Revision der WHO Klassifikation des MDS. MDS ist nun über die Klinik, mindestens einer KM-Dysplasie und Zytopenie definiert. Wenn mehr als 10% der Zellen einer myeloischen Zellreihe im KM eindeutige Zeichen einer Dysplasie aufweisen, so wird die Zellreihe als dysplastisch bezeichnet (Tefferi et al., 2009). Nach WHO Schema wird eine Zytopenie definiert als Hämoglobin <10g/dl, Thrombozyten >100 x 109/l, Neutrophile <1,8 x 109/l (Tefferi et al., 2009).

Entsprechend der Hauptkriterien Zytopenien und Dysplasien wurde die Nomenklatur der Kategorien 2016 grundlegend geändert. Beschreibungen der Zytopenien wie beispielsweise refraktäre Anämie (RA) wurden verlassen. Stattdessen beginnen alle Kategorien mit MDS und tragen ein Suffix, welcher nicht mehr auf spezifische Zytopenien eingeht (Zytopenie einer oder mehrerer Abstammungslininen, Ringsideroblasten, Blastenexcess oder del q5) (Arber et al., 2016).

Aufgrund der Verbindung von SF3B1 Mutationen zu Ringsideroblasten fließt diese Mutation seit 2016 in die Klassifizierung ein. Dabei sind zur Diagnose mindestens 15% Ringsideroblasten im KM nötig, wenn SF3B1 mutiert ist 5% (Arber et al., 2016; Papaemmanuil et al., 2011). Genmutationen spielen als Marker für eine klonale Hämatopoese eine Rolle. Wichtig ist die Abgrenzung zu CHIP (clonal haematopoiesis of indeterminate potential). CHIP bedeutet, dass in Zellen myeloischer Abstammung charakteristische Genmutationen bei klinisch gesunden Menschen gefunden werden (Steensma et al., 2015).

Tabelle 1 WHO-MDS Klassifikation 2008 modifiziert nach Vardiman et al. 2008

>10% der Zellen in einer Reihe dysplastisch

Anämie, keine Blasten Erythroide Dysplasie

<5% Blasten MDS del(5q) Anämie, normale oder erhöhte

Thrombozytenzahl, <1% Blasten

MDS-U Zytopenien, <1% Blasten Eindeutige Dysplasie in <10%

der Zellen in ≥1 Linie + eine MDS-definierende Mutation

<5% Blasten

Tabelle 2 MDS-definierende Mutationen modifiziert nach Vardiman et al 2008

Unbalancierte Mutationen Balancierte Mutationen

-7 oder del(7q) t(11;16)(q23;p13.3)

-5 oder del (5q) t(3;21)(q26.2;q22.1)

i(17q) oder t(17p) t(1;3)(p36.3;q21.1)

Komplexer Karyotyp (≥3 Chromosomenaberrationen) muss mindestens eine von den oben genannten einschließen

1.1.6 Ätiologie

Die Ursache für MDS ist häufig unklar. Es gibt Assoziationen mit familiären genetischen Syndromen, vorangegangenen Krebstherapien und höherem Lebensalter

Hereditäres MDS

Hereditäres MDS kann bei genetischen Syndromen mit einer Fehlfunktion des Knochenmarks wie beim Shwachman-Diamond-Syndrom (Woods, Roloff, Lukens, & Krivit, 1981), der schweren chronischen Neutropenie (SCN) (Donadieu et al., 2005), der Diamond Blackfan Anämie (Janov, Leong, Nathan, & Guinan, 1996) und der Dyskeratois congenita (Dokal, 2000) auftreten.

Außerdem ist das Risiko an MDS zu erkranken bei Patienten mit Fanconi Anämie erhöht. Dort liegt die Inzidenz für das Auftreten von AML/MDS bei 20jährigen bei 8% mit einem Anstieg auf 22% bei 36jährigen. Mit 49 Jahren liegt die Wahrscheinlichkeit für Knochenmarksversagen bei 50%

(Rosenberg, Alter, & Ebell, 2008).

Im Laufe der letzten Jahre sind familiäre Erkrankungen mit Keimbahnmutationen entdeckt worden, welche mit einem erhöhten Risiko für MDS einhergehen. Alle genannten Mutationen werden autosomal-dominant vererbt. Die wichtigsten sieben sind in der untenstehenden Tabelle aufgeführt.

Tabelle 3 Familiäre MDS-Formen mit somatischen Mutationen modifiziert nach (Bannon & DiNardo, 2016)

Name Mutation Weiteres Referenz

Familiäre Thrombozytopenie 2 ANKRD26 11% aller erblichen

Thrombozytopenien Thrombozytopenie 5 ETV6 Risiko für alle hämatologischen

malignen Erkrankungen und

GATA2 2 Formen: Emberger Syndrom und MonoMac Syndrom, 70%

SRP72 Nur 2 Erbgänge beschrieben (Kirwan et al., 2012)

Therapieassoziiertes MDS

Nach WHO-Kriterien werden zwei Formen des t-MDS/t-AML unterschieden. Zum einen der Alkylantien/Bestrahlungstherapie–Typ und der Topoisomerase-II-Inhibitor-Typ (Vardiman et al., 2002). Der Alkylantien Typ zeichnet sich durch eine lange Latenzzeit zwischen Therapie und MDS, einem initialen MDS-Stadium, einer ungünstigen Zytogenetik und einer schlechten Prognose aus.

Der Topoisomerase-II-Inhibitor Typ hingegen hat ein kurzes Intervall zwischen Therapie und MDS Entwicklung, Fusions Onkogene wie KMT2A/MLL-MLLT3 und eine bessere Prognose (Heuser, 2016).

Bekannt ist die Entwicklung eines t-MDS als Komplikation nach Chemotherapie oder autologen Stammzelltransplantationen bei Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphomen. Die Inzidenz nach autologer Stammzelltransplantation beträgt 1,1% bis 24,3% und die Patienten erkranken im Mittel 12-24 Monate nach der Therapie. Auch nach der Therapie von akuten lymphoblastischen Leukämien (ALL), Sarkomen, Ovarialkarzinomen und Hodentumoren (testicular cancer) tritt t-MDS auf. Die Inzidenz beläuft sich auf 0,8% bis 6,3% nach 20 Jahren. Die Zeit bis zur Entwicklung einer therapieassoziierten Knochenmarksstörung beträgt im Mittel drei bis fünf Jahre. Das Risiko verringert sich zehn Jahre nach Therapieende (Bhatia, 2013).

Bestimmte zytogenetische und somatische Mutationen sind mit einem t-MDS assoziiert. 50% der Patienten, welche mit Alkylantien behandelt wurden, weisen eine Deletion des Chromosoms 7 oder seines q-Arms auf. Typisch sind auch RUNX1-Mutationen oder eine Kombination (Christiansen, Andersen, & Pedersen-Bjergaard, 2004).

Patienten mit t-MDS haben bei konventioneller Therapie ein durchschnittliches Überleben von 6 Monaten. Deshalb wird, abhängig vom zytogenetischem Risikoprofil, eine allogene Stammzelltransplantation (SZT) empfohlen (Bhatia, 2013; Heuser, 2016).

1.1.7 Pathogenese

Die Entstehung von MDS ist multifaktoriell. Ursprungszelle ist immer eine hämatopoetische Stammzelle (Woll et al., 2014). Bejar et al beschrieben 2011 sieben Mechanismen zur Entwicklung des MDS. Diese Mechanismen funktionieren meistens auf Genebene. Passend dazu zeigen 78%

aller MDS Patienten mindestens eine somatische Mutation in den mit MDS assoziierten Genen (Bejar et al., 2011; Papaemmanuil et al., 2013). Dabei kann zwischen Genen unterschieden werden, welche die Erkrankung initiieren und solchen, die im Verlauf erworben werden. Darüber hinaus gibt es Gene, die mit einer schnelleren Progression zur sAML assoziiert sind (Typ 1-Gene) oder mit Hoch-Risiko MDS und reduziertem Gesamtüberleben (Typ 2 Gene) (Makishima et al., 2017). Mutationen, welche früh im Krankheitsverlauf auftreten betreffen vor allem die Splicing- und epigenetische Faktoren. Mutationen in den Transkriptionsfaktoren können sowohl früh als auch spät auftreten (Papaemmanuil et al., 2013).

Tabelle 4 Typ 1 und Typ 2 Gene nach Makishima et al. 2017

Typ 1 Gene Typ 2 Gene

Ein wichtiger Faktor ist die Selbsterneuerung der hämatopoetischen Stammzellen. Dadurch kommt es zu einer erhöhten Proliferation in den krankheitsauslösenden Zellen und ihren Nachkommen bei gleichzeitiger anti-apoptotischer Aktivität und einer Beeinträchtigung oder Blockierung der Differenzierung. Dies führt zu einer genetischen und epigenetischen Instabilität.

Dabei wird die normale Hämatopoese unterdrückt und das Immunsystem umgangen (Bejar et al., 2011).

Diese Entwicklung wird als klonale Evolution bezeichnet. Dabei wird zwischen zwei parallel existierenden Mustern differenziert. In dem ersten bzw. der linearen Evolution entwickeln sich mehrere Subklone aus der dominanten Population und übernehmen diese. Im zweiten Modell entfernen neu oder bereits existierende Subklone die alte Population und breiten sich aus (Makishima et al., 2017). Insgesamt werden im Laufe der Krankheit immer mehr Mutationen erworben.

Deletion 5q

Die Deletion des q-Arms von Chromosom 5 liegt in 15% aller MDS-Fälle vor und ist damit die häufigste zytogenetische Aberration bei MDS. Sie geht aufgrund von spezifischen Therapieansätzen mit Lenalidomid mit einer guten Prognose einher (Bejar et al., 2011).

Die Haploinsuffizienz einer oder mehrerer Gene auf 5q scheint pathognomonisch für MDS zu sein und geht mit keinen weiteren Mutationen oder einer uniparentalen Disomie einher (Graubert et al., 2009; Heinrichs et al., 2009). Es werden zwei verschiedene deletierte Regionen (commonly deleted regions = CDR) unterschieden. Zum einen Deletion 5q33.1, welche sich klinisch als 5q-Syndrom äußert (Boultwood et al., 2002) und zum anderen Deletion5q31, welche mit t-MDS und aggressiveren MDS-Formen assoziiert ist. Klinisch tritt sie mit einem AML-Phänotyp in Erscheinung (Horrigan et al., 2000; Liu et al., 2007).

Das 5q-Syndrom zeichnet sich durch eine makrozytäre Anämie, eine Thrombozytose und eine leichte Leukopenie aus. Im Knochenmarksausstrich werden eine geringere erythroide Ausreifung, abnorme Granulozyten, und als Hauptmerkmal große Megakaryozyten mit ungelapptem Kern beobachtet (Sokal et al., 1975). Auf molekularer Ebene sind diese Veränderungen auf einen partiellen Funktionsverlust der ribosomalen Untereinheit RPS14 und einen Verlust der miRNA 145 und miRNA 146 zurückzuführen. Geringere Expression von RPS14 führt zu einer blockierten Prozession pre-ribosomaler RNA und damit zu einer makrozytären Anämie ähnlich der Blackfan-Anämie (Ebert et al., 2008). Ein Knockdown von miRNA 145 und miRNA 146 in Mäusen führte zu einer Thrombozytose bei gleichzeitiger makrozytären Dysplasie (Starczynowski et al., 2010).

Eine Deletion der Region 5q31 führt molekulargenetisch zu einer Haploinsuffizienz des early growth response Gen (EGFR1), welches ein Zinfingertranskriptionsfaktor ist und die Stammzellerneuerung steigert (Joslin et al., 2007). Außerdem wird Alpha-Catenin (CTNNA1) geringer exprimiert, wodurch Zellen einen Wachstumsvorteil erhalten (Liu et al., 2007).

In der CDR 5q32 liegt das Serin-Threonin-Kinase-Casein-Kinase-1-alpha (CSNK1A1). Es ist wichtig für die Regulation von β-Catenin und TP53. 7,2% der Patienten mit MDS/s-AML und einer Deletion 5q zeigen diese Mutation auf dem verbliebenen 5q-Arm. Bei Patienten ohne del5q konnte keine Mutation dieser Art nachgewiesen werden. Ein heterozygoter Verlust dieses Allels führt zu einer Ausbreitung der hämatopoetischen Stammzelle sowie einem Vorteil beim Engraftment der Stammzellen nach Transplantation. Außerdem sind die Zellen für CSNK1 Inhibitoren sensibilisiert.

Eine homozygote Mutation hingegen führt zum Versagen der hämatopoetischen Stammzellen (Heuser et al., 2015; Schneider et al., 2014).

Deletion 7 (Monosomie 7) oder Deletion 7q

Chromosom 7 Aberrationen liegen bei 10-15% der Patienten vor und gehen mit einer schlechten Prognose einher (Bejar et al., 2011; P. L. Greenberg et al., 2012). In Patienten mit einem t-MDS oder einer t-AML ist diese Veränderung sogar in bis zu 45% der Fälle vertreten (Christiansen et al., 2004). Es wird die Monosomie 7 von der Deletion des q-Arms des Chromosoms 7 unterschieden.

Patienten mit einer isolierten Deletion 7q haben ein längeres Gesamtüberleben und einen langsameren Progress zu einer AML als Patienten mit einem isolierten Verlust des kompletten Chromosoms. Dies hebt sich auf, sobald weitere Mutationen vorliegen (Cordoba et al., 2012).

80% der MDS oder AML Patienten zeigen Mutationen in zwei Bereichen: 7q22 und 7q35-36.

Demzufolge könnten in diesen Bereichen Tumorsuppressorgene liegen, welche entscheidend für die Leukogenese sind (Dohner et al., 1998; Le Beau et al., 1996). Beide Regionen wurden auf mögliche Gene untersucht. Eine Haploinsuffizienz von 7q22 führte bei Mäusen zu keiner Veränderung der Hämatopoese (J. C. Wong et al., 2010). Dennoch konnten mit dem EPO und Cux1 Gen mögliche Ursachen für die MDS-Entstehung gefunden werden (McNerney et al., 2013;

Mohanty, Korgaonkar, Shanmukhaiah, Ghosh, & Vundinti, 2016). Außerdem liegt in dem Bereich 7q22 das Mixed lineage leukemia-5 Gen (MLL5). Eine homozygote Deletion dieses Bereiches führte im Mausmodell zu lebensfähigen Mäusen, welche Defekte im Immunsystem sowie der hämatopoetischen Stammzellen zeigten. MLL5 scheint eine Rolle bei der terminalen myeloischen Differenzierung sowie der Regulation der hämatopoetischen Selbsterneuerung zu spielen (Heuser et al., 2009).

In dem Genbereich 7q35-36 liegen zwei Gene, deren Ausfall ein MDS erklären könnten. Das Enhancer-of-zeste-homolog-2-Gen (EZH2), eine Histonmethyltransferase, ist die katalytische Untereinheit von Polycomb-repressive-complex-2 (PRC2), welcher das Lysin 27 des Histon 3 (H3K27) di- bzw. trimethyliert. Dies führt zur epigenetischen Unterdrückung von Geneexpressionen (Bejar et al., 2011; Nikoloski et al., 2010). Bei EZH2 handelt es sich am ehesten um ein Tumorsuppressorgen, denn eine Haploinsuffizienz geht mit einem besseren Gesamtüberleben einher als eine Defizienz. Bei unterexprimierten EZH2 liegen vermehrte Immungene vor. Dies könnte ein Erklärungsansatz für die Pathogenese von Chromosom 7 Aberrationen sein (Cabrero et al., 2016).

Außerdem liegt das Tumorsupressorgen Mixed-lineage-leukemia-3 Gen (MLL3) im Bereich 7q36.1 und blockiert die Differenzierung hämatopoetischer Stammzellen. Bei Blockierung in Mäusen führt es zu MDS (Chen et al., 2014).

Ein weiteres Gen auf dem p-Arm des Chromosom 7 SEC-61 (7p11) könnte erklären, warum Patienten mit einer Monosomie 7 ein geringeres Überleben und eine schnellere Progression zur AML haben als Patienten mit einer Deletion 7q (Mohanty et al., 2016).

Trisomie 8

Eine Verdreifachung des Chromosoms 8 ist die einzige Trisomie, welche mit MDS assoziiert ist.

Isoliert kommt sie in 8% der Patienten vor (Haase et al., 2007). Interessanterweise beträgt das mediane Überleben bei Trisomie 8 22 Monate und verdoppelt sich auf 44 Monate bei Vorliegen einer weiteren Mutation. Liegt sie jedoch als Teil des komplexen Karyotypes vor, reduziert sich das Gesamtüberleben auf 17 Monate (Haase et al., 2007).

Bei MDS-Patienten mit Trisomie 8 versucht das Immunsystem diese Zellen zu eliminieren. Da +8 Zellen mehr anti-apoptotische Gene exprimieren und außerdem strahlenresistenter sind, haben sie im Falle einer autoimmunen Reaktion mit CD8+ zytotoxischen T-Zellen einen Vorteil gegenüber anderen Zellen. Sie können sich vermehren, während die restliche Hämatopoese geschädigt wird.

So kommt es durch eine immunsuppressive Therapie zwar zu einer Normalisierung der Zellzahl im

peripheren Blut. Im Knochenmark persistiert oder vermehrt sich jedoch der +8–Klon (Bejar et al., 2011; Sloand et al., 2007).

Trisomie 8 MDS-Patienten profitieren von einer immunsuppressiven Therapie besonders, wenn sie jung sind, eine refraktäre Anämie von kurzer Dauer haben und HLA-DR51 positiv sind (Bejar et al., 2011; Sloand, Wu, Greenberg, Young, & Barrett, 2008).

Deletion Chromosom Y

Ein Verlust des Y-Chromosoms kann in verschiedenen myeloproliferativen Erkrankungen, so auch in 5% der MDS-Fälle, beobachtet werden. Es gibt keine Korrelation mit dem Überleben. Eine erhöhte Inzidenz konnte nur bei Patienten mit einer Keimbahnmutation nachgewiesen werden.

Die Deletion entspricht am ehesten einem Altersphänomen (Haase et al., 2007; Wiktor et al., 2000; A. K. Wong et al., 2008).

Deletion 20q

3% aller MDS Patienten weisen eine isolierte Deletion des q-Arms von Chromosom 20 auf. Diese ist isoliert mit einer sehr guten Prognose assoziiert, in einem komplexen Karyotyp sinkt diese (Haase et al., 2007). Die CDR umfasst 96 Gene inklusive MYBL2 (v-myb avian myeloblastosis viral oncogene homolog like-2), welches Funktionen im Zellzyklus ausübt, TP53RK (TP53 regulierende Kinase) und TP53TG5 (TP53 target gene 5) (Bacher et al., 2014).

Weder eine Deletion Y noch 20q sind diagnosedefinierende Mutationen.

Deletion 17

5% aller Patienten mit einer chromosomalen Aberration zeigen eine Deletion des gesamten Chromosoms 17, des p-Arms oder ein Isochromosom q17. Das mittlere Überleben von Translokationen, welche 17q einschlossen aber keinen komplexen Karyotyp aufwiesen, liegt bei 32 Monaten. Die Deletion 17 ist häufig mit einem komplexen Karyotyp assoziiert. Das mittlere Überleben beträgt dann 4 Monate (Haase et al., 2007).

Mit der FISH-Analyse konnte eine Deletion 17p auch unabhängig vom komplexen Karyotyp nachgewiesen werden. Die Untersuchung zeigt, dass 2,3% der 17p Deletionen in der konventionellen Karyotypisierung übersehen werden (Sanchez-Castro et al., 2015).

Die Deletion 17p ist über alle Malignome betrachtet mit 23% der häufigste Verlust eines Chromosomenarms und häufig mit einem komplexen Karyotyp assoziiert (Adeyinka, Wei, &

Sanchez, 2007).

Komplexer Karyotyp

Der komplexe Karyotyp (≥3 Aberrationen) liegt in ungefähr 9-14 % der MDS Patienten und 44%

der sAML Patienten vor und ist mit einer ungünstigen Prognose assoziiert (Haase et al., 2007;

Milosevic et al., 2012; Schanz et al., 2012). Einige Mutationen wie die Monosomie 18/Deletion 18q, Monosomie 17/Deletion 17q, +1/+1q, -5, +11, -13/-13q, -21 und +Mar treten fast ausschließlich als Teil des komplexen Karyotyps auf (Haase et al., 2007). Aufgrund ihres seltenen Auftretens ist eine prognostische Relevanz unabhängig vom komplexen Karyotyp bei diesen Mutationen unwahrscheinlich.

Bei normalem Karyotyp liegt das mittlere Überleben bei 53 Monaten. Steigt die Anzahl der chromosomalen Aberrationen auf drei an, reduziert es sich auf 15 – 17 Monate und sinkt mit jeder weiteren erworbenen Aberration. Bei mehr als 3 Aberrationen liegt es bei 5,6 – 9 Monaten (Haase et al., 2007; Schanz et al., 2012). Im Durchschnitt weisen die Patienten 5 Aberrationen auf, das Spektrum verteilt sich auf 3-20 Aberrationen (Schanz et al., 2012). Die Unterteilung in 3

Aberrationen und mehr als 3 Aberrationen zeigte außerdem einen signifikanten Unterschied bezogen auf das Gesamtüberleben (Schanz et al., 2012).

Im Vergleich zu de novo AML Patienten ist der Karyotyp bei sAML Patienten komplexer, d.h es liegen mehr Aberrationen vor. Deletionen in 7q sowie ein Gewinn der Region 1q32 sind typischerweise mit sAML assoziiert. Interessanterweise liegen dort Gene, welche mit TP53 so interagieren, dass es durch die Aberrationen vermindert exprimiert wird (Milosevic et al., 2012).

1.1.8 Somatische Mutationen

Im Folgenden wird zunächst das Gen TP53 genauer beschrieben. Danach werden andere wichtige Gene der MDS-Pathophysiologie dargestellt. Diese sind entweder elementar für die Pathogenese oder zeigen eine Korrelation im Ergebnisteil.

TP53

Tumorsuppressorgen 53 (TP53), lokalisiert auf Chromosom 17p13.1, ist das am häufigsten mutierte Tumorsuppressorgen bezogen auf alle humanen Krebsformen (Lawrence et al., 2014) und ist bei 5-10% der MDS Patienten mutiert. Noch häufiger ist die Mutation bei Patienten mit therapieassoziierten MDS (t-MDS) besonders nach einer Therapie mit Alkylantien (Christiansen, Andersen, & Pedersen-Bjergaard, 2001). Eine TP53-Mutation ist mit einem signifikant schlechteren Gesamtüberleben unabhängig vom IPSS-Score, einem komplexen Karyotyp sowie Aberrationen auf Chromosom 17 assoziiert (Bejar et al., 2011; Wattel et al., 1994).

sAML Patienten tragen in 16,67 - 17,6% der Fälle eine TP53 Mutation im Vergleich zur de novo AML, bei denen nur 2,4 – 4,27% mutiert sind. Bei anderen myeloproliferativen Erkrankungen ist TP53 vor allem bei solchen Patienten mutiert, deren Erkrankung in eine AML übergeht (Harutyunyan, Klampfl, Cazzola, & Kralovics, 2011). Folglich spielt die TP53 Mutation eine wichtige Rolle beim Progress zur AML (Herzog et al., 2005; Milosevic et al., 2012). Es ist der einzige signifikante Faktor für ein reduziertes Gesamtüberleben bei sAML (Milosevic et al., 2012).

sAML Patienten tragen in 16,67 - 17,6% der Fälle eine TP53 Mutation im Vergleich zur de novo AML, bei denen nur 2,4 – 4,27% mutiert sind. Bei anderen myeloproliferativen Erkrankungen ist TP53 vor allem bei solchen Patienten mutiert, deren Erkrankung in eine AML übergeht (Harutyunyan, Klampfl, Cazzola, & Kralovics, 2011). Folglich spielt die TP53 Mutation eine wichtige Rolle beim Progress zur AML (Herzog et al., 2005; Milosevic et al., 2012). Es ist der einzige signifikante Faktor für ein reduziertes Gesamtüberleben bei sAML (Milosevic et al., 2012).