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Der Aufsichtsrat als gesetzlicher Vertreter der Genossenschaft

2 Der Aufsichtsrat in der genossenschaftlichen

2.3 Der Aufsichtsrat als gesetzlicher Vertreter der Genossenschaft

Im Übrigen gilt es zu berücksichtigen, dass die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Genossenschaft gegenüber den gegenwärtigen und ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern nach der im Rahmen der Genossenschaftsnovelle 2006 ge-schaffenen Neuregelung des § 39 Abs. 1 Satz 1 GenG in der alleinigen Zuständigkeit des Aufsichtsrats liegt. Dies gilt insbesondere für den Abschluss und die Änderung des Anstellungsvertrags der Vorstandsmitglieder.9 Eine Vertretungskompetenz der Mitglieder- oder Vertreterversammlung oder des Vorstands sowie durch Prokuris-ten, Handlungsbevollmächtigte oder sonstige Bevollmächtigte der Genossenschaft scheidet somit aus. Die Regelung ist zwingend und kann auch durch die Satzung nicht eingeschränkt oder abbedungen werden. Insofern zielt die gesetzliche Vorgabe nach ihrem Sinn und Zweck darauf, Interessenkonflikte zu vermeiden und somit eine sach-gerechte, unbefangene und von sachfremden Erwägungen freibleibende Vertretung der Genossenschaft sicherzustellen.10

Vorläufige Amtsenthebung von Vorstandsmitgliedern

Gemäß § 40 GenG, § 21 Abs. 5 der MusterS ist der Aufsichtsrat allerdings nach seinem pflichtgemäßen Ermessen befugt, von der Generalversammlung abzuberufende Mit-glieder des Vorstands vorläufig, bis zur Entscheidung der unverzüglich einzuberu-fenden Generalversammlung (Mitgliederversammlung/Vertreterversammlung), von ihren Geschäften zu entheben und wegen einstweiliger Fortführung derselben das Erforderliche zu veranlassen.

Der Beschluss bedarf nach § 21 Abs.  5 Satz  2 der MusterS einer Mehrheit von drei Vierteln aller Mitglieder des Aufsichtsrats. Den vorläufig ihres Amtes enthobenen Mitgliedern des Vorstands ist in der Mitgliederversammlung/Vertreterversammlung mündliches Gehör zu geben (§ 21 Abs. 5 Satz 4 der MusterS). Eine Kündigung des An-stellungsvertrags ist mit der vorläufigen Abberufung nicht verbunden, da diese in die alleinige Zuständigkeit der Generalversammlung (Mitgliederversammlung/Vertreter-versammlung) fällt. Gemäß § 35 Abs. 1 lit. h) und i) der MusterS entscheidet allein die Mitgliederversammlung/Vertreterversammlung über den Widerruf der Bestellung von Vorstandsmitgliedern und die fristlose Kündigung ihres Anstellungsvertrags mit einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen gültigen Stimmen (§ 36 Abs. 2 lit c) MusterS).

9 Siehe hierzu auch Keßler/Hillebrand, Muster-Anstellungsvertrag für hauptamtliches Vorstandsmitglied einer Genossenschaft, Kapitel 10.5.

10 Althanns, Genossenschaftshandbuch, § 39 Rn. 3.

2.3 Der Aufsichtsrat als gesetzlicher Vertreter der Genossenschaft gegenüber dem Vorstand

Umfang und Ausübung der Vertretungsbefugnis

Soweit dem Aufsichtsrat die Vertretungsbefugnis gegenüber dem Vorstand zukommt, liegt diese notwendig in den Händen des Plenums, d. h. des gesamten Aufsichtsrats, der hierüber mehrheitlich entscheidet. Eine Vertretungsbefugnis einzelner Aufsichts-ratsmitglieder oder des Aufsichtsratsvorsitzenden besteht nicht und kann auch durch die Satzung nicht begründet werden.11

Soweit das Gesetz es gestattet, einzelne Aufgaben des Aufsichtsrats einem Aufsichts-ratsausschuss zur abschließenden Entscheidung zu übertragen (§ 107 Abs. 3 AktG), umfasst dies auch die mit der Entscheidung verbundene Vertretungsbefugnis. Aller-dings gilt es zu berücksichtigen, dass gemäß § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG die Entscheidung über die Ausgestaltung, Änderung und Ergänzung des Anstellungsvertrags der Vor-standsmitglieder zwingend dem Aufsichtsratsplenum vorbehalten bleibt.

Die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats gegenüber den Vorstandsmitgliedern um-fasst auch die Vertretung in Rechtsstreitigkeiten jeglicher Art, unabhängig von ihrem Entstehungsgrund und zwar im Aktiv- wie im Passivprozess der Genossenschaft. Ein Zusammenhang mit dem Anstellungsvertrag ist nicht erforderlich.12 Etwas anderes gilt nur für Fördergeschäfte mit ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern, die nach de-ren Ausscheiden getätigt wurden.

Vertretungsbefugnis auch gegenüber ehemaligen Vorstandsmitgliedern

§ 39 GenG gilt – wie bereits ausgeführt – auch für die Vertretung der Genossenschaft gegenüber ehemaligen Vorstandsmitgliedern.13 Dies betrifft insbesondere die Ände-rung oder die Kündigung einer Versorgungszusage, sowie auch die Kündigung oder Änderung einer Versorgungszusage gegenüber den Hinterbliebenen.14 Der BGH hat die Zuständigkeit in seiner Revisionsentscheidung vom 13.12.1999 bedauerlicherweise of-fengelassen.15 Jedenfalls dort, wo der Aufsichtsrat nach der Satzung für die Abberufung von Vorstandsmitgliedern zuständig ist (§ 24 Abs. 2 Satz 2 GenG), umfasst diese auch die Kündigung oder Änderung einer Versorgungszusage. Die Zuständigkeit des Aufsichts-rats gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern betrifft darüber hinaus aller-dings nur noch Verträge, die ursächlich mit der Vorstandstätigkeit zusammenhängen.16

11 BGH, Urteil v. 17.3.2008, II ZR 239/06, ZIP 2008, S. 1114 ff., 1115.

12 BGH, Urteil v. 26.6.1995, II ZR 122/94, BGHZ 130, S. 108 ff., 111 f.; BGH, Urteil v. 23.9.1996, II ZR 126/95, NJW 1997, S. 318 ff.; BerlKomm/Keßler § 39 Rn. 13.

13 BGH, Urteil v. 28.2.2005, II ZR 220/03, ZIP 2005, S. 900 ff.; BGH, Urteil v. 26.1.1998, II ZR 279/96, ZIP 1998, S. 557; BGH, Urteil v. 26.6.1995, II ZR 122/94, BGHZ 130, S. 108 ff., 111 ff. = NJW 1995, S. 2559 ff.

14 BGH, Urteil v. 16.10.2006, II ZR 7/05, ZIP 2006, S. 2213 ff., 2214; LG München I, Urteil v. 18.7.1995, 28 O 24527/94, AG 1996, S. 38; MüKoAktG/Habersack § 112 Rn. 16; a. A. OLG Hamm, Urteil v. 30.3.1998, 8 U 138/97, NZG 1998, S. 558, das die Generalversammlung als zuständig ansieht.

15 BGH, Urteil v. 13.12.1999, II ZR 152/98, WM 2000, S. 358.

16 BerlKomm/Keßler § 39 Rn. 7; MüKoAktG/Habersack § 112 Rn. 18; a. A. Beuthien § 39 Rn. 1; Müller § 39 Rn. 1a;

Althanns, Genossenschaftshandbuch, § 39 Rn. 15.

Soweit es Vertretungshandlungen im Rahmen der genossenschaftlichen Förderbe-ziehung (des Nutzungsverhältnisses) betrifft, wie beispielsweise die Zuweisung einer Genossenschaftswohnung, liegt nach dem Ausscheiden aus dem Vorstand die Vertre-tung ehemaliger Vorstandsmitglieder in den Händen des aktuellen Vorstands und der sonstigen rechtsgeschäftlichen Vertreter der Genossenschaft.17 Darüber hinaus findet

§ 39 GenG auch dann Anwendung, wenn die (übertragende) Genossenschaft im Wege der Verschmelzung erloschen ist (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG). Hier liegt die Vertre-tung gegenüber ehemaligen Vorstandsmitgliedern in der Folge bei dem Aufsichtsrat der übernehmenden Gesellschaft.18

Genehmigung von Kreditgeschäften des Vorstands

Gemäß § 39 Abs. 2 GenG bedarf darüber hinaus jede Kreditgewährung an Mitglieder des Vorstands der Genehmigung des Aufsichtsrats, soweit die Gewährung des Kredits nicht durch die Satzung an noch andere Erfordernisse geknüpft oder ausgeschlos-sen ist. Das gleiche gilt von der Annahme eines Vorstandsmitglieds als Bürge für eine Kreditgewährung. Die Zuständigkeit des Aufsichtsrats kann dabei nicht abbedungen werden.

Nach der zugrunde liegenden Intention der Regelung, Interessenkonflikten vorzubeu-gen, ist die Bezeichnung »Kredit« in einem weiten Sinne zu verstehen. Erfasst werden sowohl Geld- als auch Warenkredite, die Stundung fälliger Ansprüche sowie die Stel-lung von Sicherheiten gegenüber Dritten für Verbindlichkeiten gegenüber dem Vor-standsmitglied.19

Genehmigungspflichtig ist darüber hinaus auch die Übernahme einer Bürgschaft sei-tens des Vorstandsmitglieds für Ansprüche der Genossenschaft gegenüber Dritten (§ 39 Abs. 2 Satz 2 GenG). In allen Fällen liegt die Zuständigkeit für die Vertretung der Genossenschaft in den alleinigen Händen des Aufsichtsrats.20 Allerdings ist dieser befugt, seine Kompetenz an einen aus seiner Mitte gebildeten Ausschuss zu übertra-gen.21 Demgegenüber genügt es nach Sinn und Zweck der Regelung nicht, wenn der Aufsichtsrat einen zunächst vom Vorstand geschlossenen Kreditvertrag nachträglich genehmigt.22

17 Althanns, Genossenschaftshandbuch, § 39 Rn. 18; Müller § 39 Rn. 3; Bayer DStR 1999, S. 1815 ff., 1818.

18 BGH, Urteil v. 28.2.2005, II ZR 220/03, ZIP 2005, S. 900 ff.; BGH, Urteil v. 26.1.1998, II ZR 279/96, ZIP 1998, S. 508 ff.; Althanns, Genossenschaftshandbuch, § 39 Rn. 6.

19 BerlKomm/Keßler § 39 Rn. 24; Althanns, Genossenschaftshandbuch, § 39 Rn. 55 f.; Beuthien § 39 Rn. 5; Lang-Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 39 Rn. 35; Müller § 39 Rn. 9; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs § 39 Rn. 12.

20 Althanns, Genossenschaftshandbuch, § 39 Rn. 59 ff.

21 BerlKomm/Keßler § 39 Rn. 24; Althanns, Genossenschaftshandbuch, § 39 Rn. 59; Lang-Weidmüller/

Holthaus/Lehnhoff § 39 Rn. 36.

22 BerlKomm/Keßler § 39 Rn. 24; differenzierend: Lang-Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 39 Rn. 35, 38; a. A.

Althanns, Genossenschaftshandbuch, § 39 Rn. 60 f.; Müller § 39 Rn. 8 g; Beuthien § 39 Rn. 5.

Seitens des Vorstands ohne Genehmigung des Aufsichtsrats abgeschlossene Kredit-geschäfte im Sinne des § 39 Abs. 2 GenG sind folglich nichtig23; zudem verletzen die Mitglieder des Vorstands hierdurch ihre gegenüber der Genossenschaft bestehende Sorgfaltspflicht (§ 34 GenG). Die gewährten Kreditmittel sind folglich der Genossen-schaft sofort zu erstatten (§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB).

Handelt es sich bei der Genossenschaft um ein Kreditinstitut oder eine Wohnungsge-nossenschaft mit Spareinrichtung, so sind ergänzend die Bestimmungen der §§ 15, 17 KWG zu beachten. Danach dürfen Organkredite – außer im Bereich von Mitarbeiter-programmen – nur zu marktüblichen Bedingungen gewährt werden und bedürfen zu-dem eines einstimmigen Beschlusses sämtlicher Geschäftsleiter und der Zustimmung des Aufsichtsrats.

2.4 Persönliche Voraussetzungen und Unabhängigkeit