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Leben - Biographische Angaben

A. Allgemeiner Überblick

II. DIE DEUTSCHSPRACHIGE SCHAFFENSPERIODE - -LEBEN UND W ERK1

1. Leben - Biographische Angaben

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Die biographischen Zeugnisse über Ellis als Emigrant, also über Ellis' zweite Lebens- und Schaffensperiode, sind äußerst dürftig. Die Zeit des Ersten Weltkriegs verbrachte er - zusammen mit Johanna van der Meulen2 - im wesentlichen in Basel (von Ok- tober 1915 bis Juni 1919)3, wobei er damals offensichtlich noch Kontakte zu seinen ehemaligen Moskauer "Musaget"-Mitarbeitem unterhielt, vor allem zu E. Metner. der allerdings seit 1914 in Zürich lebte4; M etner besuchte Éllis und Johanna van der Meulen in Basel5. Einige Briefe von Éllis aus dem Jahre 19176 bezeugen, daß er von Basel aus die Polemik zwischen Metner und Belyj über Steiners Lehre aufmerksam verfolgte: Metner hatte 1914 sein Buch "Размышления о Гете. Разбор взглядов Р.

Штейнера в связи с вопросами критицизма, символизма и оккультизма" ("Refle- xionen über Goethe. Eine Beurteilung der Ansichten R. Steiners in Verbindung mit Fragen der Kritik, des Symbolismus und des Okkultismus”, Moskau 1914) publiziert, in dem er Steiners Goethe-Interpretation kritisierte. Darauf antwortete Andrej Belyj mit seinem W erk ”Рудольф Штейнер и Гете в мировоззрении современности. От- вет Эмилию Метнеру на его первый том «Размышлений о Гете»" ("Rudolf Stei- пег und Goethe in der gegenwärtigen W eltanschauung. Eine Antwort an Ëm ilij Met- ner auf seinen ersten Band «Reflexionen über Goethe»", Moskau 1917)7. Éllis

vertei-1 Vgl. hierzu auch: Ch. Villich |H. Willich), M V. Koz'menko: Tvorčeskij pu(‘ Ëllisa za rubežom. In Izvestija Akademii Nauk. Sērija literatury i jazyka. 52 (1993) 1, S. 61-69; Ch. Villich |H. Willich): L.L.

Kobylinskij-ÈJlis как pośrednik meždu njsskoj literaturoj i nemeckojazyčnymi čitateljami. In: Rossijskij literaturovedčeskij žu m al,4 (1994), S. 191—195 sowie in: Kul'tumoe nasledie rossijskoj ćmigracii

1917-1940. Kniga vtoraja. Moskva 1994, S. 258-264.

2 Ēllis hatte Johanna van der Meulen bereits 1912 in anthroposophischen Kreisen um Steiner ken- nengelemt (unter dem Namen Po(o)!man(n)-Mo(o)y). (Nach ihrer Scheidung hatte sie wieder ihren Mädchennamen van der Meulen angenommen. (Diese Information entstammt dem Brief von Or. Ulrich Barth (Stellvertreter des Staat&archivars im Staatsarchiv Basel) vom 13.12.1994; vgl. hierzu auch oben, S. 125, Anm. 98, sowie PO РГБ, Ф. 167, картон 11. ед.хр. 1-2.]) Als zuverlässige Schülerin Rudolf Steiners war sie von ihm beauftragt worden, sich um Ellis zu kümmern. Später wandte auch sie sich von Steiner und der Anthroposophie ab. (Vgl. A. Belyj: Verwandeln des Lebens, a.a.O., S. 72f., 21 lf., 506;

M. Ljunggren: The Russian Mephisto, a.a.O., S. 94.)

3 Von Dr. Ulrich Barth erhielt die Verfasserin mit Brief vom 21.11.1994 folgende Information: ”Der Schriftsteller «Leon |sic!ļ Kobilinsky» kam gemäß Einwohnerkontrolle (a 53636) als Refraktär von Weesen nach Basel und erhielt hier am 22. Oktober 1915 die Niederlassungsbewilligung. |...ļ Am 22.

Oktober 1915 meldete er auch seine Wohnung an: Birsstraße 86, Basel. Am 30. Juni 1919 eifolgte seine Abmeldung nach Locarno. Anhand der gängigen Findmittel lassen sich keine weiteren Hinweise oder Schriftstücke von L.K. bei uns nachweisen" Im Brief vom 13.12.1994 bestätigt Dr. Barth, daß J. van der Meulen in Basel ebenfalls in der Birsstr. 86 wohnte.

4 Vgl. hierzu auch oben, S. 40.

s Vgl. hierzu M. Ljunggren: The Russian Mephisto. a.a.O., S. lOlf.

6 PO РГБ, Ф. 167, картон 13, ед.хр. 15 und картон 14, ед.хр. 67-69. Vgl. auch M. Ljunggren:

The Russian Mephisto, a.a.O., S. 128, 186, Anm. 4.

7 Vgl. hierzu recht ausführlich M. Ljunggren: The Russian Mephisto. a.a.O., S. 63f., 83, 102-105, 108-110.119-128.

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digte Metner gegen Belyj8. dessen Buch er eine "Schmähschrift" nannte9. 1919 zogen Éllis und Johanna van der Meulen in die Schweiz nach Locam o-M onti und lebten dort gemeinsam bis zu Éllis' Lebensende.

Johanna van der Meulen (1874-1959)10 stammte aus einer vornehmen, reichen holländischen Familie aus Amsterdam11. Ihr Vater war Richter. Das kleine Haus, die Casa Fioretti, in dem sie mit Éllis in Locamo-M onti lebte, gehörte einer Fam ilien- Stiftung. Von den Geldmitteln dieser Stiftung lebten Éllis und sie, denn beide hatten sonst kein regelmäßiges Einkommen12.

ln den Jahren 1914 bis 1927 schrieb und publizierte Johanna van der Meulen unter dem Pseudonym "Intermediarius"13 ein vierbändiges Werk m it esoterischer Them a- tik 14, dessen ersten Teil Éllis ins Russische übersetzte und an den "Musaget״-Verlag nach Moskau schickte15. Diese Übersetzung wurde allerdings nicht publiziert.

Die Beziehung zwischen Johanna van der Meulen und Éllis hatte geistigen, rein platonischen Charakter. Éllis als Mensch war - wie bereits seine M oskauer Periode gezeigt hat - unfähig, allein zu leben. Er wird als sehr liebenswürdig, aber absolut weltfremd, unpraktisch und intellektuell beschrieben, als impulsiv und gesprächig16.

Im Laufe der Zeit beherrschte er die deutsche Sprache im m er besser. E r verehrte Deutschland und die Deutschen. Anfangs war er sogar von Hitler begeistert, da er die Hoffnung hatte, daß der Kommunismus in Rußland, der ihm sehr zuwider war, durch Hitler endgültig vernichtet werden könne, doch wandte er sich später enttäuscht von ihm und dem Nationalsozialismus ab. Johanna van der Meulen war durch und durch Christin, von grenzenloser Nächstenliebe und Altruismus beseelt. Den Sinn ihres L e- bens sah sie in der Fürsorge für andere Menschen. Mit Éllis verband sie zudem das gemeinsame Streben nach religiös-mystischen Inhalten. Sie war eher gemäßigter, zu- rückhaltender, bremste Éllis* Tem peram ent und hielt ihn gewissermaßen im Zaum.

Im Laufe der Jahre wuchs ihre geistige Verwandtschaft immer mehr.

Éllis wird in den zwanziger Jahren von Richard K nies17 noch als ״Laientheologe [...] russisch-orthodoxen Bekenntnisses'* bezeichnet18 mit rom freundlicher G esin­

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x Ellis schricbcinc positive Rezension über Metners Gocthe-Buch mit dem Titel: ,,Теософия перед судом культуры" ("Theosophie vor dem Kulturgencht", mit *,Sagittarius" unterzeichnet), die Metner bereits im Juni 1915 an den Sekretär des "Musaget"-Verlags N. Kiselev gesandt hatte (vgl. hierzu M.

Ljunggren: The Russian Mephisto. a.a.O., S. 126.186. Anm 42).

9 "Пасквиль" (PO РГБ. Ф. 167, картон 14. ед.хр. 69).

10 Vgl. M. Ljunggren: The Russian Mephisto, a.a.O., S. 180. Anm. 42.

11 Diesen sowie viele Hinweise zu Éllis' Biographie im vorliegenden Kapitel verdanke ich einem ausführlichen Gespräch mit Frau Lore Müller, die seit 1932 in Locarno lebt und durch ihren Schwiegervater persönlichen Kontakt zu Éllis und Johanna van der Meulen hatte, an die sie sich bis heute lebhaft erinnert. Außerdem vgl. M. Ljunggren: The Russian Mephisto, a.a.O., S. 101f., 104.

12 Davor, etwa bis zum Beginn des 1. Weltkriegs, wurde Ellis ja von "Musaget" finanziell unterstützt und hatte don auch seine Werke publiziert.

13 Intermediarius = Vermittler; J. van der Meulen hielt sich für eine Vermittlerin zwischen Himmel und Erde.

14 Vgl. Intermediarius: Christliche Theologie und Cosmosophie nach dem Zeichen des heiligen Graal. Leipzig 1914; Dies.: Homo Coelestis. Das Urbild der Menschheit. Per Crucem ad Rosam. Basel 1918; Dies.: Universum. Der Cosmos und dercosmische Mensch. Liber mundi. Per Crucem ad Rosam.

Basel 1923 und Dies.: Das große Zeichen. Arcana sapientiae. Per Cnicem ad Rosam. Basel 1927.

15 Die Übersetzung befindet sich im PO РГБ, Ф. 167, картон 11. ед.хр. 1-2.

16 Diese Informationen entstammen dem Gespräch mit Lore Müller (v g l. oben. Anmerkung 11 die - ses Kapitels).

17 Leiter des Matthias-Grüne wald-Verlags. Mainz.

18 So R. Knies in der "Erklärung des Verlags" in: W. Solowjew: Monarchia Sancti Petri. Die kirchi- che Monarchie des heiligen Petrus als freie und universelle Theokratie im Lichte der Weisheit. Aus den

Hauptwerken von Wladimir Solowjew systematisch gesammelt, übersetzt und erklärt durch L.

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nung19. Später, wohl zu Beginn der dreißiger Jahre, konvertierte er zum Katholizis- mus20. Johanna van der Meulen war ursprünglich Protestantin, aber - Éllis folgend - konvertierte auch sie zum Katholizismus. Gemeinsam besuchten sie regelm äßig an Sonn- und Feiertagen die Messe im katholischen Kloster ,,Madonna del Sasso", das auf dem Berg oberhalb von Locarno liegt.

Insgesamt lebten Éllis und Johanna van der Meulen recht still und abgeschieden in Locamo. Wie Lore Müller21 berichtet, ging Éllis häufig schnellen Schritts mit we- hender, schwarzer Pelerine auf dem Berg oberhalb Locarnos spazieren. Er unterhielt keine Kontakte mehr zu seinen früheren Moskauer literarischen M itstreitern22; auch mit den in der Emigration lebenden russischen Literaten scheint er nicht allzu aktiv verkehrt zu haben. Jedoch erwähnt er in seinen Arbeiten aus dieser Zeit häufig die Namen der - wie er sie nennt - "Führer der russischen Em igration"23: N. Berdjaev, I.A. Il’in, V.N. Il’in, S. Bulgakov, В. Zajcev u.a., zu denen er möglicherweise Kon- takt hatte. Zumindest publizierte er mitunter Beiträge in denselben Zeitschriften und Sammelbänden wie sie24. Nahe standen ihm wohl auch die in der Emigration leben- den D. Merežkovskij, den er für den bedeutendsten der lebenden russischen Schrift- steiler hielt, und Vjač. Ivanov, den er einen der hervorragendsten russischen Symbo- listen nannte25. Im Archiv von Dmitrij V. Ivanov in Rom befinden sich ein Brief von Éllis an Merežkovskij (1933?) und drei undatierte Briefe an Vjač. Ivanov (vermutlich aus den dreißiger Jahren; bei einem Brief findet sich ein Umschlag mit einem Post- stempel von 1936)26. Ivanovs Antwortbriefe an Éllis, die es (wie aus Éllis' Briefen hervorgeht) gegeben haben muß, sind leider nicht erhalten bzw. konnten bis jetzt nicht aufgefunden werden. Interessant in diesem Zusammenhang ist das indirekte Zeugnis über eine mögliche Verbindung oder Freundschaft zwischen Vjač. Ivanov und Éllis, wie es in den Memoiren von Lidija V. Ivanova ausgedrückt ist: die scherz- hafte Bemerkung in ihrer hauseigenen Zeitschrift über die mystische Zurückgezogen- heit von Éllis in Locamo27. Éllis jedenfalls begrüßt in seinen Briefen die neue Rieh*

tung, die Vjač. Ivanov eingeschlagen hat (damit meint er Ivanovs Konversion zum Katholizismus):

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linski-F.llis. Mainz 1929, S. XIII; ganz ähnlich äußert sich Knies über Ellis in seinem "Vorwort" zu W.

Solowjew: Das Lebensdrama Platons. Mit einem Nachwort über Platon und Solowjew von L. Kobi- linski-Ellis. Aus dem Russischen übertr. von B. Schmiu. Mainz 1926, S. VU.

19 So R. Knies im "Geleitwort" in: Christi Reich im Osten. Die geistige Bedeutung Wladimir Solo- wjews und die inneren Voraussetzungen zur Wiedervereinigung der russisch-orthodoxen und der rö- misch-katholischen Kirche. Hrsgg. von Richard Knies. Mainz 1926, S. 1.

20 Vgl. den Hinweis von Domkurat Dr. Karl Rudolf (Herausgeber der Zeitschrift ,T h eologie der Zeit”) in: Theologie der Zeit, 2, Wien, 1937. S. 57.

21 Vgl. oben, S. 180, Anm. 11.

22 É. Metner scheint Éllis und Johanna van der Meulen im Frühjahr 1920 in Locamo-Monti besucht zu haben, konnte jedoch die katholisch inspirierte Esoterik nicht akzeptieren, während Ellis Metners Interesse für Jung und dessen Tiefenpsychologie nicht teilte (vgl. oben. S. 40), so daß dieser Besuch ihre letzte Begegnung und das Ende ihrer Freundschaft war. (Vgl. hierzu auch M. Ljunggren: The Rus- sian Mephisto. a.a.O., S. 133f., 188. Anm. 31-33.)

23 Vgl. L. Kobilinski-Ellis: W.A. Joukowski. Seine Persönlichkeit, sein Leben und sein Werk. Pa- derbom 1933, S. 291.

24 Der Kontakt zu N. Berdjaev ist durch fünf Briefe von Éllis an ihn (aus dem Jahre 1939) belegt, die sich in Moskau im РГАЛИ befinden (Ф. 14%. on. 1. ед.хр. 843), von der Verfasserin jedoch leider nicht eingesehen werden konnten.

25 Vgl. Die Schildgenossen. Heft 6. Aug./Sept. 1937, S. 476.

26 Diese Informationen sowie eine Kopie der Briefe an ivanov erhielt die Verfasserin von A. Šiškin aus Rom.

27 Vgl. L. Ivanova: Vospominanija: Kniga ob otce. Podgotovka teksta i kommentarij Džona M alm- stada. Moskva 1992, S. 70.

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Хорошо, что мы можем снова встретиться на новом общем пути для совместной работы во имя Христа! Верно, что в главном и последнем мы солидарны. Разница в предпослед- нем должна повлечь к плодотворным беседам [28.[.״

Éllis befaßte sich in seiner zweiten Lebenshälfte und Schaffensperiode weniger mit rein literarischen, als vielmehr mit philosophisch-religiösen, mystischen Fragen und Problemen. Seit den zw anziger Jahren publizierte er A rbeiten und Aufsätze auf Deutsch unter dem Namen Dr. Leo Kobilinski-Ellis. Viele seiner Werke aus dieser Schaffensperiode erschienen im Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz, der es als erster katholischer Verlag in Deutschland unternahm, die deutschen Katholiken mit VI. So- lov’ev bekannt zu machen und sowohl russisch-orthodoxe wie auch römisch-katho- lische Autoren zur Mitarbeit heranzog29. Zu diesem Zweck gab der M atthias-Grüne- wald Verlag 1926 und 1927 zwei Sammelbände heraus mit den Titeln "Christi Reich im Osten"30 und "Ex Oriente". Der erste dieser Bände, "Christi Reich im Osten", trägt den Untertitel: "Die geistige Bedeutung W ladim ir Solowjews und die inneren Voraussetzungen zur W iedervereinigung der russisch-orthodoxen und der römisch- katholischen Kirche" und ist unter aktiver Mithilfe und M itarbeit von Éllis entstan- den31. In seinem "Geleitwort" charakterisiert Richard Knies die Aufgabe dieses Sam- melbandes folgendermaßen:

Dieses Jahrbuch unternimmt in den Beiträgen seiner verschiedenen Mitarbeiter den Versuch, die russische Frage in ihrem religiösen Charakter zu sehen und zwar durch die Prüfung des inneren Verhältnisses zw ischen der russisch-orthodoxen Kirche des O stens und der römisch- katholischen des Westens und der Möglichkeit zur Wiederherstellung der Einheit. Der Ausgang dabei wird von der lebendigen Persönlichkeit des Wladimir Solowjew genommen. [...] Dieser große, westlich orientierte, russische Denker steht an der Grenze von Morgen- und Abendland und richtet gewaltige Fragen nicht nur an seine Heimat Rußland, sondern auch an die Christen Westeuropas, ln seinem Bekenntnis zur universellen Kirche Christi unter dem Apostel Petrus und seinen Nachfolgern als Oberhaupt liegt an Rußland die Frage um die Entscheidung über die Anerkennung des Primates Petri und damit Roms; sein philosophisch-theologisches Lebenswerk aber bedeutet an den christlichen Westen Europas die Frage um die Möglichkeit der Anerkennung jener Lehre des christlichen Ostens, die nicht nur gleichsam Kern und Stem des Denkens seiner gläubigen Philosophen und Theologen, sondern auch der inbrünstig umfangene Glaube des einfachen Volkes ist - nämlich der Sophia-Lehre.3 2

Der zweite Sammelband des Matthias-Grünewald-Verlags, "Ex Oriente" (1927), wid- met sich religiösen und philosophischen Problemen des Ostens und des W estens, vor allem dem Problem der Union der östlichen und der westlichen Kirchen, und wurde von Prof.Dr.theol. Ludwig Berg herausgegeben, der amtlich mit der russischen Em i•

granten-Fürsorge beauftragt war. In diesem Band finden sich Beiträge orthodoxer, unierter und katholischer Schriftsteller in russischer, französischer und deutscher Sprache (darunter auch Arbeiten von Ellis). Der Herausgeber Ludwig Berg äußert sich über das Anliegen des Bandes folgendermaßen:

Die Wiedervereinigung der christlichen Kirchen ist ein Werk der göttlichen Gnade, aber auch ein Werk menschlicher Mitarbeit. Nach menschlichem Ermessen wird dieses Problem der Union nicht in der nächsten Zukunft gelöst, wenn auch immer Einzelübertritte stattfinden. Hierbei darf naturgemäß weder die Liebe noch die Wahrheit verletzt werden.

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28 Brief von Éllis an V. Ivanov aus dem Archiv von D.V. Ivanov, Rom.

29 Vgl. das Vorwort von Richard Knies in: W. Solowjew: [)as Lebensdrama Platons. a.a.O., S. VI, ѴИ.

30 "Ähren aus der Garbe. Kleines Jahrbuch des Matthias-Grüne wald-Verlags für das Jahr 1926м.

31 Darauf weist der Herausgeber Richard Knies in seinem "Vorwort" hin (vgl. Christi Reich im Osten, a.a.O.. S. 2).

32 Ebd., S. 1.

Zur Wiedervereinigung drängt eine Reihe innerer Gründe, vor allem aber auch die traurige Z em s- senheit innerhalb der Millionenschar derer, die sich Christen nennen und als leidende, gemarterte Kirche einer geschlossenen, gottlosen, kampfbereiten Welt gegenüberstehen.

Dem Problem der Union der morgenländischen und abendländischen Kirchen ist das vorliegende Buch in erster Linie gewidmet, da wir in den Orthodoxen unsere "getrennten Brüder" erblicken, da die Kirchen des Morgenlandes mit denen des Abendlandes nach dem griechischen Kirchen- lehrer Basilius dem Großen den einen Leib Christi bilden.

[...] Die Schwierigkeiten auf dem Wege zum hohen Ziele werden erkannt. Lösungen mit glühen- dem Eifer gesucht: W ege einer echten Union, d.h. einer Wiedervereinigung in Glaube, Ver- fassung und Gottesdienst und W ege, die sich mit der Einheit in gewissen praktischen Fragen begnügen, aber hie und da, als etwas Vorläufiges, als Durchgangsstadium zur echten, vollkom- menen Union bezeichnet werden.33

Behandelt werden in den Beiträgen allgemeine Fragen zur Union, zur Geschichte und zur Dogmatik der orthodoxen und der römisch-katholischen Kirche sowie Biographi•

sches (über Heilige, Pilger und Starzen).

Seine Aufsätze publizierte Éllis (außer in den genannten Sammelbänden) in v er־

schiedenen katholischen Zeitschriften, die sich ebenfalls m it Fragen und Problemen des Ostens und Westens befaßten und bestrebt waren, den deutschsprachigen Katho- liken die Ostkirche und das religiöse Kulturgut Rußlands nahezubringen, wie etwa die Zeitschriften "W est-östlicher W eg"34, "Theologie der Z e it"35, "Die Schildgenos- sen"36 und "Das neue Reich"37.

Durch Éllis' Publikationen in den genannten katholischen Zeitschriften und Sam ־ m elbänden werden wir auf ein interessantes Phänomen gestoßen, näm lich auf das plötzliche Aufkommen eines großen Interesses an VI. Solov’ev und seiner Unionsidee der Ost- und Westkirche unter den Katholiken im süddeutschen und österreichischen

33 Ex Oriente. Religiöse und philosophische Probleme des Ostens und des Westens. Beiträge ortho- doxer, uniener und katholischer Schriftsteller in russischer, französischer und deutscher Sprache.

Hrsgc von Prof. Dr. theol. Ludwig Berg. Mainz 1927, S. XIII.

4י Die Monatsschrift *'West-Östlicher Weg" (1928-1931, Glogau - Mainz) weist in ihrem "Geleit- won" darauf hin. daß sie das Ziel verfolge, die westliche katholische Welt besser mit der Religiosität der Ostkirche bekanntzumachen, als eine Art Fortsetzung der Bestrebungen der beiden bereits erwähnten Sammelbände "Christi Reich im Osten" (1926) und ״Ex Oriente" (1927) vom Matthias-Grüne wald- Verlag. Das habe die Beschäftigung mit dem kulturellen Leben des Ostens und der russischen Seele zur Voraussetzung. Außerdem müsse man das Wesen des Kommunismus und die Gründe für sein derzei- üges Aufblühen studieren. Der Name der Zeitschrift, "West-ösüicher Weg", drücke bereits ihr Ziel aus, wobei VI. Solov’ev und sein Werk einen besonderen Platz einnehmen. (Bertram Schmitt: Zum Geleit. In:

West-ösüicher Weg, 1,1928, S. 3-5.)

3* Die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift "Theologie der Zeit" ( 1936-1939, Wien) war als Bei- heftbzw. Erweiterung zum "Seelsorger*’ gedacht und wollte den theologischen, systematischen Unter- bau zum mehr auf die seelsorgliche Praxis ausgerichteten "Seelsorger" leisten (vgl. Karl Rudolf: Zur Begründung der "Theologischen Beihefte", ln: Theologie der Zeit. Heft 1, 1936, S. lf.). Heft 2, 1937, mit dem Titel ”Vom östlichen Christentum" und auch ein großer Teil von Heft 3 -4 ,1 9 3 8 , mit dem Titel

"Ethos und Frömmigkeit" wenden sich überwiegend Fragendes "heiligen Rußland", der Ostkirche und der Lehre VI. Solov’evs zu.

3 6 Zwei Hefte der katholischen Zweimonatsschrift "Die Schildgenossen" (1920-1941, Burg Rothen- f e l s - Würzburg - Mainz), nämlich Heft 6, Aug./Sept. 1937, und Heft 2, März/April 1939, sind ganz Fragen des west-östlichen W egs, der Ostkirche und Rußlands gewidmet und wenlen als "Beitrag zu dem großen Werke der Wiedervereinigung der östlichen Christenheit mit der apostolischen Mutterkirche Roms" (vgl. Karlheinz Schmidthus: Vorbemerkung zu den Beiträgen dieses Heftes. In: Die Schildge- nossen, 18. Jg,.. Heft 2, März/April 1939. S. 89) verstanden, ln beiden Heften weist die Schriftleitung dankend auf Éllis' große Hilfe bei der Zusammenstellung des Materials hin (vgl. Die Schildgenossen, Heft 6, 1937, S. 506 und Heft 2. 1939. S. 90).

37 Die Wochenschrift für Kultur. Politik und Volkswirtschaft mit dem Titel "Das neue Reich" (Wien - Innsbruck - München) will "alle bewegenden Fragen der katholischen Welt" durcharbeiten (vgl. Das neue Reich, Nr. 5 2 ,7 . Jg.. 26.Sept. 1925, S. 1219).

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Raum in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts. Das Bestreben, eine Vereinigung der Christen des Ostens und Westens zu erreichen, führte nicht nur zu einer Beschäf- tigung m it dem W erk und der Lehre VI. Solov'evs, sondem mit dem Kulturgut und den Traditionen der russischen orthodoxen Kirche allgemein, mit ihren Heiligen und dem Starzentum. Neben Éllis' Aufsätzen finden sich in diesen Zeitschriften und Sam- melbänden Arbeiten von N. Berdjaev, V. ІГіп, S. Durylin, P. Florenskij und anderen Vertretern des russischen Geisteslebens. Ein ausführliches Erforschen dieses Phäno- mens wäre sicher eine Untersuchung wert, würde aber in der vorliegenden Arbeit zu

weit führen. »

ln seiner zweiten Schaffensphase war Ellis also aktiv bestrebt, die deutschsprachi- gen Katholiken mit der religiösen Kultur der Ostkirche bekannt zu machen; er setzte sich eifrig für eine mögliche Wiedervereinigung der Ost- und Westkirche ein, woran- ter er allerdings eher eine Rückkehr der Ostkirche in den Schoß der katholischen Kir- che verstand und weniger die Vereinigung zw eier gleichberechtigter Partner. (Die Angabe, daß Éllis Jesuit wurde38, konnte die Verfasserin nirgends bestätigt finden.)

Bis zu seinem Tode am 17. November 1947 lebten Éllis und Johanna van der Meu- len gemeinsam in der Casa Fioretti. Éllis starb in der Klinik Santa Chiara (vermutlich an Krebs) und wurde am 18. November auf dem Friedhof der St. Antonio-Kirche in Locarno beigesetzt39. Sein Grab existiert allerdings nicht mehr. (Éllis hatte ja be- kanntlich keine Nachkommen, die es hätten pflegen und erhalten können). Das Haus, die Casa Fioretti, in dem Éllis und J. van der Meulen in Locamo-Monti lebten, steht heute noch.

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38 Vgl. V. Fedjuschin: Rußlands Sehnsucht nach Spiritualität, a.a.O., S. 185.

39 Vgl. die von J. van der Meulen aufgegebene Todesanzeige in der Zeitung "Giornale del popolo**, Lugano, 18 novembre 1947.

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A. Allgemeiner Überblick

Auch nach seiner Abkehr von Rudolf Steiner und der Anthroposophie befaßte sich

Auch nach seiner Abkehr von Rudolf Steiner und der Anthroposophie befaßte sich