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Zugleich besteht das Ziel, den Anteil zu erhöhen und die Verwaltung vielfältiger zu machen.204 Genau hier können positive Maßnahmen wirkungsvoll ansetzen und sinnvoll eingesetzt werden. Sie können als bewusste Entscheidung eingesetzt werden, um beispielsweise interkulturelle Kompetenzen und Potenziale von Bewerberinnen und Bewerbern mit Migrations-hintergrund gezielt anzusprechen und zu rekrutieren. Auch das Angebot von Vorbereitungskursen, Mentoringprogrammen oder die Förderung von Weiterbildungen für spezielle Zielgruppen stellen positive Maßnahmen dar. Sie sind rechtlich zulässig, soweit sie dem o. g. Zweck dienen und verhältnismäßig sind, und stellen keine Diskriminierung anderer Gruppen dar.

Für den Bereich der öffentlich-rechtlichen Handlungen, der nicht weniger diskriminierungsrelevant ist, findet das AGG keine Anwendung. Betroffen sind viele Bereiche des täglichen Lebens, wie der Bildungsbereich, die kommunale Daseinsvorsorge oder die Aufgaben der allgemeinen Verwaltung, der Justiz oder der Polizei. Für alle deutschen Behörden sind gleichwohl das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG sowie die Achtung der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG bindend.

Trotz bestehender antidiskriminierungsrechtlicher Vorschriften gehören Benachteiligungen und Diskrimi-nierung weiterhin zur gesellschaftlichen Realität in Deutschland. Damit verbunden ist die stetige Herausforderung, mehr für Gleichbehandlung und gegen Ausgrenzung und Diskriminierung zu unternehmen.

Diejenigen, die Diskriminierungsrisiken ausgesetzt sind und Benachteiligungen erfahren haben, müssen unterstützt werden. Das beinhaltet ausreichende Informationen, Beratung und wirkungsvolle rechtsstaatliche Instrumente zur Rechtsdurchsetzung. Es müssen verstärkt Maßnahmen ergriffen werden, die helfen, zu sensibilisieren und potenzielle Benachteiligungen abzubauen.

5 Mit interreligiösem Dialog neue Wege gehen

Dialog ist integrationsfördernd und wichtig für gesellschaftlichen Frieden: Der interreligiöse Dialog ist ein wichtiges Forum, um Teilhabe zu gewährleisten. Mit interreligiösem Dialog ist der Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher Religionsgemeinschaften gemeint. Dieser geschieht wahrnehmbar und darstellbar auf der Ebene der offiziellen Repräsentanten. Der Dialog findet in organisierten Formaten sowohl als Austausch von Fachleuten als auch als Austausch von allgemein interessierten Gläubigen statt. Er geschieht jedoch auch zwi-schen einzelnen Gläubigen in deren Alltag. Einige Religionsgemeinschaften ermutigen ihre Mitglieder zu die-sem Alltagsdialog. In Deutschland haben sich Menschen in Initiativen und Vereinen zusammengeschlossen, um unterschiedliche Glaubensüberzeugungen miteinander zu diskutieren mit dem Ziel, so zu einem besseren Verständnis beizutragen. Dies dient dem gesellschaftlichen Frieden und ist daher auch im Interesse des Staates.

Im Folgenden werden die Bemühungen der Religionsgemeinschaften, der Initiativen und Vereine und der staat-lichen Akteure dargestellt.

Etablierter Dialog der Religionsgemeinschaften – ausgewählte Beispiele

In Deutschland engagiert sich die Mehrzahl der Religionsgemeinschaften im interreligiösen Dialog. Die beiden großen Kirchen sind seit Jahrzehnten durch gute ökumenische Beziehungen verbunden. Daran hatten Gemein-deglieder, die in interkonfessionellen Ehen leben, einen großen Anteil. Ihre Lebenssituationen hatten und haben wichtige Auswirkungen auf die Theologien und auf die kirchliche Praxis. Im Folgenden können die Fortschritte und Ergebnisse des interreligiösen Dialogs nur exemplarisch dargestellt werden. Der Schwerpunkt der Darstel-lung liegt auf den offiziellen Kooperationen der großen Religionsgemeinschaften.

Katholische Kirche

Die römisch-katholische Kirche ist die mitgliederstärkste Religionsgemeinschaft in Deutschland; etwa 23,3 Mio. Menschen gehören ihr an (Stand Dezember 2017).205 Sie führt einen interreligiösen Dialog u. a. mit dem Judentum und dem Islam. Formale Dialogformate auf Bundesebene und ausgewählte Beiträge zum interreligiösen Dialog werden im Folgenden dargestellt.

Seit 1998 besteht eine Unterkommission der Deutschen (römisch-katholischen) Bischofskonferenz (DBK) für den Interreligiösen Dialog mit dem Islam. Zu ihren Aufgaben gehören die Verbesserung der Rahmenbedingungen für den christlich-islamischen Dialog, die Klärung der römisch-katholischen Position im

„Dreiecksverhältnis Kirche-Staat-Islam“ sowie die Gestaltung des Dialoggeschehens auf Ebene der Bistümer.

204 Vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 19. Legislaturperiode, S. 105.

205 Deutsche Bischofskonferenz: Pressemeldung Nr. 116 vom 20.07.2018.

Eine wichtige Hilfe für den Dialog von Christen und Muslimen bzw. für das Verständnis ist weiterhin die 2003 erschienene Arbeitshilfe der Unterkommission für den Interreligiösen Dialog mit dem Islam mit dem Titel

„Christen und Muslime in Deutschland“.206 Die Arbeitshilfe informiert sachlich über unterschiedliche muslimische Gruppen in Deutschland, die sie sowohl nach Rechtsschulen als auch nach Herkunftsländern der in Deutschland lebenden Muslime unterscheidet. Die Arbeitshilfe nimmt rechtliche, soziale, religiöse und gesellschaftliche Themen in den Blick. Als Vertreter einer Religionsgemeinschaft gelingt es den Verfassern gut, Fragen der Religionsausübung in der Gesellschaft zu thematisieren. Einzelfragen islamischer Religions-ausübung, wie Speise-, Bestattungs- und Kleidungsvorschriften, aber auch Themen wie Moscheebau/

Muezzinruf, interreligiöse Ehen, Religionsunterricht, Fragen der Pflege, des Strafvollzugs und der Wohlfahrt im Allgemeinen werden in der Arbeitshilfe erörtert. Zur Frage des interreligiösen Dialogs hält die Arbeitshilfe fest: „Das unmittelbare Neben- und Miteinander von Muslimen und Christen in Deutschland hat entgegengesetzte Reaktionen provoziert. Teils empfinden sich die Mitglieder der Religionsgemeinschaften als Konkurrenten, teils sehen sie sich gegen den vermeintlichen gemeinsamen Widersacher, den Agnostizismus oder faktischen Atheismus der Gesellschaft, als Verbündete. Demgegenüber geht es dem interreligiösen Dialog um die Suche nach immer tieferer Erkenntnis Gottes und die immer bessere Verwirklichung seines Auftrags im Respekt vor der Unterschiedlichkeit.“207

Die Arbeitshilfe benennt auch die für den römischen Katholizismus wichtigen vier Ebenen des Dialogs: den Dialog des Lebens, des Handelns, des theologischen Austauschs und der Glaubenserfahrung. Der Dialog des Lebens kann in Schule, Familie, am Arbeitsplatz, in Politik, Wirtschaft und Handel – überall dort, wo Gläubige verschiedener Religionen zusammenkommen – verwirklicht werden. Er soll von Wertschätzung und Achtung geprägt sein. Die Arbeitshilfe benennt ganz praktische Möglichkeiten, etwa die Beglückwünschung zu einem Feiertag. Der Dialog des Handelns verwirklicht sich z. B. in dem gemeinsamen Einsatz von Christen und Muslimen für Gerechtigkeit. Der Dialog des theologischen Austauschs wird in der Arbeitshilfe weit verstanden.

Es soll ein Expertenaustausch nicht nur zu theologischen Themen sein, sondern auch zu Fragen der Religionspädagogik oder der religionssensiblen Pflege. Bei dem Dialog der religiösen Erfahrung geht es um die gegenseitige Einladung zu Gebet und Gottesdienst.208

Die meisten Diözesen beschäftigen mittlerweile eigene Islambeauftragte und in der Ausbildung der Priester werden auch Grundkenntnisse über den Islam vermittelt. Es ist der römisch-katholischen Kirche in Deutschland ein Anliegen, dass die Religionsfreiheit auch anderer Religionsgemeinschaften gewahrt wird. Durch unterschiedliche Angebote versucht die römisch-katholische Kirche zu einem besseren gegenseitigen Verständnis beizutragen.

Die DBK hat 1978 die Christlich-Islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle (CIBEDO) eingerichtet.

Die langjährige Erfahrung macht CIBEDO innerhalb der katholischen Kirche zu einem wichtigen Ansprechpartner. Aber auch Muslime und muslimische Verbände sehen in ihr einen Ansprech-partner. Beim Festakt zum 40-jährigen Jubiläum im Oktober 2018 würdigte der Bundespräsident das Engagement der CIBEDO, deren Arbeit ein wichtiger Beitrag zum gesellschaftlichen Frieden sei. Interreligiöser Dialog sei wichtig, um sprachfähig zu bleiben, betonte Kardinal Marx, der die Religionsfreiheit als Grundlage für den Dialog hervorhob. Zugleich warnte Kardinal Marx auch vor der Vereinnahmung der Religion für individuelle oder politische Interessen und forderte Christinnen und Christen sowie Musliminnen und Muslime dazu auf, gemeinsam gegen Hass und Gewalt einzutreten, insb. gegen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit. CIBEDO trägt durch Dialogveranstaltungen und Veröffentlichungen zum interreligiösen Dialog bei. Ein besonderer Schwerpunkt sind jedoch die Dokumentation islamischen Lebens in Europa, insb. Deutschland, und die Sammlung islamwissenschaftlicher und theologischer Stellungnahmen aus dem akademischen Bereich.

Eine weitere Arbeitshilfe der Unterkommission für den Interreligiösen Dialog mit dem Islam zum „Moscheebau in Deutschland“ hat wesentlich zur Versachlichung der Debatte beigetragen. In der Orientierungshilfe, die v. a.

für die Diskussion in Kirchengemeinden gedacht ist, wird festgehalten, dass das „Recht der Muslime auf den Bau würdiger Moscheen“ Teil der Religionsfreiheit ist. Die Orientierungshilfe benennt die vergangene Zusammenarbeit von Moscheevereinen und Kirchen-gemeinden, die Probleme bewältigt haben, die im Zusammenhang mit dem Bau von Moscheen aufgetaucht seien. Die Orientierungshilfe spricht sich gegen

206 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.): Arbeitshilfen 172: Christen und Muslime in Deutschland, Bonn 23.09.2003.

207 Ebd., S. 138.

208 Ebd., S. 142 ff.

antimuslimische Hetze aus, die im Kontext mit Moscheebauten wiederholt auftrete, fordert aber auch auf, Kritik anzuhören und Anliegen der Anwohnerschaft zu berücksichtigen.209

Insgesamt tragen Repräsentanten von Religionsgemeinschaften durch gegenseitige Besuche bei Eröffnungen von Gotteshäusern, aber auch bei besonderen Anlässen zu einem besseren gegenseitigen Verständnis bei. Auf der Ebene der Repräsentanten von Religionsgemeinschaften sind eine gegenseitige Wertschätzung und ein guter Dialog wahrnehmbar.

Für den Dialog mit dem Judentum unterhält die DBK ebenfalls eine Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum. Diese ging 2006 aus der seit 1979 bestehenden Arbeitsgruppe „Fragen des Judentums“ hervor. Im Dezember 2015 hat die Unterkommission die Ziele des Dialogs mit dem Judentum wie folgt benannt: „Erstes Ziel des Dialogs ist die Vertiefung der gegenseitigen Kenntnis.“ Darunter fällt auch die gemeinsame exegetische, also erklärende und auslegende Arbeit an biblischen Texten. Als weitere Ziele werden der gemeinsame Einsatz für „Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung und Versöhnung in der Welt“

genannt, die Bekämpfung rassistischer Diskriminierung von Juden und aller Formen des Antisemitismus und die gemeinsame praktische Hilfe im sozial-karitativen Bereich.210

Die DBK pflegt intensive Kontakte zur Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschlands, zur orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands und zum Zentralrat der Juden. Es finden jährliche Gespräche statt, in denen sozialethische, politische und theologische Fragen erörtert werden.

Katholische und Evangelische Akademien in Deutschland sind Orte des interreligiösen Dialogs. Mit viel Fachkenntnis und großer Kompetenz bringen sie Gläubige unterschiedlicher Religionen zusammen und bieten mitunter auch Bildungsinhalte an, die für die jeweils anderen Religionen relevant sind. Aufgrund ihrer Größe und Infrastruktur eignen sich die Akademien besonders als Orte des Dialogs und der interreligiösen Begegnung.

Aus der Arbeit der Akademien ließen sich viele Beispiele für den interreligiösen Dialog darstellen. An dieser Stelle sollen es nur zwei sein. So hat die Katholische Akademie in Berlin gemeinsam mit der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA) und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin in ihrer Veranstaltungsreihe „Berlin in Vielfalt“ an den ägyptischen Arzt Mohamed Helmy, auch Mod Helmy genannt, erinnert. Helmy wurde von den Nationalsozialisten als sog. „Nichtarier“ diskriminiert und zeitweise inhaftiert. Er half einer jüdischen Familie, sich vor der Gestapo zu verstecken. Die Veranstaltung, bei der das Wirken Helmys vorgestellt wurde, fand in der Ahmadiyya Moschee in Berlin statt.

Die Katholische Akademie Hamburg wirft gemeinsam mit „Nordkirche weltweit“, dem Fachrat Islamische Stu-dien, Schura Hamburg, dem Tibetischen Zentrum Hamburg und der jüdischen Gemeinde in Hamburg einen jungen, neuen Blick auf die „großen Fragen: Wie soll unsere Zukunft aussehen? Wie machen wir Frieden? Wie wollen wir leben? Was hält uns zusammen und was unterscheidet uns? Was bedeutet Religion für uns?“ Dazu hat sie Jugendliche mit jüdischem, christlichem und muslimischem Hintergrund eingeladen, gemeinsam zu dis-kutieren und sich auszutauschen. Die Teilnehmenden haben sich dafür ausgesprochen, auch noch weitere Ju-gendliche mit buddhistischem und ohne religiösen Hintergrund einzuladen. Seit Dezember 2017 findet der Di-alog etwa halbjährlich statt und erreicht etwa 100 junge Personen. Da dieser DiDi-alog sehr alltagsnah und nied-rigschwellig ist, erreicht er auch Personen, die sich sonst nicht ausführlich mit Religion bzw. interreligiösem Dialog beschäftigen. Dieses Dialogformat ist ein besonderes Beispiel für einen Dialog, der Alltagsthemen in den Blick nimmt, eine große Anzahl von Teilnehmenden hat, die keine Experten sind, und zudem junge Men-schen erreicht. Dieser Dialog ist ein wichtiger Beitrag zur religiösen Bildung. Dass diese Bildung ein wichtiges Fundament hat, hat die Bundeskanzlerin im Jahr 2016 mit einer prägnanten Formel zum Ausdruck gebracht:

„Je besser die religiöse Bildung, desto fundierter der Dialog zwischen Glaubensgemeinschaften und desto grö-ßer das gegenseitige Verständnis.“211

209 Die deutschen Bischöfe: Moscheebau in Deutschland – Eine Orientierungshilfe, Bonn 25.09.2008, S. 11.

210 DBK: Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum: „Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott ge-währt“ (Röm 11,29). Reflexionen zu theologischen Fragestellungen in den katholisch-jüdischen Beziehungen aus Anlass des 50-jährigen Jubiläums von Nostra aetate, Bonn 2016, S. 35–38.

211 https://www.bundeskanzlerin.de/bkin-de/aktuelles/rede-von-bundeskanzlerin-merkel-bei-der-internationalen-parlamentarierkonfer-enz-zur-religionsfreiheit-am-mittwoch-den-14-september-2016-465716 [Stand: 08.03.2019].

Die Evangelische Kirche in Deutschland hat etwa 21,1 Millionen Mitglieder und etwa 300.000 Menschen ge-hören (evangelischen) Freikirchen an (Stand Dezember 2018).212 Sie führt neben dem ökumenischen Gespräch mit der römisch-katholischen Kirche Dialoge mit dem Judentum und dem Islam. Grundsätzliche Überlegungen der EKD und einzelne Beispiele aus der Praxis werden im Folgenden dargestellt.

Die EKD hat das Reformationsjubiläum im Jahr 2017 zum Anlass genommen, über die „Islamwahrnehmung der Reformatoren und deren Bedeutung für die Gegenwart nachzudenken.“213 In einem Impulspapier betont die EKD, dass aus „heutiger Sicht kritikwürdige und theologisch nicht zu rechtfertigende Ansichten“ der Reforma-toren zur Sprache kommen müssen und dass es darauf ankommt, mit diesem Erbe so umzugehen, dass es nicht den Dialog der Gegenwart behindert. Die gegenwärtige Welt sei von einem „erheblich positiveren Verständnis religiöser Vielfalt gekennzeichnet, als dies im 16. Jahrhundert und weit darüber hinaus der Fall war.“ Für die EKD hängt die Bedeutung von Religionen in einer pluralistischen Gesellschaft davon ab, wie sie mit den jeweils anderen Religionen umgehen und ob es gelingt, eine Verständigung zwischen Konfessionen und Religionen zu ermöglichen.214

Die Landeskirchen der EKD haben unterschiedliche Beauftragte, die sich dem interreligiösen Dialog bzw. dem Dialog mit dem Islam widmen. Diese heißen z. B. Landeskirchliche Beauftragte für die Seelsorge an Aussiedlern, Ausländern, Flüchtlingen und Islamfragen (Baden), Beauftragter für den interreligiösen Dialog und Islamfragen (Bayern), Landespfarrer für interreligiösen Dialog (Berlin), Referent für interreligiöse Fragen (Kurhessen/Hessen-Nassau) oder Islambeauftragter (Braunschweig). Die unterschiedlichen Titel zeigen auch die unterschiedliche Schwerpunktsetzung bzw. die unterschiedliche historische Entwicklung der Aufgabengebiete. Teilweise wird der interreligiöse Dialog insb. als theologische Grundsatzfrage verstanden, teilweise wird er im Kontext der Seelsorge an Flüchtlingen und Ausländerinnen und Ausländern verortet.

Entsprechend vielfältig sind auch die Veranstaltungen, die von den Beauftragten organisiert werden. Neben klassischen Informationsveranstaltungen über islamische Glaubenspraxis und islamische Theologie, die sich an ein evangelisches oder zumindest nicht islamisches Publikum wenden, steht der Austausch zwischen Christen und Muslimen. In jüngerer Zeit kommt es aber auch vermehrt zu Formaten, in denen Christen und Muslime sich gemeinsamen mit aktuellen gesellschaftlichen Themen auseinandersetzen. So fand z. B. 2015 in Kassel im Haus der Kirche eine Tagung zu Islam und Christentum statt, bei der es um fairen Handel ging. Als der Islambeauftragte darauf angesprochen wurde, ob es keine dringenderen Themen im Zusammenleben von Muslimen und Christen gebe, sagte er: Wir wollen „eine Perspektive für die Zukunft andeuten: dass Christen und Muslime gemeinsam und auf Augenhöhe Themen entdecken, die für die Gesellschaft relevant sind“.215 Diese Aussage ist paradigmatisch für die gegenwärtige Verschiebung des Dialogs. Auf die Darstellung des (den Zuhörenden fremden) Islams folgte eine Diskussion mit Muslimen über den Glauben und die Religion. Diese Diskussion ist nun erweitert worden um gesellschaftliche Themen, aber auch um Fragen der Wohlfahrt, des Religionsverfassungsrechts und der Bekämpfung von religiösen Vorurteilen, also um Themen, die zwar mit der Religion zu tun haben, die aber insb. das gesellschaftliche Zusammenleben in den Blick nehmen.

Auf Bundesebene treffen sich jährlich Vertreterinnen und Vertreter der EKD mit dem Koordinierungsrat der Muslime (KRM). Diese Treffen dienen dem Erfahrungsaustausch. Gleichzeitig werden die Treffen genutzt, um sich gemeinsam zu aktuellen Entwicklungen zu äußern. Im Jahr 2016 haben der Ratsvorsitzende der EKD und der Sprecher des KRM betont, dass Religionsgemeinschaften gefordert seien, in einer Zeit, in der Vorurteile das gesellschaftliche Klima gefährden, zum Abbau von Diskriminierungen beizutragen. Im Jahr 2018 konstatierten die Gesprächspartner, dass der christlich-muslimische Dialog in Deutschland derzeit unter erschwerten Bedingungen stattfinde. Der Sprecher des KRM sagte: „Populistische Bewegungen und Parteien, aber auch extremistische Strömungen, die sich gegen die vorhandene religiöse Vielfalt richten, verschärfen das gesellschaftliche Klima insgesamt und tragen zur Polarisierung bei.“ Der Ratsvorsitzende fügte hinzu, „auch die politischen Entwicklungen in anderen Ländern belasten die Dialogsituation in Deutschland“. 216 Gemeinsam sprachen sie sich gegen eine politische Vereinnahmung von Religionen aus. Eine bundesweite Umfrage des

212 https://www.ekd.de/statistik-kirchenmitglieder-17279.htm [Stand: 28.10.2019].

213 Reformation und Islam. Ein Impulspapier der Konferenz für Islamfragen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Hanno-ver 2016.

214 Christlicher Glaube und religiöse Vielfalt in evangelischer Perspektive. Ein Grundlagentext des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Gütersloh 2015.

215 https://www.hna.de/kassel/interview-andreas-herrmann-islambeauftragter-evangelischen-kirche-4704814.html [Stand: 08.03.2019].

216 EKD-Pressemitteilung vom 11.10.2018: Zusammenhalt in schwierigen Zeiten. Jährliches Spitzentreffen zwischen evangelischer Kirche und Koordinationsrat der Muslime in Köln.

Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD bestärkte die Dialogpartner in ihrer Arbeit. Demnach sprachen sich knapp zwei Drittel der Bevölkerung für den Dialog der evangelischen Kirche mit dem Islam aus. Die Studie fand auch heraus, dass es eine höhere Akzeptanz von Muslimen gebe als des Islams. Ein weiteres Thema des Gesprächs war das Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften in Deutschland. Dabei wurde das Religionsverfassungsrecht als religionsfördernd bezeichnet und die große Bedeutung der Religionsfreiheit für die Entfaltung religiösen Lebens in Deutschland hervorgehoben. Ein Stocken des Dialogs (?) zwischen staatlichen Behörden und muslimischen Gemeinschaften wurde vom KRM erwähnt und bedauert, da „gerade hier […] in den letzten Jahren wichtige Grundlagen für das Zusammenleben der Menschen in ihrer Vielfalt gelegt worden“ seien. Der Ratsvorsitzende der EKD hob die Verpflichtung der Religionsgemeinschaften hervor, sich „aktiv für die Möglichkeit jedes einzelnen Menschen überall auf der Welt einzusetzen, seine Religion frei zu wählen“. Verurteilt wurden Anschläge auf religiöse Einrichtungen wie etwa Gebetsräume und die Bedrohung von Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit in der Bundesrepublik.

In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Publikationen entstanden, die die aktuelle Entwicklung aufnehmen.

Sie richten sich z. B. an Flüchtlinge oder geben eine Hilfe zur Gestaltung gemeinsamer Rituale in der multireligiösen Gesellschaft. Dabei nehmen sie öffentliche Veranstaltungen wie Schulgottesdienste oder öffentliche Trauerfeiern in den Blick, aber auch die kirchliche Praxis, etwa die Gestaltung kirchlicher Hochzeiten von christlich-muslimischen Paaren. Auch hier wirkt der interreligiöse Dialog in die Religionsgemeinschaft, aber auch in die gesamte Gesellschaft hinein.

Für den Dialog der EKD mit dem Judentum seien exemplarisch die regelmäßigen Treffen des Rates der EKD mit dem Zentralrat der Juden (ZdJ) erwähnt. Im Kontext des Reformationsjubiläums hat die 12. Synode der EKD auf ihrer dritten Tagung im November 2016 eine Kundgebung mit dem Titel „,… der Treue hält ewiglich.‘

(Psalm 146,6) – Eine Erklärung zu Christen und Juden als Zeugen der Treue Gottes“217 beschlossen. Darin benennt sie einen Prozess der Beschäftigung mit dem Verhältnis Martin Luthers zu den Juden und betont, dass man sich von Luthers Schmähungen der Juden distanziert habe und dass Luthers „Sicht auf das Judentum nach unserem heute erreichten Verständnis mit der biblisch bezeugten Treue Gottes zu seinem Volk unvereinbar ist“.

Der Beschluss erwähnt ebenso das „nach 1945 gewachsene Bekenntnis zur Schuldgeschichte gegenüber den Juden und zur christlichen Mitverantwortung an der Schoah“. Dankbar wird auf „vielfältige Formen der Begegnung von Christen und Juden und durch solche Begegnungen eröffnete Lernwege“ zurückgeblickt. Und

Der Beschluss erwähnt ebenso das „nach 1945 gewachsene Bekenntnis zur Schuldgeschichte gegenüber den Juden und zur christlichen Mitverantwortung an der Schoah“. Dankbar wird auf „vielfältige Formen der Begegnung von Christen und Juden und durch solche Begegnungen eröffnete Lernwege“ zurückgeblickt. Und