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Der Wind in 10 m Höhe beeinflusst den Wasserstand auf See, die Wellenhöhen und -richtungen, sowie die Strömungen. Für den Wasserstand an der Küste macht es einen großen Unterschied, ob der Wind auf- oder ablandig ist. Deshalb werden sowohl die Windgeschwindigkeiten als auch die Windrichtungen z.T. einzeln analysiert, aber auch ihr Zusammenwirken. Hierfür ist die Berechnung des effektiven Windes geeignet, siehe Kapitel 3.2.1. Für alle folgenden Untersuchungen werden die Stundenmittelwerte der Windfelder in 10 m Höhe über Grund bzw. Meeresspiegel analysiert.

3.1 Untersuchungen des zeitlichen Verhaltens

Die zeitlichen Änderungen der Windgeschwindigkeiten und -richtungen in der Nord- und Ostsee werden mit räumlichen Mittelwerten untersucht, die für die in Abbildung 1 gezeigten Teilgebiete bestimmt wurden.

In jedem Gebiet wird für jeden Zeitschritt und über alle Gitterpunkte auf See der Mittelwert über alle Wind-geschwindigkeiten und über alle Windkomponenten berechnet.

3.1.1 Untersuchungen der Windgeschwindigkeiten

Aus den Zeitreihen der räumlich gemittelten Windgeschwindigkeiten werden in jedem Gebiet Häufigkeits-verteilungen (HV) aus allen Werten innerhalb eines Jahres bestimmt. Dafür werden Windgeschwindigkeiten in Klassen mit einer Breite von 1 m/s eingeteilt und die Häufigkeiten der Werte pro Klasse berechnet. Aus diesen Häufigkeitsverteilungen werden die 1.-99. Perzentile bestimmt.

NW

Abbildung 1: Teilgebiete der Nord- (NW, NO, SW, SO) und Ostsee (ZO, MB) und das Übergangsgebiet (ÜG), in denen jeweils Gebietsmittel bestimmt werden.

12 Windfeldergebnisse auf See und an der Küste

Zum Vergleich der Perzentile aus den Häufigkeitsverteilungen von zwei Zeitreihen, z.B. aus Messwerten und Modellwerten, werden in einem sogenannten Quantil-Quantil-Plot (Q-Q-Plot) die Werte der jeweiligen Perzentile gegeneinander aufgetragen. Die Nullhypothese, dass zwei Zeitreihen zu der gleichen Verteilung gehören, wird mit dem Kolmogorov-Smirnov-Verfahren (Massey, 1951) mit einem Schwellwert von 5% für eine fälschliche Verwerfung getestet.

Um die mögliche zeitliche Veränderung der jährlichen HV zu untersuchen, wird das 98. Perzentil der jähr-lichen HV ermittelt. Aus diesem Wert werden jeweils Zeitreihen für längere Zeiträume gebildet, z.B. von 1961-2100. Zur Darstellung der multi-dekadischen Veränderungen werden aus diesen Zeitreihen 30-jährige gleitende Mittelwerte bestimmt. Dabei wird in den Kurven der Mittelwert einer 30-jährigen Periode von z.B. 1971-2000 dem 15. Jahr der Periode – hier 1985 – zugeordnet.

Für den Vergleich der Zeitscheibenergebnisse wurden die 30-jährigen Häufigkeitsverteilungen der räum-lich gemittelten Windgeschwindigkeiten in allen sieben Gebieten für den Referenzzeitraum (1971-2000), die nahe Zukunft (2031-2070) und die ferne Zukunft (2070-2100) gebildet. Aus diesen Häufigkeitsvertei-lungen wird jeweils das 98. Perzentil bestimmt. Anschließend wird für jedes Gebiet jeweils die Differenzen aus den Werten für die nahe Zukunft und die ferne Zukunft zu denen des Referenzzeitraums bestimmt.

Für die Berechnung der Stunden mit Sturm wird bei jeder Simulation und in jedem Gebiet der Wert des 98. Perzentils der Häufigkeitsverteilung für den Referenzzeitraum als Schwellwert genommen. Anschlie-ßend wird in den Zeitreihen für die nahe und ferne Zukunft jeweils ermittelt, an wie vielen Stunden dieser Schwellwert überschritten wird. Die Änderungen der Anzahl aus dem Referenzzeitraum und den zukünfti-gen Zeiträumen wird anschließend bestimmt.

3.1.2 Untersuchungen der Windrichtungen

Die Windrichtungen werden aus den Windkomponenten in West-Ost (U-Komponente) und Nord-Süd-Richtung (V-Komponente) berechnet. Aus den räumlich gemittelten Komponenten des Windfeldes werden Zeitreihen der Windrichtung bestimmt. Zur Interpretation der Ergebnisse werden die Windrichtungen in die Klassen Nord, Nord-Ost,…. Nord–West (N, NO,…,NW) der 8-teiligen Windrose unterteilt.

Aus bestimmten Zeiträumen von einem Jahr oder 30 Jahren werden zeitliche Mittelwerte der Komponenten (𝑈,̅ 𝑉̅) gebildet und daraus die mittlere Windrichtung 𝑑̅ bestimmt. Aus diesen Mittelwerten werden Zeitrei-hen gebildet. Werden die Windrichtungen von zwei ZeitreiZeitrei-hen verglicZeitrei-hen, kann mit dem Watson-Williams Test (Berens, 2009) geprüft werden, ob die mittlere Windrichtung der einen Zeitreihe signifikant (Signifi-kanzniveau 5%) von der der anderen Zeitreihe abweicht.

3.2 Potentielle Sturmfluten

Mithilfe der Potentiellen Sturmfluten wird die Frage untersucht, ob sich die Häufigkeit und Stärke von möglichen zukünftigen Sturmfluten aufgrund von Änderungen der Windfelder ändert. Durch die Analyse der zugehörigen Wasserstände wird gezeigt, dass während der gefundenen Phasen mit hohen Windge-schwindigkeiten auch tatsächlich Sturmfluten vorkommen können.

3.2.1 Effektiver Wind

Die effektive Windrichtung ist diejenige Windrichtung, bei der die Wirkung des Windes auf den Wasserstand am stärksten ist. Sie wurde von (Müller-Navarra and Giese, 1999) anhand einer Regressionsbeziehung der beobachteten Wasserstanddaten aus den gleichzeitig beobachteten Windgeschwindigkeiten und Windrich-tungen bestimmt. Die effektive Windgeschwindigkeit bzw. der effektive Wind ist die orthogonale Projektion des gemessenen Windes auf die effektive Windrichtung. Diese Methode wurde bereits in mehreren Projek-ten verwendet (siehe z.B. (Koziar and Renner, 2005) und (Ganske et al., 2018). Die in Tabelle 2 angegebenen effektiven Windrichtungen hängen vom Küstenabschnitt ab, unterscheiden sich aber nur wenig an der Ost-friesischen und der NordOst-friesischen Küste:

Windfeldergebnisse auf See und an der Küste 13 Tabelle 2: Effektive Windrichtung für einzelne Küstenabschnitte

Küstenabschnitt Effektive Windrichtung

Cuxhaven 295°

Ostfriesland 315°

Nordfriesland 295°

Für die Modelle werden die zu den Messstationen Borkum und Hallig Hooge korrespondierenden Gitter-punkte (siehe Abbildung 2) bestimmt. Dabei werden diejenigen GitterGitter-punkte ausgewählt, die über See (Lan-danteil < 10 %) und am nächsten zur Station liegen. Im Folgenden werden diese Gitterpunkte mit dem Namen der korrespondierenden Station bezeichnet. Da in Cuxhaven die Windmessungen stark von der Umgebung beeinflusst sind, wird hier ein zu Scharhörn (eine kleine Insel vor Cuxhaven) korrespondierender Gitterpunkt ausgewählt, der der Einfachheit halber als Cuxhaven bezeichnet wird.

Aus den Windgeschwindigkeiten und Windrichtungen an den einzelnen Gitterpunkten werden Zeitreihen der effektiven Windgeschwindigkeiten berechnet. Damit werden Häufigkeitsverteilungen ermittelt und da-raus das 98. Perzentil berechnet.

3.2.2 Definition der Potentiellen Sturmflut

Eine Potentielle Sturmflut liegt an einem Gitterpunkt vor, falls der effektive Wind einen Schwellwert für mindestens 10 Stunden überschreitet. Dabei wird als Schwellwert das 98. Perzentil der 40-jährigen Häufig-keitsverteilung vom Zeitraum 1961-2000 verwendet. Der Zeitraum, in dem der effektive Wind ohne Unter-brechung höher ist als der Schwellwert, nennen wir die Andauer des Ereignisses. Zudem wird die maxi-male effektive Windgeschwindigkeit während des jeweiligen Ereignisses bestimmt.

Abbildung 2: Lage der Messstationen und korrespondierender Gitterpunkte der Modelle und der Reanalyse.

14 Windfeldergebnisse auf See und an der Küste

3.2.3 Wasserstände

Dem Expertennetzwerk liegen Wasserstände von MPI-OM/REMO ab 1951 vor, bei NEMO/RCA4 ab 1970. Hieraus kann für jede potentielle Sturmflut der während dieses Ereignisses vorkommende höchste Wasserstand bestimmt werden. Dazu werden für je einen Lauf von MPI-OM/REMO als auch für NEMO/RCA4 jeweils Wasserstandszeitreihen an einem Gitterpunkt in der Nähe von Cuxhaven extrahiert, siehe (Möller, 2019). Dabei sind die Koordinaten der mit Cuxhaven korrespondierenden Gitterpunkte bei MPI-OM 53.8457°N / 8.6595°E und bei NEMO 53.9249°N / 8.2360°E. Da bei beiden Modellen die Was-serstände und die Windfelder auf unterschiedlichen Gittern berechnet werden, weichen die Koordinaten der mit Cuxhaven korrespondierenden Gitterpunkte beim Wasserstand ab von denen, die für die Berech-nung des Windes verwendet werden.

Für die Vergleiche werden jeweils die Zeitreihen des Wasserstands des Modells an die Höhen des Pegelnull-punkts von Cuxhaven angepasst (Möller, 2019), d.h. auf die Modellergebnisse werden die Höhendifferenzen zwischen dem mittleren Hochwasser aus dem Modell und dem aus den Messungen in Cuxhaven aufgeschla-gen. Diese Höhendifferenz beträgt für den Zeitraum 1970-1999 bei MPI-OM/REMO 506.4 cm und bei NEMO/RCA4 411.2 cm.

Aus den Zeitreihen der höhenkorrigierten Wasserstände wird mit einem gleitenden 19-jährigen Mittel die Mittleren Hochwasser (MHW) bestimmt, um jeweils annähernd über den Tidezyklus von einer Nodaltide (18.6 Jahre) zu mitteln. Dabei wird z.B. der Mittelwert von 1970-1988 dem Jahr 1988 zugeordnet, wobei bei den späteren Auswertungen für die Jahre zwischen 1970 und 1988 als MHW der Wert von 1988 verwendet

wird. Die Ergebnisse für die MHW von MPI-OM/REMO und NEMO/RCA4 von 1988 – 2100 sind in Abbildung 3 dargestellt. Aus dem Vergleich der zwei Kurven wird ersichtlich, dass der Anstieg des MHW bei NEMO/RCA4 bis 2100 deutlich geringer ist als bei MPI-OM/REMO.

Für die Analyse der potentiellen Sturmfluten wird die Differenz zwischen dem maximalen Wasserstand in dem jeweiligen Zeitraum und dem MHW des betreffenden Jahres gebildet. Dies geschieht analog zur Defi-nition für Sturmfluten, die am BSH verwendet wird. Danach liegt eine Sturmflut vor, wenn der Wasserstand Abbildung 3: Mittleres Hochwasser (MHW) in cm über PNP berechnet aus 19-jährigen gleitenden Mittelwerten der Hochwasserscheitelwerte von MPI-OM/REMO, Run 1 (blaue Kurve) und NEMO/RCA4, angetrieben mit MPI-ESM (orange Kurve), jeweils unter den Annahmen des historischen Zeitraums und des RCP8.5, für die Jahre 1988-2100.

Windfeldergebnisse auf See und an der Küste 15 eine Höhe von 150 cm über dem MHW überschreitet. Eine schwere Sturmflut liegt vor, wenn der Wasser-stand auf mehr als 250 cm über MHW ansteigt, eine sehr schwere Sturmflut ab einem WasserWasser-stand von 350 cm über MHW.