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2.2.1 Allgemeines und Wirkungsweise

Makrolidantibiotika (lat. makro = groß; olid = Lakton) sind organische Moleküle, die aus einem 12- bis 16-gliedrigen Laktonring mit mindestens einem substituierten Zuckerrest bestehen. Es gibt natürliche (Erythromycin) und semisynthetische (Clarithromycin, Tulathromycin) Makrolide (PRESCOTT u. DOWLING 2013). Sie verhindern die bakterielle Proteinbiosynthese, indem sie an die ribosomale 50S Untereinheit binden.

Dadurch wird die Transpeptidierungs- und Translokationsreaktion gehemmt, was zur verfrühten Freisetzung von inkompletten Polypeptidketten führt. Makrolide wirken zumeist bakteriostatisch, nur in hohen Konzentrationen und gegenüber stark empfindlichen Bakterien können sie bakterizid wirken (BRISSON-NOËL et al. 1988;

VANNUFFEL u. COCITO 1996; PRESCOTT u. DOWLING 2013). Ihre Hauptwirkung

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umfasst vor allem ein grampositives Keimspektrum (CHARLES u. SEGRETI 1997), jedoch sind auch Wirkungen gegen gramnegative Keime beschrieben (NEU 1991).

Insbesondere gegen viele intrazelluläre Keime kommen Makrolide aufgrund ihres lipophilen und schwach basischen Charakters, sowie ihres niedrigen Molekulargewichtes erfolgreich zum Einsatz (LABRO 1996; SCORNEAUX u.

SHRYOCK 1999; AMSDEN 2001). Dazu zählen in der Humanmedizin Pathogene wie Campylobacter, Chlamydia, Legionella und Mycobacterium. Auch in der Veterinärmedizin finden die Makrolide geschätzte Anwendung (GIGUÉRE et al. 2004;

VENNER et al. 2007a). Aufgrund der guten Verteilung, der langen Persistenz im Lungengewebe und der intrazellulären Akkumulation in mononukleären Phagozyten sind die Makrolide optimal zur Behandlung von R. equi-bedingten Pneumonien im Fohlen geeignet (VILLARINO u. MARTÍN‐JIMÉNEZ 2013).

Makrolide diffundieren aufgrund ihrer lipophilen und schwach basischen Eigenschaft, sowie einem niedrigen Molekulargewicht gut in Zellen und zählen zu den Antibiotika, die am besten in Zellen akkumulieren (AMSDEN 2001). Doch der basophile Charakter ist auch verantwortlich dafür, dass Makrolide intrazellulär im sauren Milieu von Lysosomen protoniert werden und durch die positive Ladung nicht mehr durch die Lysosomenmembran zurück in das Zellplasma diffundieren können. Dieser Effekt wird

„Base trapping“ oder „Ion trapping“ genannt und ist der Grund, dass Makrolide intrazellulär zu zwei Drittel im Lysosom und zu einem Drittel im Zellplasma vorliegen (VAN BAMBEKE et al. 2006).

Neben der antimikrobiellen Wirkung zeigen die Makrolide auch entzündungshemmende Eigenschaften, indem sie die Produktion von proinflammatorischen Zytokinen, wie Interleukinen und des Tumornekrosefaktors Alpha unterbinden (ALTENBURG et al. 2011). Diesen Effekt machte man sich bei Therapie entzündlicher Lungenerkrankungen in der Humanmedizin (FRIEDLANDER u. ALBERT 2010), und in der Veterinärmedizin (JEFFREY LAKRITZ et al. 1997;

FISCHER et al. 2011) zu Nutze.

Als Motilinrezeptoragonisten haben Makrolide außerdem einen prokinetischen Effekt auf den Gastrointestinaltrakt, der bei Tieren oft beschrieben ist (LESTER et al. 1998;

COWLES et al. 2000; NOURI u. CONSTABLE 2007).

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7 2.2.2 Wichtige Vertreter

Erythromycin

Erythromycin ist ein Produkt des Bakteriums Streptomyces erythreus, das 1952 erstmals isoliert wurde (HAIGHT u. FINLAND 1952). Es besteht aus einem 14-gliedrigen Laktonring und wurde als erster Vertreter der Makrolidantibiotika zur Behandlung von Diphtherie, Keuchhusten, Campylobakteriose und Legionellose eingesetzt (WASHINGTON u. WILSON 1985). In der Pferdemedizin hat der Einsatz von Eryrthromycin die hohe Mortalität der an R. equi erkrankten Fohlen stark reduziert (HILLIDGE 1987). Es wurde jedoch beobachtet, dass Stuten die von behandelten Fohlen ausgeschiedenen, noch aktiven Erythromycinrückstände im Kot zu sich nehmen und starke Kolitiden entwickeln, teilweise sogar mit tödlichem Ausgang (GUSTAFSSON et al. 1997). Die klinische Anwendung von Erythromycin wurde nahezu vollständig von den Makroliden der neuen Generation abgelöst, weil diese einige bedeutende Vorteile aufweisen. Im Gegensatz zu Erythromycin, das durch die kurze Halbwertszeit ein Gabeintervall von sechs Stunden hat, müssen neue Makrolide einmal täglich oder sogar nur einmal wöchentlich verabreicht werden (PRESCOTT et al. 1983; VILLARINO u. MARTÍN‐JIMÉNEZ 2013). Außerdem ist die Bioverfügbarkeit bei oraler Gabe von Erythromycin durch die Säureinstabilität sehr variabel und die Injektion schlecht verträglich (JEFFREY LAKRITZ et al. 2000; STRATTON-PHELPS et al. 2000). Weiterhin weist Erythromycin im Vergleich zu anderen Makroliden signifikant geringere Lungenkonzentrationen auf (SUAREZ-MIER et al. 2007).

Azithromycin

Azithromycin gehört zur Klasse der Azalide, die ein methyliertes Stickstoffatom im makrozyklischen Ring besitzen (NEU 1991). Azithromycin ist semisynthetisch und der Laktonring ist 15-gliedrig (RETSEMA et al. 1987). Durch das erweiterte, gramnegative Keimspektrum findet Azithromycin in der Humanmedizin großen Einsatz, in der Veterinärmedizin wird es aufgrund der fehlenden Zulassung nur nach Erregernachweis bei Therapienotständen als lebensrettende Maßnahme eingesetzt (RETSEMA et al.

1987; SAKUMA et al. 2009; ZUCKERMAN et al. 2011). In der Humanmedizin wird Azithromycin u.a. gegen Pneumonien und Otitis erfolgreich eingesetzt (SCHÖNWALD et al. 1990; PLOUFFE et al. 2000; GUVEN et al. 2006). In der Fohlenmedizin zeigen zahlreiche klinische Studien, dass Azithromycin das erfolgreichste und geeignetste Makrolid ist, um R. equi Pneumonien zu behandeln (GIGUÉRE et al. 2004; VENNER

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et al. 2007a; VENNER et al. 2013b; RUTENBERG et al. 2017). Es ist sowohl als Monotherapie, wie auch in Kombination mit Rifampicin gut wirksam (VENNER et al.

2013b). Neben der starken Wirksamkeit punktet Azithromycin mit einer guten Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe und erreicht nach einmal täglicher Applikation hohe Konzentrationen in der Lunge (GIRARD et al. 1987; STEPHANIE JACKS et al. 2001;

DAVIS et al. 2002).

Clarithromycin

Clarithromycin, ein semisynthetisches Derivat von Erythromycin, weist einen 14-gliedrigen Laktonring auf (PRESCOTT u. DOWLING 2013). In der Humanmedizin wird Clarithromycin zur Behandlung von Chlamydien- und Mycoplasmen-Infektionen eingesetzt (BLOCK et al. 1995; KRAFT et al. 2002). In der Fohlenmedizin hat Clarithromycin in Kombination mit Rifampicin in einer retrospektiven Studie eine minimal höhere Genesungsrate (17/18) erzielt, als die Kombination von Rifampicin mit Azithromycin (15/20) oder Erythromycin (18/24) (GIGUÉRE et al. 2004). Die Studie weist jedoch einige Limitationen auf, u.a. wurden die Tiere nicht prospektiv in Gruppen eingeteilt, mehrere verschiedene Rassen wurden an unterschiedlichen Standorten einbezogen, die Betreuung der Tiere erfolgte durch verschiedene Tierärzte, Dosierungen und Gabeintervalle wichen innerhalb der Gruppen voneinander ab und die Gesamtdauer der Studie erstreckte sich über einen Zeitraum von insgesamt sieben Jahren. Dieselben Autoren haben auch festgestellt, dass Clarithromycin das Makrolid mit der größten In-vitro-Aktivität gegen R. equi ist (JACKS et al. 2003). Die Arbeitsgruppe um PETERS et.al. hat jedoch festgestellt, dass Rifampicin beim Fohlen die Bioverfügbarkeit von Clarithromycin über 90 % reduziert. Darum wird diese Kombination zur Behandlung der R. equi-bedingten Pneumonie nicht mehr empfohlen (PETERS et al. 2011; BERLIN et al. 2016).

Gamithromycin

Gamithromycin gehört, wie Azithromycin, zu den Azaliden. Es ist semisynthetisch und besteht aus einem 15-gliedrigen Laktonring. Gamithromycin wurde zur Behandlung von Erkrankungen des Respirationstraktes in der Rindermedizin entwickelt und zeigt in vivo gute Wirkung gegen klinisch relevante Keime (BAGGOTT et al. 2011;

LECHTENBERG et al. 2011). Auch Streptococcus equi zooepidemicus und Rhodococcus equi sind in vitro sensibel (BERGHAUS et al. 2012). Außerdem wird Gamithromycin erfolgreich gegen die Moderhinke bei Schafen eingesetzt (SARGISON

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u. SCOTT 2011). Im Fohlen wird durch die Gabe von Gamithromycin eine hohe Genesungsrate (38/40) bei an R. equi erkrankten Tieren erreicht. Damit ist die klinische Wirksamkeit von Gamithromycin mit der Wirksamkeit der Kombinationstherapie Azithromycin/Rifampicin gleichzusetzen (HILDEBRAND et al. 2015). Allerdings kommt es beim Fohlen vermehrt zu Nebenwirkungen, wie Koliken oder Lahmheit nach i.m.

Injektionen, aufgrund der hohen Osmolalität der Injektionslösung (HILDEBRAND et al.

2015).