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3.1 In vivo Selektion von Protein-Protein-Interaktionspartnern im yeast two-hybrid System 38

3.1.1.2 Modellsystem Sam68 und SH3-Domänen

Das zweite Interaktionspaar, das in dieser Arbeit Anwendung fand, ist die Interaktion des humanen Proteins Sam68 mit verschiedenen SH3-Domänen. Namengebend für Sam68 (Src-associated protein during mitosis of 68 kDa) war seine Bindung an die c-Src-Kinase während der Mitose (Fumagalli et al.

1994a; Taylor et al. 1994a). Sam68 enthält eine KH-Domäne (heterogeneous nuclear ribonuclear protein K homology), die an RNA-Bindung beteiligt ist (Itoh et al. 2002), und mehrere Prolin-reiche (PXXP)Motive, die bekannten Src homology-3 (SH3)-Bindestellen sehr ähnlich sind (Wong et al.

1992). Seine biologische Rolle ist vielfältig: Regulation von RNA splicing, nukleozytoplasmatischer Transport, mRNA Stabilität, Translation und Signaltransduktion, sowie Zellzyklus-Regulation (Fumagalli et al. 1994a; Taylor et al. 1994a; Richard et al. 1995; Resnick et al. 1997).

In der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. R. Wagner (Universitätsklinikum Regensburg) wurde mittels phage display die Wechselwirkung zwischen Sam68 und diversen SH3-Domänen untersucht (Kellner et al. 2007, Asbach et al. 2010). Es zeigte sich, dass die SH3-Domäne von Yes1, einer Src (sarcoma)-Tyrosinkinase, sehr gut mit Sam68 interagiert. Nach Generierung einer Yes1-library wurde nach mehreren penning-Runden eine Variante (= Yes1-mut) mit sechs AS-Mutation im RT-loop selektiert, die 67-fach besser mit Sam68 interagiert als der Yes1-Wildtyp (Yes1-wt). Zudem konnte mittels phage display gezeigt werden, dass die SH3-Domäne von Ras-GAP, ein Protein der GTPase-activating protein Familie (Pomerance et al. 1996), nicht mit Sam68 interagiert bzw. SH3 von Intersectin 2, einem Protein der Clathrin-vermittelten Endozytose (Pucharcos et al. 2000), schwach mit Sam68 interagiert. In dieser Arbeit wurde überprüft, ob sich die durch Phagen-ELISA ermittelten Interaktionsstärken (schwach – mäßig – stark – sehr stark) im Y2H System durch Abstufung der Wachstumsgeschwindigkeiten von Hefe-Kotransformanten widerspiegeln lassen. Dies war Voraussetzung, um in einem Evolutionssystem gut bindende Mutanten in einem Hefemutanten-Gemisch mit unterschiedlichsten Wachstumsraten anzureichern.

Die ursprünglichen Y2H Plasmide pGBKT7 (Selektionsmarker TRP1, KanaR) und pGADT7 (Selektionsmarker LEU2, AmpR) besitzen einen 2 µm Hefe-origin of replication (ori), so dass von jedem Plasmid ca. 1.000 Kopien in einer Hefezelle enthalten sind. Passiert – im Hinblick auf die Kombination mit einem Mutationssystem – auf einem Plasmid eine Mutation im prey-Gen, so dauert es relativ lang bis sich dieses mutierte Gen/Plasmid durchsetzt. Im Gegensatz dazu gibt es CEN/ARS Plasmide, die in nur 2 - 3 Kopien pro Zelle vorliegen. Passiert die Mutation auf einem der Kopien, so

werden die Plasmide bei der nächsten Zellteilung auf Tochter- und Mutterzelle verteilt. Das mutierte Gen und die damit verbundene phänotypische Veränderung kann sich mit einer höheren Wahrscheinlichkeit durchsetzen.

Weil in den Mutationssystemen die Mutation bevorzugt auf AD-prey gerichtet sein soll, wurden die verschiedenen prey-Gene mit der kompletten Y2H Kassette in das CEN/ARS-Plasmid pRS315 umkloniert (pRS315-AD). Dieser Vektor enthält zur Selektion in E. coli identisch zum ursprünglichen Vektor pGADT7 das Ampicillin-Resistenz (AmpR)-Gen bla und zur Selektion in Hefe ebenfalls das LEU2-Gen. Die SH3-Domänen wurden mit AD fusioniert, wodurch Yes1-wt, pRS315-AD-Yes1-mut, pRS315-AD-Intersectin und pRS315-AD-RasGAP entstanden.

Zur prey-spezifischen Mutagenese, die im folgenden Kapitel näher erläutert wird, wurde im zweiten Y2H Plasmid pGBKT7 der starke ADH1-Promotor gegen den schwachen CYC1-Promotor ausgetauscht. Nach Fusion von Sam68 mit DNA-BD entstand das Plasmid pGBKT7-CYCp-Sam68.

Der Hefestamm AH109 wurde mit den Sam68/SH3-Plasmiden kotransformiert. Zur Selektion der Plasmidaufnahme wurden die Transformationsansätze auf DO TrpLeu Agarplatten plattiert; zur Selektion von Y2H Interaktion auf TrpLeuHis/100 mM 3-AT/X-α-Gal. Die Spaltung von X-α-Gal ist durch die Expression des Y2H Reporters MEL1 möglich und führt zur Blaufärbung der Hefekolonien auf Agarplatten (3.1.1). Dieser Farbmarker ermöglichte visuell eine graduelle Unterscheidung zwischen Protein-Protein-Interaktionsstärken auf Agarplatten. Die Hefen mit den Proteinpaaren Sam68/Intersectin und Sam68/RasGAP konnten auf Platten mit 100 mM 3-AT keine Kolonien ausbilden. Es zeigte sich klar, dass die Blaufärbung der Hefekolonien mit Sam68/Yes1-wt bzw. -mut mit der relativen Interaktionsstärke des phage display korrelierte. Um die relativen Interaktionsstärken mittels Y2H zu bestimmen, wurden Wachstumskurven von je zehn Hefeklonen aufgenommen (2.2.2.5) und die mittlere Wachstumsrate pro Stunde bestimmt (Abb. 9).

45%

Abb. 9. Korrelation von Interaktionsstärke und Wachstumsrate. AH109 wurde mit pGBKT7-CYCp-Sam68 und pRS315-AD-prey kotransformiert (2.2.2.3) und auf DO TrpLeu Agarplatten selektiert. Pro Kotransformante wurden zehn Einzelklone in DO TrpLeuHis (+/- 3-AT) Flüssigmedium für 48 h kultiviert und die Wachstumsraten bestimmt (2.2.2.5). Die ermittelten Wachstumsraten der Hefekulturen korrelieren mit den relativen Protein-Protein-Interaktionsstärken des phage displays.

Hefen mit dem Nicht-Interaktionspaar Sam68/RasGAP konnten mit Zugabe von 100 mM 3-AT komplett an ihrem Wachstum gehindert werden. Auf den Transformationsplatten DO TrpLeuHis

konnten sie wie erwähnt keine Kolonien ausbilden, also nicht wachsen; in Flüssigkultur hingegen schon, wenn auch langsam. Dies rührt daher, dass Vorkulturen von DO TrpLeu in DO TrpLeuHis überimpft wurden. Die Hefezellen hatten demnach noch intrazelluläre Histidin-Vorräte, die es ermöglichten, trotz fehlender Y2H Interaktion in Selektivmedium langsam zu wachsen. Zudem ist bekannt, dass Hefen Nährstoffe der sterbenden Nachbarklone nutzen (Kannibalismus/cross-feeding, Pfeiffer et al. 2004)). Hefen mit Sam68/Intersectin wuchsen besser als Hefen mit dem Nicht-Interaktionspaar aber langsamer als Hefen mit den beiden Sam68/Yes1-Paaren. Diese verhielten sich in DO TrpLeuHis-Medium relativ ähnlich. Durch Zugabe von 3-AT wurde deutlich, dass Yes1-mut besser mit Sam68 interagiert als Yes1-wt. Tab. 43 zeigt zusammenfassend die relativen Interaktionsstärken die im Y2H ermittelt wurden im Vergleich zu denen des phage displays.

Tab. 43. Relative Interaktionsstärken zwischen Sam68/SH3-Domänen Relative Interaktionsstärke im

AH109-

phage display Y2H System

Sam68/Yes1-mut +++ +++

Sam68/Yes1-wt ++ ++

Sam68/Intersectin + +

Sam68/RasGAP - (-)

Mit den Wachstumstests basierend auf Y2H Interaktion konnte gezeigt werden, dass sich mit dem Y2H System die Protein-Protein-Interaktionsstärke im Wachstumsverhalten sowohl auf Agarplatte als auch in Flüssigkultur mit 100 mM 3-AT abbilden lässt. Protein-Protein-Interaktionstärke, Menge an exprimiertem Y2H Reporter und Wachstumsrate korrelierten. Somit war die Kopplung von Genotyp und Phänotyp in dem Modellsystem Sam68/SH3 erfüllt.

Die Mutations-/Selektionssysteme sollten mit einem einfachen Modellsystem etabliert werden. Dabei sollten durch Punktmutationen in der kodierenden Sequenz prey-Proteinvarianten entstehen, die sehr viel besser mit bait interagieren als das ursprünglich eingesetzte prey-Protein. Über Wachstumsvorteile sollten Hefen mit den besseren Interaktionspartnern selektiert werden. Je größer die Wachstumsunterschiede, desto schneller erfolgt die Selektion. Um im Zuge der Etablierung die Dauer der Selektion zu reduzieren, wurden gezielt schlechte Yes1-Varianten hergestellt, die mit Sam68 verminderte Protein-Protein-Interaktion zeigen. Dazu wurden mittels qcPCR (2.2.3.1) gezielt Punktmutationen in Codons konservierter Aminosäuren von Yes1-wt eingefügt (Abb. 10). Die Auswahl der konservierten Bereiche wurde mithilfe von AS-Sequenzvergleichen verschiedener Tyrosinkinasen aus der Src-Kinase Familie getroffen (Martín-García et al. 2007).

Abb. 10. Nukleotidsequenz-alignment zwischen der SH3-Domäne von Yes1-wt und deren Varianten. Die generierten Yes1-Varianten enthalten jeweils in unterschiedlichen konservierten Bereichen einen Nukleotidaustausch und sind entsprechend ihrem AS-Austausch benannt, wobei der ORF mit der Aktivierungsdomäne beginnt. Die AS-Sequenz von Yes1-wt ist über den Nukleotidsequenzen dargestellt, mit schematischer Darstellung der Sekundärstruktur.

170 175 180 185 190 195 200 205 . | . . . . | . . . . | . . . . | . . . . | . . . . | . . . . | . . . . | . . . . Yes1-wt ... T I F V A L Y D Y E A R T T E D L S F K K G E R F Q I I N N T E G D W W E A R S ...

510 520 530 540 550 560 570 580 590 600 610 620 |....|....|....|....|....|....|....|....|....|....|....|....|....|....|....|....|....|....|....|....|....|....|...|...

Yes1-wt ACCATCTTTGTCGCCCTGTATGATTATGAAGCCCGTACCACCGAAGATTTGTCCTTTAAAAAAGGTGAACGTTTCCAGATTATCAACAACACCGAAGGCGATTGGTGGGAAGCACGTTCT Yes1-Y177H ...C...

Yes1-D184G ... ...G...

Yes1-E191G ...G...

Yes1-W203R ...C...

ß1 RT-loop ß2 n-Src-loop ß3

Die relativen Interaktionsstärken zwischen Sam68 und der vier generierten Yes1-Varianten, die sich unmittelbar nach der Kotransformation von Y2HGold mit pGBKT7-CYCp und pRS315-AD-prey auf unterschiedlich stringenten Selektionsplatten zeigten, sind in Tab. 44 dargestellt. Die Interaktion zwischen Sam68 und Yes1-Y177H bzw. Yes1-D184G war um 50% reduziert, die von Sam68/Yes1-E191G war auf 10% reduziert. Durch Mutation von W203R wurde das WW-Motiv zerstört und dadurch auch die Fähigkeit an das Prolin-reiche Sequenzmotiv (PXXP) von Sam68 zu binden (Chen et al.

1995), wodurch die Affinität zwischen Sam68 und Yes1 drastisch reduziert wurde. Da alle Agarplatten mit Selektionsdruck auf Y2H Interaktion leer blieben, wurde weder HIS3 noch Aur1-C exprimiert, wodurch Yes1-W203R für die Etablierung von neuen Evolutionssystemen sehr geeignet war.

Tab. 44. Relative Y2H-Interaktionsstärken von Sam68/Yes1-Varianten auf Selektionsplatten

Für die folgenden Evolutionsexperimente wurden die Wachstumsraten in Flüssigselektivmedium mit Einfluss von 3-AT bzw. AbA ermittelt (Abb. 11). Die Hefekulturen mit Sam68/Yes1-W203R wuchsen in DO TrpLeuHis sehr langsam und konnten mit Zugabe von 100 mM 3-AT bzw. 136 nM AbA schließlich komplett am Wachstum gehindert werden. Aufgrund der schwachen Interaktion mit Sam68 wird Yes1-W203R im Folgenden als Yes1-weak bezeichnet.

46%

Abb. 11. Wachstumsraten von Y2HGold mit Sam68/Yes1-wt bzw. Sam68/Yes1-weak. Y2HGold wurde mit pGBKT7-CYCp-Sam68 und pRS315-AD-prey kotransformiert und auf DO TrpLeu Agarplatten selektiert. Je zehn Einzelklone wurden in DO TrpLeuHis mit 3-AT bzw. AbA Flüssigmedium über 48 h kultiviert. Die Wachstumsraten von beiden Interaktionspartnern lassen sich sowohl mit 3-AT als auch mit AbA titrieren. Hefen mit dem schwachen Interaktionspaar Sam68/Yes1-weak stellen ab 100 mM 3-AT bzw. 136 nM AbA das Wachstum ein.

Wachstum auf Selektionsplatten

Durch Veränderung des WW-Motivs (W203R) aufgrund einer Punktmutation wurde eine Yes1-Variante generiert, die mit Sam68 kaum Interaktion aufweist. Ausgehend von Yes1-weak sollte durch verschiedene Mutagenesesysteme Yes1-wt oder andere besser interagierende Varianten generiert und aufgrund der stärkeren Interaktion mit Sam68 und dem resultierenden Wachstumsvorteil der Hefen in DO TrpLeuHis (mit 3-AT/AbA) selektiert werden können.