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5. Methodisches Vorgehen, Durchführung des Interviews und Er- Er-gebnisse

5.2 Methodische Vorarbeiten und Durchführung des Interviews

Nachdem erläutert wurde, was eine*n Experten*Expertin auszeichnet, stellt sich die Frage nach der konkreten Auswahl für diese Forschung. Im Laufe der Recherche präsentierte sich das Projekt Dekonstrukt, welches sich mit dem Phänomen der Neuen Rechten im Internet auseinandersetzt und dabei auf Ansätze der Sozialen Arbeit sowie der politischen Bildung zurückgreift. Bezugnehmend auf Abschnitt 4.4 kann dieses Projekt am ehesten der digitalen Sozialen Arbeit zugeordnet werden.

Mittels E-Mail wurde der Kontakt zu einem Mitarbeiter des Projekts hergestellt, wel-cher sich für ein Interview bereit erklärte. Bereits im E-Mailkontakt stellte sich heraus,

65 dass das Projekt Dekonstrukt zum Zeitpunkt des vereinbarten Interviewtermins ab-geschlossen sein werde. Ein Folgeprojekt unter seiner Mitarbeit sei jedoch bereits in der Planung, sodass er sowohl zum abgeschlossenen sowie zum neu gestarteten Projekt, Prisma, Aussagen treffen und Einschätzungen geben könne.

Nach der Wahl des Interviewpartners erfolgte die Leitfadenerstellung, denn unab-hängig von der Wahl auf ein exploratives, systematisierendes oder theoriegenerie-rendes Expert*inn*en-Interview, handle es sich bei Expert*inn*en-Interviews stets um teilstrukturierte Interviews mit Leitfäden. Diese würden zum einen für die tung und zum anderen für die Durchführung verwendet. Während sie in der Vorberei-tung der Strukturierung des Themenfeldes dienen und somit ein wichtiges Instrument im gesamten Forschungsprozess darstellen würden, würden sie im Interview selbst als Hilfsmittel unterstützen und eine Orientierungsfunktion einnehmen (vgl. Bog-ner/Littig/Menz 2014: 27f.). Der Leitfaden sollte in verschiedene, in sich abgeschlos-sene Themenblöcke unterteilt werden, wobei jeder Block einige wenige Hauptfragen beinhalten sollte, welche als „‚Pflichtfragen‘“ (a.a.O.: 28) zu verstehen seien. Hinzu-kommen könnten weitere Ergänzungsfragen, sofern die vorhergehenden Fragen

„nicht bereits erschöpfend beantwortet worden sind“ (a.a.O.: 29; vgl. a.a.O.: 28ff.).

Für den hier verwendeten Leitfaden wurden fünf aus der Literatur abgeleitete The-menblöcke gewählt, welche um die Blöcke Einstieg und Ende des Interviews ergänzt wurden. Der Einstieg besteht hierbei – anlehnend an Bogner/Littig/Menz (vgl. a.a.O.:

59f.) – aus dem Dank für die Gesprächsbereitschaft, der eigenen Vorstellung, der Vorstellung des Forschungsthemas, der Bitte um die Erlaubnis zur Tonaufzeichnung sowie der offenen, einleitenden Frage nach dem beruflichen Hintergrund des Inter-viewpartners. Das Ende setzt sich aus der abschließenden Frage nach Ergänzungen und dem Dank dafür, dass der Interviewte sich Zeit genommen hat, zusammen.

Die Form der jeweiligen Fragestellung kann unterschieden werden in erzählungsge-nerierende Fragen, Bewertungs- und Faktenfragen sowie Sondierungen und thema-tische Steuerung (vgl. a.a.O.: 62). Es sollte aber vermieden werden, die Forschungs-frage an den*die Experten*Expertin weiterzugeben, sondern vielmehr das Gesagte auf „zugrundeliegende Argumentations- oder Orientierungsmuster hin auszuwerten, zu verdichten, zu abstrahieren, zu generalisieren usw.“ (a.a.O.: 65). In diesem Leitfa-den wurde, wie von Bogner/Littig/Menz (vgl. a.a.O.: 63) empfohlen, darauf geachtet, vermehrt unspezifische Erzählaufforderungen zu nutzen, um zu verhindern, dass der Befragte in eine bestimmte Richtung gedrängt wird. So wird zum Beispiel die Frage 2

66 eingeleitet mit „Kannst du erzählen, wie es dazu kam?“ Auch Frage 7 stellt eine offe-ne Erzählaufforderung dar („Wie kann ich mir das vorstellen?“). Außerdem wurden Bewertungsfragen vorbereitet, um durch den Experten eine normative Beurteilung zu erhalten. Solche Bewertungen seien insbesondere dann wichtig, wenn es weniger um Faktenwissen und mehr um Interpretationen und normative Orientierungen gehe (vgl. Bogner/Littig/Menz 2014: 64f.). Dies geschieht beispielsweise in Frage 8, in der nach seinem Standpunkt zur Klarnamenpflicht im Internet gefragt wird. Darüber hin-aus gibt es noch sogenannte Sondierungsfragen, die der Präzisierung dienen und einen nachfragenden Charakter haben (vgl. a.a.O.: 66). Diese wurden nicht explizit in den Leitfaden aufgenommen, jedoch war der Interviewerin bewusst, dass sie Fragen wie „Kannst du das noch genauer schildern?“ stets einbringen kann, sofern sie Prä-zisierungen einfordern möchte. Da sich der Leitfaden, wie von Bogner/Littig/Menz (vgl. a.a.O.: 29) empfohlen, auch an den Sicherheitsbedürfnissen des*der Intervie-wers*Interviewerin orientiert, sind die Fragen sowie die sie einleitenden Aussagen vollständig ausformuliert. Der vollständige Leitfaden ist in Anhang 1 zu finden.

Neben der Leitfadenerstellung wird empfohlen, Expert*inn*en-Interviews in Form ei-ner Tonaufnahme aufzuzeichnen, um später auf konkrete Wortlaute zurückgreifen zu können. Auf diese Weise könne sich der*die Interviewer*in fokussiert auf die Ge-sprächsführung und das Fragenstellen konzentrieren. Natürlich müsse einer Audio-aufzeichnung vonseiten des*der Interviewpartners*Interviewpartnerin zugestimmt werden (vgl. a.a.O.: 40f.). Dies sei in den meisten Fällen jedoch unproblematisch, da es zum „professionellen Habitus gehöre, dass man auch ‚für die Öffentlichkeit‘ formu-lieren kann“ (a.a.O.: 40). Zwar könne die Tonaufnahme anschließend zur Erstellung eines Interviewprotokolls dienen, für Expert*inn*en-Interviews – insbesondere für die, bei denen nicht die Daten und Fakten im Vordergrund stehen – wird dennoch emp-fohlen, die Aufnahme vollständig zu transkribieren, also zu verschriftlichen (vgl.

a.a.O.: 40f.). Für die Transkription wurde das Einfache Transkriptionssystem mit Er-weiterungen nach Dresing/Pehl (vgl. 2015: 20-23) gewählt. Hier wird wörtlich transkribiert, Wortverschleifungen jedoch an das Schriftdeutsch angenähert. Syntak-tische Fehler werden allerdings beibehalten und Wort- sowie Satzabbrüche werden mit einem Abbruchzeichen (/) gekennzeichnet. Fülllaute wie „ähm“, „ja“, „äh“ etc.

werden mittranskribiert. Außerdem werden Pausen mit Auslassungspunkten in Klammern – ab mehr als drei Sekunden wird die Anzahl in Ziffern ausgedrückt –

67 markiert. Die vollständige Transkription befindet sich in Anhang 2. Anschließend ist zu überlegen, wie die Interviewauswertung durchgeführt werden soll.

Es habe sich (noch) „keines der bekannten Auswertungsverfahren qualitativer Sozial-forschung zu der experteninterview-spezifischen Methode“ (Bogner/Littig/Menz 2014:

71; Herv. i. O.) entwickelt, weshalb alle Verfahren oder auch Kombinationen von Auswertungsmethoden möglich seien. Da es sich bei keiner dieser Auswertungsme-thoden um standardisierte Instrumente handle, sei es gleichzeitig nicht möglich, die-se beliebig zu nutzen. Vielmehr müsdie-se methodologisch begründet werden, weshalb welches Verfahren zum Einsatz komme. Darüber hinaus müsse jedes Auswertungs-verfahren auf das spezifische Forschungsvorhaben adaptiert werden (vgl. ebd.). Für Expert*inn*en-Interviews mit dem Forschungsziel der Informationsgewinnung emp-fehlen Bogner/Littig/Menz (vgl. a.a.O.: 72, 75) eine qualitative Inhaltsanalyse, da sie sich auf Informationen fokussiere und ermögliche, soziale Sachverhalte zu rekonstru-ieren. Außerdem habe sie einen hohen Wissenschaftlichkeitsanspruch und sei des-wegen durch eine starke Schematisierung sowie „Regelgeleitetheit“ (a.a.O.: 75) ge-kennzeichnet. In Anlehnung an Mayring (2000) und Gläser/Laudel (2004) beschrei-ben die Autor*inn*en ein fünfstufiges Auswertungskonzept, mithilfe dessen der Inter-viewtext zu einer „tragfähigen Informationsbasis“ (Bogner/Littig/Menz 2014: 73) ab-gewandelt werden könne (vgl. a.a.O.: 72f.).

Im ersten Schritt sollte entschieden werden, welches Material analysiert werden soll.

Im vorliegenden Fall sind das alle Antworten des Befragten, wobei bereits beim Transkribieren bzw. beim ersten Durchlesen der Transkription deutlich wurde, dass die Zeilen 119-158 besonders interessant für die Frage nach den Neuen Rechten, 544-568 gerade für die Frage nach den Neuen Rechten in sozialen Medien und 41-50 sowie 56-79 insbesondere aussagekräftig für die Frage nach sozialarbeiterischen Aufträgen im Bereich der Neuen Rechten sein würden. Als zweiter Schritt wurde ent-lang des Konzepts der qualitativen Inhaltsanalyse ein Kategoriensystem aufgebaut.

Dieses soll in Anlehnung an die Literaturrecherche entwickelt werden, sodass der Interviewtext anhand der verschiedenen Kategorien auf Informationen hin abgesucht werden kann. Es handelt sich somit um ein deduktives Modell, obgleich nachträglich

„neue Kategorien konstruiert oder die Dimensionen existierender Kategorien verän-dert werden“ (Bogner/Littig/Menz 2014: 74) könnten (vgl. a.a.O.: 73f.). Das Katego-riensystem für dieses Expert*inn*en-Interview wurde aufgeteilt in Oberkategorien wie zum Beispiel Experte, sozialarbeiterische Ansätze und Aufträge im Feld der Neuen

68 Rechten, Die Neuen Rechten, Digitalisierung und die Neuen Rechten sowie Digitali-sierung, Internet und soziale Medien. Unter diesen Überkategorien folgen die tat-sächlichen Systeme mit den Spalten Thema, Aussage und Quelle. Während unter Aussage in Stichpunkten oder als Zitat der Inhalt einer Aussage des Experten wie-dergegeben wird und unter Quelle die jeweilige Zeilenangabe notiert ist, werden un-ter Thema diesen Aussagen Überschriften gegeben wie beispielsweise Konzeption (wie sind die Modellprojekte konzipiert?), Definition (wie werden Begriffe von dem Experten definiert und abgegrenzt?) oder Auftreten (wie beschreibt der Experte das Auftreten der Neuen Rechten?). Das vollständige System ist in Anhang 3 zu finden.

Nach dem Aufbau des Kategoriensystems folge die Extraktion, in welcher die „Roh-daten […] dem Kategoriensystem zugeordnet“ (Bogner/Littig/Menz 2014: 74) werden sollten sowie die Aufbereitung der Daten, bei der die extrahierten Informationen von verschiedenen Interviews zusammengetragen, Fehler korrigiert und redundante In-formationen gekürzt werden sollten (vgl. ebd.). Letztere fällt für dieses Interview je-doch weg, da nur ein Interview zu führen war und somit keine verschiedenen Da-tensätze bestehen. Der letzte Schritt sei die eigentliche Auswertung, bei welcher die Ergebnisse interpretiert werden sollten und so ein allgemeines Kausalmodell entwi-ckelt werden sollte (vgl. a.a.O.: 74f.). In diesem letzten Schritt wird die zweite For-schungsfrage dieser Arbeit auf Grundlage der systematisierten Ergebnisse beantwor-tet.