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Makrotheoretische Zugänge zur Familie als Transformationsmodell

Im Dokument 12 Elternschaft in jungen Familien (Seite 31-35)

Die Geschichte der modernen soziologischen Familienforschung ist durch zahlreiche Be-mühungen geprägt, den Wandel der Familie im Kontext kultur- und sozialhistorischer Veränderungsprozesse anhand von makrotheoretischen Entwicklungsgesetzen nachzu-zeichnen. Während die Anfänge der Familienforschung häufig auch durch „deskriptive Neugier“ gekennzeichnet waren, wie etwa die frühen anthropologischen und ethnologi-schen Familienstudien aus Amerika verdeutlichen (vgl. Hill/Kopp 2008, 66), lag der Schwerpunkt jedoch bald auf differenzierungstheoretischen und strukturfunktionalisti-schen Ansätzen, da diese handhabbare Beschreibungs- und Analyseschemen zur Verfü-gung stellten, mit deren Hilfe sich die Vielfalt der Beobachtungen systematisch erfassen und generalisierend darstellen ließ. Die damit einhergehende Orientierung an relativ star-ren allgemeintheoretischen Erklärungsmustern und deduktiv-nomologischen Methodolo-gien wurde später unter dem Einfluss des interpretativen Paradigmas, insbesondere der interaktionistischen Ansätze (vgl. Blumer 1979; 2004; Wilson 1981), kritisiert, da sich wichtige theoretische Fragestellungen etwa zu innerfamilialen Kommunikations- und Aushandlungsprozessen oder zu familialen Erziehungs- und Bildungsleistungen, insbe-sondere auch unter den Bedingungen zunehmend individualisierter Rollen- und Lebens-laufkonzepte, nicht ausreichend beantworten ließen. Zwar lassen sich mit der Systemthe-orie evolutionäre Trends des familialen und privaten Zusammenlebens beschreiben, ex-plizite Bezüge zu den subjektiven Deutungsprozessen und Handlungsmustern der Ak-teure, vor allem im Zusammenhang mit deviantem und rollenuntypischem Verhalten, kön-nen darüber jedoch nicht hergestellt werden. Parallel zur makrotheoretischen Perspektive haben sich innerhalb der Familienforschung somit auch mikroanalytische Zugänge sowie integrative Mehrebenenmodelle etablieren können, die die Familie als soziale Interakti-onsstruktur bzw. als lebensweltliche Vermittlungsinstanz zwischen kulturellen und gesell-schaftlichen Strukturen und den Biographien ihrer Mitglieder untersuchen (vgl. Ecarius/

Köbel 2011; Huinink 2008, 25f.; Mühling/ Rupp 2008). Die entsprechenden theoretischen und empirischen Zugriffe auf Familie als Interaktionssystem und Sozialisationsinstanz werden in den nächsten Kapiteln stärker Berücksichtigung finden. Zunächst sollen jedoch zusammenfassend einzelne makrotheoretische Modelle vorgestellt werden, die den struk-turellen und institutionellen Wandel der Familie unter gesamtgesellschaftlichen Rahmen-bedingungen nachvollziehbar machen.

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1.4.1 Die Theorie gesellschaftlicher Differenzierung privater Lebensformen Eine lange Tradition innerhalb der Familiensoziologie hat der theoretische Fokus auf die Familie als gesellschaftliches Teilsystem und dessen funktionale Spezialisierung im Aus-tauschprozess mit anderen sozialen Systemen. Im Kern geht es den system- und differen-zierungstheoretischen Ansätzen um die Frage, wie sich die Funktionen und Leistungen der Familie im Prozess einer gesellschaftlichen Arbeitsteilung bestimmen lassen, welchen spezifischen Beitrag sie zum Erhalt des übergeordneten Systems der Gesellschaft leistet und wie sie auf die Anforderungen und Erwartungen seitens der Systemumwelt mit der Herausbildung einer eigenen, systeminternen Sinn- und Handlungslogik etwa in Form von spezialisierten Rollen und Normen reagiert. Mit Hilfe funktionalistischer und struktureller Analysen lässt sich demnach die Entwicklung von Abhängigkeitsverhältnissen und Leis-tungstransfers zwischen Familien und Gesellschaft, etwa hinsichtlich von Wohlfahrtspro-duktion sowie der Förderung von ‚Humanvermögen‘ zur Sicherung des sozialen Wohl-standes, herausfiltern, „die ansonsten zu stark als eine ‚private/individualistische Angele-genheit‘ dargestellt werden, bzw. als solche erscheinen“ (Nave-Herz 2012, 35).

Als klassischer Vertreter des differenzierungstheoretischen Paradigmas gilt Durkheim mit seiner idealtypischen Unterscheidung zwischen einfachen (archaischen) und höheren Ge-sellschaften. Während erstere noch überwiegend segmentär differenziert waren, d.h. aus gleichartigen Segmenten (Familien, Clans, Verbände) mit ähnlichen funktionalen Leis-tungsprofilen bestanden, kennzeichnet letztere hingegen eine funktionale Differenzierung, da sie aus ungleichartigen, in ihren Funktionen bereits hochspezialisierten Teilsystemen zusammengesetzt sind (vgl. Huinink/Konietzka 2007, 102). Entsprechend formuliert Durkheim in seinem Kontraktionsgesetz (1921) die Herauslösung der Kern- bzw. Gatten-familie aus einem größeren verwandtschaftlichen System als Ergebnis eines durch Indust-rialisierung und Urbanisierung vorangetriebenen gesellschaftlichen Differenzierungspro-zesses (vgl. Jacoby 2008, 80). Dabei geht Durkheim von dem Bild der vorindustriellen Familie als Einheit von Haushalt und Betrieb aus, zu der neben einer größeren Verwandt-schaftsgruppe auch nichtblutsverwandte Angestellte wie Handwerker, Knechte oder Mägde gehörten. Dieser Typ des ganzen Hauses kann prototypisch als ‚funktional diffu-ses‘ Familiensystem angesehen werden, da es die vielfältigsten funktionalen Leistungen noch selber erbrachte: Neben der Reproduktions- und Produktionsfunktion sowie der So-zialisations- und Platzierungsfunktion zählten hierzu etwa auch die Kranken- und Alten-versorgung oder die Sterbebegleitung und Bestattung der Familienmitglieder. Die histori-sche Familienforschung kann jedoch aufzeigen, dass die ‚große Haushaltsfamilie mit Pro-duktionsfunktion‘ eher eine Minoritätenstellung innehatte. Viele kleinbäuerliche oder auch handwerkliche Haushaltsbetriebe der vorindustriellen Zeit umfassten nur die Kern-familie. Zudem verfügten die meisten Familien der Unterschichten nicht über eigene Pro-duktionsmittel, so dass sowohl beide Eltern und häufig auch die Kinder, für gewöhnlich ab dem zehnten Lebensjahr, einer außerhäuslichen Tätigkeit nachgingen (vgl. Nave-Herz 2014, 3f.). Gleichwohl gilt für alle vorindustriellen Familientypen, dass es sich um eher diffuse Systeme ohne strikte Trennung zwischen privater und öffentlicher Sphäre gehan-delt hat, die eine noch größere Vielfalt von Funktionen für ihre Mitglieder übernahmen als heutige Familien.

Im Zuge gesellschaftlicher Differenzierungsprozesse seit der zweiten Hälfte des 18. Jahr-hunderts lassen sich universale Entwicklungstendenzen einer modernen, stärker isolierten

Makrotheoretische Zugänge zur Familie als Transformationsmodell 43 und funktional spezialisierten Kernfamilie aufzeigen, die mit der Übernahme ehemals fa-milialer Funktionen durch zum Teil eigens dafür entwickelte soziale Institutionen einher-gehen. Als struktureller Auslöser dieser funktionalen Veränderung der Familie wird im Allgemeinen die industrielle Revolution genannt, die u.a. durch technischen Fortschritt, Landflucht und einer Bevölkerungsexplosion vorangetrieben wurde. Die Durchsetzung des industriekapitalistischen Wirtschaftssystems basierte auf einer wissenschaftlich-tech-nisch fundierten und rational strukturierten, arbeitsteiligen Massenproduktion, die nun in spezialisierten Produktionsstätten erfolgte, welche nicht mehr an die Haushalte der Fami-lien gekoppelt waren. Die Wissensakkumulation in den verschiedensten gesellschaftlichen Teilbereichen machte eine Extensivierung und Professionalisierung des gesellschaftlichen Bildungs- und Ausbildungsbereiches erforderlich. Spätestens durch die Einführung der allgemeinen Schulpflicht im Jahr 1871 oder die neu entstehenden Kindergärten wurden die Familien somit sukzessive in ihrer Sozialisationsfunktion eingeschränkt. Mit dem Aus-bau des öffentlichen Schulsystems setzte sich zugleich das Leistungsprinzip in der Gesell-schaft stärker durch. Vor allem für das gehobene und später auch für das mittlere Bürger-tum öffneten sich dadurch gesellschaftliche Handlungsfelder, die lange nur für adlige Schichten vorgesehen waren, da die soziale Platzierung nun nicht mehr wie bisher aus-schließlich durch die Herkunftsfamilie, sondern vermehrt auch durch formalen Bildungs-erfolg bestimmt wurde. Schließlich führte die Entwicklung des Sozialstaates mit der Ein-führung eines spezialisierten Versicherungssystems zu Beginn des 20. Jahrhunderts dazu, dass die wirtschaftliche Erhaltungsfunktion der Familie bei Krankheit, Invalidität, Ar-beitslosigkeit oder im Rentenalter in ihrer früheren Bedeutung zurückgegangen ist (ebd., 7f.; Mühling/Rupp 2008, 79; Lenz/Böhnisch 1999, 55).

Die zunehmende Auslagerung von ursprünglich familialen Kompetenzen und Zuständig-keiten an spezialisierte Organisationen veranlasste einzelne Autoren dazu, einen allgemei-nen Funktionsverlust der Familie zu proklamieren (vgl. Ogburn 1969). Im Gegensatz dazu hob Parsons (1968/1997) in seinem strukturell-funktionalen Ansatz vielmehr eine Funkti-onsverschiebung der Familie hervor. In Anlehnung an Durkheim beschreibt er in seiner Isolationsthese die weitreichende Verselbständigung der Kernfamilie und deren Konzent-ration auf einen eigenen hochspezialisierten Handlungs- und Funktionskomplex. So haben die Merkmale moderner familialer Lebensführung im Kontext der Industriegesellschaft, etwa in Form einer gestiegenen Mobilität und Neolokalität, dazu geführt, dass der orien-tierungsleitende Einfluss sowie die soziale Kontrolle durch das Verwandtschaftssystem zurückgegangen ist (vgl. Jakoby 2008, 84). In ihrer zunehmenden Privatheit und Intimität ist die Kernfamilie für die primäre Sozialisation und Erziehung der Kinder sowie für die Befriedigung der emotionalen und psychischen Bedürfnisse ihrer Mitglieder nun in erster Linie selbst verantwortlich. Gerade darin besteht denn auch ihr spezifischer Beitrag zur Aufrechterhaltung des sozialen Gleichgewichts in einer durch Zweckrationalität und Bü-rokratie geprägten Arbeitsgesellschaft. In Abgrenzung zu anderen sozialen Teilsystemen wie der Wirtschaft oder der Politik obliegt den Familien nach Parsons somit vor allem die Erfüllung latenter gesellschaftlicher Funktionen wie der Strukturerhaltung und der Span-nungsbewältigung (vgl. Parsons 1997, 77). Dabei werden die gesellschaftlichen Funkti-onserfordernisse auch auf der Ebene der familialen Binnenstruktur in Familienrollen um-gesetzt. Das industriekapitalistische Prinzip der Arbeitsteilung spiegelt sich etwa in der geschlechtsspezifischen Differenzierung zwischen instrumentell-adaptiven und expressiv-integrativen Familienfunktionen wider. Die instrumentelle Rolle des Vaters ist über seine

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außerhäusliche Erwerbstätigkeit vor allem in der (symbolischen) Repräsentation der Au-ßenwelt gekennzeichnet und zielt auf die Verwirklichung von Systemzielen ab, während die expressive Rolle der Mutter eher auf die soziale Integration des innerfamilialen Inter-aktionssystems und die Regelung der Hausarbeit ausgerichtet ist (vgl. Parsons/Bales 1955, 14f.). Wie bereits angedeutet, muss Parsons Beschreibung der amerikanischen Kleinfami-lie mit ihrer polarisierenden Geschlechtsrollenstruktur in eine spezielle historische Situa-tion in der Mitte des 20. Jahrhunderts eingeordnet werden, in der es in vielen westlichen Gesellschaften zu einer Standardisierung familialer Lebensformen in Anlehnung an das bürgerliche Familienmodell kam.

Kritiker des strukturell-funktionalen Ansatzes erheben zudem Einspruch gegenüber der zu einseitigen Betonung einer allgemeinen gesellschaftlichen Bestandserhaltungslogik bei der Bestimmung familialer Funktionalität (vgl. Mühling/Rupp 2008, 81; Meyer 1993, 27).

Anders als der klassische Funktionalismus heben neuere differenzierungstheoretische Ar-beiten in der Familiensoziologie stärker auch die Eigenrationalität sozialer Systeme wie der Familie hervor, aus der sich in Interaktion mit der Systemumwelt bestimmte funktional spezialisierte Leistungen ableiten. Dabei besteht der spezifische Ausdifferenzierungspro-zess der Familie nach Luhmann darin, sich von anderen gesellschaftlichen Teilbereichen wie der Wirtschaft, der Bildung oder der Justiz abzugrenzen, indem sie die Individuen in ihrem Handeln gerade nicht auf eine spezifische, formal geregelte Rollenförmigkeit redu-ziert. Das Intimsystem Familie ist vielmehr der einzige soziale Ort, an dem „alles, was eine Person betrifft […] für Kommunikation zugänglich [ist]“ (Luhmann 1988, 79). Durch die ‚Inklusion der Vollperson‘ erfüllt die moderne Familie ihren Mitgliedern somit das zunehmende Bedürfnis nach Individualität und Selbstthematisierung in einer hochgradig komplexen und funktional differenzierten Gesellschaft (vgl. Burkart 2008, 160f.). Wäh-rend Luhmann die fehlende Einengung der Familie auf einen Funktionsaspekt als die ei-gentliche Funktion der Familie ausgibt, bleibt Nave-Herz (2014) in ihren Analysen bei der Annahme, dass auch die Familie ein hoch spezialisiertes gesellschaftliches Teilsystem darstellt, dessen eigenes funktionales Systemziel, die „Bildung und Erhaltung von Hu-manvermögen“, eine qualitative Steigerung seiner Leistungen im Bereich der Nachwuchs-sicherung (Geburt/Adoption und Sozialisation von Kindern) sowie der physischen und psychischen Regeneration und Stabilisierung ihrer Mitglieder vorausgesetzt hat. Dabei spielen sowohl systemexterne Anforderungen als auch systeminterne Erwartungshaltun-gen eine Rolle. Einerseits regulieren normative Vorgaben (rechtliche Einhaltung von Er-ziehungsnormen, Unterhaltspflicht, Debatte um die Förderung familialer Bildungskompe-tenzen etc.) die Leistungserbringung der Familie für die anderen gesellschaftlichen Teil-systeme, andererseits hat die Emotionalisierung der familialen Binnenstruktur der Sozia-lisations- und Spannungsausgleichsfunktion der Familie eine nie zuvor gekannte Sinnzu-schreibung verliehen. Wenn Ehe und Familie durch das romantische Liebesideal und die emotionale Eltern-Kind-Beziehung im Alltagsverständnis der Menschen heutzutage vor allem als zweckfrei erscheinen und den ‚Schein intensivierter Privatheit‘ erwecken, be-steht an diesen „eigensinnigen“ Handlungen aus funktional-differenzierungstheoretischer Perspektive auch immer ein öffentliches Interesse bzw. ein Nutzen für andere Gesell-schaftsbereiche (vgl. Nave-Herz 2014).

Schließlich wurde die Theorie der sozialen Differenzierung von Meyer aufgegriffen, um den sozialen Wandel der Familie vor dem Hintergrund einer Pluralisierung der Lebens-formen als neue Stufe einer „Ausdifferenzierung der Privatheit“ (Meyer 1993, 27) zu

Makrotheoretische Zugänge zur Familie als Transformationsmodell 45 kennzeichnen. Wurde die Familie in den anderen systemtheoretischen Ansätzen vorwie-gend als ein „segmentär differenziertes Teilsystem“ betrachtet, „wobei ‚segmentär diffe-renziert‘ die millionenfache Gliederung in strukturell gleichartige, nebeneinander jeweils für sich lebende Einzelfamilien meint“ (ebd., 26), geht Meyer davon aus, dass die fort-schreitenden funktionellen Differenzierungsprozesse der Gesellschaft nicht bei dem Teil-system der ‚Normalfamilie‘ stehen geblieben sind. So hat sich das relativ einheitliche bür-gerlich-moderne Familienmuster in mehrere Privatheitstypen, d.h. in mehrere „speziali-sierte Subsysteme mit jeweils charakteristischen Eigenrationalitäten“ (ebd., 27), ausdiffe-renziert, die sich in unterschiedlicher Weise den Anforderungen der komplexer und dyna-mischer werdenden Umwelt besser anpassen können. Idealtypisch „überspitzt“ unter-scheidet Meyer einen reproduktiven Privatheitstyp, der weitestgehend der herkömmlichen Kleinfamilie in ihren ‚erzieherisch-sozialisatorischen‘ Handlungsthemata entspricht, so-wie nichtreproduktive Privatheitstypen, die dagegen einer ‚partnerschaftlichen‘ oder ‚in-dividualistischen‘ Handlungsthematik folgen. Kennzeichnend für den kindorientierten Privatheitstyp ist, „daß sich die sachliche, zeitliche und soziale Hauptrelevanz in den heu-tigen Familien weniger auf das Paar als auf das Eltern-Kindsystem richtet“ (ebd., 27).

Entsprechend dem in den letzten Jahrzehnten angestiegenen „Normkomplex der verant-worteten Elternschaft“ (Kaufmann 1988) hat die Erziehungs- und Sozialisationsfunktion eine herausragende und sinnstiftende Bedeutung eingenommen, während der Eigensinn der Paarbeziehung tendenziell in den Hintergrund des familialen Geschehens gerät. Der Begriff der „‘Parentalisierung‘ der Ehebeziehung“ (Peuckert 2012, 671) hebt hervor, dass eine Ehe von einem Elternpaar immer häufiger wegen ihres höheren Verpflichtungscha-rakters gegenüber der Familie gewählt wird, weniger auf Grund einer symbolischen Auf-wertung der partnerschaftlichen Liebesbeziehung. Hingegen ist der partnerschaftliche Privatheitstyp (nichteheliche Lebensgemeinschaften, kinderlose Ehen) „funktional auf Liebesbeziehungen“ spezialisiert. Im Zentrum stehen hier das Paar, die Qualität der Be-ziehung und Gleichberechtigung. Das mögliche Scheitern einer rein emotionalen und ide-alisierten Beziehung wird dabei durchaus wahrgenommen, so dass auf Grund der unge-wissen Zukunftsperspektive auch eine Familiengründung bzw. ein Kinderwunsch eher aufgeschoben oder ausgeschlossen wird. „So heißt es nun nicht mehr ‚bis dass der Tod uns scheidet‘, sondern: ‚solange uns die Liebe verbindet‘“ (Meyer 1993, 30). Strukturprä-gend für den individualistischen Privatheitstyp (Singles, Wohngemeinschaften) ist ein ausgeprägtes Interesse an individueller Unabhängigkeit und autonomer Selbstverwirkli-chung, vor allem hinsichtlich des Berufs- und Freizeitbereiches. Wie schon frühere Stu-dien aus den 1980er Jahren zeigen, weisen insbesondere Singles in ihren Handlungsorien-tierungen ein hohes Maß an säkularen Einstellungen und ‚postmaterialistischen Wertehal-tungen‘ auf, während klassische Pflicht- und Ordnungswerte eher abgelehnt werden (vgl.

Hradil 1995, 201). Die Individualität führt dabei keineswegs in Isolation, sondern in die

„Kommunikation mit tendenziell Gleichgesinnten, die emotionalen Rückhalt geben und zugleich den persönlichen Emanzipationsprozeß begleiten“ (Meyer 1993, 33). Gerade der

‚freiwillige Single-Typ‘ sowie das Leben in Wohngemeinschaften weisen eine gegenüber den anderen Privatheitstypen anders geartete Zeitorientierung auf, da es sich meist um biographische Übergangsphasen ohne längerfristige Perspektive handelt.

Die gegenwärtige Dynamik privater Lebensformen erscheint aus dieser differenzierungs-theoretischen Sicht als typische Fortsetzung eines evolutionären Prozesses der

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