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Materielle, instrumentelle und affektive Komponenten von Spracheinstellungen zum Spanischen

Im Dokument Philipp Krämer Spanisch in Berlin (Seite 57-63)

6 Motivation und Einstellungen von Spanischlernenden: Methodisches

6.2 Materielle, instrumentelle und affektive Komponenten von Spracheinstellungen zum Spanischen

Ein großer Block des Fragebogens war einzelnen Elementen von Spracheinstel-lungen zum Spanischen als Fremdsprache und den Lernabsichten gewidmet.

Den Studierenden wurden insgesamt 14 Aussagen vorgelegt, den Lernenden an den Volkshochschulen 13. Auf einer fünfstufigen Skala wurde abgefragt, ob man der Aussage zustimmt oder nicht. Die ungerade Anzahl von Zustimmungswerten wurde gewählt, um den Befragten die Möglichkeit zu geben, Unentschiedenheit und Widersprüchlichkeit auszudrücken und zu signalisieren, dass eine be-stimmte Aussage für sie wenig zutreffend bzw. aussagekräftig ist. Der Wortlaut der einzelnen Aussagen ist in den folgenden Kapiteln bei den Datenbeschrei-bungen und -auswertungen jeweils wiedergegeben. Auf eine komplette Über-sicht aller Aussagen der Fragebögen wird hier verzichtet, denn die Gestaltung kann je nach Zielgruppe geringfügig variieren, wenn etwa das Sprachenlernen im Rahmen eines Studiums an der Universität stattfindet oder in der Freizeit an der Volkshochschule.

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Die Aussagen decken insgesamt drei Komponenten ab, mit denen das Spani-sche als Ressource bewertet werden kann: eine materielle, eine instrumentelle und eine affektive. In der Forschung zu Motivationen im Fremdspracherwerb werden derartige Begründungen zum Sprachenlernen alsorientations bezeich-net, um sie von der Lernmotivation als Gesamtgröße zu unterscheiden (Gardner 2001: 13–15). Dies ist im weiten Rahmen der bestehenden Forschung sinnvoll, etwa um andere Teilaspekte derintegrativenessberücksichtigen zu können und um die dort vorherrschenden Erkenntnisziele zu erreichen:„There is very little evidence [. . .] to suggest that orientations are directly associated with success in learning a second language“(Gardner 2001: 16). Für die vorliegenden Untersu-chungen, die dieses vorrangige Erkenntnisinteresse nicht teilen, ist die Unter-scheidung von Motivation und Orientierung von geringerer Bedeutung und es reicht aus, hier von Einstellungskomponenten zu sprechen, die mit bestimmten Lernzielen zusammenhängen.

Die materielle Komponente entspricht am ehesten der gängigen, einge-schränkten Auffassung von Sprachen als Ressource mit einem ökonomischen Wert. Wird mit dem Erlernen des Spanischen die Erwartung oder Hoffnung auf einen wirtschaftlichen Vorteil verbunden, so bewegt sich diese Einschätzung in der materiellen Dimension der Spracheinstellungen. Hierunter fallen beispiels-weise die Aussagen, man könne mit Spanischkenntnissen ein höheres Gehalt verlangen, oder man gehe davon aus, dass Spanisch für den (künftigen) Beruf erforderlich sei. Die materielle Komponente wird als Argument zum Erlernen von Fremdsprachen sehr häufig vorgebracht, von Anbietern wahrscheinlich sogar öfter als von den Lernenden selbst. Dies gilt auch für das Spanische:

[L]os distintos focos productores de discurso sobre el español parecen empeñados en insta-lar en la conciencia colectiva una idea fija sobre el valor económico del español y de su

enseñanza como lengua extranjera. (Bruzos Moro 2016: 2)

Mit Mehrsprachigkeit als Gut bzw. Dienstleistungskomponente können wiede-rum auch Unternehmen Werbung betreiben, sofern sie entsprechend qualifi-ziertes Personal haben:

[M]ultilingualism [. . .] itself has become a commodity given the fact that interacting in the clients language is a key marketing factor. Consequently, the recruitment of multilin-gual employees is becoming a clear financial advantage for companies as it is cheaper and more practical, for example, to have employees who are able to answer phone calls

in more than one language. (Duchêne 2009: 30)

In welchem Umfang die Spanischlernenden derartige Vorteile für ihre eigene (künftige) Berufstätigkeit erwarten, wird im Rahmen der Befragungen geprüft.

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Auch in der weiter unten beschriebenen Befragung von Beschäftigten im Berli-ner Gastgewerbe wird diese Frage eine zentrale Rolle spielen.

Die instrumentelle Komponente der Bewertung umfasst die Einschätzung, dass mit Hilfe der spanischen Sprache die Kommunikation verbessert oder er-leichtert werden kann.28Hierunter fallen also auch Einschätzungen, die keinen unmittelbaren ökonomischen Vorteil verfolgen.29 Beispiele hierfür sind das Ziel, spanischsprachige Literatur im Original lesen zu können oder die Erwar-tung, mit Hilfe des Spanischen neue private Kontakte zu knüpfen. In diese Ka-tegorie passt auch die Frage, ob die Lernenden sich eher auf die schriftliche oder mündliche Kommunikation konzentrieren, oder beide Dimensionen gleich gewichten. Damit lässt sich einschätzen, auf welche Art sie das Spanische als Kommunikationsinstrument nutzen möchten, beispielsweise welche Rolle der Bereich des Schriftstandards spielt. Ebenfalls an die instrumentelle Kompo-nente angebunden ist die Aussage, Spanischkenntnisse seien nicht notwendig, wenn man gute Englischkenntnisse hat. Daran lässt sich der Wert des Spani-schen als Kommunikationsinstrument in den Augen der Befragten im Verhält-nis zum Englischen ablesen.

Die instrumentelle und die materielle Dimension sind nicht unbedingt klar voneinander trennbar.30Ein Item im Fragebogen bestand etwa aus der Aussage,

28 De Swaan (2010: 5861) stellt mit dem sogenannten Q-value eine Formel auf, mit der sich die kommunikative Reichweite einer Sprache einschätzen lassen soll. Ausgangspunkt ist in erster Linie die Anzahl mehrsprachiger Sprecher*innen, in deren Sprachrepertoire die zu be-schreibende Sprache vorkommt. Der Wert beschreibt dann für eine Sprachkonstellation und einen gegebenen Sprecher daspotential to link this speaker with other speakers inS[der ge-gebenen Sprachkonstellation, P.K.](De Swaan 2010: 58). Ob ein solcher Q-Wert für die be-fragten Spanischlernenden aussagekräftig wäre, muss an dieser Stelle offen bleiben. Nicht einbezogen sind in dem Wert jedenfalls wichtige Einflussfaktoren wie etwa die Frage, inwie-fern verschiedene Kompetenzniveaus der Sprecher*innen einen solchen Wert beeinflussen oder in welchem Ausmaß Spracheinstellungen die Bereitschaft zur Verwendung bestimmter Sprachen vergrößern oder verringern.

29 In der Forschung zu Lernmotivationen wird dies bisweilen anders gewichtet bzw. der öko-nomische Nutzen als Hauptmerkmal für instrumentelle Herangehensweisen des Sprachenler-nens gesehen, vgl. beispielsweise Dörnyei/Csizér (2002).

30 Die Übergangsbereiche treten noch stärker zutage, wenn man wie Gardner (2001: 14) nur von zwei Ebenen ausgeht, nämlich einer instrumentellen und einer integrativen. Die instru-mentelle Ebene entspricht dabei vor allem demjenigen, was hier als materielle Ebene beschrie-ben ist. Der Wunsch zur besseren Kommunikation kann dann aber nur entweder unter materiellen Gesichtspunkten betrachtet werden und wird dann instrumentell genannt, oder aber er ist von solchen Zielstellungen befreit und gilt demnach als integrativ. Eine Überschnei-dung zwischen beiden ist so schwer abzubilden (vgl. hierzu auch Noels 2001: 44). Deshalb wurde für die vorliegenden Befragungen ein Modell mit drei Ebenen gewählt, bei dem Über-gänge mitgedacht werden können.

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mithilfe des Spanischen wolle man neue berufliche Kontakte gewinnen. Dies kann auf einen direkten materiellen Vorteil abzielen, möglicherweise ist die Wer-tung des Spanischen als instrumentelle Ressource aber deutlich allgemeiner und es geht nur darum, mit einer zusätzlichen Kommunikationsmöglichkeit das per-sönliche Netzwerk auszubauen. Vogl (2018a, b) unterschied bei Studierenden im Sprachenlernen zwischen den Dimensionenqualificationundfunctionality.

Die erste Dimension liegt dabei genau an der Schnittstelle zwischen der mate-riellen und der instrumentellen Komponente, soweit damit Sprachkenntnisse zur Nutzung im Beruf gemeint sind;functionalityumfasst die Anteile der in-strumentellen Komponente, welche insgesamt die Kommunikationsfähigkeit betreffen und nicht nur auf das Berufsleben begrenzt sind.

Als dritte Komponente kann die Bewertung des Spanischen auf affektiver Basis vorgenommen werden. Die Sprache ist dann in einem relativ weiten Sinne eine Ressource, deren Wert darin liegt, dem oder der Sprecher*in positive Emotionen zu bereiten.31 Inwiefern eine emotive Bindung an die Sprache be-steht, prüft beispielsweise die Aussage, dass die Befragten anstelle des Spani-schen auch eine andere Sprache hätten wählen können oder dass sie bereits seit längerer Zeit den Beschluss gefasst hatten, Spanisch zu lernen. Die affek-tive Bewertung der Sprache wird im Fragebogen zudem auf Basis von Ästhetik erfasst. Im Zentrum steht die Aussage, Grund für das Erlernen des Spanischen sei die Schönheit der Sprache. Von Schüler*innen der 9. und 10. Klasse an Real-schulen wurde das Spanische als besonders sympathische Sprache gewertet, noch vor dem Englischen (Plewnia/Rothe 2011: 226). Die Befragten der Untersu-chung von Plewnia und Rothe sind heute ungefähr im jungen Erwachsenenal-ter, also etwa in der gleichen Generation wie jetzige Studierende. Zwar deckt sich die Formulierung der Fragen nicht exakt mit jenen der Studie von 2011, dennoch kann erkundet werden, ob die sehr positiven Zuschreibungen auch bei heutigen Studierenden und bei Lernenden an Volkshochschulen vorzufin-den sind. Die Fragen im affektiven Bereich und einige Items aus dem Bereich zum Vergleich zwischen Spanisch und Französisch (s. weiter unten) lehnen sich damit lose an das„Allgemeine Sprachbewertungsinstrument“ (ASBI) an, das in Adler/Plewnia (2018: 69–79) erläutert wird.

Auch bei der affektiven Dimension besteht ein Übergangsbereich, vor allem zur Bewertung des Spanischen als instrumentelle Ressource. Die Nutzung der

31 In anderen Forschungszusammenhängen werden derartige Lernmotivationen häufig als in-trinsicbezeichnet (vgl. beispielsweise Noels 2003). Um das Missverständnis zu vermeiden, dass die Motivation als der Sprache und nicht den Sprecher*innenintrinsischangesehen wirdalso dass die Motivation aus inhärenten Qualitäten der Sprache ableitbar wäre, soll hier an dem weniger fest eingeführten Begriffaffektivfestgehalten werden.

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Sprache zur Lektüre von Literatur in Originalsprache kann beispielsweise aus dem Wunsch eines besonderen ästhetischen Erlebnisses in der Fremdsprache erwachsen. Eine affektive Komponente hat auch der Wunsch, die Möglichkeiten zur Kommunikation mit Nahestehenden wie im Freundes- und Familienkreis zu erweitern, wenn mit der Sprache Nähe, Freundschaft oder Vertrautheit verbun-den bzw. hergestellt werverbun-den soll.

In der Spracheinstellungsforschung werden Einstellungen zu bestimmten Sprachformen oder Sprecher*innen klassischerweise in die beiden Dimensio-nenstatusundsolidarityeingeteilt:

The first, termedstatus(orcompetence), encompasses traits such as a speakers intelli-gence, education, and success. The second, termedsolidarity(orwarmth), encompasses traits such as a speakersfriendliness, pleasantness, and honesty. Different language va-rieties are associated with different stereotypes along these dimensions.

(Dragojevic 2017: 9)

Die drei Dimensionen, welche die folgenden Untersuchungen leiten, lassen sich zu einem gewissen Teil daran anschließen: Sofern mit dem Erlernen des Spani-schen materielle Ziele verfolgt werden, wird die Sprache aus einer statusbetonten Perspektive beurteilt. Die affektiven Bewertungen schließen vor allem an die Ebene der Solidarität an, wenn das positive persönliche Erlebnis beim Kontakt mit der Sprache bzw. der Sprachgemeinschaft im Mittelpunkt steht. Die instru-mentelle Dimension als Übergangsbereich kann je nach Fragestellung näher an einem der beiden Pole stehen. Wird das Spanische eher als Instrument etwa für beruflichen Aufstieg gesehen, steht die instrumentelle Bewertung der Status-Komponente näher; sofern es als Instrument zur interkulturellen Kommunikation etwa im privaten Bereich betrachtet wird, wiegt die Seite der Solidarität schwerer.

Im letzteren Fall spielt vor allem eine Rolle, dass die Lernenden danach streben, mithilfe des Spanischen ein gewisses Maß an in-group-Bindung mit der spani-schen Sprachgemeinschaft zu erreichen, wenn sie an deren Sprache teilhaben.

Ähnlich lässt sich auch eine Zuordnung zu einer weiteren etablierten Dichoto-mie vornehmen, die in der Forschung zur Motivation beim Fremdsprachenlernen gebraucht wird. Noels (2001: 45–46, 51) unterscheidet als Gründe zum Fremdspra-chenlernen zwischenintrinsicundextrinsic orientations. Erstere zielen auf die Er-langung von persönlicher Zufriedenheit und auf die Befriedigung individueller Interessen ab; zweitere decken hingegen Lerngründe ab, die von außerhalb an die Lernenden herangetragen werden – im Extremfall beispielsweise die reine Ver-pflichtung zum Sprachenlernen durch bestehende Regelungen zum Schulunter-richt oder erforderliche Berufsqualifikationen. Innerhalb dieser Unterscheidung liegen letztendlich alle hier geprüften Einstellungselemente auf der Seite der in-trinsischen Orientierung, weil es für die Befragten in Berlin keine verbindliche 52 6 Motivation und Einstellungen von Spanischlernenden

Regelung zum Erlernen des Spanischen gibt. Dennoch können auch extrinsi-sche Gründe internalisiert werden (Noels 2001: 46). Hierzu zählt beispiels-weise die starke Wirkmacht des Diskurses von Sprachen als ökonomisch verwertbare Qualifikation. Auch wenn selbst materiell orientierte Sprachein-stellungen auf einen individuellen Vorteil abzielen, werden sie doch stark von außen gespeist. Tendenziell kann man daher in einem Kontinuum von materi-ellen, instrumentellen und affektiven Annäherungen davon ausgehen, dass die affektiven Komponenten am stärksten auf der Seite der intrinsischen Gründe liegen, während die extrinsischen Kräfte in Richtung der materiellen Einstellungen ein wenig zunehmen. Eine eindeutige Trennung der drei Kompo-nenten mit einer Zuordnung zur Unterscheidung zwischen intrinsischen und ex-trinsischen Gründen lässt sich allerdings nicht vornehmen; dies ist auch in den bestehenden Forschungsrahmen zur L2-Lernmotivation nicht vorgesehen.

Eine letzte Spracheinstellungsfrage, die unmittelbar mit dem Erwerbspro-zess als solchem zusammenhängt und nicht an die drei oben genannten Dimen-sionen anschließt, wurde in den Fragebögen für die Studierenden an der Freien Universität und der Technischen Universität noch angefügt; in den Fragebögen der Lernenden an Volkshochschulen war dieses Item noch nicht vorhanden.

Vorgegeben war die Aussage„Ich lege Wert darauf, dass mein/e Kursleiter/in im Spracherwerbskurs muttersprachliche Spanischkenntnisse hat.“ Von Ler-nenden und Lehrenden zugleich wird die Deutungshoheit und Legitimität bei der Sprachvermittlung häufig vorrangig denjenigen zugeschrieben, die in der Sprachgemeinschaft bereits seit früher Kindheit fest verwurzelt sind. Diese An-sicht beruht auf der Annahme,„dass Muttersprachler_innen eine überlegene Sprachkompetenz gegenüber Nicht-Muttersprachler_innen haben, dass mutter-sprachliche Kompetenz das Lernziel im Sprachunterricht sein sollte und dass Mut-tersprachler_innen die geeignetsten Sprachlehrer_innen sind“(Becker 2018: 194).

Vor diesem Hintergrund war es interessant zu erfahren, ob die Spanischlernenden der Berliner Universitäten diese Denkweise teilen. Holliday (2006) zeigt für das Englische, dass mit solchen Haltungen des„native speakerism“auch tieferge-hende Überzeugungen verbunden sein können, z. B. die Ansicht, dass das Englische in erster Linie von Sprecher*innen mit einem‚westlichen‘ Kultur-hintergrund vertreten werde. Für das Spanische ergibt sich daraus eine interes-sante Frage vor allem im Zusammenhang mit den Lernpräferenzen im Hinblick auf europäische oder lateinamerikanische Normen: Hier besteht eine Möglichkeit, dass Sprecher*innen aus dem globalen Süden deutlich eher als Lehrautoritäten aufgefasst und anerkannt werden, als das beim Englischen der Fall ist. Das ein-zelne Item im Fragebogen kann diese Problematik selbstverständlich nicht umfas-send aufarbeiten, man kann daran aber weiteren Forschungsbedarf ausmachen.

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Im Dokument Philipp Krämer Spanisch in Berlin (Seite 57-63)