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III. Institutionelle Rahmenbedingungen der Einrichtungen

6.1 Die gesellschaftlichen Funktionen der offenen Heimerziehung

Die offene Heimerziehung ist von der Gesellschaft abhängig und sobald man die Gesellschaft in pädagogischer Hinsicht betrachtet, ist sie ebenso öffentliche Erziehung. Sie ist eine durchweg politische Sache, die den Anspruch hat, gut und angemessen für Kinder und Jugendliche zu sorgen. Die offene Heimerzie-hung unterliegt einem öffentlichen Auftrag, der durch das Recht und die Ju-gendhilfepolitik eine politische Funktion einnimmt. Sie ist in die sozialstaatliche Politik eingebunden und wird auch entsprechend dieser Ansprüche bewertet.

Das bedeutet, dass das entsprechende Auswirkungen auf die Struktur der offe-nen Heimerziehung hat und deren innere Organisation, sowie auf die Interakti-onen und Beziehungen die dort stattfinden. Die offene Heimerziehung ist als Träger öffentlicher Erziehung an die politisch vorgegebenen Regeln gebunden und hat nur einen gewissermaßen kleinen eigenen Handlungsspielraum. Das staatliche Handeln lässt daher zwei Grundmuster erkennen. Zum einen dient die offene Heimerziehung als ordnungspolitische Kontrollfunktion und zum an-deren fungiert sie als Mittel der Sozialintegration.

Die Politik setzt die Jugendhilfe immer wieder unter den Druck, Kosten zu spa-ren und teure stationäre Erziehungshilfen abzubauen. Dazu kommt, dass sich die Jugendhilfepraxis ständig den Vorwurf des Versagens im Umgang mit ge-walttätigen und delinquenten Kindern und Jugendlichen gefallen lassen muss.

Der Gesellschaft geht es letztlich darum, sich konsequent weiterzuentwickeln.

Sie leistet daher einen wesentlichen Beitrag zur Sozialintegration, der durch eine Qualitätsentwicklung und Binnenrationalisierung Kosten sparen soll. Au-ßerdem werden auch alternative Angebote zur Heimerziehung geprüft, bewertet

und genutzt. Weiterhin heißt das für die Jugendhilfe, Eltern und Angehörige stärker mit in die Arbeit ein zu beziehen und Netzwerke zu bilden bzw. vorhan-dene Netzwerke stärker auszubauen. Die Gesellschaft fordert zudem eine schnellere Rückführung in die Herkunftsfamilie, um damit die Heimaufenthalte zu verkürzen und Kosten zu sparen. Das kann vor allem mit einer guten Zu-sammenarbeit der Behörden gelingen. Dabei sollten jedoch auch Abstriche ge-macht werden, denn sollte eine Rückführung in die Herkunftsfamilie nicht mög-lich sein, können Kinder ebenso in Pflegefamilien ihr neues zu Hause finden.

Bei älteren Jugendlichen soll eine Begleitung in die Selbstständigkeit stattfin-den. Diese kann innerhalb oder außerhalb der Heimgruppe erfolgen.

Eine weitere gesellschaftliche Funktion der offenen Heimerziehung ist, die ver-stärkte Integration von Kindern und Jugendlichen in schulische und berufliche Angelegenheiten. Dabei wird ebenfalls eine Zusammenarbeit, mit den auf beruf-liche Eingliederung spezialisierten Vereinigungen, gefordert. Von großer Bedeu-tung für diese EinrichBedeu-tungen ist die Sicherung der Qualitätsstandards, welche es gilt zu dokumentieren und zu kontrollieren.87

Da die Heimerziehung die gesellschaftliche Funktion hat, die von der Gesell-schaft vorgegebene Erwartung an sie zu erfüllen, bedarf es einer klaren Defini-tion des Zieles.

Das heißt, dass das Schaffen eines geeigneten Lebensraumes für Kinder und Jugendliche eine wesentliche und zugleich wichtige Aufgabe in der offenen Heimerziehung darstellt. Für ihre weitere Entwicklung werden daher Rahmen-bedingungen geschaffen, die für die alltägliche Lebensordnung im Heim eine bedeutende Rolle spielen. Neben der räumlichen Ausstattung der Einrichtung soll ebenso ein reibungsloser Ablauf im Zusammenleben hergestellt werden.88 Die Heimerziehung ist ein gestaltbarer Lebensraum, der sich an der Belastbar-keit und der Bedürfnislage der einzelnen Kinder und Jugendlichen orientiert und ihnen zudem therapeutische Hilfen anbieten kann.89

Die offene Heimerziehung verfolgt zudem das Ziel die Kinder, sofern es möglich ist, wieder in ihre Familie einzugliedern. Aus diesem Grund ist die Integration der Elternarbeit ein wichtiger Bestandteil der Heimerziehungsarbeit.

87 Vgl. Blandow 2003, S. 43ff

88 Vgl. Weinschenk 1987, S. 172f

89 Vgl. Hanselmann/Weber 1986, S. 50

Es soll mit ihnen zusammen neue Erziehungswege und Erziehungspraktiken erarbeitet werden.90

Kindern und Jugendlichen soll die Möglichkeit gegeben werden, sich auch au-ßerhalb der offenen Heimerziehung in ihrem sozialen Umfeld zu integrieren und realistische Pläne für ihr zukünftiges Leben zu entwickeln. Gesellschaftliche Funktion der offenen Heimerziehung ist es zudem, Kindern und Jugendlichen die Chance zu einem Milieuwechsel zu geben. Der offenen Heimerziehung ist es möglich durch seine professionell ausgebildeten Erzieher, den Kindern und Jugendlichen durch professionelle Erziehung aus ihren Problemlagen zu helfen, sie auf ihren Wegen zu begleiten und zu stützen bzw. ihnen Hilfestellung und Anleitung zu geben.91

Die offene Heimerziehung hat die Aufgabe Kindern und Jugendlichen, die durch misslungene Erziehungs- und Sozialisationsprozesse geprägt wurden und die durch deviante und aggressive Verhaltensweisen auffallen, neue Wege und Chancen zu einer eigenverantwortlichen Lebensweise aufzuzeigen. Kinder und Jugendliche, die nicht mehr von ihrer Herkunftsfamilie ertragen werden und de-ren soziale Umwelt überfordert ist, sollen bei der Entwicklung ihrer eigenen Persönlichkeit unterstützt werden.92

Des Weiteren hat die offene Heimerziehung die Aufgabe der Beheimatung. Sie soll Kindern, bei Verlust ihrer Eltern ein neues zu Hause geben. Dabei werden Familienmodelle bevorzugt eingesetzt, zum Beispiel ein Kleinstheim, welches durch ein Erzieherehepaar geleitet wird. Gleichermaßen gilt dies auch bei nem befristeten Ausfall der Eltern, wenn sie aufgrund einer Krankheit oder ei-nes verlängerten Auslandsaufenthaltes vorübergehend die Kinder in die Obhut der Einrichtungen geben müssen. Die angemessene Versorgung der Kinder steht dabei im Mittelpunkt und nicht ihre Erziehung.93

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die gesellschaftliche Funktion der Heimerziehung dadurch geprägt ist, einzelnen Kindern und Jugendlichen aus ungünstigen Ausgangsbedingungen Hilfestellung zu gewähren, die sie in ihrer Herkunftsfamilie nicht bekommen konnten.

90 Vgl. Weinschenk 1987, S. 186

91 Vgl Hanselmann/Weber 1986, S. 51ff

92 Vgl. Bürger 2003, S. 28

93 Vgl. Freigang/Wolf 2001, S. 21

Sie soll ihnen neue Erfahrungen und Erlebnisse zukommen lassen, um ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen.94 Der pädagogische Auftrag liegt darin, die der offenen Heimerziehung anvertrauten Kinder und Jugendlichen angemessen zu versorgen und Arrangements bereitzustellen, in denen sie sich Wohlfühlen.

Die offene Heimerziehung soll dafür Sorge tragen, dass die Kinder und Jugend-lichen ihre schmerzhaften Erfahrungen überwinden können und das sie lernen mit ihrem schweren Schicksal umzugehen. Außerdem sollen die Kinder und Jugendlichen auf ein autonomes und befriedigendes Leben vorbereitet wer-den.95