dienst-baren Landkreis dieses Recht nicht entkräftet werden.
Blut-ströme haben alle Zagheitvor hastiger
Demokratisirung
weg-geschwemmt.
Nach
demErlebniß dieses Krieges istnichts Anderes mehr brauchbar als: Für alle sich selbständig er-nährenden Männer und Frauen das gleiche Recht, in un-mittelbarer undgeheimer
Wahl auszudrücken, wen siein dieParlamente desReiches, derBundesstaaten und Gemein-denabordnen wollen. Parteien, diedas‚allgemeine,
schranken—lose Wahlrecht für alle Landtage wie ein dem Menschen
angeborenes
Naturrecht fordern, werden ehrloser Heuchelei schuldig, wenn sie derselben Forderung davorsichtig aus-biegen, wo nur das beschränkte Wahlrecht ihnen (den „Li-beralen“ inden Stadtgemeinden) dieMehrheit sichert. Ists nöthig,für das Wahlrecht der Frau, die überalljetzt,
auf und unter der Erde, Männerarbeit leistet und ohne deren Hilfe der Krieg nicht um einen Tagzuverlängern
wäre, noch einWort zusagen?
Ich bin für dieWählbarkeit der Frau; ihr gar dasWählerrecht zu versagen, wäre häßlicheUnklugheit,
diesich bald, indumpfer
Tiefe, rächen müßte.Allen selbständigsichnährenden Deutschen beider Geschlech-ter
gleiches
Wahlrecht;Geheimniß,Befreiung
von derKlassen-schranke und dem Zwischenhandel des Wahlmannes: ein
N ikodemos. 2 45
Tropfen,
der auf dem heißen Stein sofortverdampft.
Kein Zaudern, Düfteln,Knickern jetzt; keinenVersuch, denHunger
mit halber Portion zu stillen. Der müßtemißlingen;
und endloser Hader dasHaus verpesten. InderErsten Kammer herrsche dasWissen undKönnen, in der Zweiten der aller FeSsel entraffte Wille der Nation; dort Erfahrung undBe-harrungtrieb‚
hier derJugendmuth zu raschem Vordrang in ungereutetes Neuland. Weder das Reich noch eins seiner Glieder kann in diegrausam harte Zeit, durch diesiemüssen, Bleibsel aus den TagenderUnterthänigkeit
mitschleppen.„Aufmorschem Gebälk droht dem fürs
Auge
stattlichsten Haus dieEinsturzgefahr.
JedeRegirung,
dieveraltetes Vor-recht stützt, tötet selbst die Kernkraft ihrer Daseinsberech-tigung; die einer Kaste dienstbarefegt
der erste Windstoßvom Sitz. Und die morgen Lebenden wird der Geist mit
noch unahnbarer Sturmgewalt umbrausen. Kein Staat, Volk, Mann,Weib wird nach diesem
Krieg
sein,wiesiezuvor waren.Solcher Glaube ist dem Grafen
Hertling,
aus dessen Schriften ich Grundsätze anführte, und dengeistig
ihm Gleichalterigen so fern wie VanGogh,
das bis heute letzte niederländische 'Malergenie, dem FraAngelico.
Ungefähr, denken diese Herren, wird nach dem Krieg Alles Wieder,wie es zuvor war. Soll auch; Friedensschluß („derja bald,
so oder so, kommen muß“),mit allen irgend erlangbaren strategischen
Außensicherungen,
und rasche Rückkehr inalte' Ordnung, die,schonjetzt,
politisch zu „sichern“ist. Zwei.Hemmnisse sperren den Wegdieses greisgauenWünschens.
Erstes: dasin derBotschaft vom elften Juli 1917
„verpfän-dete Königswort“(dessen Gefährdung
zwar einem Landrath,wenn er, strebsam, nicht als Landrath sterben will,fast Thrä-nen
entlockt,
dasernstlich aber nur denMinister,denSchrei—berund
Gegenzeichner
derBotschaft, gefährdenkann). Zwei-tes Hemmniß: dieFurcht vor„Erschütterungen
desStaats-gefüges“
(dieniemals den Entschluß'Regirender
erwirken, bestimmen dürfte). BeideHindernisse,
hofft man, sind auf der Hohlgassezu umgehen, diein„gleich“scheinendes und, dennoch, „unschädliches“ Preußenwahlrecht führt. Wiehell derSchein schimmern müsse,'ist heute noch nicht sicher zu ermessen; Wirderstimnächsten Frühjahrerkennbar werden.246 DieZukunft.
Standpunkt
der ‚Herrschaf “‚dieinTagenhöchster Dienst-botennoth dem Hausmädchen sechshundert, statt der bisher gezahltendreihundert, Mark Jahreslohn inSicht gestellt hat,nun aber, seit aus Fabriken derVermietherin wieder mehr zuläuft,das
Angebot
bereut undmeint,mitvierhundert werde die nächste Emma, Pauline, Ida sich auf einemVorgebirg ewiger Seligkeit
wähnen.Deshalb: hübsch langsamfahren und,wenn die
Zugvögel
inneuen Lenz Deutschlands heimkehren, noch einmalprüfen,
inwelchen Wetterschutz die Staatsherr-schaft sich,ungern, entschließen muß. Blüht,garnoch höher alsheute, Siegeshoff’nung,
dann ist dasPfand billigeinzulösen;istSpätreif
indie Kelche gefallen, dann istsnurzuvollem Preis undZins loszueisen. DasSchoßkindchen solchenAltmänner-wahnes
schon am Nabelstrang zuerdrosseln, gebietetPflicht.Uns streichelt nicht derPfühl desGlaubens an nahen Frie-den. Der würde erst nach dem Verzicht aufalles inOst
wider Natur und Rechtsnothwendigkeit Erzwungene
mög-lich. Gewißheit aber und einziger Trost in sonst unerträg-lichem Leid derSeele istuns die„Erschütterung des Staatsge-füges“,vor derGeistgreise schlottern. Diespüren,mittrübem Auge und
dumpfem
Ohr, ringsumnur Angst: und wissen nicht, daß,wassieFurchtvor vermeidlichemWeltuntergang
dünkt,‚dieAngst der Wehenzeit ist,der sich neues Leben entbinden soll. Die alle Lüfte mitSonnenahnung
durch-zitternde, alle Blüthenstände inFruchthoffnung schwellende Frühlingsangst,von derJesus,schon seines Kreuzesgewärtig,
sprach,da er dem schüchternen Bourgeois Nikodemos, dem Vetter desHillelenkels undPauluslehrers Gamaliel, dieWie-dergeburt
der Menschheitseele ankündete.Apokatastasis, Palingenesis,
Renaissance: würde sieauch morgen nicht,das Erlebniß sinnlosen Gräuels risse dieletzte Gottheit ‚vomThron.Doch sie
wird;
weilsiewerden muß. Undder Name Dessen, dem siezuerstgekündet
ward, istuns BürgedesGeistes, der aus ihren Wehen ans Lichtringt.
DieVölker bluten und dar-ben; wie Tyches Laune die Wafl’en wende: den Völkern‚winkt, endlich, Sieg.
endlich,
mitHaftungpfiichn
Freiheit Herausgeber und verantwortlicher Redakteur: Maximilian Harden inBerlin.VerlagderZukunft inBerlin. ——Druckvon Paß&Uarleb G.m.b. H.inB'erlin.
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