• Keine Ergebnisse gefunden

Musterbildungsprozesse bei der Anlage der Neuralplatte

Es sollen im folgenden die Funktion und die Charakteristika einiger Proteinfamilien, ins-besondere TGFβ-Faktoren und Homeodomänproteine, dargestellt werden, die bei der An-lage der Neuralplatte eine Rolle spielen.

In Vertebraten wird die Neuralplatte als erste Stufe eines sich entwickelnden ZNS wäh-rend der Gastrulation durch Unterteilung des Ektoderms in neurale und nicht-neurale Do-mainen festgelegt. Die Induktion der Neuralplatte sowie die Dorsalisierung des Meso-derms erfolgt in Amphibien durch die dorsale Blastoporuslippe, in Teleosten durch den Schild (Oppenheimer, 1936) und in Vögeln durch den Hensen´schen Knoten an der Spitze des Primitivstreifens (Waddington, 1933). Signale, die von diesem Speman´schen Orga-nisator ausgehen, können prospektive Epidermiszellen zu neuralen Vorläuferzellen um-programmieren und zur Induktion sekundärer Achsen führen.

Signaltransduktion durch BMP (bone morphogenic protein) Moleküle blockiert die Aus-bildung neuraler Vorläuferzellen im Ektoderm in Vertebraten (Xenopus) und induziert in Form eines Konzentrationsgradienten die Etablierung der dorso-ventralen Achse in Inver-tebraten (Drosophila). Neurale Induktion kann man daher auch als lokale Suppression dieses Signalweges durch BMP Antagonisten wie chordin, noggin, follistatin betrachten (Piccolo et al., 1996; Zimmermann et al., 1996; Fainsod et al., 1997), die durch den Spe-mannschen Organisator freigesetzt werden. BMP4 ist im Huhn und im Frosch (Xenopus laevis) im Übergangsbereich zwischem neuralem und epidermalem Ektoderm exprimiert und induziert die Differenzierung der in dieser Region entstehenden Neuralleistenzellen (LaBonne und Bronner-Fraser, 1999).

Dorsale Überexpression von BMP4 inhibiert neurale Differenzierungsprozesse im Ekto-derm der animalen Hemisphere des Froschembryos (Sasai et al., 1995). Im Gegensatz dazu führt eine Mißexpression von BMP4 oder seiner Antagonisten im Huhn weder im Bereich der prospektiven Neuralplatte noch im nicht-neuralen Ektoderm zu einer Beein-flussung der Musterbildungsprozesse während der Gastrulation (Streit et al., 1998; Streit

und Stern, 1998). Insbesondere sind chordin und noggin nicht in der Lage, in kompe-tentem Ektoderm neurales Gewebe zu induzieren. Nur an der Grenze zwischen neuralem und nicht-neuralem Ektoderm, an der neurale Marker wie SOX3 und nicht-neurale Mark-er wie die Homeoboxgene MSX1 und DLX5 sowie TGFβ-Faktoren wie BMP5 und BMP7 co-exprimiert sind, kann die Größe der Neuralplatte durch ektopische Expression von BMP4, noggin und chordin beeinflußt werden (Streit und Stern, 1999). Die Grenze der Neuralplatte wird daher durch die Interaktionen zwischen neuralem und nicht-neu-ralem Ektoderm sowohl im Frosch als auch im Huhn etabliert (Moury und Jacobson, 1990; Dickinson et al., 1995; Selleck und Fraser, 1998; LaBonne und Bronner-Fraser, 1998). MSX1 Expression wird dabei sowohl von den Fibroblasten Wachstumsfak-toren FGF4 und FGF8 (Streit und Stern, 1999) als auch von BMP4 (Marazzi et al., 1997;

Suzuki et al., 1997) induziert und kann wiederum in Form einer positiven Rückkopp-lungsschleife BMP4 aktivieren (Bei und Maas, 1998). Die Expression von BMP4 selbst wird ebenfalls in Form einer positiven Rückkopplungsschleife verstärkt (Biehs et al., 1996). In der frühen Embryonalentwicklung liegt eine weitgehende Überlappung von MSX1 und BMP4 Transkripten vor. Beide sind in HH4 Embryonen im posterioren Prim-itivstreifenbereich, im umgebenden Epiblasten, im lateralen Mesoderm und in einem Ring um die Grenze der Neuralplatte herum exprimiert. Ab HH8 beschränkt sich die Ex-pression beider Gene auf die dorsalen Neuralfalten des sich schließenden Neuralrohres.

In späteren Entwicklungsphasen wird die dorso-ventrale Musterbildung im Neuralrohr durch BMP4 und BMP7, die im dorsalen Oberflächen-Ektoderm exprimiert sind, beein-flußt (Liem et al., 1995). Im Frosch, Xenopus laevis, ist BMP4 in der Marginalzone der Gastrula exprimiert, induziert dosisabhängig ventrales Mesoderm und hat eine antagoni-sierende Funktion in bezug auf den Speman´schen Organisator. In Abhängigkeit von der Höhe der extrazellulären BMP4 Konzentration, die durch seine Inhibitoren noggin (Lamb et al., 1993; Zimmerman et al., 1996), chordin (Sasai et al., 1995), follistatin (Hemmati-Brivanlou et al., 1994), Xnr3 (Hansen et al., 1997), cerberus (Bouwmeester et al., 1996) und gremlin (Hsu et al., 1998) gesteuert wird, werden verschiedene mesodermale Deri-vate wie Muskeln, das Notochord, der Pronephros und Blutzellen angelegt und spezifi-ziert (Dosch et al., 1999).

TGFβ-Faktoren

BMPs zählen zur Überfamilie der transformierenden Wachstumsfaktoren (TGFβ) und regulieren als sekretierte Signalproteine eine Vielzahl biologischer Prozesse, wie Prolif-eration, Apoptose, Differenzierungsvorgänge und die Morphogenese einzelner Organsys-teme (Ying, 1989; Massague, 1990; Sporn und Roberts, 1992). Die Synthese der BMP Moleküle erfolgt als große funktionsunfähige Vorläufer-Proteine. Da ihre mRNA eine Signalsequenz enthält, die sie als sekretorische Proteine kennzeichnet, erfolgt die Trans-lation direkt in das Lumen des Golgi Apparates, wo sie proteolytisch prozessiert werden.

Allen Mitgliedern der BMP-Familie gemeinsam ist ein Strukturmotiv aus 7 Cysteinresten im sekretierten Bereich, die sie von den übrigen TGFβ-Faktoren, die neun Cysteinreste aufweisen, unterscheidet (Massague, 1990). Kristallographische Studien zeigten, daß die Cysteinreste das Zentrum des Monomers bilden, indem sie intramolekulare Disulfid-brücken ausbilden (Daopin et al., 1992; Schlunegger und Grutter, 1992). Die Sekretion erfolgt als inaktive Dimere, die erst durch proteolytische extrazelluläre Abspaltung eines nicht kovalent mit dem aktiven Plasmid verknüpften Bereiches aktiviert werden (Gray und Mason, 1990; Hammonds et al., 1991). Diese Region hat eine Bindungsdomäne für Kollagen und Fibronectin, die ein Ansammeln des inaktiven Proteins in der extrazel-lulären Matrix ermöglichen könnte (Taipale et al., 1996). Die Expressionsmuster ver-schiedener BMPs zeigen häufig überlappende Expressionsdomänen, was eine Interaktion dieser Proteine nahelegt. In der Tat gelang es, in vitro Heterodimere von BMP4-BMP7 und BMP2-BMP7 zu erzeugen, deren biologische Aktivität um ein Vielfaches höher war als die der jeweiligen Homodimere (Hazama et al., 1995; Suzuki et al., 1997). BMPs kön-nen durch ebenfalls sekretierte Antagonisten wie Chordin, Noggin, Follistatin (Yamash-ita et al., 1995) gebunden und dadurch inaktiviert werden. Die Signaltransduktion der TGFβ erfolgt durch Bindung an heterodimere transmembrane Rezeptoren, die eine Serin Threonin Kinase Aktivität besitzen. Diese Rezeptoren können in zwei Klassen Typ I und Typ II eingeteilt werden. Lagert sich ein BMP Molekül an, kommt es zu einer Konforma-tionsänderung einhergehender Phosphorylierung von Proteinen der SMAD Familie durch den Typ I Rezeptor (Wrana und Attisano, 1996). Aktivierte Smad Proteine gelangen in den Zellkern und wirken dort in verschiedenen Kombinationen als Transkriptionsaktiva-toren oder -repressoren und bilden einen Teil des Transkriptionskomplexes (Hoodless et al., 1996).

DLX Gene

Ein mit der frühen BMP4 Expression weitgehend überlappendes Expressionsmuster zeigt das Homeoboxgen Dlx5 als epidermaler Marker im Huhn (Pera et al., 1999). Homeobox-gene regulieren als Transkriptionsfaktoren wichtige entwicklungsbiologische Prozesse, indem sie Zellen ihre funktionelle Identität verleihen und ihre Position während der Mu-sterbildung determinieren (Morasso et al., 1996). Die Homeobox stellt dabei ein sequenz-spezifisches DNA Bindungsmotiv dar (Manak und Scott, 1994). Die Genfamilie der distal-les Gene, die als Tandemcluster auf verschiedenen Chromosomen angeordnet sind, umfaßt in Säugetieren 6 und im Zebrafisch mindestens 8 Mitglieder (Dlx1-7) (Price et al., 1991; Robinson und Mahon, 1994; Stock et al., 1996). Sie wurde zunächst in Drosophila identifiziert und charakterisiert (Cohen et al., 1989). Dlx Gene sind in den Branchialbö-gen, in der Vorderhirnanlage und im distalen Bereich der sich entwickelnden Gliedmaßen räumlich und zeitlich restringiert exprimiert. Ihre Inaktivierung führt in der Maus zu De-fekten in der Ausbildung der fazialen Schädelknochen, zu einer gestörten Musterbildung im Telencephalon und zu mangelnder Ossifikation des Skelettes (Acampora et al., 1999).

Die entsprechende Drosophila Mutante ist durch das Fehlen sämtlicher Gliedmaßen ge-kennzeichnet. Die Transkriptionsregulation durch Dlx Proteine ist komplex, da sie mittels der Homeodomäne sowohl Homo- als auch Heterodimere mit anderen Homeodomän-Proteinen wie Msx2 ausbilden können. Die Wirkung dieser Heterodimere ist jedoch ant-agonistisch zu den Homodimeren (Zhang et al., 1998).

Geminin

Ein weiteres Molekül, das in der Lage ist, die Musterbildung während der Anlage der Neuralplatte zumindest im Frosch zu beinflussen, ist Geminin. Es wurde zunächst in Xe-nopus aufgrund seiner Fähigkeit isoliert, die Neuralplatte auf Kosten der Epidermis und der Neuralleiste zu expandieren (Kroll et al., 1998). Das Protein ist bifunktionell aufge-baut. Seine N-terminale Domäne ist in der Lage, aus ventraler Epidermis dorsales neura-les Gewebe zu induzieren, wohingegen seine C terminale Domäne ein „coiled-coiled“

Proteininteraktionsmotiv besitzt und eine Rolle in der Regulation der DNA Replikation spielt. Tada et al. (2001) konnten zeigen, daß Geminin den Faktor CDT1 bindet, der den Aufbau des Pre-Replikationskomplexes (MCM) in der G1 Phase steuert. Geminin bindet CDT1 in der G2 Phase und verhindert dadurch eine Neuinitiierung der Replikation. Am Ende der M-Phase wird Geminin degradiert und CDT1 steht wieder für eine neue Runde der DNA Replikation zu Verfügung. Die inhibitorische Bindung durch Geminin ist damit

nur eine von mehreren Kontrollen, wie Phosphorylierungsgrad, Kernexport und Degrada-tion, mit denen die Zelle sicherstellt, daß ihr Genom nur einmal während eines Zellzyklus vermehrt wird (Elsasser et al., 1999; Nguyen et al., 2000). Da die Differenzierung von Zellen einhergeht mit Austritt aus dem Zellzyklus, kann man vermuten, daß Geminin ebenfalls die Balance zwischen Zellproliferation und -differenzierung beeinflußt.