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Mitgliedschaftsrechte in der Generalversammlung

5 Aufsichtsrat und Generalversammlung (Vertreterversammlung)

5.2 Mitgliedschaftsrechte in der Generalversammlung

5.2.1 Teilnahmerecht in der Generalversammlung

Jedem Mitglied (jedem Vertreter) kommt in der Mitglieder- bzw. Vertreterversamm-lung ein unabdingbares Teilnahmerecht zu. Dies gilt selbst dann, wenn ein Mitglied oder ein Vertreter wegen eines Interessenkonflikts gemäß § 43 Abs.  6 GenG vom Stimmrecht ausgeschlossen ist.169 Soweit sich ein Mitglied durch einen Bevollmäch-tigten vertreten lässt, ist auch dieser zur Teilnahme befugt.170 Gleiches gilt für die ge-setzlichen Vertreter Minderjähriger sowie die organschaftlichen Vertreter juristischer Personen und vertretungsberechtigten Gesellschafter einer Personengesellschaft.

Neben den Vertretern besteht dann kein Teilnahmerecht des Vertretenen.

Soweit es die Teilnahme sachverständiger Berater betrifft (Rechtsanwälte, Steuerbera-ter, Wirtschaftsprüfer etc.), bedarf es der Zulassung durch den Versammlungsleiter. Die Zulassung unterliegt dabei dem genossenschaftlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Handelt es sich um eine Vertreterversammlung, so können nach pflichtgemäßem Ermessen des Versammlungsleiters auch andere Genossenschaftsmitglieder zuge-lassen werden. Ein Anspruch auf die Zulassung besteht nicht. Zudem haben die Mit-glieder kein Rede-, Antrags- oder Auskunftsrecht in der Versammlung.

Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats haben aufgrund ihrer Organstel-lung sowie der gegenüber der GeneralversammOrganstel-lung zu erstattenden Berichte und Auskünfte (§ 59 Abs. 2, § 25 Abs. 5, § 37 GenG) die Pflicht zur Teilnahme an der Ver-sammlung. Sind diese an der Teilnahme verhindert, so haben sie dies rechtzeitig gegenüber dem Versammlungsleiter anzuzeigen. Dieser hat die Generalversammlung (Vertreterversammlung) davon zu unterrichten.

Im Rahmen des »Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zi-vil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht«171, das der Gesetzgeber bis zum 31.12.2021 verlängert hat172, wurden zudem auch schriftliche Umlaufbeschlüsse sowie die elekt-ronische Beschlussfassung in der Generalversammlung (Vertreterversammlung) zu-gelassen.

169 BerlKomm/Keßler §§ 43 ff. Rn. 60; Beuthien § 43 Rn. 12; Althanns, Genossenschaftshandbuch, § 43 Rn. 46;

Lang-Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 43 Rn. 15; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs § 43 Rn. 16.

170 BerlKomm/Keßler § 43 ff. Rn. 60; Althanns, Genossenschaftshandbuch, § 43 Rn. 46; Müller § 43 Rn. 7.

171 COVID-19-AbmG v. 27.3.2020, BGBl. I 2020, S. 569.

172 Verordnung zur Verlängerung von Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (GesRGenRCOVMVV), BGBl. I 2020, S. 2258.

5.2 Mitgliedschaftsrechte in der Generalversamm-lung (VertreterversammGeneralversamm-lung)

5.2.2 Rede- und Antragsrecht

Mit der Teilnahme an der Generalversammlung (Mitgliederversammlung/Vertreterver-sammlung) ist notwendig das Rede- und Antragsrecht der Teilnehmer verbunden.

Ein Entzug des Rederechts kommt dabei nur im Rahmen einer Ordnungsmaßnahme in Betracht (siehe Kapitel 5.5). Dabei beschränkt sich das Rederecht auf die jeweils zur Entscheidung anstehenden Tagesordnungspunkte sowie Anträge zur Geschäfts-ordnung.173 Liegt eine Vielzahl von Wortmeldungen vor, so ist der Versammlungsleiter berechtigt, die Redezeit der Teilnehmer zu beschränken.174

Darüber hinaus sind die Teilnehmer berechtigt, (Sach-) Anträge hinsichtlich der an-stehenden Beschlussgegenstände der Tagesordnung zu stellen.175, soweit diese nicht gegen Gesetz und Satzung verstoßen.

5.2.3 Teilnahme-, Rede- und Antragsrecht der Mitglieder in der Vertreterversammlung

Nach der im Rahmen der Genossenschaftsnovelle 2006 eingeführten Regelung des

§ 45 Abs. 1 Satz 2 GenG können bei einer Genossenschaft mit Vertreterversammlung Mitglieder, auf deren Verlangen eine Vertreterversammlung einberufen wird, an dieser mit Rede- und Antragsrecht teilnehmen. Die Satzung kann Bestimmungen da-rüber treffen, dass das Rede- und Antragsrecht in der Vertreterversammlung nur von einem oder mehreren von den teilnehmenden Mitgliedern aus ihrem Kreis gewählten Bevollmächtigten ausgeübt werden kann.

Gemäß § 33 Abs. 4 der MusterS-VV muss die Vertreterversammlung unverzüglich ein-berufen werden, »wenn der zehnte Teil der Mitglieder oder der dritte Teil der Vertreter dies in einer in Textform abgegebenen Eingabe unter Anführung des Zwecks und der Gründe verlangt. Fordert der zehnte Teil der Mitglieder oder der dritte Teil der Vertreter in gleicher Weise die Beschlussfassung über bestimmte, zur Zuständigkeit der Vertreter-versammlung gehörende Gegenstände, so müssen diese auf die Tagesordnung gesetzt werden«.

Mitglieder, auf deren Verlangen gemäß § 33 Abs.  4 der MusterS-VV eine Vertreter-versammlung einberufen wird oder die die Beschlussfassung über bestimmte Gegenstände in einer Vertreterversammlung gefordert haben, können an diesen

Ver-173 BerlKomm/Keßler § 43 ff. Rn. 3.32.

174 BGH, Urteil v. 11.11.1965, II ZR 122/63, BGHZ 44, S. 245 ff., 248; OLG Stuttgart, Urteil v. 15.2.1995, 3 U 118/94, AG 1995, S. 234; Beuthien § 43 Rn. 14.

175 Beuthien § 43 Rn. 16; Lang-Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 43 Rn. 26; Müller § 43 Rn. 39.

sammlungen teilnehmen. Die teilnehmenden Mitglieder üben ihr Rede- und Antrags-recht in der Vertreterversammlung durch einen Bevollmächtigten aus, der aus ihrem Kreis zu wählen ist.

5.3 Aufsichtsratsvorsitzender als Leiter

der Generalversammlung (Mitgliederversammlung/

Vertreterversammlung)

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 der MusterS obliegt die Leitung der Generalversammlung (Mit-gliederversammlung, Vertreterversammlung) dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats oder bei seiner Verhinderung dem stellvertretenden Vorsitzenden.

Übertragung der Sitzungsleitung

Allerdings kann durch Mehrheitsbeschluss der Mitgliederversammlung die Leitung der Versammlung beispielsweise auch einem Mitglied des Vorstands, einem Mitglied des Aufsichtsrats oder einem Vertreter des Prüfungsverbands übertragen werden (§ 34 Abs. 1 Satz 2 MusterS). Entgegen der Regelung der MusterS sollte von der Über-tragung der Sitzungsleitung an Vorstandsmitglieder allerdings nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden, da diese im Rahmen des Auskunftsrechts der Mitglieder als organschaftliche Vertreter der Genossenschaft die erforderlichen Auskünfte zu er-teilen haben, was gegebenenfalls zu Interessenkonflikten führen kann.176

Abberufung des Versammlungsleiters

Desungeachtet, kann auch der satzungsgemäß bestellte Versammlungsleiter durch die Mitglieder der Vertreterversammlung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ab-berufen werden.177 Ein wichtiger Grund für die Abberufung liegt zunächst bei offen-sichtlichen Interessenkonflikten in der Person des Versammlungsleiters vor. Dies gilt beispielsweise dann, wenn die Generalversammlung über dessen Abberufung aus seiner Organstellung oder die Geltendmachung von Ansprüchen ihm oder sei-nen nahen Angehörigen gegenüber zu befinden hat. Gleiches gilt bei wesentlichen Verhandlungsfehlern, wie der Nichtzulassung bisher unbeantworteter Fragen, der Nichtberücksichtigung von Stimmen trotz fehlender Anhaltspunkte für einen Stimm-rechtsausschluss oder falschen Feststellungen hinsichtlich des Abstimmungsergeb-nisses.

176 BerlKomm/Keßler § 43 ff. Rn. 48; Müller § 44 Rn. 90; a. A. Beuthien § 43 Rn. 50; Althanns,

Genossenschaftshandbuch, § 43 Rn. 212; so für die AG: AG Frankfurt a. M., Urteil v. 17.12.1987, 72 AR 433/86, WM 1988, S. 304; MüKoAktG/Kubis § 119 Rn. 106; Hüffer/Koch, AktG, § 129 Rn. 18; K. Schmidt/Lutter/

Ziemons § 129 Rn. 35.

177 BerlKomm/Keßler § 43 ff. Rn. 51; Althanns, Genossenschaftshandbuch, § 43 Rn. 211 ff., 215.

5.3 Aufsichtsratsvorsitzender als Leiter der Gene-ralversammlung

Im Ergebnis liegt die Entscheidung über die Gewichtung der geltend gemachten Grün-de in Grün-den HänGrün-den Grün-der Versammlung. Der Versammlungsleiter ist folglich verpflichtet, über seine Abberufung aus dem Amt abstimmen zu lassen, wenn und soweit dies in substantiierter Weise von den Mitgliedern der Generalversammlung beantragt wird.

Über die Abberufung des Versammlungsleiters entscheidet die Generalversamm-lung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen.178 Unterlässt es der Versammlungsleiter in pflichtwidriger Weise, das beantragte Votum der Generalver-sammlung einzuholen, so sind sämtliche im Anschluss gefassten Beschlüsse der Ver-sammlung analog § 241 Nr. 2 AktG i. V. m. § 47 Abs. 1 GenG nichtig, da der – unzulässig amtierende – Versammlungsleiter nicht mehr zu Feststellungen hinsichtlich der Be-schlussfassung berufen ist.179