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H 2 ­ECOSYSTEM ESSEN

Phase 1 – Im Zeitraum bis einschließlich 2030

5.2 Langfristige Zielbilder

Das H2-Ecosystem strebt langfristig an, Wasserstoff als Baustein einer klimaneutralen Energieversorgung zu entwi-ckeln. Entsprechend werden die mittelfristigen Zielbilder im nachfolgenden den langfristigen Zielbildern gegenüberge-stellt. Die dargestellten langfristigen Zielbilder beschreiben die Rolle von H2-Anwendungen (-Bedarfen), H2-Erzeugung sowie H2-Importen in einem emissionsfreien Energiesystem der Stadt Essen (Zielbild 2045/2050).46 Die Entwicklung der H2-Anwendungen und der H2-Bereitstellung werden dabei gesondert in den Kapiteln 5.2.1 und 5.2.2 diskutiert. Auf Seiten der H2-Erzeugung stellt sich insbesondere die Frage, inwieweit die Entwicklung von regionalen H2 -Erzeugungs-kapazitäten in Essen langfristig sinnvoll ist.

5.2.1 H2-Anwendungen/Bedarf

Entsprechend der in Kapitel 2.4 dargestellten Methodik, sind die Ausgangsgrößen für die Herleitung des langfris-tigen Wasserstoffbedarfs, der aktuelle Endenergiebedarf in Essen sowie die Angaben regionaler Akteure aus den Steckbriefen. In Kombination mit aktuellen Systemstu-dien zur Entwicklung des Energiesystems werden zwei langfristige Bedarfsszenarien für das H2-Ecosystem Essen abgeleitet. Das Szenario I bildet eine progressive Wasser-stoffnachfrage ab, das Szenario II stellt hingegen einen konservativeren Einsatz von Wasserstoff dar. Das Progres-sive Szenario I baut dabei wesentlich auf die Begleitstudie zur Wasserstoff Roadmap NRW des Forschungszentrum 46 Aktuell existieren mit einer Ausnahme keine Studien, die bereits

die Novelle des Klimaschutzgesetzes 2021 und der darin fest-gelegten Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 berücksichtigen.

Daher wird in der weiteren Betrachtung auch eine Studie mit dem

Zieljahr 2050 einbezogen. Tab. 22 | Übersicht der identifizierten Synergiepotentiale Synergiepotentiale Beschreibung

Synergiepotentiale zwischen den Projekten innerhalb des H2-Ecosystems

Projektübergreifendes Tankstellenkonzept

Durch eine geteilte Tankstelleninfra-struktur können Investitionskosten aufgeteilt und eine schnellere Vollauslas-tung erreicht werden. Dadurch kann der Wasserstoffpreis an der Tankstelle gesenkt werden.

Gemeinsame Erbringung von Planungsleistung

Eine gemeinsame Planung ermöglicht die Schaffung von einem abgestimmten Hoch-lauf der Wasserstoffinfrastruktur.

Verknüpfung der Erzeugungsstandorte am MHKW und dem Klärwerk Bottrop

Eine Verknüpfung der Erzeugungsstand-orte, virtuell oder eine physische Leitung, schafft die Möglichkeit eines gemeinsam genutzten Elektrolyseurs. Durch den

„Economy-of-Scale“-Effekt kann der Anteil der Investitionskosten am Wasserstoff-preis gesenkt werden.

Flexible Einbindung weiterer Abnehmer und Erzeuger während des Hochlaufs

Mit der Einbindung weiterer Abnehmer und Erzeuger kann die Wasserstoffinfra-struktur erweitert werden oder Kosten für die bestehende Infrastruktur auf mehrere Stakeholder verteilt werden.

Synergiepotentiale auf Ebene des H2-Ecosystems Gemeinsamer

Hoch-laufpfad mit der Nachbarregion

Ein gemeinsamer Hochlaufpfad mit der Nachbarregion ermöglicht es, Erzeugung und Abnahme miteinander abzustimmen.

Flexible Einbindung von dezentralen EE- Erzeugung im Stadtgebiet

Schaffung eines weiteren Verwer-tungsweges für EE-Strom über das H2-Ecosystem Essen

Entwicklung des Stadt-hafens

Mit der Entwicklung des Stadthafens wird die Einstiegshürde für umliegende Unter-nehmen zur Umrüstung auf Wasserstoff verringert.

Frühzeitige Anbindung an die überregionale Importinfrastruktur

Eine frühzeitige Anbindung an die über-regionale Importinfrastruktur ermöglicht den Zugang zu günstigen Bezugspreisen.

Es können Transportkosten, die durch eine Trailerbelieferung anfallen, minimiert und die durchgängige Verfügbarkeit von Wasserstoff sichergestellt werden.

Entwicklung der Industriestandorte im Stadtgebiet als H2-Hub

Die Entwicklung der Industriestandorte im Stadtgebiet ermöglicht durch die großen Abnahmemengen potenziell eine frühe Anbindung an eine Wasserstoffpipeline.

Mit dem Verlauf einer Pipeline durch das Stadtgebiet wird es anderen Projekten ermöglicht, einen einfacheren Zugang zu dieser zu erhalten.

(FZ) Jülich auf. Für ergänzende Annahmen konnte auf die nationale Studie zur Entwicklung des Energiesystems des Forschungszentrum Jülich zurückgegriffen werden.47 Das konservative Szenario II geht in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Agora Energiewende Studie Klimaneutrales Deutschland 2045 von einem deutlich geringeren H2-Anteil in den Nachfragesektoren aus.48 Die genutzten Studien haben nicht den Anspruch, das vollständige Spektrum der H2-Bedarfsszenarien abzubilden. Sie erlauben allerdings eine fundierte Diskussion des zukünftigen H2-Einsatzes in den Nachfragesektoren. Darauf aufbauend kann die Nach-haltigkeit, der in den mittelfristigen Zielbildern realisierten Potenziale, bewertet werden.

Abbildung 26 zeigt den H2-Bedarf in Essen im Zieljahr 2045/2050. Dieser wird den Ergebnissen aus den mittelfris-tigen Zielbildern gegenübergestellt. Grundsätzlich zeigt sich in der Spannweite zwischen den abgeleiteten Szenarien I und II für Essen die bestehende Unsicherheit hinsichtlich der Rolle von Wasserstoff im zukünftigen Energiesystem.

Entsprechend werden die Ergebnisse im Folgenden für die einzelnen Nachfragesektoren diskutiert.

Im Stadtgebiet Essen besteht zurzeit kein wesentliches Potential für eine stoffliche Nutzung von Wasserstoff (Feedstock). Während des Stakeholder Prozesses konnten keine Unternehmen mit entsprechenden Prozessen identi-fiziert werden (vgl. Kapitel 3.4). Nichtsdestotrotz spielt die stoffliche Nutzung für die Entwicklung in den Nachbarre-gionen eine wesentliche Rolle. Das FZ Jülich kommt zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2030 ein wesentlicherer H2-Bedarf 47 Cerniauskas, S. et al. (2021) in Verbindung mit Robinius, M. et al. (2020) 48 Prognos, Öko-Institut, Wuppertal-Institut (2021)

49 Cerniauskas, S. et al. (2021)

von dem Industriesektor der Petrochemie ausgeht. Eines der wesentlichen Bedarfszentren liegt mit Gelsenkirchen in direkter Umgebung (vgl. Kapitel 3.2.1.2).49 Dies ermöglicht es, dass das H2-Ecosystem Essen frühzeitig von der über-regionalen Infrastrukturentwicklung profitieren kann.

Ein sehr umfangreiches technisches Potenzial für Wasserstoff konnte in dem Bereich der Prozesswärme (Industrie) ermit-telt werden, das im Rahmen der mittelfristigen Zielbilder bis 2035 erschlossen wird (vgl. Kapitel 5.1 und Abbildung 26).

Während in Szenario I in Übereinstimmung mit den bis 2035 realisierten Potenzialen eine umfassende Umstellung der Prozesswärme in Essen auf H2 stattfindet, ist dies in Szenario II nicht der Fall. Hier wird durch die Berücksichtigung von Systemstudien in den langfristigen Zielbildern ersichtlich, dass eine Erschließung des gesamten technischen Potentials nicht alternativlos ist. So nehmen Wettbewerbstechnolo-gien wie Elektrifizierung der Hochtemperaturprozesse eine relevante Rolle ein. Die betroffenen Unternehmen kommu-nizierten im Rahmen des Stakeholder Prozesses überein-stimmend, dass sowohl die Umstellung auf H2 als auch eine Elektrifizierung in Betracht gezogen werden. Die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der H2-Technologien hängt wesentlich an der Verfügbarkeit und Preisstruktur des emissionsfreien Wasserstoffs ab. Für das H2-Ecosystem Essen ist in diesem Zusammenhang entscheidend, dass die Importpotentiale realisiert werden und eine entsprechende Infrastruktur-anbindung entsteht. Bei einer Umstellung der Prozesse auf Wasserstoff ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass ohne eine langfristig gesicherte Versorgung mit grünem H2 die Gefahr eines Lock-in-Effekts in fossilen Technologien besteht.

Szenario I Szenario II

• Sowohl im Stakeholder Prozess als auch der Datenbank ergibt sich kein Poten�al für Essen.

0

TWhH2/a

2025 2030 2035 2045/2050

0,5 1 1,5 2

• Die Nutzung von H2 in der Prozess-wärme ist stark abhängig von der Verfügbarkeit und Preisstruktur des H2.

• Nur in Szenario I besteht eine ausreichende Verfügbarkeit für die Realisierung eines wesentlichen Poten�als.

• Die lokalen Stakeholder, nennen zurzeit sowohl Elektrifizierung als auch Wasserstoff als Lösungsansatz.

Szenario Progressiv Szenario Trend Szenario Progressiv Szenario Trend Szenario Progressiv Szenario Trend

• In dem op�mis�schen Szenario I en�ällt 90% zu gleichen teilen auf PkW und LKW.

• Deckungsgleich mit der Projektlage in Essen, ist die Anwendung im ÖPNV sowie Sondernutzungsfahrzeugen für den Aufwuchspfad maßgeblich.

• Der kri�schste Punkt ist die Anwen-dung im PKW-Bereich, der im Szenario II vollständig en�ällt.

• Die langfris�gen Zielbilder zeigen deutlich den wesentlichen Nutzen von Wasserstoff als Flexibilitätsop�on im Stromsektor.

• Die Rückverstromung kann in KWK-Analgen erfolgen wodurch H2 effek�v auch in der Wärme genutzt wird.

• Die Nutzung von H2 in der Gebäude-wärme ist ebenfalls stark abhängig von der Verfügbarkeit und Preis-struktur des H2.

• Aufgrund bestehender alterna�v Technologien ist der H2-Einsatz mit wesentlichen Unsicherheiten beha�et.

• Über die Abwärmenutzung der Elektrolyse und Rückverstromung in KWK-Anlagen findet H2 indirekt Einsatz in der Fernwärme (vgl. Elektr. Energiebedarf).

Elekt. Energiebedarf Zielbilder bis 2035 - Transforma�onspfad auf Basis der Projektansätze

Langfris�ge

Abb. 26 | Übersicht der mittel- und langfristigen Zielbilder für das H2-Ecosystem Essen

In der Gebäudewärme spielt Wasserstoff sowohl in den mittelfristigen als auch den langfristigen Zielbildern aus heutiger Perspektive eine untergeordnete Rolle. Hier ist der langfristige Einsatz von H2 ebenfalls stark von der Verfüg-barkeit und Preisstruktur des emissionsfreien Wasserstoffs abhängig. Aufgrund des bereits erheblichen Bedarfs an H2-Importen bei der Realisierung der Potenziale in der Prozesswärme bis 2035, ist der Spielraum für einen breiten Einsatz in der Gebäudewärme in der mittleren Frist als sehr gering einzuschätzen. Zu den Alternativen gehört im Hinblick auf die Prozesswärme auch das damit verbundene Abwärme-potenzial als vermutlich volkswirtschaftlich effizienterer Weg der Dekarbonisierung dieses Sektors.50 Dieser Befund deckt sich mit der Tatsache, dass im Stadtgebiet im Rahmen dieser Projekte keine Projektansätze im Bereich der Gebäudewärme identifiziert werden konnten. In den langfristigen Zielbildern gehen sowohl Szenario I als auch Szenario II grundsätzlich davon aus, dass der überwiegende Teil der Wärmebereit-stellung für den Gebäudesektor elektrifiziert wird. So handelt es sich auch bei dem in Szenario I aufgeführten Mengen um einen geringen Anteil des gesamten Wärmebedarfs.

Die Diskrepanz in den langfristigen Zielbildern für den Verkehrssektor illustrieren die aktuelle Diskussion über den Einsatz von H2 in den verschiedenen Fahrzeugklassen.

So resultiert der langfristig wesentlich höhere H2-Bedarf in Szenario I zu 44 % aus dem Schwerlastverkehr sowie 48 % dem motorisierten Individualverkehr. In Szenario II hingegen entfällt der H2-Bedarf des motorisierten Individualverkehrs vollständig. Hinzu kommt, dass ein wesentlicher Teil des Straßengüterverkehrs ebenfalls elektrifiziert wird. Nichts-destotrotz bewegen sich die im Rahmen der mittelfristigen Zielbilder realisierten Potentiale im Rahmen der langfristigen Zielbilder. Diese Potentiale liegen wesentlich im Bereich des ÖPNV und der Sondernutzungsfahrzeuge. Das FZ Jülich

50 Vgl. auch Schüwer, D. (2016): Abwärmenutzungspotenziale in NRW.

51 Vgl. Cerniauskas, S. et al. (2021)

unterstreicht die Bedeutung dieser Potenziale in der Einfüh-rungsphase, da diese zu einer erhöhten Infrastrukturauslas-tung und folglich erhöhten Wirtschaftlichkeit beitragen.51 Die beiden langfristigen Zielbilder in Szenario I und II unterstreichen die zukünftige Rolle des H2 als Speicher für erneuerbaren Strom (Elektr. Energiebedarf). Die Rückver-stromung kann dabei in KWK-Anlagen stattfinden wodurch der H2 über Fernwärmenetze ebenfalls Anwendung im Wärmesektor findet. Im Gegensatz zu den übrigen Nachfra-gesektoren müssen die H2-Erzeugung als auch die Rückver-stromung nicht zwingend im Stadtgebiet verortet sein. Die aufgeführten Mengen spiegeln hingegen den zukünftigen Flexibilitätsbedarf des Stromsektors in Essen wider. Die verbrauchsnahe Errichtung dieser Anlagen und die damit zusammenhängenden Vorteile (regionale Wertschöpfung, Abwärmepotentiale, geringe Transportkosten) müssten stra-tegisch mit den Vorteilen einer erzeugungsnahen Errichtung abgewogen werden. In den mittelfristigen Zielbildern spielt die Rückverstromung keine Rolle, da diese erst mit stei-genden EE-Anteil (>80 %) an Bedeutung gewinnt. Der mittel-fristige Infrastrukturaufbau und Aufwuchspfad ist allerdings maßgeblich, damit das Potenzial des H2 als Flexibilitätsoption zukünftig überhaupt zur Verfügung steht.

5.2.2 H2-Erzeugung und -Importe

Im Rahmen der mittelfristigen Zielbilder werden im H2-Ecosystem Elektrolyseure mit einer Kapazität i.H.v 15 bzw. 24,5 MWel aufgebaut. Diese ermöglichen insbesondere in den Jahren bis 2030 die Versorgung der H2-Projekte vor Ort. Das folgende Kapitel diskutiert die Frage, in welchem Umfang die Entwicklung regionaler H2 -Erzeugungskapazi-täten langfristig sinnvoll ist und identifiziert die entschei-denden Einflussfaktoren. Hierfür wurden u. a. auf Basis der

2,6 3,7 12 19,16 15 24,5

2025 2030 2035 2045/2050

MWel

In den langfris�gen Zielbildern sind drei Faktoren für die lokale Nutzung der Elektrolyse maß-geblich:

• Marktgleichgewicht zwischen Importen und lokaler Erzeugung.

• Bedarf Stromsektor: Hier ist der regionale Flexibilitätsbedarf entscheidend. Dieser muss allerdings nicht zwingend durch lokale Kapazitäten bereitgestellt werden.

• Nähe zu Verbrauchszentren. Diese ist Abzuwägen mit der Nähe zu Erzeugungskapazitäten und der Transpor�nfrastruktur.

Regionale H-Erzeugung

Szenario | Szenario ||

Szenario Progressiv Szenario Trend Szenario Progressiv Szenario Trend Szenario Progressiv Szenario Trend

Zielbilder bis 2035 - Transforma�onspfad

auf Basis der Projektansätze Langfris�ge Zielbilder

Abb. 27 | Entwicklung der installierten Elektrolyseurkapazitäten in Essen

Systemstudien der Agora Energiewende52 (Szenario II) sowie dem Forschungszentrum Jülich (Szenario I)53 der zukünftige Bedarf des Energiesystems in Essen an Elektrolysekapazi-täten abgeschätzt. Dabei ergibt sich für Essen eine Kapazität von ca. 130 MW bzw. 40 MW (vgl. Abbildung 27). In Essen werden somit für das Jahr 2050 Elektrolyseurkapazitäten in nicht unwesentlicher Größenordnung erwartet. Trotz der rudimentären Datenlage und der vereinfachten Herleitung lässt sich anhand dieser Größenordnung ableiten, dass die bis 2035 entwickelten Kapazitäten in Essen sinnvoll sind.

Gemäß der wissenschaftlichen Begleitstudie der Wasserstoff Roadmap NRW werden für das Jahr 2050 in NRW insgesamt ca. 6,6 GW Elektrolysekapazitäten erwartet.54 Damit würden in NRW 18 TWh Wasserstoff im Jahr 2050 erzeugt. Dies entspricht bei einem Gesamtbedarf i. H. v. 104 TWh einer Eigenerzeugungsquote von ca. 17 %.55 Für eine verein-fachte Abschätzung der Elektrolysekapazität in Essen gilt für Essen und NRW ein gleiches Verhältnis von lokal erzeugtem Wasserstoff und Wasserstoffbedarf. Für den in Szenario I bestimmten H2-Bedarf von 2 TWh in 2045/2050 ergibt sich entsprechend ein Bedarf an Elektrolysekapazitäten i.H.v 127 MWel. Für das konservativere Szenario II ergibt sich ein Bedarf i.H.v 44,5 MWel. Die in den mittelfristig bis 2035 entwickelten Kapazitäten bewegen sich in den Grenzen dieser Zielbilder (vgl. Abbildung 27).

Grundsätzlich lassen sich drei wesentliche Faktoren für die langfristige Entwicklung der Elektrolysekapazitäten im H2-Ecosystem Essen identifizieren. (1) Dies ist erstens die

52 vgl. Prognos, Öko-Institut, Wuppertal-Institut (2021) 53 vgl. Cerniauskas, S. et al. (2021)

54 Zwar werden in der Studie die Elektrolysekapazitäten noch zwischen NRW-Nord und -Mitte aufgeteilt. Jedoch liegen keine Informationen über die Vorgehensweise und die räumliche Zuordnung der Landkreise in NRW vor.

55 Vgl. Cerniauskas, S. et al. (2021) 56 Fraunhofer ISE (2021)

57 Vgl. Wasserstoff Roadmap Nordrhein-Westfalen (2020)

relative Entwicklung von H2-Importpreisen und regionalen Gestehungskosten (Marktgleichgewicht). Dies wird vor allem dann relevant, wenn größere Importkapazitäten zur Verfügung stehen. (2) Ein zweiter wesentlicher Faktor ist der tatsächliche Flexibilitätsbedarf des regionalen Energiesystems. Hierbei ist es allerdings nicht zwingend nötig, dass die Power-to-X Kapazi-täten sowie Anlagen zur Rückverstromung in Essen verortet sind. Hieraus ergibt sich der dritte Faktor. (3) Die Ergebnisse der Systemstudie des FZ Jülich weisen darauf hin, dass ein verbrauchsnaher Zubau der Elektrolyse teilweise sinnvoll ist (vgl. Szenario I in Abbildung 27). Die zugrundeliegende systemorientierte Analyse bestimmt ein technisch-wirtschaft-liches Optimum, das ein Marktgleichgewicht aus inländisch erzeugter und importierter Menge an Wasserstoff bildet.

Inwieweit sich die Vorteile einer erzeugungsnahen H2 -Erzeu-gung gegen die Vorteile einer verbrauchsnahen H2-Erzeugung entwickeln, hängt dabei wesentlich von der zukünftigen Trans-portinfrastruktur für Strom und H2 ab.

Ein Blick auf die bis 2035 entwickelten Standorte mit einer Elektrolyse zeigt, dass diese langfristig positiv zu bewerten sind. Maßgeblich ist hier die Verbrauchsnähe in Verbindung mit der Tatsache, dass gemäß aktueller Analysen insbe-sondere Standorte an Netzverknüpfungspunkten geeignet sind. Diese befinden sich meistens an bestehenden oder wegfallenden Kraftwerken. Dies wäre in Essen am Standort des MHKW gegeben, da an der nahegelegenen Station Karnap Netzverknüpfungspunkte mit 380 kV Leitungen bestehen (vgl. Abbildung 28).56 Über diese Anbindungen wäre ein Transport von in erneuerbaren Energieanlagen

bereitgestellter elektrischer Energie aus dem Norden Deutschlands nach Essen möglich.

Die mittelfristigen Ziel-bilder zeigen deutlich, dass das H2-Ecosystem bei einer Umstellung der Industrie bereits im Zielbild 2035 auf Importe angewiesen sein wird. Auch bei einem wesentlichen Ausbau der regionalen Erzeugungska-pazitäten muss der wesent-liche Anteil des H2-Bedarfs langfristig importiert werden.57

Abb. 28 | Netzverknüpfungspunkte am Standort Karnap | Quelle: Fraunhofer ISE (2021) 110 kV Stromleitungen > 10 Sekunden Ladezeit 380 kV Stromleitungen

5.2.3 Die Rolle der konventionellen H2-Erzeugung im H2-Ecosystem Essen

Das folgende Kapitel diskutiert, welche Rolle die konven-tionelle H2-Erzeugung mittels Dampfreformierung in der Entwicklung des H2-Ecosystems spielt. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass der Zubau einer Dampfreformierung nicht in den mittelfristigen Zielbildern berücksichtigt wurde (vgl. Kapitel 5.1). Gleichzeitig geht die Begleitstudie der Wasserstoff Roadmap NRW auf den ersten Blick von einem Zubau von konventionellen Kapazitäten bis 2035 aus (vgl. Abbildung 29).

Während die H2-Erzeugung durch konventionelle Anlagen noch bis 2040 steigt, wächst die Kapazität an konven-tionellen Anlagen lediglich um 1 GWel. Das Produktions-wachstum wird entsprechend größtenteils durch eine höhere Auslastung bestehender Anlagen erreicht. Dem gegenüber steht ein Zubau der Elektrolyse von 4 bis 5 GWel. Diese Größenordnung entspricht den Zielen der nationalen Wasserstoffstrategie.58 Aus dem Sachverhalt geht hervor, dass der Zubau an Elektrolysekapazitäten im Rahmen der gesteckten Ziele Vorrang hat, obwohl die Gestehungskosten der konventionellen Erzeugung zurzeit deutlich unter der der Elektrolyse liegen.

Ziel ist es u.a, durch einen Markthochlauf deutliche Kostendegressionen bei der Elektrolyse zu erzielen.

Eine großflächige Umstellung von Industrieprozessen in NRW benötigt allerdings sehr große Mengen an H2. Hier schließt die konventionelle Erzeugung die Lücke zwischen nationalen Erzeugungspotentialen und später verfüg-baren Importen. Dies führt dazu, dass die Produktion von Wasserstoff aus konventionellen Anlagen noch bis zum Jahr 2040 leicht steigt. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung konventioneller Anlagen zur Wasserstofferzeugung jedoch stark ab. Im Jahr 2050 sind nur noch wenige konventio-nelle Bestandsanlagen und ohne nennenswerte Produk-tion vorhanden. Dann wird etwas mehr als die Hälfte des benötigten Wasserstoffs nach Deutschland importiert, der übrige Anteil über Elektrolyse als grüner Wasserstoff inländisch hergestellt.

Die Ergebnisse aus der Begleitstudie des FZ Jülich unter-stützen die Entscheidung, die konventionelle H2 -Erzeu-gung lediglich als Back-up Lösung zu nutzen. Entspre-chend fokussieren sich die mittelfristigen Zielbilder auf die Entwicklung der Elektrolysekapazitäten. Eine detaillierte Aufstellung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses zwischen Elektrolyse und Dampfreformierung findet sich in Kapitel 5.1.4.

Nichtsdestotrotz kann eine konventionelle H2-Erzeugung als Brückentechnologie dienen, wenn Importe nicht rechtzeitig in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Dabei 58 BReg (2020), S. 5

sollte die zukünftige Versorgung der H2-Anwendung mit grünem H2 gesichert sein, da andernfalls die Gefahr eines Carbon-Lock-in in fossilen Technologien besteht.

5.2.4 Risiken und Chancen für das H2-Ecosystem Essen

Wasserstoff wird von wesentlichen Systemstudien als wichtiger Baustein eines klimaneutralen Energiesystems identifiziert. Dies gilt unabhängig von der Tatsache, dass über das Ausmaß und die genauen Einsatzgebiete noch ausgiebig diskutiert wird. Vor diesem Hintergrund haben sowohl die Bundesregierung als auch die Europäische Kommission eine Wasserstoffstrategie erarbeitet. Damit Wasserstoff langfristig eine tragende Rolle im Energie-system spielen kann, müssen insbesondere Technologie-kosten entlang der H2-Wertschöpfungskette gesenkt sowie eine initiale Transportinfrastruktur entwickelt werden. Um diese Entwicklung zu ermöglichen, werden im Rahmen der Strategien entsprechende Förderprogramme aufgesetzt und Anpassungen der regulatorischen Rahmenbedin-gungen vorgenommen.

Die Ergebnisse für die mittel- und langfristigen Zielbilder zeigen deutlich, dass das H2-Ecosystem von dieser Entwick-lung profitieren kann und gleichzeitig einen wesentlichen Beitrag für den notwendigen Hochlaufpfad leistet. Dieser besteht sowohl aus der Initiierung von Erzeugungspro-jekten mittels Elektrolyse als auch der Schaffung von substanzieller H2-Nachfrage in den Sektoren Mobilität und Industrie (Prozesswärme).

2020 2030 2040 2050

Jahr Elektrolyse

Konven�onell H2-Erzeugung in TWh

100 400 300 200

0

2020 2030 2040 2050

Jahr Import (grüner H2) Import (blauer H2) Elektrolyse

Abb. 29 | Entwicklung der Wasserstofferzeugung in Deutschland in der wissenschaftliche Begleitstudie der Wasserstoff Roadmap Nordrhein-Westfalen (Quelle: Cerniauskas, S. et al. (2021), S. 21-22)

Chancen

Durch die Bereitstellung von grünem Wasserstoff im Stadtgebiet kann bereits mittelfristig eine Reduzierung der Emissionen im Mobilitätssektor erreicht werden.

Die geografische Lage des H2-Ecosystems ermöglicht zudem eine frühzeitige Anbindung an eine überregionale H2-Infrastruktur. Die Stadt Essen hat damit die Möglich-keit eine wesentliche Option zur Dekarbonisierung für die ansässigen Industriestandorte und Ihre Prozesse zu erschließen.

Im Rahmen eines H2-Ecosystems können die benötigten organisatorischen Strukturen und Netzwerke geschaffen werden, die es den Unternehmen zukünftig erlauben, Projekte zu entwickeln und umzusetzen. Die Bandbreite der Projektansätze im Bereich der Sondernutzungsfahr-zeuge, dem ÖPNV, der Erzeugung und Industrie führen zu einem signifikanten Aufbau von Kompetenzen in Essen und ermöglicht im Rahmen des H2-Ecosystems den Wissens-transfer zwischen allen Akteuren.

Die Zielbilder verdeutlichen, dass bei einer Umsetzung bestimmter Schlüsselprojekte ausreichend Potenziale bestehen die verbleibenden Projektansätze im Zeitver-lauf zu integrieren. Hierfür kann das H2-Ecosystem von Beginn an die benötigten Anknüpfungspunkte für regionale Akteure schaffen. Eine sichtbare Infrastrukturentwicklung im Stadtgebiet, eine direkte Einbindung der regionalen Unternehmen und Bereitstellung eines emissionsfreien ÖPNV leisten nicht zuletzt einen Beitrag für die Akzeptanz

Die Zielbilder verdeutlichen, dass bei einer Umsetzung bestimmter Schlüsselprojekte ausreichend Potenziale bestehen die verbleibenden Projektansätze im Zeitver-lauf zu integrieren. Hierfür kann das H2-Ecosystem von Beginn an die benötigten Anknüpfungspunkte für regionale Akteure schaffen. Eine sichtbare Infrastrukturentwicklung im Stadtgebiet, eine direkte Einbindung der regionalen Unternehmen und Bereitstellung eines emissionsfreien ÖPNV leisten nicht zuletzt einen Beitrag für die Akzeptanz