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Mensch und System – Kognition und kognitive Wissenswerkzeuge

Data Science today Data Science tomorrow

Schritt 4: Prüfung und Bewertung der Regelungs- alternativen

4.3 Systeminnovation – Entwerfen von Neuem im kognitiven Dialog

4.3.1 Mensch und System – Kognition und kognitive Wissenswerkzeuge

»Man think in Terms of Model« (Karl Deutsch)

»Der Mensch ist ein soziales Wesen, das Probleme löst und seine Fähigkeiten einsetzt. (…) Eines seiner dringends-ten Bedürfnisse ist es seine Kräfte – welcher Art auch immer – an schwierigen Aufgaben zu messen, und das freudige Gefühl über einen weitgeschlagenen Ball oder eine gutgelöstes Problem zu erleben.«80

77 Vgl. (Simon 1994, S. 13)

78 Vgl. (Burners-Lee 2001)

79 Vgl. (Gerstheimer, 2007, S. 29–32)

80 Vgl. (Simon 1966, S. 122)

Jede Zeit hat ihre neuen Werkzeuge zum besseren Handeln oder Entscheiden hervorgebracht – ein Wandel und die Weiterentwicklung von Werkzeugen ist imma-nent. Heute und Morgen werden neue digitale Werkzeuge basierend auf kognitivem Computing verfügbar sein, um uns beim wissensbasierten Denken und treffgenaueren Entscheiden zu unterstützen.

Ein Mensch denkt immer in Modellen und Mustern und muss das auf Grundlage seiner gegebenen kogni- tiven Denk- und Wahrnehmungsmuster auch tun.

Die bekannten Modelle des Computings und der System-Interaktion zwischen Benutzer und digitalem Datenland-schaften werden sich radikal verändern und rücken näher, an den Wissensarbeiter heran. Ein neues Verhältnis zum Computing als nachhaltige Wissenspartnerschaft und alltägliches Erkenntniswerkzeug wird sich entwickeln.

Ähnlich künstlicher Stützstrukturen (Exoskelette), wie sie z. B. in der Rehabilitationsrobotik Anwendung finden und zukünftig körperliche Defizite oder Muskelkräfte von Menschen funktional und situativ optimieren, so wird das kognitive Computing eine Unterstützung des Wissensar-beiters bei systemischen Denk- und Entscheidungsprozes-sen sein. Die operative Praxis von Innovationsvorhaben profitiert dabei im ersten Schritt von einer neue Form und Dichte der Informations- und Faktenprofessionalisierung.

Design als Entwurfsprozess von Neuem ist aufgrund des menschzentrierten Agierens immer ein »kognitives Design« – dieses geht von Handlungsschemata und Akzeptanzmustern aus. Bevor wir irgendetwas entwerfen, fragen wir:

„ Was ist hier das Schema?

„ Nach welchem Schema handeln wir?

„ Was bewirkt Akzeptanz?

Kognitive Designaktivität denkt in Szenarien des Han-delns, die genau beobachtet werden müssen und da, wo neue gebraucht werden, an etablierte anzulehnen sind81. Cross beschreibt die Fähigkeiten des Designs wie folgt:

»Design ability is a multifaceted cognitive skill«.82 Die semiotische, zeicheninterpretierende Sicht des Menschen und die menschliche Kognition beziehen sich immer auf Gegenwärtiges, Vergangenes und Zukünftiges und verarbeiten dies zu Erkenntnissen und Erfahrungen.

In der gegenseitigen Wechselbeziehung (Interaktion) mit digitalen Computingwerkzeugen passiert ebenso eine Semiose wie im analogen Alltagsleben, wenn man den Blick suchend schweifen lässt, um aufgabenorientierte Schlüsse zu ziehen. Für Pierce ist Semiose derjenige Prozess, in dem ein Zeichen, egal welcher Art, einen

»kognitiven Effekt« auf den Zeicheninterpreten hat, also eine Wirkung entfaltet.83

Informationsanreize in einem systemischen Designpro-zess84, die von einem kognitiven System geliefert werden, entfalten demnach eine Wirkung auf den Planer und Entwerfer von Innovation und schlussendlich auf das Entwurfsergebnis selbst. Die Qualität der Informationsan-reize ist für die Entwurfsergebnisse von entscheidender Bedeutung, vergleichbar mit der guten Ernährung für Spitzensportler. Auf dieser Basis, verdichtet sich das erstes gedanklichen Lösungsmodell und Informationsdesigns–

ein Art unscharfes und unbehagliches System- und Problemverständnis was es durch die Methoden des Entwerfens und Verwerfens in der Folge zu begreifen und aus zu gestalten gilt. Die Zeicheninterpreten – Innovati-onsakteure – werden durch kognitive Ergebnisse in einer neuen faktenbasierten und visuellen Art zum kritischen Durchdenken angereizt. Konfrontiert und inspiriert werden sie mit dichten und empirischen Informations-anreizen, Wissenslandkarten und neuartigen Mustern

81 Vgl. (van den Boom 2011, S. 112–113)

82 Vgl. (Cross 1995, S. 115)

83 Vgl. (Nöth 2000, S. 61–65).

84 Vgl. (Khazaeli 2005, S. 244–247)

und Lösungsschemata aus der kognitiven Analytik zum Problemkontext. Die Erkenntnisse und Schlüsse daraus werden definitiv Neue und Andere sein als bisher.

Der Entwerfer von Innovation kann, bei geübter Nutzung, von kognitiven Systeminteraktionen profitieren. Der Zugang zu Wissen wird entscheidend anders und qualitätsvoller: nicht abrufend, suchend und findend einseitig, sondern dialogisch adaptiv und basierend auf umfassenden Sachinformation, visualisierten Fakten-Clustern und rückfragender Interaktion zum Benutzer.

Das kognitive Computing wird zum »dialogischen Sparringspartner und kontinuierlichem Begleiter im kritischen Diskurs aufkommender Entwurfsfragen«.

Dem Design wird mit diesem Werkzeug ein Katalysator für bessere und schnellere Wissensfundierungen und Entscheidungsvalidierung an die Hand gegeben: Die Zukunft dieser Interaktion mit dem kognitiven Netzwis-sen gestaltet einen diskursiven Output. Dieser gleicht einer vertrauensvollen und immer wieder über- raschend inspirativen Landschaft, die sich den neuen Fragen (»Issues«) und veränderten Anforderungen (» Constraints«) im dynamischen Innovationsvorgehen anpasst. Der kognitive Begleiter wird zum erweiterten dritten Auge bei der umsichtigen Analyse, der systemati-schen Ideensuche und bei einer objektiven Bewertung und Auswahl in Entscheidungsprozessen. Die neue

»Weitsichtigkeit« schafft eine gesteigerte Wissensproduk-tivität. Offene Designfragestellungen und kreativere Lösungsalternativen für eine Innovationsentwicklung, faktengekoppelt an verfügbares Netzwissen, werden möglich. Folgendes kann Cognitive Computing für den Entwurfsprozess von Innovation leisten:

1. Verbesserung der methodischen Innovations- Systematik als durchgängiges Wissenswerkzeug entlang des Prozesses von der Analyse bis zur Implementierung,

2. Bereicherung der Informationsintensität und Qualität in dem zu untersuchenden Problemkontext und bei Bedürfnis-, Trend- und Mustererkennungen in dynamischen Märkten,

3. Anreizung der Ideengenerierung durch umfassendere Markt- und Wettbewerberanalysen sowie erweitertes Wissen zur Bewertung und Auswahl von Ideen und Entwürfen,

4. Objektivierung von Ich-Entscheidungen zu diskursiven Lösungsargumentation in Gruppen durch evaluiertes und verdichtet visualisierte Information,

5. Fokussierung auf die »richtige Fragestellung« und die erfolgskritischen Parameter in der dynamisch-flexiblen Lösungserzeugung,

6. Konzentration auf das »wirkliche kundenrelevante Entwurfsproblem« (Wer kann entscheiden, was gut oder nicht ist – und warum?),

7. Steigerung eines objektiven Diskurses und Anreiz zur offenen Hinterfragung begründeter Lösungsvarianten (»Echte Varietät«).

Beim Entwerfen markterfolgreicher Neuigkeiten zählt am Ende nur die pure Gestaltungssicherheit. Das »Neu Denken, Hinterfragen, Scheitern und argumentative Ent- werfen« ist dabei ein stetiger und methodischer Wegbegleiter im Design. Ein ernsthafter und wahrer Gestaltungsansatz ist vernetztes, wissensbasiertes Denken und Machen in einem. Das eine ist die Voraus-setzung des anderen. Nicht Konstruktionen nach vorgegebenen Regeln, sondern plausible Annahmen, die

in iterativen Zyklen optimiert werden, führen zum Ziel.85 Cognitive Computing, richtig eingesetzt und als Werkzeug verstanden, kann die Entwurfs- und Entscheidungs-prozesse bei Innovationsentwicklungen nachhaltig bereichern und objektivieren.

4.3.2 Das Fehlen professioneller