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Militärgeschichtliches Forschungsamt (MGFA); Centre d‘étude d‘histoire de la défense (CEHD); Deutsches Historisches Institut

Paris (DHIP), 24.11.2009, Paris

Seit den 1990er Jahren spielt die sicherheitspolitische Kommunikation für das Ver­

hältnis zwischen Militär und ziviler Öffentlichkeit eine wichtige Rolle. Die Art und Weise der Information über militärische Einsätze und Kriege beeinflusst die Be­

völkerung und prägt sicherheitspolitische Entscheidungen demokratischer Staats­

und Gesellschaftsordnungen. Im Rahmen der 6. Deutsch­Französischen Tagung zur Militärgeschichte am 24. November 2009 am Deutschen Historischen Institut in Paris wurde in historischer Perspektive untersucht, inwieweit sich das Verhält­

nis von Medien und Militär vom Ersten Weltkrieg bis heute verändert hat. Neben Militärhistorikern diskutierten auch Medienwissenschaftler, Journalisten und Ver­

treter des Militärs zentrale Fragen zur Informationspolitik sowie zu den Grenzen des Journalismus zwischen Zensur und »Einbettung«, wobei auch neue Formen der sicherheitspolitischen Kommunikation wie das Web 2.0 thematisiert wurden.

Die Tagung wurde vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Potsdam (MGFA), vertreten durch Jörg Echternkamp, gemeinsam mit dem Centre d‘étude d‘histoire de la défense (CEHD), vertreten durch Jean-Christophe Romer (Direktor des CEHD), und dem Deutschen Historischen Institut Paris (DHIP), vertreten durch Stefan Mar-tens (stellv. Direktor des DHIP), veranstaltet.

Eröffnet wurde die Veranstaltung durch Stefan Martens und Jean-Christophe Romer, welche die langjährige Kontinuität der Tagungsreihe und die enge Zusam­

menarbeit zwischen den drei Institutionen betonten. So werden die Ergebnisse der beiden vorangegangenen Tagungen 2007 und 2008, in denen es um das Bild des Militärs in Deutschland und Frankreich im 19./20. Jahrhundert ging, 2010 in der Schriftenreihe des CEHD auf Französisch und in einer Gemeinschaftspublikation des DHI Paris und des MGFA auf Deutsch vorgelegt.

Der Ausgangspunkt der diesjährigen Tagung lag in der Gegenwart. Jean Guisnel, Journalist beim Nachrichtenmagazin »Le Point«, befasste sich mit Zensur und Kommunikation zwischen Militär und Öffentlichkeit. Er betonte, dass allgemein verbreitete Vorstellungen von Zensur weit von der Realität entfernt seien. Um dies zu veranschaulichen, skizzierte Guisnel die historische Entwicklung der Beziehun­

gen von Militär und Presse. Das Verhältnis der Medien zum Militär habe sich in den vergangenen 25 Jahren normalisiert – die Soldaten würden längst professio­

nell mit Medien umgehen. Vor dem Hintergrund seiner jüngsten Erfahrungen in Afghanistan stellte er fest, dass man im Militär mittlerweile auf neue Trends rea­

giere und die Bedeutung von Plattformen wie »YouTube« und »Daily Motion« oder den zahlreichen Weblogs erkannt habe. Kritisch sah Guisnel die Berichterstattung als »Embedded Journalist«. Die vollständige Integration in eine militärische Ein­

heit beschränke die Bewegungsfreiheit und führe zu einer einseitigen Sicht, was faktisch eine Einschränkung der Pressefreiheit bedeute. Gleichzeitig wies er auf die Sicherheitsprobleme in Kriegs­ und Krisengebieten hin, die es dem Journalisten

nahezu unmöglich machten, sich im Alleingang objektive Informationen zu be­

schaffen.

Aber war das in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts anders? Jörg Requate, Historiker an der Universität Bielefeld, machte am Beispiel des englischen Kriegs­

korrespondenten William Howard Russel deutlich, wie schwer sich eine objektive Berichterstattung mit einer massentauglichen Informationsverbreitung vereinba­

ren lässt. Russels Kriegsberichterstattung anlässlich des Krimkrieges wurde von der Londoner »Times« nicht im vollen Umfang berücksichtigt, da die Zeitung auf­

grund der negativen Schilderung des Kriegsalltags einen Meinungsumschwung der Bevölkerung hin zu einer pazifistischen Grundhaltung befürchtete.

Da sich das Militär im Ersten Weltkrieg erstmals in großem Umfang mit den Massenmedien konfrontiert sah, wurde die Presse gezielt dafür eingesetzt, Kriegs­

ziele und Kriegstaktiken in der breiten Bevölkerung populär zu machen. Die Presse erwuchs damit zu einem Instrument des militärischen Propagandaapparates, so Requate, wenngleich in Frankreich, Deutschland und Großbritannien in unter­

schiedlicher Weise aufgrund unterschiedlicher Ausgangsvoraussetzungen. Eine Vielzahl von Journalisten wurden deshalb als Kriegsberichterstatter an die Front geholt und so unmittelbar in die militärische Strategie eingebunden. Während des Vietnamkrieges dagegen übten einige Zeitungen eine kritische Funktion aus. Ihre Herausgeber und Redakteure, die von der Ausweglosigkeit dieses Krieges über­

zeugt waren und in dieser Haltung von weiten Teilen der Bevölkerung unterstützt wurden, »schrieben den Krieg nicht schön«, sondern gegen ihn an.

Doch die Kriegsberichterstattung beschränkte sich nicht auf die Artikel, wel­

che die Journalisten schrieben; auch das Bild vom Krieg im konkreten Sinn spielte eine immer größere Rolle. Godehard Janzing (Deutsches Forum für Kunstgeschichte Paris) machte auf die unmittelbare Verbindung zwischen Kriegsfotografie und Mili­

tärgeschichte aufmerksam. Die starke Suggestion des Bildmaterials übe eine grö­

ßere emotionale Anziehung auf den Betrachter aus, als dies konventionelle Text­

dokumente erzeugen könnten. Mit den Mitteln der historischen Bildforschung ließen sich Bild­ und Militärgeschichte miteinander verbinden. Janzing zeigte dies anhand der Schriftsteller Ernst Jünger und Bertold Brecht, die zu den Sammlern von Kriegsfotografien zählten, was die Faszination und Anziehungskraft dieser Medien demonstriere. Die Bildsammlungen zeigten allerdings, was auch für Texte gilt: sie sind auf vielfältige Weise interpretierbar, ihre Aussage ist alles andere als eindeutig – auch wenn es auf den ersten Blick so scheinen mag.

Diese Vielschichtigkeit der visuellen Kriegsdarstellung führte der Historiker Fabrice Virgili (Université Paris I/IRICE) am Beispiel einer bekannten Fotografie von Robert Capa vor Augen. Das Foto, das Capa 1944 bei der Befreiung der Stadt Chartes aufgenommen hatte, führe aufgrund seiner zahlreichen symbolischen An­

spielungen die Tradition von ikonografischen Darstellungen fort. So weise bei­

spielsweise die kahlgeschorene Frau im Bildmittelpunkt, die ihr Kleinkind in den Armen hält, die gleiche Figurenkomposition wie zahlreiche gotische Madonnen­

figuren auf. Auch die Personen am Bildrand seien scheinbar bewusst so ausge­

wählt, dass sie vollkommen die Merkmale der ihnen zugewiesenen Funktionen of­

fenbaren, so der Historiker. Daher warf er die Frage auf, ob Fotografien überhaupt ernstzunehmende historische Dokumente oder lediglich Produkte einer medialen Inszenierung, zugeschnitten auf die Interessen ihrer Auftraggeber seien. Sowohl eine selektive Auswahl als auch die Komposition von vermeintlich wahren Sach­

verhalten trügen so zu einer Verzerrung von Geschichte bei.

Auch die französischen Kolonialkriege wurden ins Blickfeld dieser Tagung ge­

nommen, sodass man sich nicht nur auf Deutschland und Frankreich beschränkte.

Benedicte Cheron, Doktorandin an der Universität Paris IV, gab einen Einblick in ihre Forschungen zum Ersten Indochinakrieg (1946–1954) und seine Konsequenzen für die Entwicklungen in der französischen Armee. Bis 1949/50 habe die öffent­

liche Meinung in Frankreich die Militärs wenig interessiert; ab diesem Zeitpunkt wurden jedoch neue Methoden der Militärkommunikation angewandt. Einerseits sollte das die Moral der Truppe fördern, die im Kampf gegen die um die Unab­

hängigkeit Französisch­Indochinas ringende Rebellenorganisation Viet­Minh stand. Andererseits sollten regelmäßig »gefilterte« Bilder von sogenannten Repor­

ters au Combat nach Frankreich geschickt werden. Vor allem in der Komposition und der Auswahl dieser Bilder bestehe ihre Zensur, resümierte Cheron.

Fünfzig Jahre später war die staatliche Kontrolle der Kriegsbilder weitaus schwieriger, wenn nicht unmöglich geworden. Aus medienwissenschaftlicher Sicht befasste sich Claudia Auer mit der Beziehung zwischen Massenmedien, Kommu­

nikation und Militär. Die Medien üben demnach in Kriegszeiten zuweilen nicht die Funktion eines unabhängigen Beobachters aus, sondern werden gezielt zur Be­

einflussung der öffentlichen Meinungsbildung eingesetzt: der »CNN Effekt«. Im Fall des Ersten Golfkrieges beispielsweise betrieben die amerikanischen Medien eine regelrechte Kampagne, um die eigene Bevölkerung von der Notwendigkeit dieses Krieges zu überzeugen. Dazu fand ein reger Austausch zwischen Militär und Medien statt, gelenkt jedoch vom Verteidigungsministerium. Zwar wurde im Ergebnis die Informationsverbreitung verbessert, doch zugleich eine Scheinreali­

tät geschaffen, die sich an militärischen Interessen orientierte. In ihrer systemati­

schen Darstellung der Forschungsdesiderate bezog sich Auer auf ein von der DFG gefördertes Projekt an der TU Ilmenau, das anhand der Beziehungen der Bundes­

wehr und der US­Streitkräfte zu den Medien auf eine vergleichende Analyse des militärischen Kommunikationsmanagements seit 1990 zielt.

Damit war die Tagung wieder in der Gegenwart angekommen. Gibt es heute noch einen »Informationskrieg« zwischen Militär und Medien? Dazu präsentierte ein Vertreter der französischen Armee die (offizielle?) Einstellung des Militärs heute. Oberst François Chauvancy problematisierte die Manipulation der Medien durch das Militär mittels gezielter Falschinformation oder Teilinformation. Seiner Ansicht nach existiert der Informationskrieg noch, wobei er sich allerdings stark verändert hat. Als Beispiel nannte der Medien­ und Kommunikationsexperte das Konzept der Transparenz (embedded journalism), wie es vor allem vom US­Mili­

tär angewandt wird. Aus eigener Erfahrung berichtete er, dass man sich mittler­

weile in den Streitkräften dazu verpflichtet habe »nicht zu lügen«. Das schließe in­

des nicht aus, dass Informationen gezielt zurückgehalten würden. Chauvancy bezeichnete dies als eine demokratische Informationspolitik des Militärs, da es die Grundethik einer jeden Demokratie sei, bei der Wahrheit zu bleiben.

Grundsätzlich sei der heutige Informationskrieg vor allem politisch, was auch der »Interpretationskrieg« der Fernsehsender CNN und Al Dschasira zeige, wie aus der anschließenden Diskussion deutlich hervorging. Bedeutet dies, dass sich die westlichen Demokratien in einer globalisierten Welt mit einer Reihe von Maß­

nahmen zur Gegenpropaganda rüsten müssen?

Zwei verschiedene »Logiken« lagen den Referaten dieser Tagung zugrunde, wie der Historiker Fabrice d’Almeida (Université Paris II­Pantheon­Assas) am Ende bilanzierte. Zum einen ging es um die Informationspolitik des Militärs selbst, zum

anderen um die auf Militär und Krieg bezogene Kommunikation in der medialen Öffentlichkeit. Dabei ließen sich die Beiträge in vier Kategorien einteilen: erstens die im engeren Sinn geschichtswissenschaftlichen, um Kontextualisierung bemüh­

ten Beiträge (Chéron, Janzing, Requate, Virgili); zweitens Vorträge, die eine (For­

schungs­)Perspektive eröffneten (Auer); drittens Berichte aus der Praxis der

»Kriegsberichterstattung« (Guisnel); viertens eine Stellungnahme, die einer Hand­

lungsanweisung für Soldaten glich und Einblick in die Binnensicht des französi­

schen Militärs gab (Chauvancy). Der Medienhistoriker hob zudem hervor, dass die Vorträge, von Deutschland und Frankreich ausgehend, den Blick darüber hinaus auf außereuropäische Themen gelenkt hätten. D’Almeida zeigte sich überzeugt vom Ansatz der gelungenen Tagung, neben Historikern, Kunsthistorikern und Me­

dienwissenschaftlern auch einen Journalisten und einen Vertreter des Militärs in die Debatte einzubinden. Nicht zuletzt die Vorträge Jean Guisnels und François Chauvancys stellten für ihn eine Horizonterweiterung dar, da sie neben einem Blick in die Praxis auch einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen ermöglichten.