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2.3 Bayessche Rekonstruktion dynamischer Stimuli

3.1.2 Logistische Gleichung mit verteilten Verz¨ogerungszeiten 72

Gegenstand der folgenden Betrachtungen ist eine Variante der zeitverz¨ogerten logistischen Gleichung f ¨ur die PopulationsdichteN(t)einer einzelnen Spezies:

dN(t)

dt = rN(t) 1− 1

KN+ (N(t))

. (3.3)

Dabei bezeichnet das Funktional N+ die Faltung der vergangenen Nmit der Verteilungsfunktionξ:

N+ (N(t)) ≡ (N∗ξ)(t)≡ Z

N(t−τ)ξ(τ)dτ . (3.4) Da das Verhalten des Systems nur durch gegenw¨artige oder vergangene Zust¨ande beeinflußt werden kann, ist ξ f ¨ur τ ≥ 0 definiert. Weiterhin muß

ξnormiert sein: Z

ξ(τ)dτ= 1 . (3.5)

Als Beispiel wird f ¨ur ξ eine entlang der Zeitachse verschobene Gamma–

Verteilung gew¨ahlt (rechte Spalte von Abbildung3.1):

ξ(τ) =

0 falls0≤τ < τmin

-, (τ−τmin)exp(−. . min) fallsτmin ≤τ . (3.6) Diese Funktion entspricht einer Regulation, die erst nach einer Zeit τmin ein-setzt, danach kontinuierlich bis zu einer maximalen Wirkung ansteigt, um anschließend langsam ihren Einfluß zu verringern. Im ¨okologischen Kontext kann dies folgendermaßen interpretiert werden: Individuen bis zu einem be-stimmten Mindestalter τmin konkurrieren nicht mit den ¨ubrigen Mitgliedern

der Population um Ressourcen. Mit weiter zunehmendem Alter steigt der Be-darf der Individuen an Nahrung und damit auch der regulierende Einfluß auf die Population schnell an, um nach Erreichen eines Maximalwerts langsam wieder abzunehmen, bis schließlich aufgrund der beschr¨ankten Lebenserwar-tung von Individuen jenseits eines gewissen Alters so gut wie keine Ressour-cen mehr ben¨otigt werden. Eine alternative Interpretation besteht darin, die Population in junge und adulte Mitglieder einzuteilen, von denen nur die adulten um Ressourcen konkurrieren. Weiter wird postuliert, daß die Dauer des Heranreifens einer gewissen Streuung unterliegt, die durch die Verteilung ξ beschrieben wird. Von Blythe et al. (1984) konnte gezeigt werden, daß die Verteilung der Schlupfzeiten bei verschiedenen Fliegenspezies n¨aherungswei-se einer Gamma–Verteilung gen ¨ugt. Die Gamma–Verteilung bietet dar ¨uber-hinaus meist den Vorteil einer einfachen mathematischen Behandelbarkeit, sie findet also schon aus diesem Grund des ¨ofteren Verwendung (May, 1973;

MacDonald,1989;Bernard et al.,2001). Ihre Parameterτmin undθh¨angen mit den statistischen Gr¨oßen Mittelwert τm der Verz¨ogerungszeiten und Varianz σ

der Verz¨ogerungen um den Mittelwert folgendermaßen zusammen:

τm = τmin+2θ , (3.7)

σ

= 2θ

. (3.8)

Indem Gleichung (3.3) numerisch mit einer Integrationsschrittweite von

∆t= 0.005 gel¨ost wird, kann der Verlauf der Populationsdichte N(t) berech-net werden, als Simulationsdauer wurden 200 beliebige Zeiteinheiten, entspre-chend beispielsweise einem Zeitraum von 200 Jahren, gew¨ahlt. Die Bestim-mung der Regulation zu Beginn der Simulation macht allerdings die Kennt-nis der vorherigen Populationsdichten erforderlich. In allen F¨allen wird ei-ne konstante Dichte N(t < 0) := N festgelegt. Die Parameter werden zum Zweck der Demonstration so gew¨ahlt, daß das Modell mit einer extrem schma-len Verteilung von Verz¨ogerungszeiten einen deutlich oszillierenden Verlauf N(t)liefert: intrinsische Wachstumsrater= 1.7, Kapazit¨atK= 1, Anfangsdichte N = 0.1.

In mehreren Simulationen wird nun f ¨ur eine Anzahl von verschiedenen Wertenτm∈ [1, 2] der ¨Ubergang von oszillatorischem zu stabilem Verhalten bestimmt, wobeiσ

zwischen 0 und 2 variiert. σ

= 0.0 bezeichnet dabei den Fall einer singul¨aren Verz¨ogerungszeit entsprechend der Gleichung (3.2). Da-bei wirdN(t)als oszillierend angesehen, falls sich nach einer transienten Pe-riode die Amplituden aufeinanderfolgender Maxima nicht mehr wesentlich

¨andern. Umgekehrt wird N(t)als stabil aufgefaßt, wenn am Ende der Simu-lationsperiode die Differenz zwischen maximaler und minimaler Oszillations-amplitude kleiner als der willk ¨urlich gew¨ahlte Schwellenwert von 0.02 ist oder wenn die Amplitude weiterhin deutlich abnimmt.

Um die D¨ampfung der Schwingungen als Funktion vonσ

zu

quantifizie-ren, wurde das Verh¨altnis d(σ

) := A(σ

)

A(σ =0) (3.9)

bestimmt, wobeiA(σ

)die maximale Oszillationsamplitude am Ende einer Si-mulation mit einer Verteilung der Breiteσ

angibt undA(σ

=0)die maxima-le Amplitude f ¨ur den Fall einer einzelnen Verz¨ogerungszeit. Je kmaxima-leiner dieses Verh¨altnis ist, desto st¨arker ist die D¨ampfung durch die verteilten Verz¨oge-rungszeiten.

Des weiteren wurde eine lokale Stabilit¨atsanalyse durchgef ¨uhrt. Die Li-nearisierung der L¨osung N(t) von Gleichung (3.3) um den Fixpunkt N

0 2 4 6

N(t)

(a)

0 2 4 6

N(t)

(b)

0 20 40 60 80 100

t 0

2 4 6

N(t)

(c)

0.000 0.001 0.002 0.003 0.004

ξ(τ)

σ2=0.0

0.000 0.001 0.002 0.003 0.004

ξ(τ)

σ2=0.5

0 2 4 6

τ 0.000

0.001 0.002 0.003 0.004

ξ(τ)

τm

σ2=1.0

Abbildung 3.1: Links: Zeitverlauf der Populationsdichte N(t) simuliert durch numerische L¨osung der Gleichungen (3.2) (a) und (3.3) (b,c) f ¨ur einen Zeitraum von 100 Zeiteinheiten.Rechts:Verteilungenξ(τ)der Verz¨ogerungs-zeiten, die f ¨ur die jeweiligen Simulationen benutzt wurden. Die Breite der Verteilungenσ

nimmt von oben nach unten zu, die mittlere Verz¨ogerung ist in allen drei F¨allen gleich:τm= 1.5. (a): σ

= 0.0, dies entspricht einer einzel-nen Verz¨ogerungszeit; (b): σ

= 0.5; (c): σ

= 1.0. Wird σ

erh¨oht, so werden die Oszillationen in der Populationsdichte relativ zum Fall einer einzelnen Verz¨ogerungszeit zunehmend kleiner. Falls die Varianz groß genug ist, wer-den die Grenzzyklen schließlich durch die Ann¨aherung an einen Gleichge-wichtswert ersetzt.

erm¨oglicht es zu bestimmen, ob kleine Abweichungen vom Gleichgewichts-zustand mit der Zeit anwachsen oder verschwinden. Diese Betrachtung resul-tiert schließlich in einer komplexwertigen Eigenwertgleichung, aus der durch Trennung von Real- und Imagin¨arteil folgende Beziehungen gewonnen wer-den k¨onnen:

ω− r

4ωcos (ωτmin) = rsin(ωτmin), (3.10)

θ = r

cos(ωτmin). (3.11) Die numerische L¨osung der impliziten Gleichung (3.10) liefert diejenigen Wer-te ω(r, τmin), die den ¨Ubergang des Systems vom stabilen zum oszillatori-schen Verhalten markieren. Die L¨osungen werden anschließend in die Glei-chung (3.11) eingesetzt, um diejenigen Werteθ(r, τmin)zu erhalten, bei denen zuerst Oszillationen auftreten. Schließlich liefert die Anwendung der Glei-chungen (3.7) und (3.8) das minimale, f ¨ur stabile, nicht oszillierende Popu-lationsdynamik n¨otigeσ

als Funktion vonτm. Eine ausf ¨uhrliche Darstellung der Stabilit¨atsanalyse befindet sich in AnhangA.

3.1.3 Stabilisierung der Populationsdynamik

Wenn die singul¨are Verz¨ogerung T durch die Verteilung von Verz¨ogerungs-zeitenξersetzt wird, ergibt sich eine Stabilisierung der Populationsdynamik (Abbildung 3.1). Dabei ist der stabilisierende Effekt umso st¨arker, je gr¨oßer die Varianzσ

der Verteilung ist (Abbildungen 3.1 und 3.2). F ¨ur mittelgroße σ

treten zwar Oszillationen auf, ihre Amplituden sind jedoch gegen ¨uber dem Einzelverz¨ogerungsfall reduziert (Abbildung 3.2). Falls σ

groß genug ist (σ &0.75 f ¨ur τm= 1.5), werden die Oszillationen sogar auf einen konstan-ten Wert ged¨ampft. Folglich wird bei gegebener mittlerer Verz¨ogerungτmein minimalesσ

ben¨otigt, um das stabile Gleichgewicht des unverz¨ogerten Mo-dells wiederherzustellen. Durch Stabilit¨atsbestimmung der simulierten Popu-lationsdichten bei einer Anzahl von Parameterpaarenτm undσ

wurde diese minimale Varianz bestimmt. Zus¨atzlich wurde sie mittels lokaler Stabilit¨ats-analyse berechnet und in Abbildung 3.3 dargestellt. Offensichtlich steigt die minimale Varianz, die f ¨ur eine lokale Stabilit¨at n¨otig ist, monoton mitτm, d.

h., je gr¨oßer die mittlere Verz¨ogerungszeit ist, desto breiter muß die Verteilung gew¨ahlt werden, um ein stabiles Gleichgewicht beizubehalten. Dazu mußσ

allerdings keineswegs einen außerordentlich hohen Wert annehmen, vielmehr ist es von derselben Gr¨oßenordnung wieτmselbst. Eine ¨Uberpr ¨ufung der Er-gebnisse durch Simulationen mit Gauß- oder Rechteckverteilungen liefert das gleiche qualitative Verhalten (ohne Abbildung). Dies deutet darauf hin, daß der beschriebene Effekt nicht von der exakten Form der Verteilungsfunkti-on abh¨angt. Vielmehr resultiert die Stabilisierung aus der Mittelung ¨uber die

Populationsdichten eines ganzen Vergangenheitsintervalls und aus der damit verbundenen Gl¨attung starker Fluktuationen, die daher auf kurzer Zeitska-la keinen st¨orenden Einfluß mehr auf das gegenw¨artige Wachstum aus ¨uben k¨onnen.