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Erfassung der Nettoproduktivität

Die Methode, mit substratgefüllten, wurzelfreien Gazebeuteln die Produktivität des Feinwurzelsystems abzuschätzen, wurde bereits erfolgreich in verschiedenen tropischen Waldvegetationen angewendet (JORDAN & ESCALANTE, 1980; SANFORD, 1985, 1990;

CUEVAS & MEDINA, 1988; PRIESS, 1996). Mit der Gazebeutelmethode werden Daten zur kurz- und mittelfristigen (Netto)Feinwurzelproduktion in unterschiedlichen Bodentiefen im Bestand gewonnen. Eine korrekte Abschätzung der Nettofeinwurzelproduktivität im Bestand ist jedoch an bestimmte methodologische Voraussetzungen geknüpft. Die Wahl des richtigen Ortes und Zeitpunktes für das Einsetzens der Beutel in den Boden und ein Entnahmeschema, das der Produktivität des Pflanzenbestandes angepaßt ist, sind wichtig (SINGH et al., 1984;

VOGT et al., 1986; SANTANTONIO & GRACE, 1987; STEEN, 1991). In dieser Unter-suchung wurden die Gazebeutel während der niederschlagsreichen Jahreszeit in den Boden eingesetzt. Die Auswahl des Zeitpunktes erwies sich als günstig, da das Wurzelwachstum positiv mit dem Wasserangebot korreliert war und so die Wachstumsspitze des

Feinwurzel-systems in der regenreichen Jahreszeit erfaßt wurde. Die Effektivität der Methode, die Wachstumsrhythmik des Wurzelsystems darzustellen wurde auch durch die kurzfristigen Längenzunahmen innerhalb der ersten drei Monate sowie die starken Massenzunahmen nach erneutem Einsetzen der regenreichen Saison (Zeitraum 270 bis 360 d Verbleibdauer) belegt.

Wäre das Einsetzen der Gazebeutel während der trockenen Jahreszeit erfolgt, kann aufgrund der Stagnationsphase des Wurzelwachstums, davon ausgegangen werden, daß die Besiedlung der Gazebeutel schwächer ausgefallen wäre. Dieser Effekt ist wahrscheinlich dafür verant-wortlich, daß BRIENZA Jr. (1999) in 3jähriger Sekundärvegetation in einem benachbarten Feldexperiment in Cumaru eine bis zu 50 % niedrigere Jahresnettoproduktion als in der vor-liegenden Untersuchung ermittelte (Tabelle 16).

Die Frage, ob die drei Monate Zeitdauer zwischen Behandlungsdurchführung und dem Einsetzen der Gazebeutel ausreichend lang war, um wurzelfreie oder stark wurzelverminderte Bodenräume erneut zu besiedeln, kann eindeutig bejaht werden. Dies wird belegt durch die Ergebnisse der Vorversuche, nach denen selbst im unproduktivsten Bodenhorizont in 40 - 50 cm Tiefe spätestens nach 60 d neue Wurzeln eingewachsen waren (Tabelle 46). Außerdem zeigte sich, wie weiter oben bereits dargelegt, daß das Wurzelsystem kurzfristig sehr produk-tiv sein konnte. SANFORD (1985) und PRIESS (1996) betrachteten in Terra-Firme-Vegetation in Venezuela eine 30tägige 'lag-phase' als ausreichend, um das Einwachsen neuer Feinwurzeln zu gewährleisten.

Ein grundsätzliches, aber unvermeidbares Problem dieser Methode besteht in den Störun-gen der Wurzelsystems, die sich beim Einsetzen der Gazebeutel in den Boden ergeben.

Weiterhin stellen die wurzelfreien Bodenvolumina der Gazebeutel Gunsträume für das unter-irdische Wachstum dar, da zumindest während der Anfangszeit der Besiedlung der Gazebeutel von verminderter Konkurrenz in der Rhizosphäre ausgegangen werden kann. Trotz der genannten Einschränkungen betrachtet STEEN (1991) den Gazebeuteltest als Methode mit guter Eignung zur Ermittlung der Nettoproduktivität des Feinwurzelsystems. Unter Langzeit-bedingungen (≥ 2 - 3 Monate) kommt diese Methode den natürlichen Wachstumsverhältnissen sehr nahe und ist nach Auffassung des Autors gut geeignet für die Abschätzung der relativen und absoluten Nettofeinwurzelproduktion.

Modellierungsansatz

Isolierte Parameter eines Ökosystems lassen sich in vielen Fällen durch einfache mathe-matische Modelle angemessen beschreiben (RICHTER, 1985). Die Tiefenverteilung der Parameter eines Wurzelsystems ist häufig nicht linear und variiert in Abhängigkeit von dem Sukzessionsentwicklungszustand einer Vegetation (GALE & GRIGAL, 1987). Im vorlie-genden Fall lieferte das Modell der exponentiellen Abnahme der Feinwurzelmassen- und -längendichte mit zunehmender Tiefe eine gute Übereinstimmung mit den experimentellen Daten (Abschnitte 2.3.2, 5.1.2 und 5.2.2). Dabei ist zu beachten, daß die Modellparameter (a, c und T/2) für den betrachteten Tiefenbereich (bis 50 cm) Gültigkeit besitzen und sich die Ergebnisse der Modellierung nicht vorbehaltlos auf Feinwurzeldichten (Masse und Länge) in tieferen Bodenbereichen übertragen lassen (RICHTER & SÖNDERGARTH, 1990). Zur guten Modellanpassung und Vergleichbarkeit der Modellparameter trug bei, daß trotz unterschied-licher Bodentexturen in den tiefgründig verwitterten und gut drainierten Böden der beiden Feldexperimente keine Durchwurzelungsbarrieren in Form lateritischer Konkretionen bestan-den oder Wasserstauhorizonte auftraten, die die Tiefenausbreitung der Wurzeln behindert hätten.

Mit dem Modellierungsansatz zur Beschreibung des Feinwurzelmassenverlaufes im Boden wurden mehr statistische Unterschiede aufgezeigt, als dies mit den Rohdaten allein möglich war. So konnten beispielsweise die Jahreszuwächse der Wurzelvorräte der Capoeira in beiden Feldexperimenten mit den Modellparametern abgesichert werden, während dies mit Rohdaten nicht möglich war (Tabelle 17 und Tabelle 19). Wenn auch nicht explizit darge-stellt, führte die Modellanpassung zur Einengung der Streuungen von Mittelwerten, wodurch schärfere Abgrenzungen von Behandlungen ermöglicht wurden (Abschnitte 5.1, 5.2.2.1 und 5.3.1).

Ein weiterer Vorteil des Modellierungsansatzes bestand darin, daß die Methode über den reinen Massenvergleich in ausgewählten Tiefenstufen hinausgeht. Verschiedene Behand-lungen oder Entwicklungszustände von Sekundärvegetationen (die den Altersstufen entsprechen) konnten über die Massenverläufe im Boden charakterisiert werden. Diese Herangehensweise berücksichtigt in den statistischen Vergleichen einerseits umfangreichere Datenbestände und führt andererseits zu leichter interpretierbaren Ergebnissen als beispiels-weise ein multifaktorieller Vergleich von 10 Bodentiefen in 5 Behandlungen und 2 Feldexperimenten.

Der Modellierungsansatz erwies sich in der vorliegenden Untersuchung als eine effektive Methode zur Datenauswertung. Er ließ sich sowohl zur Berechnung der Massenvorräte als auch zur Abschätzung der Nettoproduktionsleistung einsetzen. WIESENMÜLLER et al.

(1998) weisen auf die Möglichkeit hin, die Anzahl beprobter Tiefenstufen zu reduzieren. Bei einer Verringerung von 10 auf 5 Tiefenstufen waren die Ergebnisse innerhalb einer Fehlertole-ranz von maximal 10 % reproduzierbar. Dies ist besonders für zukünftige Untersuchungen von Bedeutung, denn so ließe sich der Arbeitsaufwand bei der Probenahme und der anschlie-ßenden Probenaufbereitung um 50 % reduzieren, vorausgesetzt, der Modellierungsansatz ist übertragbar auf andere Systeme und die Fehlererhöhung tolerierbar.