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Materialbestände und Wohlergehen

Costa Rica hatte im Jahr 2016 ein für die LAC Region hohes BIP von 18.008 $/Kopf KKP (The World Bank 2019). Das BIP sagt jedoch noch wenig über das tatsächliche Wohlergehen in der Gesellschaft aus. Daher wird zur Betrachtung zusätzlich der Human Development Index (HDI) und der Social Progress Index (SPI) herangezogen. Mit dem HDI wird versucht, anhand von Lebenserwartung, Bildungsniveau und BIP/Kopf die erreichte Lebensqualität abzubilden, dieser Indikator wird seit 1990 jährlich berechnet (UNDP 2019). Der SPI versucht hingegen den gesellschaftlichen Fortschritt unabhängig vom BIP zu messen, seit 2014 wird er jährlich berechnet. In Abbildung 27 ist die Entwicklung der Materialbestände/Kopf und jene von anderen Schlüssel-Indikatoren auf 1990 normalisiert dargestellt. Es zeigt sich, dass die Materialbestände und das BIP/Kopf kontinuierlich wachsen, während der Materialverbrauch (DMC) seit 1990 nicht gestiegen ist. Zwischen dem Materialbestand und dem BIP ist somit eine relative Entkopplung vom DMC zu beobachten. Der HDI stieg von 1990-2016 in Costa Rica um 20%, das liegt nur geringfügig unter dem Wachstum des globalen HDI, dieser ist im selben Zeitraum um 22% gestiegen.

Abbildung 27: Materialbestand, Materialverbrauch (DMC), Endenergieverbrauch, Bruttoinlandsprodukt (BIP) und Human Development Index (HDI) in Costa Rica, 1960-2016.

Anm.: Alle Daten normalisiert auf 1990=1. Quellen: Materialbestand aus eigenen Berechnungen, BIP/Kopf nach Bolt et al.

(2018), Endenergieverbrauch (TFC, total final consumption) nach IEA (2019b), HDI nach http://hdr.undp.org/en/data (UNDP 2019), DMC nach UNEP (2018).

Der SPI von Porter und Green (2016) ist in drei Dimensionen unterteilt, diese ergeben im Mittelwert den gesamten SPI (Skala von 0-100) und umfassen die Erfüllung menschlicher Grundbedürfnisse, Grundlagen des Wohlergehens und Opportunity/Chance Relationen. Die erste Dimension beurteilt, wie gut ein Land die Grundbedürfnisse seiner Bevölkerung deckt.

Es werden der Zugang zu Nahrung, medizinischer Grundversorgung, Verfügbarkeit von sauberem Trinkwasser und Zugang zu Wohnraum gemessen. Die zweite Dimension,

0.0

1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015

Index 1990=1

Grundlagen des Wohlergehens, misst, ob die Bevölkerung Zugang zu Grundbildung, Information und Wissen innerhalb und außerhalb ihres Landes hat und die Voraussetzungen für ein gesundes Leben gegeben sind. In dieser Dimension wird auch der Schutz der Umwelt inkludiert. Die dritte Dimension, Opportunity/Chance, misst den Grad der persönlichen Freiheit, die Rechte der Bevölkerung, ob Individuen in der Bevölkerung befähigt werden eigene Entscheidungen zu treffen und ob Vorurteile und Feindseligkeiten innerhalb der Gesellschaft Individuen an der Ausschöpfung ihres Potentials hindern.

Costa Rica hat 2016 einen SPI von 80,22 (global Rang 35), und wird damit 2016 in der Gruppe von Ländern mit „hohem sozialen Fortschritt“ (Tier 2) geführt, auch Österreich rangiert in dieser Gruppe. Costa Rica ist jedoch das einzige Land in dieser Gruppe mit mittlerem Einkommen im oberen Bereich, die anderen Länder zählen zu den global führenden Volkswirtschaften. Auch relativ betrachtet, im Vergleich zu seiner Peergruppe (Länder mit ähnlichem BIP/Kopf) erreicht Costa Rica einen besonders hohen SPI (Porter et al. 2016).

Pro Punkt auf dem SPI Index hatte Costa Rica 2016 einen Materialbestand von 1,04 t pro Kopf (t/Kopf/SPI). Im Folgenden wird dieses Verhältnis für Costa Rica mit dem für Japan, die USA, China und dem globalen Durchschnitt verglichen. Die Daten der Materialbestände für Japan und die USA sind aus dem Jahr 2005 von Fishman et al. (2014), die Materialbestände für China und den globalen Durchschnitt aus dem Jahr 2010 von Krausmann et al. (2017). In allen vier Fällen wurde wegen der Datenverfügbarkeit der erste verfügbare SPI von 2014 verwendet, im globalen Durchschnitt hat sich der SPI zischen 2014-2016 nur um 1,3% verändert. Japan hat einen SPI von 86,04, die USA 87,42. Das Verhältnis von Materialbestand zu SPI ist in Japan 3,6 t/Kopf/SPI und in den USA 4,29 t/Kopf/SPI. China hat einen SPI von 61,58 (die Erfüllung menschlicher Bedürfnisse liegt zwar bei 79,23, Opportunity/Chance jedoch nur bei 42,05, dies drückt den Index für China), der globale Durchschnitt liegt bei 62,16. Das Verhältnis t/Kopf/SPI liegt in China bei 2,21 t und global bei 1,85 t (siehe Abbildung 28). Japan und die USA haben pro Punkt auf dem SPI Index einen um den Faktor 3 beziehungsweise 4 höheren Materialbestand als Costa Rica. Im globalen Vergleich erreicht Costa Rica einen um 29%

höheren SPI, während der Materialbestand um 27% niedriger als der globale Durchschnitt ist.

Mayer et al. (2017) stellen den Zusammenhang zwischen Materialbestand und Wohlergehen mittels kumulierter Materialinputs (DMI) von 1950-2010 dar. Ihre Ergebnisse zeigen, dass Ressourcen exportierende Länder tendenziell einen niedrigeren SPI haben. Der in der Studie

Gruppe SPI 70-80 mit der größten Bandbreite des kumulierten DMI von 460-2.199 t/Kopf. Die meisten Länder dieser Gruppe haben eine positive Handelsbilanz und sind Nettoimporteure von Ressourcen, also ebenso wie Costa Rica stark von Ressourcenimporten abhängig. Mayer et al. (2017) berechnen weiters, dass, wenn alle Länder einen hohen SPI (hier SPI>80) erreichen wollen, dies kumulative Materialinputs im Mittel von 1100 t/Kopf benötigen würde.

In Folge würde die Kapazität der Erde als Quelle und Senke für Ressourcen und Emissionen überstiegen werden (Mayer et al. 2017).

Betrachtet man nun das BIP pro Kopf KKP gemeinsam mit dem SPI im Detail, ergibt sich das in Abbildung 29 sichtbare Bild. In der Abbildung wird Costa Rica mit Ländern seiner Peergruppe in LAC verglichen. Costa Rica erreicht bei einem für die Region durchschnittlichen BIP das höchste Niveau des SPI. Auch beim Vergleich der drei Dimensionen des SPI schneidet Costa Rica in fast allen Kategorien besser ab als seine Peers. Lediglich Barbados erreicht bei einem um 11% geringeren BIP bei den grundlegenden menschlichen Bedürfnissen im SPI um 0,8 Punkte mehr. Porter und Green (2016) machen Costa Rica als eines der Länder mit überdurchschnittlichem SPI aus. Sie postulieren, dass der hohe SPI in Costa Rica und der LAC Region im weiteren Sinn auf die Bemühungen der Länder um den Aufbau starker demokratischer Institutionen sowie die konsequente Förderung von Bürgerbewegungen im Bereich Umwelt und Soziales zurückzuführen ist.

Der HDI kann auch um die Ungleichheit im Land erweitert werden (in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Einkommen), dadurch erhält man den Inequality-adjusted Human Development Index (IHDI) (UNDP 2019). Wie In Abbildung 28 sichtbar liegt Costa Rica auch beim IHDI etwas über dem globalen Durchschnitt (je höher der Index desto höher die Ungleichheit im Land). Oviedo et al. (2015) zeigen auf, dass die Ungleichheit (gemessen am Gini Koeffizienten) in Costa Rica schwankt, ursprünglich war es das Land mit der geringsten Ungleichheit in LAC, heute liegt es am Median. Zwischen 1989 und 2000 lag der Gini in Costa Rica durchschnittlich bei 45, von 2001 bis 2009 sank er kurz, um am Ende der Periode auf 50 zu steigen. Zwischen 2010 und 2017 liegt er schließlich bei 48, in der übrigen LAC Region ist er dagegen von 2000 bis 2012 kontinuierlich gesunken. Dies reflektiert die wachsende Kluft zwischen den armen und reichen Bevölkerungsschichten in Costa Rica bezüglich Einkommen und Bildungsniveau. Der prozentuelle Anteil der Gesamtbevölkerung in Armut konzentriert sich in Costa Rica in den geographischen Grenzregionen. Absolut leben jedoch im Zentraltal die meisten Menschen in Armut. Haberl et al. (2017) heben die Bedeutung der räumlichen

Verteilung der Materialbestände zur Erfüllung von Services hervor. Die Bevölkerungsdichte ist in den Grenzregionen Costa Ricas geringer (Oviedo et al. 2015), die Konzentration der Materialbestände im Zentraltal ist eine mögliche Erklärung für das hohe Wohlstandsniveau mit relativ niedrigem Materialbestand pro Kopf.

Der Fall Costa Ricas zeigt auf, dass bereits mit moderatem Materialbestand ein hohes Wohlstandsniveau erreicht werden kann. In Costa Rica und auf globaler Ebene nimmt der HDI nur wenig zu, in beiden Fällen jedoch in ähnlichem Ausmaß. Zieht man den SPI in Betrachtung, zeigt sich, dass Costa Rica hier im Vergleich zu seinen Peers besonders hohe Werte des SPI erreicht. Folglich ist das BIP nicht der wichtigste Faktor für ein hohes Wohlstandsniveau in einem Land. Auch auf Ebene der Materialbestände und dem Wohlergehen (t/Kopf/SPI) erreicht Costa Rica beeindruckende Ergebnisse. So liegt der Aufwand in Tonnen pro Kopf für einen Punkt auf dem SPI um 44% unter dem globalen Durchschnitt. Daraus lässt sich schließen, dass, wie auch Haberl et al. (2019) aufzeigen, zwischen Ressourcenflüssen und Wohlergehen kein linearer Zusammenhang besteht.

Abbildung 28: Materialbestand und Wohlergehen in Costa Rica, Japan, USA, China und global.

Anm.: Materialbestand (primäre Achse) für Costa Rica 2016 aus eigenen Berechnungen, Japan und USA 2005 nach Fishman et al.

(2014), China und global 2010 nach Krausmann et al. (2017); Social Progress (SPI) Daten (sekundäre Achse) wurden nach Verfügbarkeit aus 2014 (Japan, USA, China, global) und 2016 (Costa Rica) verwendet (Porter et al. 2016); Inequality-adjusted Human Development Index, IHDI (sekundäre Achse) aus 2016 nach UNDP (2019); wie viele Tonnen pro Kopf pro Punkt auf dem SPI benötigt wurden (t/Kopf/SPI), wurde auf den globalen Mittelwert=100 indexiert (primäre Achse).

Abbildung 29: Bruttoinlandsprodukt/Kopf und Dimensionen des Social Progress Index (SPI) in Costa Rica und Peerländern.

Anm.: BIP/Kopf KKP in 2018 US$ auf primärer Achse nach The World Bank (2019); die einzelnen Dimensionen des SPI (sekundäre Achse) ergeben im Mittelwert den gesamten SPI nach Porter und Green (2016).