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Bei dem Modell wie in Abbildung 37 (a, h, i, j geschildert, entsteht zunächst vor der arretierten leading strand Polymerase ein größerer Bereich Einzelstrang-DNA. Dieser wird in vivo höchstwahrscheinlich zunächst vom Einzelstrang-Bindeprotein RPA besetzt. Für die Ausbildung des Rad51-Filamentes auf einer mit RPA besetzten Einzelstrang-DNA ist aber Rad52 (sowie Rad55/Rad57) notwendig (New et al. 1998, Sung et al. 1997b). Da Rad52 bevorzugt einzelsträngige DNA-Enden bindet (Mortensen et al. 1996, Benson et al. 1998, Parson et al. 2000), die in diesem Falle nicht vorliegen, ließe sich bei dieser Variante nicht ohne weiteres erklären, warum mph1 nicht nur hypostatisch zu rad51, sondern auch zu rad52 ist.

Die Hypostasis von mph1 zu rad52 ist aber auf dem in Abbildung 37 (a, b, c, e, f, g) skizziertem Weg erklärbar. Hier wird zunächst ein einzelsträngiges DNA-Ende erzeugt, an welches Rad52 binden kann. Von daher erscheint diese Variante von den möglichen Alternativen die plausibelste. Zur Erzeugung dieses Einzelstrangendes wäre vermutlich

DISKUSSION

eine 5’-3’-Helikase notwendig, die das 3’-Ende des neusynthetisierten leading strand abschält (Abbildung 37 b), damit sich das Rad51-Filament bilden kann. Da aber, wie oben erwähnt, Mph1 wahrscheinlich eine 3´-5´-Helikaseaktivität besitzt, kommt es höchstwahrscheinlich für diesen Schritt ebenfalls nicht in Frage.

Der nächste Schritt in diesem Modell beinhaltet die Stranginvasion unter Ausbildung eines D-loop (Abbildung 1c). Rad54 ist eine DNA-abhängige ATPase und Helikase (Eisen et al. 1995), für die eine Funktion bei der D-loop-Bildung angenommen wird, vor allem wenn die Rezipienten-DNA supercoiled vorliegt (Van Komen et al.

2000). Im Gegensatz zu rad51, rad52 und rad55 wurde für rad54 eine partielle Additivität des Mutatorphänotyps mit mph1 beobachtet (Tabelle 11 S. 48) Dies könnte bedeuten, daß Rad54 und Mph1 teilweise parallele Funktionen bei der Ausbildung bzw. Stabilisierung des D-loop ausüben. Ist nur eines der beiden Proteine vorhanden, wird zwar die Effizienz der fehlerfreien Umgehung reduziert, aber sie sollte immer noch bis zu einem gewissen Grade möglich sein. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Rad51-abhängige Stranginvasion, wenn auch ineffizient, ohne Rad54 möglich ist, wie es tatsächlich auch beobachtet wurde (Petukhova et al. 1998).

Nach der Bildung des D-loop muß das 3´-Ende des invadierten leading strand durch eine DNA-Polymerase verlängert werden (Abbildung 37 c). Plausiblerweise benötigt man hierfür eine DNA-Helikase, die den D-loop in Polymerisationsrichtung entwindet.

Wenn Mph1 diese Funktion ausübt, wäre zum einen erklärbar, warum mph1-Mutanten einen Mutatorphänotyp besitzen, da dann dieser - für die fehlerfreie Umgehung essentielle - Prozess nicht mehr, oder nur noch mit verminderter Effizienz, stattfinden kann. Nimmt man an, dass eine andere Helikase – wenn auch schlechter – Mph1 hierbei ersetzen kann, könnte man die Additivität der rad54 mph1-Doppel-mutante dadurch erklären, daß durch das Fehlen von Rad54 die Effizienz der Stranginvasion und durch das Fehlen von Mph1 die Effizienz der Elongation reduziert wird. Beim Fehlen nur eines der beiden Proteine könnte der Prozess aber dennoch – wenn auch mit stark reduzierter Effizienz – stattfinden.

Nach der Verlängerung des 3´-Endes des invadierten leading strand ist eine Verzweigung möglich (Abbildung 37 d oder e). Um zu dem in Abbildung 37 d gezeigten Intermediat zu gelangen, muss der D-loop gleichzeitig mit der Elongation verschoben werden. Wie weiter unten diskutiert, könnte möglicherweise Sgs1 diese Funktion ausüben. Wenn eine solche Aktivität in der Zelle vorhanden ist, muss aber verhindert werden, dass der D-loop vor der Elongation wieder auflöst wird, da der Prozess ansonsten unproduktiv im Sinne einer fehlerfreien Umgehung ist. Es ist daher auch denkbar, daß Mph1 an der Seite des D-loop bindet, an der der invadierende Strang eintritt, und das vorzeitige Auflösen des D-loop verhindert. Auch in diesem Szenario ließe sich die Additivität von rad54 und mph1 mit analogen Argumenten wie oben erklären, indem nämlich das Fehlen von Mph1 eine verringerte Stabilität des D-loop zur Folge hat.

Die hier aufgeführte Argumentation, dass Mph1 eine Funktion bei der Stabilisierung des D-loop hat, erlaubt es auch, eine weitere Beobachtung zu erklären.

Experimente im Labor von Wilfried Kramer haben gezeigt, das mph1 und srs2 sehr wahrscheinlich synthetisch letal sind und das sich diese Letalität durch rad51, rad52 und rad53 supprimieren lässt (E. Panico, unveröffentlicht). Auch rad54 ist synthetisch letal mit srs2 (Klein 2001) und die Letalität ist auch hier abhängig von der HR und vom

DISKUSSION

DNA damage checkpoint, das heißt die synthetische Letalität kann durch rad51, rad52, rad55, rad57 und durch rad17, rad24 und mec3 wieder aufgehoben werden (Klein 2001, Paladino und Klein 1992). Diese genetische Interaktion ist dadurch inter-pretierbar, dass Rad54 nach Rad51, Rad52, Rad55 und Rad57 agiert und dass sich in srs2 rad54 ein Substrat anhäuft, das den checkpoint anschaltet, der dann einen andauernden Zellzyklusarrest auslöst. Bei diesem Substrat handelt es sich möglicherweise um ein Rad51-Filament. Zumindest für RPA besetzte ssDNA konnte kürzlich gezeigt werden, dass ATR, das humane Mec1-Homologe, über ATRIR einen ssDNA-RPA-Komplex bindet, was dann den checkpoint aktiviert (Zou und Elledge 2003). Auch in Hefe konnte eine Verbindung von arretierten Replikationsgabeln, Einzelstrang-DNA und checkpoint-Aktivierung gezeigt werden (Sogo et al. 2002).

Wenn ein ssDNA-RPA-Komplex bereits vorliegt, so kann man spekulieren, dass sich ein Rad51-Filament auf diesem Einzelstrang ausbilden kann und das Rad51-Filament auch als checkpoint-Signal fungieren könnte. Für Srs2, einer 3’-5’ Helikase (Rong und Klein 1993), konnte kürzlich gezeigt werden, dass es in vitro die Rad51-Filamente abbauen kann, bzw. deren Bildung verhindert (Krejci et al. 2003, Veaute et al. 2003). Für die srs2 rad54-Mutante kann dann plausibel angenommen werden, dass es nicht zum Abbau des ssDNA-Rad51-Filamentes kommt und bei gleichzeitigem Fehlen von Rad54 ein nur ungenügender Strangtransfer stattfindet. Die vermehrte Ansammlung von ssDNA-Rad51-Filament könnte dann den checkpoint aktivieren. Wenn es nicht zum Abbau des Signals kommt und die Zellen dauerhaft arretieren und letztendlich sterben, erklärte dies die synthetische Letalität von srs2 rad54. Die Verknüpfung von Srs2 und dem DNA damage checkpoint konnte mehrfach bereits gezeigt werden (vgl.

S. 70). So ist z. B. Srs2 für das Abschalten des DNA damage checkpoint notwendig.

Vaze et al. konnten zeigen, dass srs2-Mutanten sowohl defekt in der Wiederaufnahme der Replikation (recovery) sind als auch in der Adaptation (Fortführung des Zellzyklus bei unvollständiger Reparatur; Vaze et al. 2002). Nicht im Einklang mit dieser Hypothese steht allerdings der Befund der Autoren, dass der Defekt in der recovery, auch wenn die DNA repariert wurde, anhält. Die Funktion von Srs2 muss also noch weitreichender sein als die Zerstörung des Rad51-Filamentes. Auf Grund dieser Befunde wird für Srs2 eine Rolle bei der Entfernung von checkpoint-Proteinen vom Chromatin diskutiert, was dann erst den Fortgang des Zellzyklus ermöglicht (Vaze et al. 2002).

Wenn die Erklärung der synthetischen Letalität durch eine Anhäufung von nicht prozessierten ssDNA-Rad51-Filamenten zutreffend ist, ließe sich die gleiche Argumen-tationskette auch auf die synthetische Letalität von mph1 und srs2 übertragen. Eine unzureichende Stabilisierung des D-loop in Abwesenheit von Mph1 führt dann ebenfalls zu freien ssDNA-Rad51-Filamenten. In rad51/rad52 käme es gar nicht erst zur Ausbildung des Filamentes und in rad53-Zellen nicht zur Aktivierung des DNA damage checkpoints, was dann die synthetische Letalität wieder aufhebt. Unter dieser Annahme operiert Mph1 aber nach Rad51/Rad52, und wie die Mutationsraten andeuten eher parallel zu Rad54. Dies ist ein weiteres Argument dafür, dass Mph1 nicht die Helikase ist, die zur Ausbildung des 3’-Überhanges am abgebrochenen leading strand beiträgt (Abbildung 37 b).

Die Toxizität der SGS1-Überproduktion in mph1-Zellen, lässt sich ebenfalls unter dieser Annahme erklären. Wenn Mph1 den D-loop stabilisiert und Sgs1 diesen

DISKUSSION

destabilisiert (s. u.), sollte in mph1-Zellen durch die verstärkte Aktivität von Sgs1, die D-loop-Bildung stark beeinträchtigt sein. Unter diesen Bedingungen würde es dann zur Anhäufung von nicht prozessierten ssDNA-Rad51-Filamenten kommen, die das Signal für den DNA damage checkpoint darstellen und diesen anschalten. Damit wäre plausibel der Wachstumseffekt bei SGS1-Überproduktion (Abbildung 20, S.68), bzw.

die Toxizität bei zusätzlicher Induktion von DNA-Schäden, die das verstärkte Auftreten von ssDNA-Rad51-Filamente zur Folge haben sollten, erklärbar (Abbildung 21, S. 69).