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A. A LLGEMEINER T EIL

5.1 Mechanistische Aspekte

Trotz vielfältiger Bemühungen sind bis heute nicht alle mechanistischen Details der Heck-Reaktion eindeutig geklärt. Der genaue mechanistische Pfad scheint sich in Abhängigkeit der Reaktionsbedingungen partiell zu ändern. Dennoch ist der in Abbildung 27 dargestellte

Katalysecyclus durch zahlreiche experimentelle Befunde belegt und gilt als allgemein akzeptiert. Die katalytisch aktive Spezies bildet der koordinativ ungesättigte 14-Elektronen-Palladium(0)-Komplex 89 vom Typ Pd0L2.

Abbildung 27: Postulierter Katalysecyclus der Heck-Reaktion.

Ungeachtet der Reaktionsbedingungen besteht die Heck Reaktion, ob sie neutral oder kationisch verläuft, immer aus den folgenden sechs Teilschritten: Oxidative Addition der aktiven Spezies in die Kohlenstoff-Halogen-Bindung, Koordination des Alkens, syn-Insertion der Palladium-Spezies in die Doppelbindung, innere Rotation um die C–C-Bindung, syn--Hydrid-Eliminierung und basenvermittelte reduktive Eliminierung, um die aktive Katalysator-Spezies wieder freizusetzen. Im Folgenden werden die einzelnen Abschnitte des Katalyse-cyclus noch einmal näher beschrieben.

5.1.1 Bildung der katalytisch aktiven Spezies

Für die oxidative Addition in eine Kohlenstoff-Halogen-Bindung wird ein koordinativ ungesättigter und somit reaktiver Katalysator benötigt. Die Bildung dieser katalytisch aktiven Spezies erfolgt entweder durch direkte Zugabe einer Palladium(0)-Spezies (z.B. Pd(PPh3)4) oder durch in situ-Reduktion einer geeigneten Palladium(II)-Verbindung (z.B. Pd(OAc)2),80 wobei die Reduktion bei Heck-Reaktionen meist schneller verläuft.81 Üblicherweise ist die Entstehung von Pd0L2 unabhängig von der Base, dem Alken oder anwesendem Wasser.82

Wenngleich der 14-Elektronen-Palladium(0)-Komplex 89 seit geraumer Zeit postuliert wurde, konnte dessen Existenz erst 2007 für die Stille-Reaktion mithilfe massenspektrometrischer Methoden nachgewiesen werden.83 Darüber hinaus bildet sich bei sterisch stark anspruchsvollen Liganden (z.B. P(tBu)3) als aktive Spezies der monosubstituierte Komplex Pd0L, der aufgrund seiner 12 Valenzelektronen und der freien Koordinationsstelle als hochreaktiv gilt.84 Ebenso können auch elektronenreiche Biarylphosphin-Liganden (z.B.

Buchwald-Liganden) die Ausbildung des extrem reaktiven 12-Elektronen-Komplexes Pd0L begünstigen.85 Die Existenz der Pd0L-Spezies konnte indes auch mit

Abbildung 28: Bildung der katalytisch aktiven Spezies aus dem Pd(OAc)2/PPh3-System nach Jutand et al.

In dieser intramolekularen Reaktion wird zunächst neben Triphenylphosphinoxid die labile Palladium(0)-Spezies Pd(PPh3)2(OAc) gebildet, die im Beisein von Protonen zu der reaktivsten Spezies Pd(PPh3)2 zerfällt.87 Dieser Prozess kann durch einen Überschuss Base, der die Protonenkonzentration senkt, oder auch durch überschüssigen Phosphinliganden, der die Bildung von stabilerem, aber unreaktiverem Pd0(PPh3)3(OAc) bevorzugt, verlangsamt werden.88 Auch die Anwesenheit von Alkenen, wie bei der Heck-Reaktion, wirkt sich verlangsamend auf die Reaktion aus, da das Alken einen 2-Komplex mit dem Pd0(PPh3)2(OAc)-Komplex bildet und somit dessen Konzentration verringert.89

5.1.2 Oxidative Addition

Die oxidative Addition ist ein konzertierter Ablauf, bei dem es nach Ausbildung einer 3-Zentren-2-Elektronen-Bindung zu einer cis-Insertion der aktiven Spezies in das Arylhalogenid oder -triflat kommt. Während der zunächst gebildete cis-Komplex 90 bei der Verwendung von einzähnigen Phosphinliganden zu dem stabilerem trans-Komplex

isomerisieren kann, ist diese Möglichkeit bei der Verwendung bidentaler Liganden (wie z.B.

Diphosphanen) nicht gegeben (Abbildung 29).

Abbildung 29: Oxidative Addition der katalytisch aktiven Spezies in das Arylhalogenid oder -triflat.

Die Reaktivität der eingesetzten Arylhalogenide und -triflate nimmt mit der Qualität von X als Abgangsgruppe und zunehmender Bindungsstärke der C(sp2)-X-Bindung in folgender Reihenfolge ab:

Auch die Elektronendichte am Elektrophil hat einen Einfluss auf die Geschwindigkeit der oxidativen Addition. Da der niedervalente Palladium(0)-Komplex verhältnismäßig elektronenreich und somit auch nucleophil ist, erfolgt die Insertion in eine elektronenärmere Aryl-X-Bindung schneller. Die Reaktivität der Arylreste nimmt innerhalb der folgenden Reihe dementsprechend ab:

Auch der Einsatz von elektronenreichen Liganden (z.B. P(tBu)3) kann durch die erhöhte Elektronendichte zu einer gesteigerten Nucleophilie am Palladium führen und folglich zu einer Beschleunigung der oxidativen Addition beitragen.

5.1.3 Koordination des Alkens

Für die Koordination des Alkens ist eine freie Koordinationsstelle und dementsprechend die Abspaltung eines Liganden aus dem koordinativ gesättigten Palladium(II)-Komplex erforderlich. Je nachdem ob ein neutraler Ligand oder ein Anion abgespalten wird, erfolgt die Koordination des Alkens über einen neutralen oder einen kationischen Mechanismus. Die Affinität von Palladium(II) für Halogen- und Triflatanionen nimmt in folgender Reihenfolge ab:

Üblicherweise wird wie in Abbildung 27 der neutrale Mechanismus der Heck-Reaktion mit Arylhalogeniden beschrieben. In Gegenwart von Silber(I)- oder Thallium(I)-Salzen sowie bei der Verwendung von Aryltriflaten in Gegenwart schwach nucleophiler Gegenionen (z.B.

Acetat, Phosphat, Carbonat) ist allerdings auch das Durchlaufen des kationischen Reaktions-pfads denkbar (Abbildung 30).

Abbildung 30: Neutraler und kationischer Reaktionsverlauf bei der Koordination des Alkens.

Da allgemein angenommen wird, dass nur der cis-Komplex (bezüglich Olefin und Arylrest) im nächsten Schritt zu einer syn-Insertion in das Alken führt, muss bei dem kationischen Mechanismus zunächst eine Isomerisierung des stabileren trans-Komplexes 90 zu cis-90 erfolgen.90

Die Bindungsverhältnisse des gebildeten Metall--Komplexes werden qualitativ mit dem Dewar-Chatt-Duncanson-Modell beschrieben.91 Die Bindung besteht aus einer dativen

-Hinbindung, die aus der Überlappung eines besetzten bindenden -Orbitals des Olefins und eines unbesetzten dsp-Hybridorbitals des Metalls entsteht sowie einer stabilisierenden retrodativen -Rückbindung, die die Folge einer Überlappung besetzter d-Orbitale des Metalls (dxz in der out-of-plane-Konformation, dxy in der in-plane-Konformation) mit dem unbesetzten antibindenen *-Orbital des Alkens ist (Abbildung 31).92

Abbildung 31: Bindungsverhältnisse im Alken-Metall-Komplex.

Da Alkene schwache -Donoren und -Akzeptoren sind, bilden elektronenreiche Metall-zentren mit elektronenarmen Olefinen aufgrund der resultierenden starken -Rückbindung besonders stabile Komplexe. Als strukturelle Folge der Komplexbildung wird die Planarität am Alken aufgehoben und der Hybridisierungsgrad von sp2 in Richtung sp3 verschoben. Je

stärker der -Komplex desto stärker ist auch die Deformation des Alkens. Die geschwächte C–C-Doppelbindung wird dementsprechend länger und die C=C-Schwingungsfrequenz nimmt ab.

5.1.4 syn-Insertion

Aus dem im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Komplex erfolgt der regio- und stereodiskriminierende Schritt der Heck-Reaktion, die syn-Insertion. Sie stellt den produkt-bildenden Schritt des Katalysecyclus dar und ist ebenfalls für die Substratselektivität verantwortlich.

Um eine syn-Insertion zu ermöglichen, muss das Olefin zunächst aus der nach der Bildung des -Komplexes vorliegenden stabileren out-of-plane-Konformation 91 in die sterisch gehinderte in-plane-Position übergehen (Abbildung 32). Es wird dabei angenommen, dass die Insertion aus dem cis-Komplex (bezüglich Olefin und Arylrest) stattfindet.

Abbildung 32: Konformationsgleichgewicht sowie Insertion des Olefins in die Pd-C-Bindung im neutralen Mechanismus.

Der Insertionsschritt erfolgt über einen 4-Elektronen-4-Zentren-Übergangszustand 104, aus dem sich unter Erhalt der stereochemischen Information die Alkylpalladiumspezies 92 bildet.93 Enantioselektive Umsetzungen erfolgen zumeist unter Einsatz von zweizähnigen Liganden nach dem kationischen Mechanismus. Hier sind die chiralen Liganden ununterbrochen mit dem Metallzentrum verbunden, womit eine maximale asymmetrische Induktion auf das Substrat ausgeübt wird.

Bei intramolekularen Heck-Reaktionen, die unter Ausbildung eines Cyclus verlaufen, ist die Vorhersage des Produktes aufgrund der Baldwin-Regeln möglich.94 Ein Großteil der Cyclisierungen verläuft unter Ausbildung von normalen Ringgrößen (besonders fünf-gliedrigen Ringen) nach dem exo-trig-Modus (Abbildung 33). Mit steigender Ringgröße wird der endo-trig-Modus bevorzugt, da sterische Wechselwirkungen sowie die Ringspannung eine untergeordnete Rolle spielen und die Bildung des endo-Produktes von elektronischen Faktoren begünstigt wird.95

Abbildung 33: Regioselektivität der Heck-Cyclisierung.

5.1.5 syn--Hydrid-Eliminierung

Im nächsten Schritt des Katalysecyclus erfolgt eine -Hydrid-Eliminierung, die mit einer Dissoziation des Alkens vom Palladium-Hydrid-Komplex abschließt. Die Eliminierung verläuft konzertiert und stereoselektiv aus der syn-Anordnung, da diese über agostische Wechselwirkungen stabilisiert wird.96 Um eine syn-coplanare Anordnung von Palladium-Katalysator und Wasserstoffatom zu erreichen, ist eine innere Rotation erforderlich (Abbildung 34).

Abbildung 34: Mechanismus der syn--Hydrid-Eliminierung im neutralen Mechanismus.

Die Produktverteilung der Heck-Reaktion gehorcht in der Regel dem Curtin-Hammett-Prinzip der kinetischen Reaktionskontrolle.97 So spiegelt das E/Z-Verhältnis die relative Energie der Übergangszustände 93 und 93* wider. Aufgrund der sterischen Wechselwirkung der beiden Reste in Übergangszustand 93* wird hauptsächlich das E-Isomer 87 gebildet. Die hohe Stereoselektivität der Heck-Reaktion ist ein großer Vorteil gegenüber klassischen

Olefinierungsmethoden wie der Wittig-Horner-Reaktion, bei der häufig Produktgemische entstehen.

Befindet sich an Rꞌ ebenfalls ein zum Palladium -ständiges H-Atom, kann es bei der Eliminierung zu Regioselektivitätsproblemen kommen. Ist andererseits kein syn-ständiges

-H-Atom vorhanden, so kann die Terminierung auch durch nucleophile Substitution am Palladium, Transmetallierungen oder die reduktive Eliminierung anderer -ständiger Substituenten wie SiR3 erfolgen. Die Abwesenheit eines syn-ständigen -H-Atoms kann entweder in einem quartären Kohlenstoffatom in -Position begründet sein (vgl. 93 mit allen

-H = R) oder, bei einem olefinischen Substrat, mit der Anwesenheit eines trans-ständigen

-H-Atoms (vgl. 111 in Abbildung 35). Diese Tatsache ermöglicht die Verwendung der Heck-Reaktion in Domino-Reaktionen (vgl. Kapitel A. 6). Als Beispiele für nachfolgende C–C-Bindungsknüpfungen in der Folge alternativer Terminierungen in Domino-Reaktionen sind Carbonylierungen, Substitutionen sowie Kreuzkupplungen und in Abbildung 35 dargestellt.

Abbildung 35: Mögliche Folge-Reaktionen von Heck Intermediat 111 als Teil einer Domino-Reaktion.

5.1.6 Reduktive Eliminierung

Im letzten Teilschritt des Katalysecyclus erfolgen die Dekoordination des Alkens von dem Palladiumkomplex und die baseninduzierte Reduktion des Palladium-Hydrid-Komplexes unter Rückbildung der katalytisch aktiven Palladium(0)-Spezies. Verläuft dieser Prozess nicht schnell genug, kann das zu einer Reinsertion von H-Pd-X in das Olefin mit einhergehender Veränderung der Regio- und Stereochemie führen.