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Abbildung 2.6 stellt den charakteristischen Viskositätsverlauf von Duroplasten dar.

Infolge einer Temperaturerhöhung wird das Material aufgeschmolzen, so dass die Viskosität zunächst abnimmt. Die Steigung der regressiven Kurve beschreibt hierbei die thermisch bedingte Veränderung der Fließfähigkeit der Schmelze. Durch die ein-tretende Vernetzungsreaktion und die Ausbildung eines dreidimensionalen Netz-werks steigt diese in Abhängigkeit der Reaktivität wieder an. Beide Vorgänge sind zeitlich überlagert und lassen sich nicht voneinander trennen, so dass sich das für Duroplaste charakteristische parabelförmige Viskositätsprofil ausbildet [26,27].

Abbildung 2.6: Schematische Darstellung des Viskositätsverlaufs von Duroplasten Temperatur, Zeit

Aufschmelzen Vernetzen

resultierende Viskosität

Viskosität η

Zur Bestimmung des Fließ-Härte-Verhaltens können verschieden Verfahren einge-setzt werden. Ziel der einzelnen Methoden ist, eine Aussage über das zu erwartende Verarbeitungsverhalten der Formmasse treffen zu können, wobei ein minimaler Prüf-aufwand bei maximaler Aussagekraft der Ergebnisse gewünscht wird. Das bedeutet, dass die Prüfverfahren einen möglichst großen Teil des Viskositätsverlaufes abbilden sollten. Die Kenntnis des Materialzustandes ist sowohl für den Formmassenhersteller zur Qualitätskontrolle als auch dem Verarbeiter zur Wareneingangsprüfung von Be-deutung, da die Materialeigenschaften neben der chemischen und physikalischen Zusammensetzung durch variable äußere klimatische Bedingungen beeinflusst wer-den können [18].

2.2.2 Prüfmethoden

Zur Charakterisierung von verarbeitungsfähigem Granulat werden in der Regel Einpunktmessungen durchgeführt. Dazu wird das Material in ein beheiztes Werkzeug bei exakt einem Betriebspunkt mit einer definierten Temperatur und einem definier-ten Druck bzw. Geschwindigkeit verpresst. Die geometrische Größe des hergestell-ten Probekörpers dient nach der Aushärtung zur Beschreibung des Fließverhalhergestell-tens.

Zu den Prüfverfahren zählen der ungenormte Platte- bzw. Disc-Flow-Test, die Stäb-chenmethode nach der mittlerweile historischen Norm ASTM D 569 [28], die Becher-Methode nach DIN 53465 [29] und ASTM D 731 [30], der Spiral-Test nach ASTM D 3123 [31] sowie der Orifice Flow Test (OFT) nach ISO 7808 [32]. Vorteile der Mess-verfahren sind die Prüfung bei Verarbeitungstemperaturen im Bereich zwischen 160 °C und 170 °C, eine einfach Handhabung und schnelle Durchführung. Demge-genüber ist die Aussagefähigkeit der bei den Tests gemessenen Größen zum Teil stark begrenzt, da die Messwerte in Abhängigkeit der Prüfapparatur und des Materi-als stark streuen können. Dabei ist es möglich, dass Ergebnisse von Prüfungen mit der gleichen Methode, aber unterschiedlichen Prüfgeräten, nicht reproduzierbar sind.

Zudem besteht die Gefahr der Fehlinterpretation der Messungen, was am Beispiel des Orifice Flow Tests (OFT) verdeutlicht werden soll. Hierbei wird mittels Vertikal-presse eine festgelegte Menge Material (50 g) bei 165 °C und einem Druck von 4, 7 oder 12 N/mm² in eine zylindrische Kavität gepresst. Dabei tritt durch zwei genormte Nuten im Stempel bis zur Aushärtung eine bestimmte Menge Material aus. Die im Werkzeug verbliebene, ausgehärtete Platte wird gewogen und mit dem Ausgangs-gewicht ins Verhältnis gesetzt. Der so ermittelte OFT-Wert soll damit das Fließ-Härte-Verhalten des Granulats charakterisieren. Es muss allerdings beachtet werden, dass ein Material mit niedriger Viskosität und hoher Reaktivität einen identischen Fließweg erreichen kann wie ein Material mit hoher Viskosität und langsamer Reaktivität. Hinzu kommt, dass das im Material gebundene Wasser als Fließhilfe dient und die

Mes-sung verfälschen kann [18,26,27]. Zudem ist die Aussagekraft bezüglich der Verarbeitbarkeit im Spritzgießprozess nicht gegeben, da die Materialplastifizierung, welche einen großen Einfluss auf die Material- und Bauteilqualität hat [33], nicht ab-gebildet wird.

Dazu kann alternativ ein Drehmoment-Rheometer nach DIN 53764 [34], z.B. ein Brabender-Plastograph, eingesetzt werden. Die Formmasse wird in die beheizte Prüfkammer gegeben, in der sich zwei Knetelemente mit konstanter Drehzahl bewe-gen. Durch die Rotation steigt die Temperatur weiter an, so dass das Material auf-schmilzt und in der Kammer ebenfalls aushärtet. Dabei wird das Drehmoment aufge-zeichnet, das sich infolge der Viskositätsänderung bei konstanter Drehzahl ändert.

Ein schematischer Drehmomentverlauf ist in Abbildung 2.7 dargestellt. Aus diesem kann das Aufschmelz- und Härtungsverhalten des Formstoffes bestimmt werden. Der erste Peak (A) charakterisiert das notwendige Drehmoment, um das als Feststoff vorliegende Granulat zu zerkleinern und aufzuschmelzen. Das Kurvenminimum (B) ist ein Maß für die Grundviskosität der Kunststoffschmelze. Die Viskosität steigt infol-ge der Vernetzung wieder an und erreicht ein zweites Maximum (D) für das vollstän-dig ausgehärtete Material. Nach dem zweiten Kurvenmaximum (D) ist ein weiterer Abfall des Drehmomentes zu erkennen, da das ausgehärtete Material zerkleinert wird. Der Abstand zwischen den Kurvenmaxima (AD-Wert) beschreibt folglich die maximale Verarbeitungsdauer in Sekunden. Als Richtwert für die Spritzgießverarbei-tung gilt ein minimaler A-D-Bereich von 100 s bis 160 s bei einer Prüftemperatur von 120 °C [26,27]. Diese Prüfmethode reagiert ebenfalls sehr sensibel auf den Feuchte-einfluss des Materials, so dass die Kenntnis der Materialfeuchte bzw. -flüchte vor der Prüfung empfehlenswert ist.

Abbildung 2.7: Schematische Darstellung einer Brabender-Messkurve

tA tB tD

MD

MA

MB

Zeit [s]

Drehmoment [Nm]

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die verschiedenen Prüfmethoden nur eine sehr ungenaue Aussage zum Materialzustand treffen können. Darüber hinaus sind die Ergebnisse nicht untereinander vergleich- und übertragbar. Da zudem die Korre-lation zum Verarbeitungs- bzw. Spritzgießprozess nicht gegeben ist, besteht ein gro-ßes Defizit, die Materialeigenschaften wärmehärtender Formmassen zu quantifizie-ren. Weiterführende Untersuchungen mit einer flüssigtemperierten Messdüse, wel-che direkt an ein Plastifizieraggregat einer Spritzgießmaschine montiert werden kann, haben gezeigt, dass die Fließfähigkeit direkt an der Maschine bestimmt werden kann.

Allerdings eignet sich diese Messtechnik nicht für den industriellen Maßstab, da der Druckverlust über den Fließquerschnitt in der Düse während des Leerspritzens und nicht während der Verarbeitung ermittelt wird [35].

2.3 Wasseraufnahme von Duroplasten