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Die Komponenten des Chemotaxissystems aller bisher untersuchten Bakterienspezies lokalisieren in großen spezifischen Komplexen. Die Bildung dieser Komplexe wird durch die Interaktion der Chemorezeptoren untereinander ausgelöst. Chemorezeptoren bilden große Netzwerke, an die andere Chemotaxisproteine binden. Bisher sind drei verschiedene Positionierungen beschrieben worden: 1) die polare Lokalisierung von Transmembranrezeptoren bei E. coli (Lybarger & Maddock, 2001; Maddock & Shapiro, 1993);

2) die Lokalisierung von Transmembranrezeptoren am Zellpol und von löslichen Rezeptoren ohne Transmembrandomänen in definierten Regionen im Cytoplasma bei R. sphaeroides

(Harrison et al., 1999; Wadhams et al., 2003); und 3) die polare Lokalisierung von Rezeptoren ohne Transmembrandomänen bei P. aeruginosa (Bardy & Maddock, 2005).

Ein Ziel dieser Arbeit war es, die Lokalisierung der einzelnen Rezeptoren von S. meliloti zu untersuchen. Von besonderem Interesse war die Lokalisierung der beiden cytoplasmatischen Rezeptoren McpY und IcpA. Befinden sich diese am Zellpol oder im Cytoplasma? Ausgehend von den bisher untersuchten Bakterienspezies könnte man eine dem nah verwandten α-Proteobakterium R. sphaeroides analoge Lokalisierung erwarten. Dort bildet TlpC, ein löslicher Rezeptor, cluster im Cytoplasma und ist dort für die korrekte Positionierung der anderen Chemotaxisproteine in diesem Komplex verantwortlich (Wadhams et al., 2002;

Wadhams et al., 2003). Interessanterweise befinden sich bei S. meliloti sowohl IcpA, als auch McpY am Pol der Zelle (Abb. 44). Sie lokalisieren dort gemeinsam mit den anderen MCPs von S. meliloti (Abb. 44). Dieses Muster ist eher mit der Lokalisierung der Rezeptoren in P. aeruginosa zu vergleichen, obwohl P. aeruginosa als Vertreter der γ-Untergruppe der Proteobakterien phylogenetisch weiter von S. meliloti entfernt ist. Somit scheint die Positionierung cytoplasmatischer Rezeptoren nicht in einer phylogenetischen Gruppe entstanden und dann erhalten geblieben zu sein, sondern hat sich unabhängig entwickelt. Bei R. sphaeroides ist die cytoplasmatische TlpC-Lokalisierung abhängig von einem Protein-Positionierungsfaktor (PpfA), der zu ParA (TypI-DNA-Partitionierungsfaktor) homolog ist (Thompson et al., 2006). Möglicherweise ist diese Lokalisierungs-Regulation eine Anpassung an die intracytoplasmatischen Membranen des Purpurbakteriums R. sphaeroides, in die Chlorophyll- und Carotinoidpigmente eingelagert sind.

Die gemeinsame Lokalisierung von McpY- und IcpA-GFP mit den anderen Rezeptoren in einem großen cluster am Pol der Zelle (Abb. 44) ließ die Frage offen, ob die beiden Proteine frei im Cytoplasma und lediglich durch die Interaktion mit anderen Rezeptoren polar vorliegen oder ob sie zusätzlich an die Membran assoziiert sind. Bei der Western blot-Analyse von fraktionierten S. meliloti-Zellextrakten konnte McpY im Cytoplasma und IcpA in der Membranfraktion nachgewiesen werden (Abb. 50). Die Lokalisierung von McpY im Cytoplasma wird durch computergestütze Sekundärstrukturanalysen der McpY-Polypeptidsequenz mit SPLIT 4.0 (Juretic et al., 2002) und SOSUI (Hirokawa et al., 1998) belegt, die keine hydrophoben Bereiche in McpY identifizieren konnten. Die Lokalisierung von McpY im Rezeptor-cluster am Pol der Zelle wird somit durch die Interaktion mit den anderen Rezeptoren bzw. mit CheA und/oder CheW verursacht. Dies wird durch zwei Experimente belegt: 1) McpY-GFP konnte nur in sehr wenigen Zellen (11 %) im cluster am Pol

Diskussion 149 nachgewiesen werden (Abb. 44; Abb. 47); 2) die Zahl der Zellen mit einer polaren Lokalisierung von McpY nimmt in Abwesenheit von CheA und CheW weiter ab (Abb. 47). In einem ansonsten rezeptorlosen Stamm konnte das chromosomal exprimierte Fusionsprotein gar nicht mehr in einem polaren cluster nachgewiesen werden (Abb. 48). Die Interaktionen zwischen McpY, CheA, CheW und anderen Rezeptoren sollte durch crosslinking-Experimente überprüft werden. Mit Hilfe von Immunogold-Studien könnte die Abhängigkeit der Lokalisierung im Rezeptor-cluster von anderen Komponenten genauer untersucht werden.

Wie wird IcpA in der Membran verankert? Der cytoplasmatische Rezeptor Aer aus E. coli ist über einen 38 AS großen hydrophoben Bereich in der Cytoplasmamembran verankert (Amin et al., 2006). Vergleiche der Polypeptid-Sequenzen von IcpA und Aer aus E. coli lieferten keine entsprechenden Homologien und machten eine Verankerung von IcpA über einen entsprechenden hydrophoben Membrananker unwahrscheinlich. Computergestütze Sekundärstrukturanalysen der IcpA-Polypeptidsequenz mit SPLIT 4.0 (Juretic et al., 2002) und SOSUI (Hirokawa et al., 1998) identifizierten ebenfalls keine Transmembran-Helices. Eine Interaktion über kleinere hydrophobe Bereiche kann dennoch nicht ausgeschlossen werden. Ob IcpA durch Wechselwirkungen mit anderen Proteinen an die Membran gebunden ist, muss noch untersucht werden, wobei Genprodukte des flagellar regulon ausgeschlossen werden können, da IcpA-GFP auch in Abwesenheit dieser Komponenten am Pol lokalisiert (Abb. 46).

Mögliche Interaktionspartner wären Komponenten des Cytoskeletts oder Bestandteile der Cytoplasmamembran, wie z. B. Cardiolipin (Johnson et al., 2004).

Diese Faktoren könnten auch eine spezifische Funktion bei der polaren Lokalisierung aller Chemorezeptoren haben. Bisher ist noch nicht verstanden, warum sich die Rezeptoren

ausgerechnet am Zellpol zu einem cluster formieren, da für Signalamplifikation und -weiterleitung nur die Organisation in höher geordneten Komplexen per se essentiell ist, nicht

aber die Lokalisierung am Pol (Bray et al., 1998; Lybarger et al., 2005). Es gibt verschiedene Modelle, die versuchen diesen Sachverhalt zu erklären: 1) Die Rezeptoren werden durch Einstülpungen der Membran in diese Position gedrängt (Lefman et al., 2004; Zhang et al., 2007); 2) Unterschiede in der Lipidkomposition der Membran verursachen ein optimales Milieu für die Anlagerung der Chemorezeptoren (Johnson et al., 2004); 3) Spezielle, bisher nicht identifizierte, Faktoren des Cytoskeletts positionieren die Rezeptoren am Zellpol.

Eindeutig belegt ist jedoch, dass die Rezeptor-cluster von E. coli durch CheA und CheW stabilisiert werden (Kentner et al., 2006; Lybarger & Maddock, 1999; Maddock & Shapiro, 1993; Skidmore et al., 2000; Sourjik & Berg, 2000). Dies trifft auch auf die meisten Rezeptoren von S. meliloti zu (Abb. 47A). Nur McpV, McpX und IcpA lokalisieren

unabhängig von CheA und CheW am Pol der Zelle (Abb. 47A und Tab. 13). Möglicherweise wird diese CheA- und CheW-unabhängige Positionierung am Pol durch eine Interaktion der Rezeptoren untereinander begünstigt. Über mögliche weitere Interaktionspartner, wie Komponenten des Cytoskeletts oder der Cytoplasmamembran, wurde bereits bei der IcpA-Lokalisierung diskutiert. Die Interaktion der Rezeptoren untereinander könnte mit Hilfe von FRET-Messungen untersucht werden.

Die fehlende polare Lokalisierung von McpS könnte möglicherweise darauf zurückzuführen sein, dass die Komponenten, die McpS an den Pol binden oder in einem cluster stabilisieren, unter den entsprechenden Versuchsbedingungen nicht exprimiert werden. Vorstellbar wäre eine Induktion der Expression durch spezielle pflanzliche Lockstoffe, wie sie für die Wahrnehmung von Samenexsudat durch McpS diskutiert wurde (5.2). Diese Hypothese könnte durch die Untersuchung der McpS-Lokalisierung nach Stimulation mit pflanzlichen Lockstoffen überprüft werden.

Wird bei S. meliloti nur ein Transmembranrezeptor, gezeigt für McpU und McpW, exprimiert, bilden diese keine cluster mehr. Dagegen lokalisiert der cytoplasmatische Rezeptor IcpA als einziger Rezeptor immer noch am Pol (Abb. 49). Dieses Verhalten ist unabhängig von der Anwesenheit des NWETF-Motivs, das bei E. coli die Lokalisierung der Rezeptoren reguliert (Lybarger & Maddock, 2000).

Eine interessante Hypothese, nämlich die Rekrutierung anderer Rezeptoren und Chemotaxisproteine an den Zellpol, durch IcpA, konnte leider nicht bestätigt werden. Die untersuchten Rezeptoren McpU und McpY und auch die Histidinkinase CheA lokalisieren auch ohne IcpA am Pol der Zelle. IcpA ist daher nicht essentiell für die Etablierung des Rezeptor-clusters. Eingehende Untersuchungen der „Außenseiter“-Rolle von IcpA sind daher vonnöten.