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7.1.2 „Matching“ und Variablenkontrolle über ein hedonisches Modell

7.4 Deskriptive Auswertung des Datenmaterials

7.5.6 Mietregulierung und Wohnungsangebot

Eine der Kernhypothesen dieser Arbeit ist der langfristige negative Effekt des Mietrechts auf das Mietwohnungsangebot. Liegt ein regulierter Preis unter ei-nem Marktpreis, so vertreibt dies langfristig die Anbieter. Die Immobilien exis-tieren natürlich weiterhin, allerdings ändert sich die Eigentümerstruktur. Das regulierte Segment der Privatvermietung ist neben der einzelnen Altbau-Mietwohnung das klassische Zinshaus, das im Eigentum einer einzelnen Person steht. Ein wesentliches Indiz für den Eigentumswandel ist die Wohnungseigen-tumsbegründung oder Parifizierung. Sie dient für Hypothese 10 als Indiz für die

„Flucht aus dem Mietmarkt“. Es ist lukrativer, Mietshäuser in einzelne Woh-nungen zu zerstückeln und an künftige Wohnungseigentümer zu verkaufen, als das gesamte Haus zu vermieten. Auch wenn manche Wohnungseigentümer wei-ter als Vermiewei-ter aktiv sind, entzieht dieser Prozess dem Mietmarkt tendenziell Material. Von Interesse ist nun, wo es verstärkt zu Parifizierungen kommt.

Hypothese 10: In Gründerzeitvierteln in guten Lagen kommt es verstärkt zu Parifizierungen und Abverkäufen von Wohnungen.

Ob an einem Haus Wohnungseigentum begründet worden ist, lässt sich nur im Grundbuch erkennen.

7.5.6.1 Aufbereitung der Grundbuchsdaten

In Kapitel 7.2.2 wurde das Parsing der Grundbuchsdaten mittels Perl erläutert.

Die dadurch generierte Adresse der jeweiligen Liegenschaften wurde mit einem Python Tool über Google-Maps geocodiert. Die Geocodierung der 124.178 Da-tensätze dauerte etwa 60 Stunden. Jeder Datensatz enthielt nun Adresse und Lat-/Lon-Koordinate.

Die generierten Koordinaten mussten sodann verortet werden, damit eine Zuordnung zum jeweiligen Zählsprengel möglich ist. Für diese Aufgabe wurde mit ESRI-Arcgis gearbeitet. Eine Herausforderung waren die unterschiedlichen Koordinatensysteme, die den einzelnen Shapes zugrundelagen. Das Zählspren-gel-Shape wurde in Lambert dargestellt, einer für Österreich üblichen und ver-zerrungsfreien Projektion. Dieselbe Projektion funktioniert für die longitudina-len und latitudinalongitudina-len Koordinaten (etwa 48,291923 – 16,2829393) nicht von vornherein. Die verorteten Daten müssen im „Weltsystem“ WGS 1984 darge-stellt werden. Das Resultat ist, dass die Darstellungen nicht exakt übereinander liegen, die Grundbuchs-Daten landen bisweilen um mehrere hundert Meter ne-ben dem über das Shape-File projizierten Zählsprengel. Die WGS-84-Projektion wurde dazu wie folgt manipuliert, sodass es verzerrungsfrei in der Lambert Pro-jektion (Österreich) dargestellt werden kann:

X Axis Translation: -586 Meter, Y Axis Translation: -98 Meter, Z Axis Translation: -468 Meter, X Axis Rotation: +5,1 Sekunden, Y Axis Rotation : +1,4 Sekunden, Z Axis Rotation: +5,4 Sekunden, Scale Difference: -1,1 ppm

Die verorteten Grundbuchsdaten – insgesamt 95.126 der 124.178 Grund-buchsauszüge konnten über die Adressangabe geocodiert werden – wurden mit Zählsprengeln und mit Zählsprengel-Daten der Statistik Austria auf 1293 Daten-sätze verschnitten.

7.5.6.2 Darstellung des Parifizierungsgrades

Anhand der Grundbuchsdaten konnte herausgefunden werden, wie viele der Grundbuchskörper parifiziert sind. Dieser „Parifizierungsgrad“ (WE-Objekte / Anzahl der Grundbuchs-Einlagezahlen) ist in Abbildung 49 dargestellt.

Hypothesenprüfung 179

Abbildung 49: Parifizierungsgrad der Wiener Zählsprengel 0,0% – 2,6%

2,6% – 6,3%

6,3% – 15,0%

15,0% – 26,4%

> 26,4%

Erwartungsgemäß ist gerade im dicht verbauten Stadtgebiet der Anteil der parifzierten Grundbuchskörper am höchsten. Der Erste Bezirk weist auch Gebie-te mit geringem Parifizierungsgrad aus. Hier ist auch der AnGebie-teil an öffentlichen Bauwerken, die naturgemäß nicht parifiziert sind, sehr hoch.

Die Grafik und die Statistik im Hintergrund sind mit Vorsicht zu betrachten:

Ein Grundbuchskörper ist nicht unbedingt ein einzelnes Gebäude. Auch unbe-baute Grundstücke haben eine eigene Einlagezahl und sind damit eigenständige Grundbuchskörper. Zudem finden sich bei Gartensiedlungen oder genossen-schaftlich organisierten Immobilien gelegentlich sehr viele Gebäude auf einer gemeinsamen Einlagezahl oder sogar auf einem einzigen Grundstück.

Nach der letzten Gebäudezählung der Statistik Austria 2001 gibt es 165.886 Gebäude in Wien, darunter Einfamilienhäuser, Zinshäuser, Palais und Büroge-bäude. Allerdings gibt es „nur“ 124.178 Grundbuchsauszüge, und lediglich 95.126 Einlagezahlen, die auch eine Adresse im Grundbuch eingetragen haben, was auf eine höher entwickelte Immobilie (bebaute Baugründe statt Landwirt-schaftsflächen, die keine Adresse haben) hindeutet. Zum Beispiel gibt es im Zählsprengel 91601082 im 16. Bezirk lediglich 180 Grundbuchseinträge, aber 770 Gebäude.

Für die Analyse sollen vor allem Gebiete mit hohem Anteil an Einfamilien-häusern ausgeklammert werden. Da für die gegenständliche Hypothese die Gründerzeitviertel und angrenzende Gebiete von Interesse sind, wird lediglich auf jene Gebiete eingeschränkt, die in oder neben Gründerzeitvierteln liegen.

In Abbildung 50 sind auch die einzelnen Gründerzeitviertel umrandet und die Zählsprengel mit dem Parifizierungsgrad schattiert.

Hypothesenprüfung 181

Abbildung 50: Parifizierungsgrad in Gründzeitvierteln und angrenzenen Gebieten Dass der Parifizierungsgrad in Gründerzeitvierteln überdurchschnittlich ist, deutet zumindest auch Abbildung 51 an. Sie gibt jedoch keinen Hinweis über die Ausprägungen bei einzelnen Gebäudetypen. Die Statistik kann nicht auf Mehrparteienhäuser einschränken, sondern lässt auch Einfamilienhäuser einflie-ßen, die naturgemäß nicht parifiziert sein können. Auch der Anteil der Neubau-ten, die eher Wohnungseigentumsobjekte sind, bleibt unbekannt.

0,0% – 2,6%

2,6% – 6,3%

6,3% – 15,0%

15,0% – 26,4%

> 26,4%

Abbildung 51: Parifizierungsgrad nach Lagezuschlagszone sowie gewichtet nach der Anzahl der Grundbuchskörper (Einlagezahlen)

Es muss daher für einen Beleg der Hypothese auf ein Stadtgebiet einge-schränkt werden, das in sich homogener ist: dicht verbaute Wohngegenden mit sowohl Zuschlagszonen als auch Gründerzeitvierteln. Als geeignet in Bezug auf die erforderliche Bebauungsdichte erscheinen dafür der 1.-9. Bezirk (außer dem 2. Bezirk), sowie der 15. und 20. Bezirk. Die dort gelegenen Zählsprengel wei-sen im Durchschnitt weniger als 5 Ein- oder Zweifamilienhäuser auf. Von den inneren Bezirken (1.-9.) kommt letztlich nur der 5. Bezirk in Frage, da dieser auch Gründerzeitviertel aufweist. Die nachstehenden Analysen beschränken sich daher auf die dicht verbauten Bezirke Margareten (5.), Rudolfsheim-Fünfhaus (15.) und Brigittenau (20.).

In Abbildung 52 ist der Parifizierungsgrad der drei genannten Bezirke abge-bildet, wobei dieser für Gründerzeitviertel (dunkel) und Zuschlagszonen (hell) separat dargestellt ist. Entsprechend der Hypothese ist der Grad der Parifizierung in Gründerzeitvierteln höher als in den Zuschlagszonen der jewei-ligen Bezirke.

Hypothesenprüfung 183

Abbildung 52: Parifizierungsgrad in dicht verbauten Bezirken nach Zuschlagszone Eine ANOVA zeigt, dass die Unterschiede in den äußeren, dem 15. und 20.

Bezirk signifikant sind (Sig. 0,015 bzw. 0,034). Die geringen Unterschiede im 5.

Bezirk sind nicht signifikant. Das Ergebnis muss jedoch im Verhältnis zum Ge-bäudebestand gesehen werden.

Nahezu alle Altbauten vor 1945 und sämtliche Gründerzeithäuser standen zum Zeitpunkt der Erbauung in Alleineigentum. Neubauten der Nachkriegsjahre jedoch wurden oft bereits als Wohnungseigentumsobjekte errichtet. In Gebieten, wo ein höherer Neubaubestand vorhanden ist, muss sich automatisch ein höherer Parifizierungsgrad ergeben, der nicht auf die nachträgliche Wohnungseigen-tumsbegründung bei Altbauten – dem Untersuchungsgegenstand – zurückgeht.

In Abbildung 53 sind Balkendiagramme abgebildet, die die Zahl der Altbau-Mehrparteienhäuser (dunkelgrau) den Neubau-Altbau-Mehrparteienhäusern (hellgrau) gegenüberstellen, je nachdem ob es sich um ein Gründerzeitviertel handelt (oben) oder nicht.

Abbildung 53: Zahl der Altbau (dunkel) und Neubau-Wohnhäuser (hell) nach Bezirken und Zuschlagszone (oben) bzw. Gründerzeitviertel (unten)

Die überwiegende Zahl der Mehrparteienhäuser in Gründerzeitvierteln (GZV=1, oben) sind Altbauten, die vor 1945 errichtet wurden (dunkle, breite Balken). Auch außerhalb der Gründerzeitviertel überwiegen Altbauten bei wei-tem. Lediglich im 20. Bezirk gibt es in Zuschlagszonen auffallend mehr Neu-bauten (helle, schmale Balken). Dieses Ergebnis muss sich aus der Baugeschich-te ergeben. GründerzeitvierBaugeschich-tel waren die dichBaugeschich-test verbauBaugeschich-ten Wohngegenden der vorigen Jahrhundertwende. Darüber hinausgehend, wo sich heute Zuschlagszo-nen befinden, waren Fabriken oder Grünflächen vorzufinden. Sie sind heute Zu-schlagszonen, weil es dort wenige Wohnhäuser, und damit auch weniger Sub-standardwohnungen (das Kriterium für Gründerzeitviertel) gegeben hat. Inzwi-schen sind auch diese Zuschlagsgegenden dicht verbaut.

Da es also in Gründerzeitvierteln noch weniger Neubauten gibt als in den Zuschlagszonen, müsste dies das hypothesebelegende Ergebnis zum Parifizierungsgrad (Abbildung 52) noch verstärken: der Parifizierungsgrad in GZV ist höher, obwohl es weniger Neubauten gibt.

Hypothesenprüfung 185 Kann Hypothese 10 also angenommen werden? Die Daten lassen eine end-gültige Aussage nicht zu. Ein Problem bleibt nämlich wie oben beschrieben un-gelöst: Es gibt nach der Häuserzählung viel mehr Gebäude als Einlagezahlen.

Mehrere Häuser, oder ganze Häuserblöcke, etwa von Genossenschaftsanlagen, stehen auf einer einzigen Einlagezahl. Es lässt sich nicht feststellen, ob ein Parifizierungsgrad von etwa 25 Prozent in einem bestimmten Zählsprengel die Anzahl der nachträglich parifizierten Altbauten zum Ausdruck bringen kann.

Schließlich gibt es zumindest in den Bezirken 15 und 20 mehr Neubauten als es Wohnungseigentumsobjekte gibt. Die obige Varianzanalyse (dargestellt in Ab-bildung 52) wurde unter der Annahme erstellt, dass der Parifizierungsgrad den Anteil der parifizierten Altbauten an der Gesamtanzahl der Altbauten widerspie-gelt.

Interessant wäre zu wissen, wie sich die Nachbarschaftseffekte zu Zu-schlagszonen auf den Parifizierungsgrad auswirken. Dazu werden ausschließlich die Bezirke 5 und 15 betrachtet (beim 20. Bezirk ist nahezu jedes GZV an eine Zuschlagszone angrenzend, womit die Kontrollgruppe, die „Binnen-GZVs“, fehlt). Die Verteilung der Gebäudetypen ist jedenfalls ausgeglichen: Die Anzahl der Altbauten und Neubauten ist in Gründerzeitvierteln, die von Ihresgleichen umgeben sind, und jenen, die an Zuschlagszonen angrenzen, ungefähr gleich verteilt (vgl. Tabelle 26).

Tabelle 26: Gleiche Anteile an Altbauten und Neubauten über die GZV hinweg

Report

Std. Deviation 13,768 11,448

1 Mean 35,26 11,31

N 35 35

Std. Deviation 15,106 8,141

Total Mean 35,83 12,04

N 71 71

Std. Deviation 14,351 9,912

Das Ergebnis: Im 15. Bezirk steigt der Parifizierungsgrad an der Grenze zu den Zuschlagszonen von 19,9 Prozent (Binnen-GZV) auf 25,3 Prozent. Dieser Unterschied ist signifikant (0,023) und ein Beleg für die Hypothese.

Im 5. Bezirk steigt der Parifizierungsgrad von 30,5 auf 30,9 Prozent, ist je-doch nicht signifikant.