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Migration und Wohnungslosigkeit

Landesarbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege

Fallbeispiel 2: Kinderarmut in Sachsen-Anhalt – einer jungen Familie

III.4. Anforderungen an ein bedarfsgerechtes Hilfesystem in Sachsen-Anhalt Leitbild für die künftige Ausgestaltung bedarfsgerechter Angebote ist unverändert das Prinzip

III.4.1. Notwendige Infrastruktur

III.4.1.4. Migration und Wohnungslosigkeit

Das Hilfesystem registriert vor allem im großstädtischen Raum eine Zunahme wohnungsloser Migranten. Daraus resultiert eine Fülle fachlicher und rechtlicher Fragestellungen, insbesondere bei jenen, die über „keinen legalisierten Anspruch“ verfügen.

Dies können Menschen mit einem geregelten Aufenthaltsstatus sein, aber auch Illegale ohne gültige Papiere. Der Umstand, dass wohnungslose Migranten bislang in den neuen Bundesländern noch nicht zahlenmäßig ins Gewicht fallen, sollte weniger zur Fortsetzung taten- und planlosen Verharrens, sondern vielmehr als Chance gesehen werden, sich rechtzeitig für künftige Aufgaben zu wappnen.

III.4.2. Wachsender Bedarf an zielgruppenbezogenen Hilfen III. 4.2.1. Hilfen für wohnungslose Frauen

Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass die Gründe und der Verlauf der Wohnungslosigkeit von Frauen zum Teil andere sind als jene der Männer. Dies macht einen Perspektivenwechsel nötig. Erst mit veränderter Sichtweise wird man das tatsächliche Ausmaß weiblicher Wohnungslosigkeit erfassen können. Es muss davon ausgegangen werden, dass mehr Frauen als bislang vermutet wohnungslos sind.

Bei der Wohnungslosigkeit von Frauen handelt es sich häufig um Formen verdeckter Wohnungslosigkeit, da sie im Gegensatz zu wohnungslosen Männern, die sich viel deutlicher in der Öffentlichkeit zeigen, öffentliche Räume wie Bahnhöfe oder Plätze besetzen, eher im Verborgenen leben.

III.4.2.2. Angebote für junge Menschen

Trotz der aktuell vergleichsweise günstigen Lage am Arbeitsmarkt muss angesichts des hohen Sockels an Langzeitarbeitslosen davon ausgegangen werden, dass auch die Armut von Kindern und Jugendlichen weiter Bestand haben und möglicherweise sogar zunehmen wird. Die Armutsfolgen sind in der Regel komplex: Arbeitslosigkeit, Überschuldung, Drogen-/

Alkoholprobleme, biographische Brüche, psychische Beeinträchtigungen, Flucht aus Elternhäusern und Pflegefamilien, von Großeltern und Heimen (Simon 2007). In den letzten Jahren war die Zahl der jüngeren Wohnungslosen unter 25 Jahren im Steigen begriffen.

Neben den aus Armutsentwicklungen resultierenden Risikofaktoren weisen die Lebenslagen von „Straßenjugendlichen“ in der Regel weitere Problemkonstellationen auf, was die Vermutung erhärtet, wonach Armutslagen zwar Straßenkarrieren wahrscheinlicher werden lassen, deren Entstehung aber in vielen Fällen erst beim Vorliegen multivarianter Problemkonstellationen zu erwarten ist. Von erheblicher Bedeutung sind familiale Faktoren. Hierzu gehören Gewalterfahrungen, sexueller Missbrauch, Suchtverhalten der Eltern oder anderer Familienangehöriger. Ein kleinerer Teil der wohnungslosen Jugendlichen stammt aus Elternhäusern, in denen keine materielle Armut herrscht, dafür aber besonders ausgeprägte Erziehungsmängel und Beziehungslosigkeit auftreten. Man spricht hier von einer spezifischen Form der „Wohlstandsvernachlässigung“.

Abbildung 57: Wohnungslose Jugendliche im „Bermudadreieck“ verschiedener Handlungsrationalitäten:

SGB VIII SGB II/III SGB XII

Kontext Sozialpolitik Arbeitsmarktpolitik Sozialpolitik Inhalte • Erziehung

• Entwicklung

• Erziehungs- und Familienhilfe

• Arbeitsmarktpol.

Maßnahmen

• Fordern und Fördern

• Nachrangige Sicherung

• Hilfe zur Teiln. am

• Besondere soziale Schwierigkeiten Nachrang der Hilfen nach

§ 67 ff SGB XII

Integra- tionsver-ständnis

Eigenständiges Leben Einmündung in den Arbeitsmarkt

• Teilhabe

• Elementarversorgung

• Vermeidung von

Verschlimmerung

Quelle: Simon 2007 in Erweiterung von Michel-Schwartze 2007

Gestaltungsaufgabe: Kooperation der Job Center U 25 mit der Jugendhilfe und den mit wohnungslosen Jugendlichen in Beziehung stehenden Akteuren

Auch zu Beginn des Jahres 2008 sind bislang nur in der Minderzahl der Städte und Landkreise funktionierende Job Center für die unter 25-Jährigen eingerichtet worden, obwohl dies vom Gesetzgeber gefordert wurde. Profilierte Versuche sind lediglich aus Stuttgart („Beratungshaus“) und Berlin Pankow bekannt geworden. Mit Blick auf wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Jugendliche führt kein Weg daran vorbei, dass funktionierende Strukturen geschaffen werden, in denen die Job Center U 25 eng mit der Jugendhilfe und den auf wohnungslose Jugendliche spezialisierten Einrichtungen zusammen arbeiten. Jugendhilferechtler um Johannes Münder und Peter Schruth fordern in diesem Zusammenhang, dass Streetworker für Jugendliche auf der Straße überbrückende Leistungen auszahlen können.

Gestaltungsaufgabe: Sozialraumorientierte Erziehungshilfen

Mittlerweile wurde in ausgesuchten Sozialräumen mit dem Aufbau „flexibler,

schließlich 2006 flächendeckend in den Modelllandkreisen umgesetzt. Im Spektrum der erzieherischen Hilfen kooperieren nun in jedem der 14 Sozialräume des Landkreises Esslingen Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) des Landekreises mit Teams der freien Träger. Sie agieren partiell getrennt, bilden jedoch gemeinsame Jugendhilfestationen. Die früheren Tagesgruppen sowie die soziale Gruppenarbeit wurden - auch vor dem Hintergrund, dass die Mehrzahl der Schulen im Landkreis zu Ganztagsschulen erweitert werden soll – weitgehend aufgelöst und in ihrer Funktion durch die flexiblen Hilfen ersetzt. Daraus resultieren besondere Planungsnotwendigkeiten für die Verbesserung der Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe. Mittels des Konzeptes der sozialräumlichen Orientierung können wohnungslose Jugendliche besser erreicht werden.

Gestaltungsaufgabe: Weiterentwicklung und Integration der Wohnungslosenhilfe Eine moderne, dem Gedanken des Empowerment verpflichtete Wohnungslosenhilfe hat - gerade auch mit Blick auf die Zielgruppe der betroffenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen - verschiedene Funktionen und Reichweiten:

• Sie ist zunächst lebensraumbezogene Prävention, die an der Wohnungsnotfallproblematik arbeitet.

• Sie ist in erster Linie Fallarbeit auf der Basis der §§ 67 - 69 SGB XII, die sich an Menschen richtet, die unterschiedliche Straßenkarrieren aufweisen. Diese geschieht in ambulanten und in stationären Einrichtungen, als Rechtsdurchsetzung, als Notfallhilfe, als Grundversorgung, als Beratung und als Langzeithilfe.

• Sie ist schließlich lebensraumbezogene Integration und arbeitet in vernetzten Strukturen des Gemeinwesens (Lutz/Simon 2007, S. 203).

Mit Blick auf die in den nächsten Jahren wachsende Gruppe der jungen Wohnungsnotfälle ist eine Einbindung der Wohnungslosenhilfe in das Kooperationsnetz der Jobcenter U 25 zwingend geboten.

III.4.2.3. Hilfen für wohnungslose alte Menschen

Angesichts einer steigenden Nachfrage nach Pflegeplätzen für Menschen mit einer schwierigen Lebensgeschichte, die lange in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe gelebt haben und ausgeprägte soziale Schwierigkeiten bis hin zu chronischem Alkoholismus aufweisen, ist das Leistungsangebot der traditionellen Altenhilfe überfordert. Somit entstand ein wachsender Bedarf an Einrichtungen, die spezielle Angebote für alt gewordene Wohnungslose aufbauen. Dies können Abteilungen in Pflegeheimen sein, es gibt für diese

Klientel auch eigene Heime bzw. Abteilungen in stationären Einrichtungen. Letzteres erweist sich als vorteilhaft, da sich das Zusammenleben von ehemals wohnungslosen Menschen mit

„normalen“ Altenheimbewohnern doch mitunter schwierig und kompliziert gestaltet.