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Mycobacterium tuberculosis Erreger

Mycobacterium tuberculosis ist ein säurefestes, obligat anaerobes, fakultativ pathogenes Stäbchenbakterium und ist der Erreger der Tuberkulose beim Mensch.

In der TRBA 466 ist es in die Risikogruppe 3 eingestuft [117].

Vorkommen

Der Erreger kommt weltweit vor, ein Drittel der Weltbevölkerung ist mit Mycobacterium tu-berculosis infiziert. Gleichzeitig ist die Tuberkulose derzeit die wichtigste Tropenkrankheit. In den entwickelten Industrieländern hat die Inzidenz kontinuierlich abgenommen, hier hat sich die Tuberkulose v.a. zu einer Alterskrankheit entwickelt. Insgesamt betrug die Inzidenz in Deutschland im Jahr 2007 weniger als 10/100.000 Einwohner, aktuelle Zahlen zur Situation in Deutschland veröffentlicht das RKI. Die wichtigste Infektionsquelle ist der Mensch. Seit Anfang der 1990er Jahre wird – auch in Deutschland – eine Zunahme der Therapieresistenz von Mycobacterium tuberculosis beobachtet.

Ausmaß der Infektionsgefährdung

Die Erregerdosis, die zu einer Infektion beim Menschen führt, ist unbekannt.

Reservoir

Der einzige Wirt ist dermenschliche Organismus [175].

Infektionsweg

Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch durch Tröpfcheninfektion, seltener über Staub. Darüber hinaus kann eine Übertragung über kontaminierte Gegenstände nicht ausge-schlossen werden, da das Tuberkulose-Bakterium in feuchter oder trockener Umgebung bis zu 6 Wochen, in Staub sogar mehrere Monate, lebensfähig ist [[175], [164]].

Inkubationszeit

Die Inkubationszeit von der Infektion bis zum Ausbruch der Erkrankung kann bis zu 2 Jahren oder auch länger betragen, wobei schätzungsweise ca. 10% der Infizierten auch tatsächlich erkranken. Laut den Angaben im RKI-Merkblatt beträgt die Inkubationszeit 6-8 Wochen. Das Erkrankungsrisiko nach einer Infektion ist von Alter und Immunstatus abhängig [175].

Dauer der Ansteckungsfähigkeit

Die Ansteckungsfähigkeit ist bei Patienten mit offener Tuberkulose am höchsten, bei Patien-ten, für die nur ein mikrobiologischer Nachweis vorliegt, deutlich geringer. Infizierte, die mit einer wirksamen Kombinationstherapie behandelt werden, sind in der Regel nach 2-3 Wo-chen nicht mehr ansteckend [159].

Gefährdende Tätigkeiten und Arbeitsbereiche

In einem Fallbericht wurde 1995 über die Infektion von zwei 2 Büromitarbeiter mit Mycobac-terium tuberculosis in Australien berichtet. Bei der Untersuchung konnten ca. 93% (195 von 210) der Arbeitskollegen der Infizierten untersucht werden, wobei 24% der Kollegen erkrank-ten (im Vergleich dazu die sonstigen Erkrankungsprävalenz von 2-7% in der Allgemeinbe-völkerung). Für Beschäftigte, die im gleichen Großraumbüro wie die beiden Erkrankten gear-beitet hatten, wurde ein erhöhtes Infektionsrisiko (OR 5,48, 95% KI 1,51-23,54, p=0,005) festgestellt. Als Ursache für die Übertragung auf die Umgebung wurde vor allem die verspä-tete Diagnostik der Tuberkulose bei den beiden zuerst infizierten Mitarbeitern angegeben [176]. 1996 wurde in den USA der Fall eines Patienten mit aktiver Tuberkulose berichtet, der 27% (n=49) seiner direkten Arbeitskollegen auf der Werft und 45% (n=69) der Menschen in seiner Umgebung angesteckt hatte [177].

auf die Beseitigung medizinischer Abfälle spezialisiert war, publiziert. Mindestens einer die-ser Beschäftigten hatte sich nachweislich bei seiner Tätigkeit infiziert. Von den 77 Kontakt-personen, die untersucht werden konnten (39 bei der Arbeitsstelle und 38 im sozialen Um-feld), hatten 18,2% (n=14) einen positiven TB-Test, davon 13 Kollegen und 1 Patient aus dem persönlichen Umfeld [179]. Über die Infektion von 4 Mitarbeitern einer Geflügelfarm in den USA wurde 2002 berichtet. Bei der Untersuchung der Umgebung wurde kein Unter-schied in der positiven Seroprävalenz bei der Überprüfung direkter Kollegen vs. Kollegen ohne Kontakt zu den Erkrankten festgestellt [180]. Eine Untersuchung von 2010 in Peru bei Beschäftigten im öffentlichen Personentransportverkehr zeigte eine auffällig höhere Inzidenz (2,7-4,5-fach) im Vergleich zur werktätigen Bevölkerung und zur Allgemeinbevölkerung. Das Risiko für eine Tuberkulose (TB) oder eine Multidrug-resistente Tuberkulose (MDR-TB) war für Beschäftigte in diesem Bereich deutlich höher (OR 3,06, 95%CI 2,2-4,2 und OR 3,14, 95%CI 1,1-9,1) [150].

Besonders gefährdete Personen (z.B. Vorerkrankungen, verschiedene Alters-gruppen, Schwangere)

Personen mit geschwächtem Immunsystem oder Immunsuppremierte.

Krankheitsbild

Eine Infektion mit Mycobacterium tuberculosis verläuft normalerweise ohne Symptomatik.

Prinzipiell kann jedes Organ infiziert werden, im Wesentlichen treten aber folgende Krank-heitsbilder auf: Lungentuberkulose, Nierentuberkulose, Meningitis tuberculosa, Lymphadeni-tis, Knochen- und Gelenktuberkulose. In ca. 80% der Fälle manifestiert sich die Infektion als Lungentuberkulose. Die in den Lymphknoten und betroffenen Organen histopathologisch nachweisbaren Veränderungen lassen sich nicht von der durch Mycobacterium bovis verur-sachten Tuberkulose unterscheiden [[175], [164], [159]].

Arbeitsmedizinischer Handlungsbedarf hinsichtlich Beratung, Anamnese, Un-tersuchung und ggf. Impfangebot

Beratung, Anamnese

In der Beratung sollte insbesondere auf erhöhte Infektionsrisiken bei Kontakt zu Personen eingegangen werden, die aus Gruppen mit bekannt erhöhter Tuberkulose-Inzidenz stam-men.

Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung

Nach ArbMedVV ist bei gezielten Tätigkeiten eine Pflichtuntersuchung als Erstuntersuchung und Nachuntersuchung vorgeschrieben. Bei nicht gezielten Tätigkeiten in Tuberkuloseabtei-lungen und anderen pulmologischen Einrichtungen bei Tätigkeiten mit regelmäßigem Kon-takt zu erkrankten oder krankheitsverdächtigen Personen ist eine Pflichtuntersuchung vorge-schrieben. Weiterhin ist bei nicht gezielten Tätigkeiten in Forschungseinrichtungen/Laborato-rien bei regelmäßigen Tätigkeiten mit Kontaktmöglichkeiten zu infizierten Proben oder Ver-dachtsproben bzw. erregerhaltigen oder kontaminierten Gegenständen oder Materialien eine Pflichtuntersuchung vorgeschrieben (ArbMedVV Anhang, Teil 2 (1)). Bei sonstigen nicht ge-zielten Tätigkeiten sollte eine Angebotsuntersuchung nach ArbMedVV Anhang, Teil 2 (2) erfolgen.

Impfung

Seit 1998 wird die BCG-Impfung von der Ständigen Impfkommission am RKI entsprechend den Empfehlungen der WHO (keine generelle BCG-Impfung in Populationen, deren

Infekti-onsrisiko für Tuberkulose < 0,1% liegt) nicht mehr empfohlen. In Deutschland ist derzeit kein Impfstoff zugelassen [161].

Hinweise zu baulich-technischen, organisatorischen und persönlichen Schutzmaßnahmen, inkl. Hygiene

Bei Kontakt mit Patienten mit offener Tuberkulose: Atemschutz (mindestens partikelfil-trierende Halbmasken FFP2) [162] sowie regelmäßige Flächendesinfektion entsprechend den Hygienerichtlinien.

Maßnahmen der Ersten Hilfe: Vorgehen nach Stich/Biss, Postexpositions-prophylaxe

Keine

Diagnostik

Der Nachweis von Mycobacterium tuberculosis bzw. der Immunantwort auf den Erreger kann über folgende Wege durchgeführt werden: Tuberkulin-Hauttest (Mendel-Mantoux-Test) oder immunologische Verfahren (Interferon-Gamma Release Assays, IGRA), Röntgendiagnostik oder bakteriologische Diagnostik (Mikroskopie, Kultur, Nukleinsäureamplifikation, molekulare Typisierung) [[175], [164], [159], [163]].

Therapie

Die Behandlung einer Tuberkulose wird bei mikroskopischem Nachweis säurefester Stäb-chenbakterien oder röntgenologisch aktivem Prozess mit einer Standard-Kurztherapie über 6 Monate durchgeführt. Als Antituberkulotika werden Isoniazid, Rifampicin, Ethambutol, Streoptomycin und Pyrazinamid eingesetzt, zur Vorbeugung von Resistenzentwicklungen in der Regel als verschiedene Kombinationstherapien verabreicht werden. Bei verzögertem Ansprechen muss die Therapiezeit verlängert, bei beobachteter Resistenzentwicklung die Therapie angepasst werden [[175], [164], [159]].

Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen

Patienten sollten auf die Einhaltung der persönlichen Hygiene (keine Kontamination von Oberflächen durch Sputum) hingewiesen werden. Ggf. ist eine Umgebungsuntersuchung angezeigt [RKI-Merkblatt].

Meldepflicht

Laut Infektionsschutzgesetz besteht für Labore eine Meldepflicht d) vorab für den Nachweis säurefester Stäbchen im Sputum e) für den direkten Erregernachweis

f) nachfolgend für das Ergebnis der Resistenzbestimmung.

Gemäß Infektionsschutzgesetz ist der feststellende Arzt verpflichtet, die Erkrankung sowie den Tod an einer behandlungsbedürftigen Tuberkulose zu melden, auch wenn kein bakterio-logischer Nachweis vorliegt.

Maßnahmen bei Ausbrüchen (insbesondere nach absichtlicher Erregerverbrei-tung bei bioterroristischen Attacken)

Entfällt

Bereits bestehende Regelungen (staatliches Recht, Recht der gesetzlichen Un-fallversicherung)

 BioStoffV

 ArbMedVV: Pflichtuntersuchungen – Angebotsuntersuchungen

 ArbSchG: Wunschuntersuchung

nahmen: Mindestanforderungen“

 Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) 100 „Schutzmaßnahmen für gezielte und nicht gezielte Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in Laboratorien“

 Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) 120: „Versuchstierhaltung“

 Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) 230: „Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in der Land- und Forstwirtschaft und bei ver-gleichbaren Tätigkeiten“

 Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) 250: „Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege“

 G 42

Weiterer Handlungsbedarf im Hinblick auf Regelungen und Empfehlungen (d.h.

Maßnahmen der Prävention)

Keiner

Weiterer Handlungsbedarf im Hinblick auf Erkenntnisse zu arbeitsbedingten Infektionskrankheiten (d.h. Forschungsbedarf zur Bedeutung im Arbeitsschutz)

Keiner

Offene Fragen zu einzelnen Infektionserregern (z.B. es besteht Forschungsbe-darf sowohl zur Bedeutung aus Sicht des Arbeitsschutzes als auch zu Mög-lichkeiten der Prävention)

Keine

Bewertung der Literatur

Die Ergebnisse der australischen Untersuchung von 1995 zeigten das mögliche Risiko für Beschäftigte am Arbeitsplatz, wenn ein Kollege erkrankt ist. Angaben zur Infektionsquelle für die jeweiligen Indexpatienten lagen keine vor, der Impfstatus der Untersuchten war bei der australischen Untersuchung berücksichtig worden [176]. Auch die Untersuchung in den USA zeigte das mögliche Infektionsrisiko für Beschäftigte am Arbeitsplatz bei erkrankten Kollegen.

Auch hier fehlen Angaben zur Infektionsquelle für die jeweiligen Indexpatienten, ein positives Ergebnis des aktuellen Tuberkulinhauttests galt hier nur dann als positiv, wenn aus der Ver-gangenheit kein positives Testergebnis bekannt war [177].

Einen direkten Zusammenhang zwischen Infektion und Arbeitsplatz zeigen dagegen die Fallberichte der Beerdigungsunternehmerin [178] sowie der drei Beschäftigten der Firma, die auf die Beseitigung medizinischer Abfälle spezialisiert war [151]. Bei letzteren kann das In-fektionsrisiko, bestimmt über den positiven TB-Hauttest, für die Kollegen nicht eingeschätzt werden, da Angaben zum BCG-Impfstatus fehlen. Für die 2002 publizierte Infektion von vier Mitarbeitern einer Geflügelfarm wurde als Quelle eher die beengten Lebensverhältnisse so-wie die fehlende medizinische Versorgung angenommen, da die epidemiologische Untersu-chung keine Evidenz für die Annahme einer Übertragung am Arbeitsplatz zeigte [180]. Die in Lima/Peru festgestellte auffällig höhere Inzidenz für eine Mycobacterium tuberculosis-Infektion bei Beschäftigten im öffentlichen Personentransportverkehr ist nach Angaben der Autoren nur auf Peru bzw. vergleichbare Länder mit gebietsweise sehr hoher Bevölkerungs-dichte, geringer sozialer Absicherung der Bevölkerung und schwierigem Zugang zu medizi-nischer Versorgung, übertragbar [150].

Insgesamt scheint es, abgesehen von Beschäftigten, die am Arbeitsplatz mit infiziertem Ma-terial umgehen, keine Hinweise auf ein beruflich bedingtes Infektionsrisiko mit Mycobacteri-um tuberculosis zu geben.