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IV. Anwendungsbeispiele aus der Praxis

8.1 Das Konzept der Mädchenwohngruppe

8.1.3 Methodische Schwerpunkte

Ein methodischer Schwerpunkt in der Arbeit liegt in dem Aufnahmeverfahren der Wohngruppe. Für die Mädchen bedeutet das einen gravierenden Einschnitt in ihr Leben. Zum Aufnahmeverfahren erfolgt vorab immer ein Fachgespräch mit allen Beteiligten, um zu klären, ob die Mädchenwohngruppe „Surfer“, die tatsächlich geeignete Maßnahme für den Betroffenen Minderjährigen ist. Erfolgt im Ergebnis des Fachgesprächs die Aussage, die Maßnahme sei geeignet, kann im Anschluss daran das Aufnahmegespräch erfolgen.

140 Konzept der Norddeutschen Gesellschaft für Bildung und Soziales Stand 08/2006, S. 6f

Das Aufnahmegespräch findet dann mit allen Beteiligten bereits in der Wohn-gruppe statt, damit dem Mädchen die Möglichkeit eines ersten kennen Lernens der Umgebung gegeben werden kann. Stehen nach diesem Gespräch alle Be-teiligten der Aufnahme positiv gegenüber, so kann ein entsprechender Termin zur Unterbringung vereinbart werden. Die aktive Beteiligung des Mädchens an diesem Verfahren und ihre Mitentscheidungskompetenz legen einen notwendi-gen Grundstein für die einotwendi-genverantwortliche Mitarbeit in diesem Prozess.

Ein weiterer methodischer Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Eingangsdiagnos-tik und dem Hilfeplan. Dazu finden in den ersten Wochen des Aufenthalts inten-sive Beobachtungen, weitere Informationssammlungen und die Abklärung aller erkennbaren Bezugssysteme, statt. Die Dokumentation erfolgt in einer standar-disierten Eingangsdiagnostik und dient seitens der Wohngruppe, als Grundlage für das erste Hilfeplangespräch. Darin sollte dann, unter Einbeziehung aller Be-teiligten, der Förderverlauf und der Hilfeplan vereinbart werden. Die umfangrei-che Datensammlung ermöglicht daher, eine konkrete Beschreibung und Ge-wichtung des einzelnen Hilfebedarfs.

Wöchentlich stattfindende Gruppengespräche gehören ebenso zu den gesetz-ten Schwerpunkgesetz-ten in der Arbeit. Dort besteht u. a. die Möglichkeit, Vorkomm-nisse der vergangenen Woche auszuwerten und notwendige Konsequenzen festzulegen. Die Gruppengespräche bieten zusätzlich die Möglichkeit, Wünsche und Anregungen der Mädchen zu besprechen. Auch gemeinsame Aktivitäten werden in dieser Zeit besprochen. Aufgabe der Pädagogen ist es, in diesen Gesprächen darauf zu achten, dass in Auseinandersetzungen die Wertschät-zung des Gegenübers bewahrt wird.

Auf der Grundlage gemeinsam erstellter Gruppenregeln erfolgt, auch unter der Einbeziehung gesetzlicher Bestimmungen, das Zusammenleben in der Wohn-gruppe. Die Beteiligung der Mädchen an Entscheidungen, wie zum Beispiel An-schaffungen oder die Ausgestaltung von Räumlichkeiten, wird in hohem Maße erwünscht und regt die Kinder und Jugendlichen zur aktiven Mitarbeit an.

Die schulische und berufliche Förderung ist ein weiterer methodischer Schwer-punkt der Arbeit. Die Kooperationen sind für alle Schultypen vorhanden, inklusi-ve einer Schule zur individuellen Lebensbewältigung und einer Schulstation für besonders betreuungsintensive Kinder und Jugendliche.

Der beruflichen Förderung stehen überbetriebliche Bildungsträger und eine ausdifferenzierte berufliche Schule zur Verfügung. Die schulische Begleitung erfolgt unter besonderer Bedeutung, da sie für den weiteren Lebensweg wichtig ist. Mit Lehrern und Ausbildern erfolgt daher, ein regelmäßiger telefonischer Austausch um Auffälligkeiten rechtzeitig abstellen zu können. Die Aufgabe der Erzieher liegt darin, die Kinder immer wieder zu motivieren und geduldig auf sie einzuwirken.141

Die Eltern- und Familienarbeit stellt einen weiteren methodischen Schwerpunkt in der Arbeit der Wohngruppe dar. Die Mitarbeiter sind daher, um eine enge und regelmäßige Zusammenarbeit mit den Eltern bemüht. Die Beteiligung der Eltern an Schulterminen und Arztbesuchen ist damit Teil dieser Zusammenarbeit.

Eine weitere Aufgabe der Pädagogen ist die Kontaktgestaltung der Mädchen zu ihrer Familie. Bei einem grundlegend gestörten Familienverhältnis, ist es der Auftrag des Pädagogen, auf einen perspektivisch erträglichen Umgang mitein-ander hinzuwirken.142

8.1.4 Ergänzende Angebote der Einrichtung

Die Freizeitgestaltung spielt eine besondere Rolle, denn die Mädchen müssen erst einmal lernen, diese Zeit mit Sinn und Freude zu erfüllen. Dabei sollen ihre besonderen Interessen und Fähigkeiten entdeckt und gefördert werden. Die Einbindung in Vereine, Freizeitgemeinschaften, Arbeitsgemeinschaften und an-dere Gruppierungen, ist dabei erstrebenswert. Diese Angebote werden zu-nächst trägerübergreifend genutzt, um die Kinder und Jugendlichen vor erneu-ten Misserfolgen und schneller Ausgrenzung zu bewahren. Zudem bieerneu-ten die trägerübergreifenden Angebote den Minderjährigen die Möglichkeit, eine Viel-zahl von Angeboten auszuprobieren, bis sie für eine bestimmte Beschäftigung ein besonderes Interesse entdecken. Freizeitangebote, die die Körperwahr-nehmung und ein subjektives Wohlbefinden der Mädchen fördern, sind von be-sonderer Bedeutung.

141 Konzept der Norddeutschen Gesellschaft für Bildung und Soziales Stand 08/2006, S. 7ff

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An den Wochenenden finden gemeinsame Aktivitäten in Absprache mit den Mädchen statt. Eine mehrtägige Ferienfahrt mit allen Mädchen aus der Gruppe soll den Gruppenzusammenhalt fördern und kann dazu beitragen, das Bezie-hungsgefüge untereinander zu intensivieren. Die Teilnahme an externen Aus-flugs- und Reisezielen wird ebenfalls unterstützt, da es den Kindern und Ju-gendlichen die Möglichkeit bietet, andere Bezugs- und Regelsysteme kennen zu lernen und neue Sozialkontakte zu schließen.143

Ein weiteres ergänzendes Angebot der Einrichtung ist die Bereitstellung einer Trainingswohnung. Sie ist integriert in die Wohngruppe, verfügt aber über einen großen Wohnraum, einen Schlafraum und ist mit einer Küchenzeile, sowie Du-sche und WC ausgestattet. Junge Frauen können hier, unter verschiedenen und dem jeweiligen Bedarf angemessenen Rahmenbedingungen, auf die Selbstständigkeit vorbereitet werden. Die Trainingswohnung ermöglicht ihnen, trotz weitgehender Selbstständigkeit, jederzeit Schutz und im Krisenfall die so-fortige Präsenz der Mitarbeiter. Die Grenzsetzung nach außen und die Organi-sation sozialer Kontakte, kann im Rahmen des selbstständigen Wohnen beglei-tet und erarbeit werden. Die Verselbstständigung orientiert sich an den Mög-lichkeiten der jungen Frau, während die Umsetzung im Rahmen der Hilfepla-nung und des Prozessverlaufs erfolgt.144

8.1.5 Mitarbeiterstruktur

Um das offene Jugendhilfeangebot der Mädchenwohngruppe „Surfer“ gewähr-leisten zu können, bedarf es einem angemessenen Betreuungsschlüssel und einer qualifizierten Mitarbeiterstruktur. Da die Mitarbeiter im pädagogischen All-tag mit einem breiten Spektrum ausgeprägter Problemlagen zu tun haben, soll-ten sie ein hohes Maß an Kompesoll-tenzen und Fachkenntnissen besitzen.

In der Mädchenwohngruppe „Surfer“ ist die Mitarbeiterstruktur wie folgt aufge-schlüsselt. Die Einrichtung besteht aus einer Wohngruppe für sechs Minderjäh-rige und einer Trainingswohnung für einen MinderjähMinderjäh-rigen, die als Anschluss-maßnahme fungiert.

143 Konzept der Norddeutschen Gesellschaft für Bildung und Soziales Stand 08/2006, S. 10

144 Konzept der Norddeutschen Gesellschaft für Bildung und Soziales Stand 08/2006, S. 12