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Die Manko-Zession von Obligationen

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Mus äem baltikcken Kecktsleben

2. Die Manko-Zession von Obligationen

Am 5. Dezember 1912 erfolgte eine Senatsentscheidung über die Blanko-Zession von hypothekarisch besicherten Forderungen, bei uns zu Lande meist ungenau Obligationen genannt, die in Iuristenkreisen und von der Presse mit großer Befriedigung aufgenommen wurde. Hatte man sich doch nie verhehlen können, daß die rechtlichen Grundlagen dieses Instituts außerordentlich unsicher waren. Denn während die in blanko oder auf den Inhaber zedierte Obliga­

tion im geschäftlichen Leben eine sehr große Rolle spielte, mußte es jedermann klar sein, daß, streng genommen, der Erwerb einer solchen mit einem bedeutenden Wagnis verknüpft war. Man konnte in keiner Weise darauf bauen, daß sie nicht durch Einreden aus der Person eines Vorbesitzers und insbesondere durch die Einrede des Untergangs der Forderung durch Konfusion entkräftet werden würde. Gerade die Gefahr, daß diese letztere Einrede erhoben würde, durfte nicht unterschätzt werden: ist es doch eine alltägliche Erscheinung, daß der Eigentümer des mit einer Hypothek belasteten Grundstücks nach erfolgter Zahlung der Schuld die Hypothek nicht löschen, sondern sich die mit einem Vermerk über Blanko-Zession versehene Obligation aushändigen läßt, um sie im Falle neuen Kreditbedürfnisses weiter zu begeben. Derjenige, der sie nun erwirbt, muß aber darauf gefaßt sein, daß ihm die Tatsache der Konfusion entgegen gehalten wird. Denn der Grundeigentümer wurde durch Erwerb der gegen ihn gerichteten Forderung Gläubiger und Schuldner zugleich. Das jedoch ist — so wenigstens lehrt ein vom baltischen Provinzialrecht angenommener Grundsatz des römischen Rechts — unmöglich. Und deshalb muß die Forderung untergehen. Der neue Gläubiger hat also eine nicht mehr bestehende Forderung, ein rechtliches Nichts erworben und kann deshalb keine Zahlung verlangen.

Gerade ein solcher Fall ist nun vom Senat entschieden worden und zwar in dem im Interesse des Verkehrs durchaus erwünschten Sinne, daß die Konfusionseinrede in solchen Fällen unzulässig sei. Die Genugtuung, mit der dieses Urteil aufgenommen wurde, ist also durchaus verständlich. Leider muß aber gesagt werden, daß sie trotzdem nicht begründet ist. Denn der Spruch des Senats schafft keinerlei sichere Grundlage für-die Zukunft, aus dem einfa­

chen Grunde, daß er auf einer vollkommen falschen, ja, unhaltbaren Argumenta­

tion beruht. Es bedarf deshalb nur einer neuen Kassationsklage in einem ähnlichen Fall, die die Irrtümer des Senats aufdeckt, um zu der entgegenge­

setzten Entscheidung zu gelangen und damit die kaum gewonnene Rechtssicher­

heit wieder zu zerstören.

Der Senat nimmt zum Ausgangspunkt den Art. 3565, der die auf die­

sem Gebiet grundlegende Regel ausstellt : „Forderungsrechte erlöschen durch

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Konfusion, sobald die Eigenschaften des Gläubigers und des Schuldners in einer Person zusammentreffen". Er verweist jedoch weiter auf Art. 3567:

„Die durch Konfusion erloschene Forderung lebt wieder auf, wenn die Rechts­

veränderung, welche die Vereinigung von Forderung und Schuld hervorbrachte, rückgängig wird".

Auf dieser Bestimmung fußend erklärt der Senat, daß die Weitergabe der vom Schuldner zurückerworbenen Obligation als ein Umstand anerkannt werden müsse, der die Konfusion beseitigt und die Forderung nach Art. 3567 von neuem aufleben läßt.

Es fällt nun sofort ins Auge, daß diese Behauptung nicht schlüssiig ist.

Allerdings spricht der vom Senat angezogene russische Gesetzestext nicht von einer Rechtsveränderung, die rückgängig wird, sondern von einem „Umstände", der die Vereinigung von Forderung und Schuld hervorrief und der „zu be­

stehen aufhört". Doch auch dann ist es klar, daß der Gedankengang des Gesetzes und der des Senats sich nicht decken. Hier handelt es sich um einen Umstand, der angeblich die Konfusion beseitigt, dort um den Fortfall des Umstandes, der die Konfusion hervorrief. Das ist natürlich nicht ein und dasselbe.

Aber selbst wenn man dieses beiseite läßt, kann man der Auslegung nicht zustimmen, die der Senat dem Art. 3567 zuteil werden läßt. Denn keinesfalls kann man den Erwerb der Obligation durch den Schuldner, oder genauer die Befriedigung des Gläubigers für seine hypothekarisch besicherte Forderung als einen Umstand bezeichnen, der zuerst eintritt, um dann wieder fortzufallen. Ist einmal die Zahlung geschehen, möge sie auch in die Form einer Zession eingekleidet sein, so kann sie allenfalls durch Einigung unter denselben Personen rückgängig gemacht werden, indem das alte Schuldner-und Gläubigerverhältnis wieder hergestellt wird. Doch selbst darüber ließe sich streiten. UnmögliT) aber ist es, die Zahlung als Umstand anzusehen, der durch ein Rechtsgeschäft zwischen dem ehemaligen Schuldner und einer dritten Person rückgängig wird. Das widerspräche allen Gesetzen der Logik und nichts derartiges kann Art. 3567 im Auge gehabt haben. Die Zahlung ist vollzogen, die Forderung erloschen, eine Austilgung dieser Tatsache un­

möglich.

Was aber hat das Gesetz im Auge, wenn es von dem Rückgängig-werden der eingetretenen Rechtsveränderung spricht?

Auf diese Frage findet sich eine deutliche Antwort in den Quellen des Art. 3567. Es sind das zwei bekannte Digestenstellen:

1. 21 § 2 O. 5, 2. ?2u1v8 libro tertio responsorum. I6em re8-ponäit, evicta kereäitste per inokkiciosi yuerellsm ab eo qui Kere8 in8ti-tutu8 e88et, perinäe omnia 0d8ervar! oportere, ac 8i Kereäita8 säita non kui88et: et iäeo et petitionem inteAram cZebiti kerecli in8tituto aäver8U8 eum yui superavit competere et compen8ationem äebiti.

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1. 87 § 1 V. 29, 2. ?3pjnianu8 libro äecimo re8pon8orum: ?upi1-1i8, quo8 pwcuit oneridu8 kereäitan^ e88e 1iber3näo8, conku8a8 gctione8 re8titui oportet.

In beiden Fällen handelt es sich darum, daß ein bereits erfolgter Erb­

schaftserwerb rückgängig gemacht wird, dort dank der Anfechtung des Testa­

ments durch einen Noterben, hier durch Ausschlagung einer angefallenen Erb­

schaft seitens eines Unmündigen. Und einen analogen Vorgang sieht Art.

2674 vor, auf den gleichfalls im Art. 3567 verwiesen wird: „Die durch Kon­

fusion erloschenen dinglichen und Forderungsrechte des Erben werden durch den Verkauf der Erbschaft wieder hergestellt."

Es handelt sich also allemal darum, daß die Rechtsveränderung, durch die die Konfusion hervorgerufen wurde, rückgängig gemacht wird: der Erb­

schaftserwerb wird aufgehoben und damit fallen auch die von ihm gezeitigten Folgen fort. Insbesondere leben die Forderungen wieder auf, die der Erwerber an die Masse und die Masse an ihn hatte.

Nichts dem ähnliches liegt aber in dem Fall vor, der die in Rede stehende Senatsentscheidung behandelt. Die Rechtsveränderung, die zur Kon­

fusion führte, ist in voller Kraft geblieben und ein Wiederaufleben der Forderung kann deshalb auf keine Weise behauptet werden.

Unter solchen Umständen scheint nur eines übrig zu bleiben, die Aner­

kennung der Tatsache nämlich, daß die Konfusion einer in blanko zedierten Obligation unheilbar ist und daß daher eines der praktisch wichtigsten Institute des Provinzialrechts an einer verhängnisvollen Schwäche krankt, die es für Verkehrszwecke im Grunde unbrauchbar macht.

Glücklicherweise wäre ein solcher Schluß jedoch voreilig. Es besteht viel­

mehr die volle Möglichkeit, zu einem befriedigenden Ergebnis zu gelangen und zwar nicht indem man sich auf eine Wiederaufhebung der bereits erfolgten Konfusion stützt, sondern indem man die Möglichkeit deS Untergangs derartiger Forderungen durch Konfusion grundsätzlich verneint.

Man muß sich zunächst darüber klar werden, daß die Bestimmung, nach welcher eine Forderung durch Konfusion vernichtet wird, nicht den Eharakter einer positiven Norm hat, mag sie auch äußerlich das Gewand einer solchen tragen. Es handelt sich hier vielmehr einfach um einen logischen Schluß.

Dieser aber beruht, im Widerspruch zu der landläufigen Meinung, nicht darauf, daß niemand sein eigener Gläubiger oder Schuldner sein könne. Hieraus könnte mit Recht nur gefolgert werden, daß die Obligation unwirksam bleibt, solange die Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Hand dauert.

Untergang aber muß deshalb eintreten, weil durch die Konfusion der objektive Bestand der Obligation zu existieren aufhört.

Das trifft jedoch nur für ein solches positives Recht zu, das, gleich dem römischen, die Existenz der Obligation an die Person des Gläubigers und des Schuldners bindet und die Möglichkeit ihrer objektiven Verkörperung nicht

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anerkennt. Ein Recht jedoch, das auf dem entgegengesetzten Standpunkt steht, muß die absolut zerstörende Kraft der Vereinigung ablehnen. Hier kann diese nur auf die subjektive Seite des Rechtsverhältnisses einwirken und seine Latenz herbeiführen. Der objektive Bestand der Obligation dagegen bleibt unberührt.

Nun läßt das moderne Recht unbestreitbar eine Objektivation der Obli­

gation zu: sie kann in einem Wertpapier verkörpert werden und alsdann ist es vollkommen unschädlich, wenn dieses Wertpapier vom Aussteller zurück­

erworben wird und damit eine Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person eintritt. Nur versteht sich von selbst, daß die Forderung für die Zeit der Vereinigung ihre aktuelle Kraft einbüßt.

Wenn die Dinge aber so liegen, so hindert augenscheinlich nichts anzu­

erkennen, daß das von den römischen Juristen aufgestellte Prinzip des Unter­

ganges der Forderung durch Konfusion sich nur auf diejenigen Obligationen bezieht, die allein das römische Recht im Auge haben konnte, d. h. auf solche, die einer objektiven Verkörperung entbehren. Dagegen liegt nicht die geringste Veranlassung vor, den gleichen Grundsatz auf Obligationen anderer Art anzu­

wenden. Handelt es sich nicht um eine positive Norm, sondern nur um eine Formel, durch welche die Richtigkeit eines logisches Schlusses anerkannt wird, der sich aus dem Wesen einer bestimmten Kategorie von Forderungen ergibt, und hat die weitere Rechtsentwicklung einer andern Kategorie von Forderungs­

rechten zur Anerkennung verholfen, aus deren Wesen der gleiche Schluß nicht gezogen werden kann, so dürfen diese letzteren augenscheinlich nicht nach der in Rede stehenden Formel beurteilt werden.

Es würde zu weit führen, diese Auffassung durch die Anziehung von Belegen aus dem modernen westeuropäischen Recht zu stützen. Doch darf darauf verwiesen werden, daß das baltische Provinzialrecht selbst eine Gruppe von Forderungsrechten'kennt, die es durch Vereinigung nicht untergehen läßt.

Es sind das die in den Art. 3120 f. behandelten Forderungen aus Inhaber­

papieren. Inbezug auf sie übt die Konfusion keinerlei Wirkung aus. Und natürlich dürfte man nicht einwenden, daß es sich hier um einen Ausnahmefall handle, der durch die Interessen des Verkehrs bedingt sei. Denn wenn die zerstörende Wirkung der Vereinigung sich aus dem Wesen der Obligation als solcher und nicht bloß aus dem Wesen gewisser Kategorien von Obligationen ergäbe, so wären derartige Ausnahmen vollkommen unstatthaft. Die allge­

meine Regel müßte mit logischer Notwendigkeit auch auf Obligationen aus Inhaberpapieren angewandt und das Interesse des Verkehrs irgend wie auf anderm Wege befriedigt werden.

Doch davon kann selbstverständlich nicht die Rede sein. Vielmehr ergibt sich die Unschädlichkeit der Vereinigung für die Forderung aus dem Inhaber­

papier unmittelbar aus der Natur dieser Art von Forderung. Die Ursache hierfür aber liegt in dem Umstände, daß die Obligation dank ihrer objektiven

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Verkörperung in einem Wertpapier einen von der Person des Gläubigers und des Schuldners unabhängigen Bestand hat.

Genau das gleiche aber muß von einer Forderung gesagt werden, die durch eine Hypothek gesichert und in einer Obligation modern ausgedrückt:

in einem Hypothekenbrief — verköpert ist. Aus diesem Grunde muß die gegen sie gerichtete Einrede der Konfusion zurechtgewiesen werden. Art. 3567 dagegen muß außer Betracht bleiben, da er nicht die geringste Beziehung zu dem in Rede stehenden Fall hat.

Damit aber ist die hier behandelte Frage noch nicht erschöpft. Es bleibt eine andere Schwierigkeit zu überwinden, die nicht auf obligationenrechtlichem, sondern auf sachenrechtlichem Gebiet liegt.

Das moderne Liegenschaftsrecht läßt im Falle der Vereinigung von Grundeigentümer und Hypothekengläubiger in einer Person die Hypothek sich in eine Eigentümerhypothek oder richtiger in eine Eigentümergrundschuld ver­

wandeln. Das Provinzialrecht dagegen kennt grundsätzlich ein solches In­

stitut nicht. Es nennt vielmehr unter den Ursachen, aus denen die Hypothek erlischt (1597 vgl. 1421), auch die Konfusion, d. h. die Vereinigung von Eigentum und Pfandrecht in einer Hand, wobei der eben besprochene Fall allerdings nicht besonders vorgesehen ist, ohne daß doch Zweifel daran bestehen könnten, daß er hierher gehört.

Daraus könnte zunächst der Schluß gezogen werden, daß im Falle des Erwerbes einer in blanko zedierten Obligation durch den Grundbesitzer die Hypothek erlischt, obgleich die persönliche Forderung dank ihrer Verkörperung in einem Wertpapier bestehen bleibt. Es liegt auf der Hand, daß damit die Obligation ihre wirtschaftliche Bedeutung zum größten Teil einbüßen würde.

Davon abgesehen aber müßte die sehr schwierige Frage aufgeworfen werden, wie weit der sachenrechtliche Charakter des Hypothekenbriefes ein Fortbestehen der persönlichen Forderung nach Fortfall des dinglichen Rechtes selbst gestattet.

Indessen braucht auf dieses Problem nicht eingegangen zu werden, denn jener Schluß wäre übereilt. Art. 1598 nämlich bestimmt: „Der Erlöschungs­

grund allein genügt jedoch insofern nicht zur völligen Aufhebung der Hypo­

thek, als er in Beziehung auf Dritte nicht wirksam ist, so lange die Aufhebung der Hypothek nicht in das entsprechende öffentliche (Krepost-) Buch einge­

tragen ist".

Nun betont Prof. Erdmann allerdings in seinem „System des Privat­

rechts" (II, S. 376 f., 482 f.), daß unter den im Gesetz genannten Dritten ausschließlich die nachstehenden Hypothekengläubiger zu verstehen sind, die sonach durch Untergang der vorstehenden Hypothek, solange diese nicht im Grundbuch gelöscht ist, ihren Rang nicht verbessern. Dagegen dürfen unter den „Dritten" nicht etwa „Zessionare oder sonstige Rechtsnachfolger der untergegangenen Hypothek" verstanden werden, „denn diese sind eben nicht mehr dritte Personen im einschlägigen Sinn, sondern einfache Repräsentanten

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des Gläubigers". In dieser Auffassung bekennt sich auch der Senat in einer Kassationsentscheidung vom Jahr 1892 unter N. 98 und ihr hat sich der d. z. Sekretär der Riga-Wolmarschen Grundbuchabteilung Bukowski in seinem Kommentar angeschlossen.

Trotzdem muß diese Auffassung abgelehnt werden. Sie überträgt obli-gationenrechtliche Gesichtspunkte in das Sachenrecht. Dieses versteht, soweit es sich um modernes Recht handelt, unter dritten Personen gerade diejenigen, die im Vertrauen aus die Richtigkeit des Grundbuchs liegenschaftliche Rechte von denen erwerben, die als Inhaber solcher Rechte eingetragen sind. Und im vorliegenden Falle handelt es sich ja nur darum, ob der gutgläubige Erwerb einer Hypothek zu Recht besteht, wenn diese allerdings materiell untergegangen, im Grundbuche jedoch nicht gelöscht war. Man wird aus diese Frage nicht anders als bejahend antworten können, es sei denn, daß man unserm gesamten Grundbuchwesen überhaupt jeden Zweck und Sinn ab­

sprechen und es als bloßen Registrierapparat hinstellen will. Dann sei man aber konsequent und lehne auch die Ansicht wohl aller baltischen Juristen ab, nach der in Art. 812 der Grundsatz des öffentlichen Glaubens der Grund­

bücher anerkannt wird. Freilich würde das unter historischen Gesichtspunkten gar nicht einmal so falsch sein. Doch Aufgabe der Auslegung ist nun eben nicht Erforschung des Willens, den vor Jahrzehnten der Gesetzgeber hatte, sondern dessen, was das Gesetz selbst unter Anpassung an die Bedürfnisse der Zeit will.

Bei solcher Sachlage aber kann kein Zweifel daran herrschen, daß die Konfusion inbezug auf eine in die Grundbücher eingetragene Hypothek für den Zessionar kraftlos ist, bis sie durch Eintragung kenntlich gemacht wird.

Somit geht sie infolge der Zession zusammen mit der Forderung über, zu deren Sicherung sie bestellt ist.

Beiläufig sei übrigens noch darauf hingewiesen, daß die eben dargelegte Argumentation zugunsten des 'Fortbestehens der Hypothek auch dann ihre Bedeutung behält, wenn eine allzu ängstliche Auslegung an der Lehre vom Untergang der im Hypothekenbrief verkörperten Forderung durch Konfusion festhalten wollte. Dann bliebe eben die Hypothek kraft des Art. 1598 trotz­

dem bestehen und man hätte nur die Wahl, das Vorhandensein einer Grund­

schuld anzuerkennen oder auf die alte römische Fiktion zurückzugreifen, nach welcher propter piZnu8 remsnet obligatio.

Doch sei dem, wie ihm wolle, im Endergebnis darf man sagen, daß die Erwerbung der in blanko zedierten Obligation durch den Grundeigentümer für den Fortbestand von Forderung und Hypothek unschädlich ist und daß dem gutgläubigen Zessionar die Einrede der Konfusion nicht entgegengesetzt werden darf. Mit andern Worten: die in blanko zedierte Obligation des baltischen Rechts hat unter rechtlichen Gesichtspunkten durchaus Anspruch auf

das Vertrauen, das ihr im praktischen Leben entgegengebracht wird.

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Wie schon eingangs bemerkt, ist auch der Senat zu diesem Schluß gekommen. Aber seine Beweisführung baute sich auf einer falschen Auffassung der einschlägigen Gesetzesbestimmungen auf und konnte deshalb der Praxis keine sichere Grundlage bieten. Ein Nachweis der Unrichtigkeit dieser Auf­

fassung in einer neuen Kassationsklage müßte zu einem Zusammenbruch des ganzen Gebäudes führen. Damit wäre die alte Rechtsunsicherheit wieder da.

Zum Schluß sei eine Nutzanwendung allgemeineren Charakters gestattet.

Unter unsern jüngeren Juristen herrscht vielfach eine ausgeprägte Abneigung gegen das Zurückgreifen auf die Quellen des Provinzialrechts. Das ist begreiflich, da die Gymnasien heutzutage so mangelhafte Kenntnisse im Lateini­

schen vermitteln, daß es ihren Absolventen außerordentlich schwer fällt, das Lorpu8 juris zu benutzen. Fast noch unerfreulicher scheint es um die Fruktifizierung der deutschrechtlichen Quellen zu stehen. Abgesehen davon, daß Ausgaben derselben im Handel kaum zu haben sind und daß sie sprachlich dem Anfänger große Schwierigkeiten bereiten, ist der Durchschnittspraktiker mit der deutschen Rechtsgeschichte meist so wenig vertraut, daß er oft aus der Lektüre dieser Quellen gar keinen Nutzen zu ziehen vermag. Und wenn sich dann noch eine Textausgabe einbürgert, die die Quellenangaben einfach fort­

läßt, wie das die im übrigen mit Recht populäre Edition Bukowskis tut, wird es verständlich, wenn die Praxis sich immer mehr darauf beschränkt, bloß mit dem Wortlaut des Gesetzes und den Gesetzentscheidungen zu arbeiten.

Nun gibt es aber eine sehr große Zahl von Bestimmungen des Pro­

vinzialrechts, die ohne Heranziehung der Quellen einfach unverständlich sind.

Ein schlagendes Beispiel dafür ist der im eben besprochenen Fall entscheidende Art. 3567. Der Senat hat ihn gründlich mißverstanden und auch die Partei­

vertreter sind sich augenscheinlich über seine Bedeutung nicht klar gewesen.

Denn es darf nicht angenommen werden, daß der oberste Gerichtshof bewußt den wahren Sinn des Gesetzes ignoriert hätte, nachdem er, wenn nicht von beiden Sachwaltern, so doch von dem der unterlegenen Partei auf die Quellen aufmerksam gemacht worden. Es liegt vielmehr ein Fehlspruch vor, der direkt eine Folge ungenügenden Verständnisses für die Bedeutung der Quellen ist.

Und das ist ein Fall, der nicht vereinzelt dasteht. Wer die Senatspraxis ver­

folgt, stößt fortwährend auf ähnliches. Wie mag es da erst um die Recht-prechung der Untergerichte stehen!

Unter solchen Umständen ist die Mahnung zu eifrigerer Benutzung der Quellen kein Ausfluß von Doktrinarismus und gelehrter Pedanterie. Sie wird unmittelbar vom praktischen Leben und seinen Bedürfnissen diktiert.

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