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2.1 Transiente Expression und Zellkultivierung

Zur Expression von Glutamatrezeptor-Kanälen (GluR-Kanälen) verwendete transformierte humane embryonale Nierenzellen (HEK) 293 werden im Medium (Kulturmedium; s. Kap. 2.3 Lösungen) bei 37˚C in einem mit 5 % CO2 und 95 % Raumluft gefüllten Inkubator in speziellen Zellkulturflaschen kultiviert.

Die AMPA- und Kainat-Rezeptor-cDNAs liegen als Expressionskonstrukte subkloniert in pcDNA3-Expressionsvektoren (Invitrogen) vor. Ebenfalls in pcDNA3 kloniertes grünes Fluoreszenzprotein (GFP) dient der fluoreszenzoptischen Identifizierung transfizierter Zellen. Die Transfektion der Rezeptor-cDNA in HEK293-Zellen erfolgt am Vortag eines jeden Experimentiertages, da die transient exprimierten Rezeptoren etwa zwischen der 15. und 72. Stunde nach Transfektion ausreichend exprimiert werden (Neumann et al. 1982; Krampfl et al. 2001).

2.2 Transfektion

Unter der Transfektion wird das Einbringen von Fremd-DNA in lebende eukaryotische Zellen verstanden. In dieser Arbeit wurde die entsprechende Rezeptor-cDNA mit Hilfe der Elektroporations-Technik in HEK293-Zellen eingeschleust.

Die Transfektion der Rezeptor-cDNA in HEK293-Zellen wird unter sterilen Bedingungen an einer sterilen Werkbank durchgeführt. Zu Beginn wird das Kulturmedium von einer konfluent mit HEK293-Zellen bewachsenen Zellkulturflasche abgekippt und der Flaschenboden mit 3 ml PBS (s. Kap. 2.3.

Lösungen) vorsichtig gereinigt. Durch die Zugabe einer Trypsin-Lösung werden die Zellen durch sanftes Klopfen und Schütteln vom Boden der Flasche gelöst.

Die Neutralisation der enzymatischen Wirkung vom Trypsin erfolgt durch das Trypsin-Inaktivatorhaltige Kulturmedium (siehe Kap. 2.3 Lösungen). Nach gründlichem Resuspendieren durch Auf- und Abpipettieren werden 3 ml der Suspension zum Animpfen einer neuen Kulturflasche verwendet und der Rest in ein 50 ml-Zentrifugenröhrchen pipettiert. Während der anschließenden Zentrifugation (5 min bei 1000 rpm und 36˚C) werden die mit Deckgläschen (Durchmesser 12 mm) versehenen runden Zellkammern (Wells) sowie die neu beimpfte Flasche mit Kulturmedium aufgefüllt. Die Portionen aus aliquotiertem GFP (3 µg Fluoreszenzprotein-DNA) und 10-25 µg der gewünschten für die AMPA- oder Kainat-Rezeptor-Untereinheit kodierten cDNA werden in einem Eppendorffgefäß vermischt. Nach der Zentrifugation wird der Überstand verworfen, 2.0 ml Elektroporationspuffer (s. Kap. 2.3 Lösungen) und 50 µl 1 M MgSO4 hinzugegeben und durch weiteres Auf- und Abpipettieren gründlich resuspendiert. Je 0.4 ml der Zellsuspension werden in einem weiteren Schritt in dem Eppendorffgefäß mit der Plasmid-DNA vermischt und dann in die Elektroporationküvette pipettiert. Durch Applikation eines Strompulses durch die Elektroden der Küvette (Elektroporation) wird die Membran der HEK293-Zellen kurzfristig für die Plasmid-DNA permeabel, wodurch die Aufnahme der cDNA in

die Zelle ermöglicht wird. Die transfizierten HEK293-Zellen werden in Wells a`

40-60 µl pipettiert und für ca. 15 Stunden im Brutschrank inkubiert.

2.3 Lösungen

Zur Kultivierung der HEK293-Zellen wird ein spezielles Nährmedium verwendet, das sich aus 500 ml Hams F-12 Medium, 500 ml Dulbecco´s Modifiertes Eagle Medium (DMEM), 10 % fetalem Kälberserum (FCS) und 5 ml einer Penicillin-Streptomycin-Lösung (10 IE/100 ml Penicillin, 10000 µg/100 ml Streptomycin) zusammensetzt. Als Badlösung bzw. Hintergrundlösung wird eine Ringerlösung (162 mM NaCl, 5.3 mM KCl, 0.67 mM Na2HPO4, 0.22 mM KH2PO4, 15 mM Hepes und 6 mM α-D-Glucose) verwendet. Nach Einstellung des pH-Wertes auf pH = 7,4 mit Natronlauge (NaOH) wird 2 mM CaCl2 hinzugegeben. Die Einstellung der Osmolarität auf 340 mOsm erfolgte zuletzt mit Mannit. Die Intrazellulärlösung, bestehend aus: 140 mM KCl, 2 mM MgCl2, 11 mM EGTA, 10 mM HEPES und 10 mM Glucose, ist für das Füllen der Patchpipetten vorgesehen. Die pH-Einstellung mit 1 M KOH auf pH = 7,4 und die Einstellung der Osmolarität mit Mannit auf 305 mOsm erfolgt abschließend. PBS (phosphate buffered saline) dient der Reinigung der am Boden der Kulturflaschen wachsenden HEK293-Zellen vom serumhaltigen Medium. 10 Einheiten PBS-Stammlösung werden mit 1.3 M NaCl, 70 mM Na2HPO4 in entionisiertem Wasser angesetzt, (DEPC (Diethylpyrocarbonat)-behandelt) und autoklaviert. Ein spezieller Puffer (50 mM K2HPO4, 20 mM K-Acetat, 1 l Aqua dest.) dient als Elektroporationspuffer (siehe Kapitel 2.2 Transfektion). Der ph

wird mit Essigsäure auf 7.35 eingestellt. Die Lösung wird sterilfiltriert und dann autoklaviert. Zum Lösen der HEK293-Zellen vom Boden der Zellkulturflasche wird Trypsin verwendet. Eine Einheit Trypsin-Stammlösung wird mit neun Einheiten PBS verdünnt.

Die untersuchten Testsubstanzen Brilliantsäuregrün (Lebensmittelfarbstoff E142, C27 H25 N2 NaO7 S2, (Abb. 4)) und Pentobarbital (Abb.5 A) liegen beide als Pulver vor. Zur Herstellung der Testlösungen werden Brilliantsäuregrün bzw.

Pentobarbital zusammen mit Glutamat-Kristallen in Extrazellularlösung gelöst.

Die Lösungen haben eine Zusammensetzung aus jeweils 3 mmol Glutamat und 0.1, 0.3, 1, 3 oder 10 mmol Brilliantsäuregrün bzw. Pentobarbital. Um ein Auspflocken der höchsten Pentobarbitalkonzentration zu verhindern, wurde es in 2 Tropfen DMSO (Dimethylsulfoxid) gelöst. Je nach Konzentration der Testsubstanz Brilliansäuregrün färben sich die Lösungen von schwach bis tief blau, im Falle von Pentobarbital sind sie farblos. Zur Herstellung der Kontroll-Lösung wird kristalloides Glutamat in Extrazellularpuffer aufgelöst und schließlich so verdünnt, dass eine Lösung mit einer Glutamatkonzentration von 3 mmol vorliegt.

Die Kontroll-Lösung und die zu untersuchende Brilliantsäuregrün- bzw.

Pentobarbital-Lösung füllen zwei getrennte Applikationssäulen. In der Pentobarbital-Testreihe werden die Kontroll-Lösungen zum Sichtbarmachen der ausströmenden Flüssigkeit mit Evans Blue angefärbt, in der Brilliantsäuregrün-Testreihe ist Brilliantsäuregrün selber das Färbemittel. In aufsteigender

Konzentrationsreihe werden abwechselnd Kontroll- und Test-Lösung appliziert.

Die Messungen beginnen und enden mit Kontrollableitungen.

2.4 Die Patch-Clamp-Technik

Als Vorläufer der Patch-Clamp-Technik entwickelten Kenneth S. Cole und H. J.

Curtis die Technik der Spannungsklemme (Voltage-Clamp) Ende der dreiziger Jahre. Mit dieser Technik untersuchten Hodgkin und Huxley Anfang der fünziger Jahre die Entstehung des Aktionspotentials am Riesenaxon des Tintenfisches. Sie konnten die Ionenflüsse des Aktionspotentials näher charakterisieren und erhielten erste Hinweise auf spannungsabhängige ionenselektive „Tore“ in der Zellmembran. 1972 gelang es Bernhard Katz zusammen mit Ricardo Miledi zum ersten Mal die Eigenschaften von Ionenkanälen in der Membran erregbarer Zellen zu messen. Sie konnten aus ihrer Analyse des „elektrischen Rauschens“ ableiten, dass ein Acetylcholinrezeptor nach Acetylcholinapplikation rund zehn Millionen Ionen pro Sekunde leitet und festigten damit die Hypothese, dass es sich damit um einen Ionenstrom und nicht um einen aktiven Carriertransport handelt. Erst Anfang der siebziger Jahre erreichten Erwin Neher und Bert Sakmann die direkte Beobachtung einzelner Kanäle. Dieser Fortschritt gelang ihnen durch eine modifizierte Voltage-Clamp-Technik, der sogenannten Patch-Clamp-Technik.

Das Verwenden einer frischen, polierten und mit leichtem Unterdruck versehenen Patchpipette führte durch Reduktion von Leckströmen zu einer Reduktion des „Hintergrundrauschens“.

2.5 Der Messstand

Zur Fokussierung und Darstellung von Pipettenspitze und HEK293-Zellen wird ein aufrechtes Mikroskop (Zeiss) mit einem 40-fach verstärkendem Wasserimmerssionsobjektiv verwendet. In den Objekttisch ist eine durchsichtige Einsenkung eingebaut, die mit Badlösung über eine Zulaufvorrichtung perfundiert wird.

Abb. 6. Fotographische Abbildung der Patch-Clamp-Einheit mit Mikroskop (1), Pipettenhalter (2), Objekttisch mit Messkammer (3), Mikromanipulator (4), Ticker (5), Applikationsumschalter (6), Hintergrundperfusionssystem (7), Badlösungsvorratsflasche (8), Unterdruckspritze (9).

In dem Flüssigkeitsfilament der in der Stömungsrichtung der Zulaufvorrichtung positionierten Applikationskapillare finden die Messungen statt (Abb. 8). Ein Ablauf, sowie eine Überlaufvorrichtung dienen zur Aufrechterhaltung eines konstanten Flüssigkeitsspiegels. Die HEK-Zellen werden auf dem Boden der

Messkammer zentral positioniert. Die Fokussierung der Pipette bzw. der Zelle geschieht durch Annäherung des Objektives relativ zur Objekttischkammer mit Hilfe eines hydraulischen Manipulators in einem Winkel von ungefähr 45º (Abb.

6 und 8). Für die genaue Einstellung der Pipette unter dem Mikroskop und die subtile Annäherung an die wenige Mikrometer große Zelle wird ein Mikromanipulator mit Bewegungsgenauigkeit von unter 1 µm benutzt.

Mikroskop, Mikromanipulator und Pippettenhalter (Abb. 7) sind auf einem schwingungsgedämpften Tisch befestigt, um störende Bewegungen zwischen Pipette und Präparat zu verhindern (Abb. 6 u. 9). Eine Verminderung des

„Hintergrundrauschens“ wird über einen Faraday-Käfig gewährleistet. Ein Silber/Silberchlorid-Draht stellt die elektrische Verbindung zwischen Pipette und Vorverstärker her (Abb. 7).

Abb. 7. Pipettenhalter mit Elektrodendraht aus Silber, Patchpipette und elektrischem Anschluß zum Vorverstärker (aus Numberger und Draguhn 1996).

Eine langsame Hintergrundperfusion dient zur Durchführung von Vorinkubationsexperimenten, in der die Testlösung die gesamte Badlösung ersetzt (Abb. 6, Abb 15 F, Tab. 8). Für diese Arbeit wurde hauptsächlich ein ultraschnelles Applikationssystem verwendet. Die Testsubstanz oder die Kontroll-Lösung strömen aus einer Kapillare (Lösungsfilament) eines luftdruckbetriebenem Zweikammersystems in eine Messkammer, in die die

„gepatchte“ Zelle gesteuert wird (Abb. 8). Das über ein Piezokristall gesteuerte ultraschnelle Perfusionssystem wird zur schnellen Applikation des Neurotransmitters Glutamat auf Membranflecken (outside-out-patches) oder kleine ganze Zellen in der „whole-cell-Konfiguration“ verwendet (Dudel et al.

1990; Jahn et al. 1997; Jonas 1995; Jones und Westbrook 1996; Franke et al.

1987). Dieses System ermöglicht es, den Lösungswechsel unter 100 µs bis auf 40 µs genau zu definieren (Bufler et al. 1996; Heckmann et al. 1996; Jahn et al.

1998, Krampfl et al. 2001).

Abb. 8. Vereinfachte Darstellung der schnellen Applikationstechnik (seitliche Ansicht). Das Lösungsfilament (liquid filament) ist dunkelgrau dargestellt. Die beiden Fotographien rechts (Ansicht von oben) zeigen die Position der Pipettenspitze (siehe Pfeil) zum Lösungsfilament vor Applikation (oben) und nach Applikation (unten), (aus Numberger und Draguhn 1996).

Die ultraschnelle Substanzapplikation ist somit ein System, das den Lösungswechsel in kürzerer Zeit vornimmt als die schnellste zu messende Zeitkonstante (z. B. Anstiegszeit, Deaktivierung oder Desensitisierung). Die Kontrolle des schnellen Lösungswechsels nach jedem Experiment erfolgt durch eine in die Messkammer eingeführte, mit hypoosmolarer Lösung (Aqua dest.

und extrazelluläre Lösung im Verhältnis 9:1) gefüllten Pipette (Open-Tip-Messung, Abb. 12).

Abb. 9. Fotographische Abbildung eines Patch-Clamp-Messstandes, bestehend aus Faraday-Käfig (1), schwingungsgedämpftem Tisch (2), Patch-Clamp-Einheit (3), (siehe Abb. 6), Absaug-und Überlaufpumpen (4), Analog-Digital-Umwandler (5), Oszilloskop (6), Patch-Clamp-Verstärker (7), Ticker-Patch-Clamp-Verstärker (8), Computereinheit zur „online“ Datenregistrierung (9) und DZM-Pipetten-Puller (10).

Je nach Fragestellung wird die Pulsdauer und Pulsfrequenz mit Hilfe der Software pClamp6 (Axon Instruments) programmiert und durch ein Piezo-Kristall-getriggertes Applikationssystem auf die Zelle oder den Membranfleck appliziert.

Für die Messungen werden Patchpipetten aus Borosilikatglas (Borosilikat, GC150TF-10 1.5 mm Außendurchmesser; 1.17 mm Innendurchmesser) in einem DZM-Pipetten-Puller (Zeitz Instruments) in zwei Arbeitsschritten hergestellt und unter Hitze poliert. Der von der Pipettenöffnung abhängige Widerstand liegt zu Beginn der Messung zwischen 6 und 12 MΩ. Nach Füllen der Pipette mit 0.01 ml Intrazellularlösung (s. Kap. Lösungen) und festem Einspannen in den Pipettenhalter, sowie Anvisierung der Zelle kann über eine seitlich am Pipettenhalter angebrachte Unterdruckvorrichtung die Zelle angesaugt werden.

2.6 Das Prinzip der Patch-Clamp-Technik

Abb. 10. Vereinfachte Darstellung der elektrischen Verschaltung zum Prinzip der Patch-Clamp-Technik. Upip: Pipettenspannung = Membranspannung in mV; Usoll: Sollspannung = Kommandospannung in mV; Uaus: Ausgangsspannung in mV; Rf = Rückkopplungswiderstand in Ω. Weitere Erläuterungen im Text (aus Numberger und Draguhn 1996).

Die Patch-Clamp-Technik stellt eine elektrophysiologische Methode dar, mit der das Messen von Ionenkanalströmen durch Membranen von nativen oder kultivierten Zellen ermöglicht wird. Gemessen wird jedoch nicht der direkte Strom, sondern ein sogenannter Kompensationsstrom. Dabei handelt es sich um eine Strominjektion des Vorverstärkers in die Pipette, die genau dann stattfindet, wenn das Membranpotential von einer vorgegebenen Sollspannung

Usoll abweicht. Der Kompensationsstrom ist genauso groß wie der Strom, der durch die Membran fließt, er ist diesem nur entgegengerichtet. Grundlage für diesen Vorgang ist ein Rückkopplungsmechanismus: Das Membranpotential wird gemessen und mit der Kommandospannung (Sollspannung) verglichen.

Bei einer Abweichung beider Potentiale wird der oben erwähnte Kompensationstrom in die Zelle injiziert. Die Funktionsweise des Vorverstärkers ist vereinfacht in dem Schaltbild in Abbildung 10 dargestellt. In den Operationsverstärker (OPA) wird das Pipettenpotential Upip und die über den Verstärker vom Experimentator vorgegebene Sollspannung Usoll eingespeist.

Bei einer Differenz dieser beiden Spannungen ensteht am Ausgang des OPA eine verstärkte, aber proportionale Spannung. Die über dem Rückkopplungswiderstand Rf liegende Spannung erzeugt einen Stromfluß (Kompensationsstrom) in der Pipette, aufgrund seines hohen Widerstandes nicht im OPA. Der Strom fließt bis zum Angleichen von Upip und Usoll. Die Ausgangsspannung, d.h. die Spannung über Rf wird an die Steuereinheit des Verstärkers gesandt und dort mit einem von Rf abhängigen Kalibrierungsfaktor in Stromstärke umgerechnet. Bei der Messung ist schließlich zum einen das Potential der Zelle oder der Pipette gleich Usoll und zum anderen wird der hierfür notwendige Kompensationsstrom aufgezeichnet.

Nach Auffinden einer geeigneten fluoreszierenden Zelle wird mit Hilfe des Mikromanipulators die zuvor in das Sichtfeld gebrachte Pipettenspitze langsam an die Zelle herangeführt. Die Erzeugung eines Widerstandes im GΩ-Bereich zwischen der Patchpipette und der Zellmembran durch Anlegen eines leichten

Unterdruckes ist Vorraussetzung für die elektrische Isolierung des durch die Elektrode bedeckten Membranbereiches von der Umgebung und damit für eine qualitativ hohe Messung. Durch Manipulationen mit dem Mikromanipulator, der Unterdruckvorrichtung oder Applikation kurzer Stromimpulse über den Verstärker können verschiedene Messkonfigurationen erzeugt werden (Abb. 11;

verändert nach Hamill et al. 1981). Die herausgelöste ganze Zelle (whole-cell) oder der aus der „whole-cell“ durch langsames Zurückziehen gewonnene Membranfleck mit nach außen zeigender extrazellulärer Seite (outside-out-patch) werden schließlich in die Messkammer vor die Kapillare des Applikationssystems gefahren. Die Pipette wird so vor dem ausströmenden Flüssigkeitsfilament eingestellt, so dass sie nur für die Zeit des Pulsprogramms mit der laminar ausströmenden Testsubstanz bzw. Kontroll-Lösung in Kontakt steht (Pusch und Neher, 1988; Marty und Neher, 1995).

Abb. 11. Vereinfachte Anordnung verschiedener Patch-Konfigurationen. Nach Kontakt der Zellmembran mit der Patchpipette und Anlegen eines Unterdruckes wird die Ausgangskonfiguration „cell attached“ erreicht. Ein höherer Unterdruck wird angelegt, um den von der Patchpipettenöffnung eingeschlossenen Membranteil einzureißen und damit eine Verbindung zwischen intrazellulärem Raum der Zelle und dem Inneren der Patchpipette zu schaffen. Entweder wird diese Zelle in der „whole-cell-Konfiguration“ langsam gelöst und in die Messkammer gesteuert oder die Patchpipette löst durch langsames Zurückziehen von der Zellmembran einen Membranfleck heraus, der schließlich ebenfalls in die Messkammer gefahren wird. Die extrazelluläre Seite des Membranfleckes zeigt charakteristischerweise nach außen (outside-out-patch), (aus Numberger und Draguhn 1996).

2.7 Pulsprogramme und Auswertung der Daten

Wie bereits in Kapitel 1 beschrieben, kommt es bei der Aktivierung von AMPA- und Kainat-Rezeptoren durch Glutamat zu einem schnellen Anstieg des

Stromtransienten bis zum Erreichen einer maximalen Amplitude und schließlich zu einer Abnahme der Stromantwort in Anwesenheit des Agonisten bis zur Einstellung eines Gleichgewichtsstromes. Das hier verwendete Computerprogramm clampEx (Axon Instruments) erlaubt die Aufnahme der Daten und die Erstellung von Pulsprogrammen, die die Applikationsdauer der Testlösung, sowie die Pausenintervalldauer vorgeben. Die in dieser Arbeit untersuchten unterschiedlichen kinetischen Größen erfordern zwei unterschiedliche Messprotokolle (Abb. 13, Tab. 1).

Zur Untersuchung der Deaktivierung werden Einzelpulse von 1 ms Dauer (Messprotokoll B) verwendet (Abb. 13 B). Die Parameter Desensitisierung und

„steady-state-Strom“ werden mit Hilfe von Einzelpulsen von 50, 100 oder 200 ms Dauer (Messprotokoll A, Abb. 13 A), die Aktivierung und die Spitzenstromamplitude in beiden Messprotokollen gemessen. Diese beiden Messprotokolle werden zur Untersuchung der Dosis-Wirkungsbeziehung auf die kinetischen Parameter in aufsteigenden Konzentrationsreihen von Brilliantsäuregrün bzw. Pentobarbital beginnend mit 10-4 bis maximal 10-2 mol angewandt. Der Puls wird für die Kontroll-Lösung und in jedem Konzentrationsbereich der Testsubstanz (Brilliantsäuregrün oder Pentobarbital) 3 bis 10 mal wiederholt. Eine weitere Variation stellen Vorinkubationsexperimente mit Pentobarbital zur Messung eines möglichen kompetitiven Blocks durch die Testsubstanzen dar. Dazu wird vor der schnellen Applikation eines 100 ms-Pulses Pentobarbital über die Hintergrundlösung appliziert.

Die Daten werden mit dem Programm Clampfit (Axon Instruments) ausgewertet. In jeder Sequenz (Kontrolle oder Testsubstanz) werden die 3-10 Einzelschüsse gemittelt und schließlich analysiert. τDeak, τDes und die ttp werden bei der statistischen Auswertung als Absolutwerte verwandt, die Amplitude wird vor der statistischen Auswertung aufgrund zu großer Schwankungen zwischen den Experimenten und zum Ausgleich einer zunehmenden Inaktivierung der gemessenen Ströme mit fortschreitender Dauer des Experimentes (Rundown) in die normalisierte Amplitude und der state“ in den relativen „steady-state“ umgerechnet (siehe Kap. 3.1-3.3). Die normalisierte Amplitude entspricht dem Mittelwert des Verums (Amplitude in pA) dividiert durch den Mittelwert der Kontrollen (Amplitude in pA) vor und nach der Testsubstanz-Gabe [Verum/(Kontrolle vor + Kontrolle nach )/2] ± Standardfehler. Der relative „steady-state“ berechnet sich aus dem Verhältnis aus „steady-„steady-state“ und Amplitude (relativer steady-state = steady-state/Amplitude). Zum Vergleich der Mittelwerte der kinetischen Parameter beider Rezeptoren (s. Kap. 3.5) und beider Testsubstanzen am Kainat-Rezeptor (s. Kap. 3.4) wurden die prozentualen Änderungen der Messgrößen des Verums gegenüber den Messgrößen der Kontrolle bestimmt (siehe Tab. 20).

Alle Experimente zum Messprotokoll B zur Bestimmung der Deaktivierung wurden an „outside-out-patches“ des AMPA-Rezeptors GluR2flipRN bzw. des Rezeptors GluR6Q durchgeführt. Auch die Experimente des Kainat-Rezeptors zum Messprotokoll A zur Bestimmung der Desensitisierung liefen an Membranflecken in der „outside-out-Konfiguration“. Lediglich die

Desensitisierungskinetik (Messprotokoll A) des AMPA-Rezeptors GluR2flipRN konnte nur an „whole-cell-Experimenten“ bestimmt werden, da an „outside-out-patches“ keine messbaren Ströme vorzufinden waren.

ttp= 0.15 ms

30 pA 2 ms

Abb. 12. Darstellung eines „leaky patches“ mit einem Lösungswechsel innerhalb von 0.15 ms durch das piezobetriebene Applikationssystem und eines monoexponentiellen Fits der Anstiegszeit.

Puls

Puls A

B

Abb. 13. Schematische Darstellung der beiden verwendeten Pulsprogramme. Pulsprogramm A:

Einzelpulsprogramm zur Bestimmung der Aktivierung, Desensitisierung, des „steady-state-Stromes“ und der Spitzenstromamplitude mit einem 50-, 100- oder 200-ms-Einzelpuls für GluR6Q mit Wechsel zwischen schneller Applikaton von 3 mM Glutamat-Kontroll-Lösung und Brilliantsäuregrün-Glutamat-Lösung bzw. Pentobarbital-Glutamat-Lösung und für den GluR2 flipRN mit Wechsel zwischen Kontroll-Lösung und aufsteigenden Brilliantsäuregrün-Konzentrationen + 3 mM Glutamat (Dosis-Wirkungs-Experimente). Zusätzlich Vorinkubationsexperimente mit Pentobarbital am GluR6Q mit anschließendem 100-ms-Einzelpuls mit Pentobarbital-Glutamat-Lösung (Test eines kompetitiven Blocks). Zwischen den Einzelpulsen beträgt das Pausenintervall bei den Vorinkubationsexperimenten 30-60 s, bei den übrigen 10 s. Pulsprogramm B: Einzelpulsprogramm zur Bestimmung der Deaktivierung, Spitzenstromamplitude und Aktivierung, jeweils 1-ms-Einzelpulse wie in der oben unter A beschriebenen Struktur ohne Vorinkubationsexperimente.

Pulsprogramm-

variable kinetische Parameter

50

Tab. 1. Darstellung der beiden unterschiedlichen Pulsprogrammtypen. Das Pulsprogramm, das Haltepotential und die Verstärkung werden während des gesamten Experiments konstant gehalten. Die gemessenen variablen Größen sind die kinetischen Parameter: time to peak (ttp), Amplitude (peak), Desensitisierung (τDes), Deaktivierung (τDeak) und „steady-state“ (c). τDeak,τDes

und die ttp werden bei der statistischen Auswertung als Absolutwerte verwandt, die Amplitude wird vor der statistischen Auswertung in die normalisierte Amplitude und der „steady-state“ in den relativen „steady-state“ umgerechnet. Die normalisierte Amplitude entspricht dem Mittelwert des Verums (Amplitude in pA) dividiert durch den Mittelwert der Kontrollen (Amplitude in pA) vor und nach der Testsubstanz-Gabe [Verum/(Kontrolle vor + Kontrolle nach )/2] ± Standardfehler. Der relative „steady-state“ berechnet sich aus dem Verhältnis aus „steady-state“ und Amplitude (relativer steady-state = steady-state/Amplitude).

2.8 Statistische Verfahren

Die statistische Auswertung erfolgte mit dem Statistikprogramm SPSS (Version 11.5). Nach dem Erstellen einer Matrix wurden die Daten zunächst deskriptiv untersucht. Die Signifikanzen der Mittelwertvergleiche der kinetischen Parameter innerhalb einer Stichprobe wurden mit dem t-Test für abhängige Stichproben bei vollständig geordneten Hypothesen (multipler Test), (Lehmacher 1991; Hecker 1974) getestet, wohingegen die Gruppenvergleiche mit dem t-Test nach Student für unabhängige Stichproben bei vollständig geordneten Hypothesen durchgeführt wurden. Die t-Tests wurden bei einem Signifikanzniveau von α≤ 0.05 zweiseitig getestet.

Der t-Test vollständig geordneter Hypothesen für abhängige Stichproben wurde als multipler Test für die Messreihen der Substanzen benutzt. Die Mittelwerte der elektrophysiologischen Parameter wurden jeweils in 3 Konzentrationen von Brilliantsäuregrün bzw. Pentobarbital und jeweils 3 mM Glutamat gegen die Kontrolle (3 mM Glutamat) getestet. Zur Beschränkung der Irrtumswahrscheinlichkeit auf 0.05 und zur Vermeidung der sogenannten

„Inflation des α-Fehlers“, wurde der t-Test sequentiell - bei der höchsten Konzentration beginnend und bei der kleinsten endend - durchgeführt. Die Gesamtprozedur wurde gestoppt, sobald eine Nullhypothese akzeptiert werden mußte (Lehmacher 1991). Zum Beispiel wurde mit dem t-Test für abhängige Stichproben für τDes an der Untereinheit GluR6Q des Kainatrezeptors bei der Konzentration 10 mM Pentobarbital + 3 mM Glutamat gegenüber τDes der

Kontrolle mit 3 mM Glutamat begonnen. Bei signifikantem Unterschied folgte die Testung von τDes der Konzentration 3 mM Pentobarbital + 3 mM Glutamat gegenüber τDes der Kontrolle, bei nicht signifikantem Ergebnis wurde der Test gestoppt.

Mit dem t-Test nach Student für unabhängige Stichproben (Pospeschill 2000) wurden zum einen die elektrophysiologischen Parameter der Substanzen Pentobarbital und Billiantsäuregrün am gleichen Rezeptor GluR6Q miteinander verglichen (Substanzvergleich, siehe Tab. 20), zum anderen die Parameter von Brilliantsäuregrün an den beiden Rezeptoren GluR6Q und GluR2flipRN (Rezeptorvergleich, siehe Tab. 20). Zum Beispiel wurde der t-Test für unabhängige Stichproben für die relative prozentuale Abweichung von τDes bei Pentobarbitalapplikation zu τDes der Kontrolle (Pentobarbitalgruppe) mit der relativen prozentualen Abweichung von τDes bei Brilliantsäuregrünapplikation zu τDes der Kontrolle (Brilliantsäuregrüngruppe) an der Untereinheit GluR6Q des Kainat-Rezeptors verglichen. Vor Anwendung des t-Testes für unabhängige Stichproben wurde mit dem Levene-Test getestet, ob Varianzhomogenität zwischen den beiden Gruppen besteht. Bei einer Signifikanz (σ) > 0.2 wurde der t-Test für gleiche, bei σ < 0.2 der t-Test für ungleiche Varianzhomogenitäten durchgeführt (Pospeschill 2000). Auch der t-Test für unabhängige Stichproben wurde als multipler Test sequentiell mit der größten Konzentration beginnend und mit der kleinsten endend bis zur Akzeptanz einer Nullhypothese durchgeführt.

3 Ergebnisse

3.1 Pharmakologische Wirkung von Pentobarbital am Kainat-Rezeptor GluR6Q

3.1 Pharmakologische Wirkung von Pentobarbital am Kainat-Rezeptor GluR6Q