• Keine Ergebnisse gefunden

M.: Also müsste neben dem Reden über die Erd-Charta eine bestimmte

Im Dokument  Eine andere Welt ist möglich (Seite 130-134)

Die Erd-Charta - mehr als nur Papier!

P. M.: Also müsste neben dem Reden über die Erd-Charta eine bestimmte

„Er-fahrungsschiene“ aktiviert werden?

Garritzmann: Es hat sicher etwas mit

‚Anschlussfähigkeit’ zu tun. Wo kann ich mit den Vorstellungen einer Ethik oder einer nachhaltigen Entwicklung an der Lebenswelt und Erfahrung junger

Men-schen anknüpfen? Wenn beispielsweise in der Jugendwelt bestimmt Getränke und Dosen „in“ sind, dann kann ich nicht kommen und sagen, ihr müsst eure Flaschen da und da hintragen. Dann ist es einfach cool, sich so zu verhalten; und wenn ich dazu gehören will, werde ich das auch so praktizieren. Da habe ich dann von außen gar keinen Ansatzpunkt.

Außerdem zeigen inzwischen viele Unter-suchungen zum nachhaltigen Konsum, dass es sehr viel diff erenziertere Zielgrup-pen gibt. Ich kann in einem bürgerlich-ländlichen Raum sicherlich Menschen nahe bringen, regional einzukaufen und saisonal zu kochen. Aber ich werde kaum in dem gleichen Umfeld mit älteren Menschen darüber reden können, dass sie auf ihr Auto verzichten oder sich ein Auto mieten sollen usw. Ich muss immer die richtigen Punkte für eine Anschluss-fähigkeit suchen. Wenn ich die falschen erwische, habe ich gar keine Chance zur Ver-Änderung des Lebensstils.

P.M.: Kommen wir noch einmal auf die Schulen zu sprechen. Was gäbe es dort für Möglichkeiten? Es kann ja nicht reichen, in Fächern wie „Ethik“ oder „Religion“

über die Erd-Charta zu diskutieren!?

Garritzmann: Zunächst denke ich, dass zurzeit in Religion, Ethik oder Praktischer Philosophie oder auch in Sozialkunde diese aktuellen ethischen Fragestellungen viel zu wenig vorkommen. Meine Frau

hat gerade noch eine zweijährige Ausbil-dung zur Ethik-Lehrerin gemacht. Diese Th emen, die mich beschäftigen, kamen in ihrer Weiterbildung überhaupt nicht in Ansätzen vor. Und es wäre von daher doch schon spannend, in diesen Un-terrichtsfächern mitzubekommen, wie aktuelle Fragen einer nachhaltigen Ent-wicklung nicht nur diskutiert, sondern darum heute auch politisch gerungen wird. Beim Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg ( 2002 ) haben die Regierungen z.B. miteinander einen 10jahres-Aktionsplan zur Verän-derung nicht nachhaltiger Konsumge-wohnheiten und Produktionsweise ver-einbart. Die Bundesregierung hat gerade Anfang des Jahres mit einer Auftaktver-anstaltung in Berlin damit angefangen, einen solchen Plan für Deutschland um-zusetzen. So etwas kommt im Unterricht nicht oder nur selten vor. Das fi nde ich schon schade.

Aber noch ein anderes Beispiel. Ich woh-ne in Nordrhein-Westfalen und wir ha-ben dort ein Programm, das heißt: „Ge-staltung von Schulen und Öff nung von Schulen nach außen“ (GÖS). Man kann also andere Lehrende in das schulische Umfeld holen. Man kann aber auch mit der Schule sich aktiv an dem Umfeld be-teiligen: etwa an der lokalen Agenda 21 einer Stadt oder einer Gemeinde oder an bestimmten Th emenfeldern, die von bürgerschaftlichem Engagement getra-gen werden usw. Da sind auch Orte, wo

ich das einbringen kann.

Ein Religionslehrer hat vor kurzem mit einer achten Klasse die Erd-Charta zu-nächst diskutiert. Und dann hat er mit der Klasse ganz konkret gefragt: wo wird denn das, was da gefordert wird, an un-serer Schule schon umgesetzt und wo könnten wir weitermachen? Ich selbst habe einmal mit einer anderen Klasse über die Agenda 21 diskutiert und ge-fragt, was das für sie in der Schule be-deutet. Wir haben das an einem Beispiel diskutiert: Was darf oder was kann dann noch am Kiosk der Schule verkauft wer-den in wer-den Pausen, wenn ich die Kriterien der Nachhaltigkeit wirklich ernst nehme:

also regionale Produkte, „Fairer Handel“

und ähnliches. Dann fi ele das meiste wo-möglich weg. Es gäbe sicher ein Riesen-theater. Aber auch viel Gesprächsstoff . Oder: Wie sieht die Gestaltung eines Schulhofs aus. Müssten da nicht auch die Grenzen zu den Nachbarbezirken wegfal-len, damit Schule auch als ein Teil von Gemeinde erlebbar wird. Da kommen noch ganz neue und andere Überlegun-gen mit hinein.

Oder ein anderes Beispiel, das man mir erzählt hat. Da haben Schulen entlang ei-nes Flusses im Biologieunterricht mitein-ander Kontakt aufgenommen z.B. per E-Mail oder Video-Konferenzen. Sie haben mit Untersuchungen an den Stellen des Flusses angefangen, wo sich ihre Schule befi ndet. Dann haben sie gemerkt, im Flussverlauf wird er immer schmutziger.

Sie haben ihre Ergebnisse ausgetauscht und gemerkt: wir sind alle an diesem Fluss entlang miteinander beteiligt. Und wenn der Fluss immer schmutziger wird und also das Wasser auch immer unge-nießbarer, dann sind wir auch mit un-serer Art zu leben, zu konsumieren, zu wirtschaften daran beteiligt. Ähnliches gibt es auch bei internationalen Projek-ten. Da merken Menschen: Hier vor Ort

verursachen wir bestimmte Schäden, die Auswirkungen haben in Lateinamerika oder in einem afrikanischen Ort oder in Asien. Solche Erfahrungen auszutau-schen – und so mit konkreten Personen zu verbinden - ist eine gute Möglichkeit, die durch die elektronische Kommuni-kation ermöglicht wird. Das sollten wir mehr nutzen.

HERMANN GARRITZMANN ist der deutsche Projekt-Koordinator der internationalen Erd-Char-ta-Initiative - bei der Ökumenischen Initiative Eine Welt in Diemelstadt-Wethen.

Lieber Herr Steinwascher,

Sie haben sicher die Erwartung schon aufgegeben, jemals eine Antwort auf Ihren so herzlichen Brief vom 8.6.58 zu erhalten. Aber es ist mir ein Bedürfnis, zu antworten.

Aus diesem Miterleben mit der heutigen Jugend, insbesondere mit der, die es beson-ders schwer hat, mache ich mir Sorgen, dass ihr der Glaube an die Menschen bewahrt bleibt. Darum wage ich auch zu sagen: Haltet ihn fest. Die Menschen können das menschliche Empfi nden nicht ablegen. Kommt ihnen in schlichtem Vertrauen ent-gegen, wo Ihr mit ihnen zu tun habt. Dann werden sie anders, als sie scheinen. Wir müssen das Menschliche in denen, mit denen wir zu tun haben, wecken. Das ist meine Erfahrung. Dadurch wird vieles umgestaltet ... Urteilt nicht über andere. Sondern nehmt Euch vor, ein rechter, natürlicher Mensch zu sein, unter welchen Verhältnissen es auch sei.

In unserer so dunklen und in vieler Hinsicht so trostlosen Zeit muss es in uns licht sein, dass wieder Helligkeit und Wärme aufkommt. Zu dieser Natürlichkeit gehört, dass Ihr alle Empfi ndlichkeit fahren lasst. Nicht mit den Menschen rechten, nicht ihr Verhalten in vorgefasster Meinung beanstanden, sondern sie ertragen und warten, dass Freundlichkeit und Herzlichkeit irgendwie aufkommen.

Wenn die Menschheit nach allem Furchtbaren, dass sie begangen und durchgemacht hat, nicht zugrunde gehen soll, muss ein neuer Geist aufkommen. Und der kommt nicht mit Brausen, sondern in stillem Wehen, nicht in großen Maßnahmen und Wor-ten, sondern in unmerklicher Veränderung der Atmosphäre, an der jeder von uns be-teiligt ist und die jeder als stille Wohltat empfi ndet. Haltet Euch an, stille, tüchtige, gütige Menschen zu werden. Das ist unser aller Berufung in dieser Zeit. Sich nicht mit den Ungerechtigkeiten und Torheiten unserer Zeit und der Vergangenheit fort und fort auseinandersetzen, sondern innerlich einer anderen, besseren, geistigeren Welt angehören, nach der innerlichen Frömmigkeit strebend, zu der uns Jesus in seinen Worten den Weg weist.

Ich schreibe Ihren Jünglingen dies tief in der Nacht, nach einem schweren Tag. Wenn ich es ungeschickt angefangen habe, möge man meiner Müdigkeit verzeihen. Aber meine Überlegung ist, dass in unserer verhetzten und verfahrenen Zeit das Rechte ist,

Im Dokument  Eine andere Welt ist möglich (Seite 130-134)