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3 Diskussion

3.6 LAD1

Das Gen LAD1 kodiert Ladinin 1, ein in der Basalmembran verankertes Filament, was zu der Stabilität der Dermis-Epithel-Verbindung beiträgt244 und in der Haut und inneren Organen (unter anderem auch der Niere) exprimiert wird245. Bei den linearen IgA-Dermatosen werden die Ladinin1-Proteine mit bestimmten Genvariationen von den IgA-Antikörpern anvisiert, was zu der Störung der Derma-Epidermis-Kohäsion und Hauterkrankungen führt246-248. Es

92 wäre ein Hinweis darauf, dass dieses Protein mitunter für die Integrität der gesunden Zellen im Gewebsverband sorgt.

LAD1 wird als ein stromabwärts liegender (in Gegensatz zur miR-9, die in diesem Signalweg stromaufwärts steht) Interaktionspartner des Proto-Onkogens BRAF (Isoform B Rapidly Accelerated Fibrosarcoma) in diversen tumorspezifischen Signalwegen wie der MAPK (mitogen-activated protein kinase) und des AKT/mTOR249 beschrieben. Beim Mammakarzinom agiert LAD1 als Onkogen250 und wurde in den Mamma-Ca.-Zelllinien als Mediator diverser regulatorischer Prozesse251, unter anderem der Mitoseeinleitung252, Proliferation und Migration251,252, identifiziert und mit aggressiven Subtypen assoziiert253. Für Laryngealkarzinom wird ebenfalls seine metastasenfördernde Rolle diskutiert254.

Unsere Gruppe hat im Rahmen der Prädiktionsstudie das translationale Potenzial der DNA-Methylierung eines LAD1-Genlocus untersucht. Die von uns gezeigte Hypermethylierung in den primären RCC-Tumorgeweben wurde in statistischen Analysen mit dem progressionsfreien Überleben der Patientengruppe der Erstlinientherapie und mit dem Gesamtüberleben der Sequenztherapiepatienten als signifikant assoziiert gezeigt. Dabei erreicht dieser epigenetische Marker bei der Prädiktion des Therapieversagens eine hohe Spezifität (1.00) und gute Sensitivität (0.73). Auch für LAD1 gelten bezüglich kleiner Anzahl der untersuchten Patienten mit gleichzeitig stark signifikanten Ergebnissen dieselben Überlegungen wie bereits für das CST6.

Nach unserer Publikation wurde das LAD1-Protein zusammen mit weiteren Markern als Kandidat für die Molekulardiagnostik des Lungenadenokarzinoms vorgeschlagen255. Des Weiteren wurde die LAD1-Methylierung kürzlich als prognostischer Kandidatenmarker für RCC und ccRCC von einer anderen Arbeitsgruppe bestätigt60,222.

Für renale Tumore sind funktionelle Untersuchungen und Einordnung des LAD1 bei den Signalwegen der Tumorgenese und erweiterte Studien bezüglich seiner Eignung als klinischer Biomarker erforderlich.

93 3.7 NEFH.

Das NF-H (neurofilament heavy chain - en.) wird von den NEFH-Gen kodiert und ist, im Triplet mit zwei anderen Untereinheiten (NF-L (neurofilament light chain - en.) und NF-M (neurofilament medium chain-en.), für den axonalen Durchmesser und intrazellulären Transport als zellstrukturgebendes Protein verantwortlich. Im klassischen Sinne wird dieses Protein als neuronaler Marker bei der Diagnostik verschiedener neuropathologischer Fragestellungen herangezogen256-259. Mittlerweile wurde die Anwesenheit der NF-H-Untereinheit bzw. die Genexpression in verschiedenen Geweben auch außerhalb der Neuronen dokumentiert260-262.

Eine veränderte Expression bzw. Methylierung wurde im mit Kanzerogenen exponierten Ösophagus-Plattenepithel und eine erhöhte Methylierung im anliegenden Normalgewebe bei den Ösophaguskarzinom -Patienten gezeigt263. NEFH wurde als Tumorsuppressor, teilweise mit dem aggressiven Subtypen assoziiert, auch in anderen Tumorentitäten beobachtet264-268. Unsere Arbeitsgruppe hat neben der tumorspezifischen Hypermethylierung des NEFH-Locus eine von allen verfügbaren klinisch-pathologischen Parametern unabhängige Assoziation der Methylierung mit dem progressionsfreien Überleben (sowohl in uni- als auch bivariaten Analysen mit konstant hohen HR-Werten) gezeigt. Somit kann der untersuchte epigenetische Marker als unabhängiger Kandidatenprognostikator für ccRCCs vorgeschlagen werden.

Bei der statistischen Überprüfung seines prädiktiven Potenzials wurde eine trennscharfe Aufteilung der Therapiepatienten in hoch und niedrig methylierte Subgruppen (stark korrelierend mit dem Gesamtüberleben) gezeigt. Aufgrund dieser Ergebnisse kann die NEFH-Locusmethylierung als prädiktiver Kandidatenmarker ebenfalls vorgeschlagen werden.

Mittlerweile wurde die NEFH-Methylierung als ein unabhängiger prognostischer Faktor in Kombination mit weiteren Markern für ein bestimmtes Ovarialkarzinom-Subtyp vorgeschlagen269. Des Weiteren wurde die NEFH-Methylierung kürzlich als Kandidatenmarker für die Prognose bei RCC und ccRCC von einer anderen Arbeitsgruppe bestätigt60,222.

Zu den Eigenschaften, speziell der aggressiven Tumorzellen, gehört unter anderem der Verlust der Zellintegrität im Zellverband, mit anschließender Mobilisation und Invasion ins umliegende Gewebe. Beim Eindringen in die dichte extrazelluläre Matrix weisen die Tumorzellen verbesserte Deformationseigenschaften auf, was durch die Veränderungen in der

94 Zytoskelettstruktur erreicht wird. Während der Tumorneogenese und speziell der EMT finden Dysregulierung und Destabilisierung verschiedener Zytoskelettkomponenten statt, wobei diverse regulatorische Elemente bei der Auflösung der Zellpolarisierung eine Rolle zu spielen scheinen270-273. Es gibt Hinweise darauf, dass unter anderem auch die Neurofilamente, als zytoskelettbildende Strukturen an der Tumorgenese beteiligt sein können. Das als Onkogen bekannte miRNA25 löst die Proliferation und Invasion der Glioblastomzellen aus, und dabei wurde das NF-L als ihr direktes Zielmolekül identifiziert274. Überdies gilt NF-L als Inhibitor des mTOR-Signalweges275. NF-L ist eine der NF-H-Co-Untereinheiten. Inwieweit das NEFH im Einzelnen und Neuroproteine im Allgemeinen in die Signalwege der Mobilisierung der Nierentumorzellen bzw. in die Tumorentstehung und / oder Tumorprogression involviert sind, wäre in weiterführenden Untersuchungen zu klären.

3.8 CRHBP.

Das CRHBP-Gen kodiert ein sekretorisches Glycoprotein des CRH-Systems (Corticotropin-releasing Hormone - en.), welches bei Koordination der Stressantwort und Homöostase eine zentrale Rolle spielt276,277. Das CRHBP-Gen wird physiologisch in den Glomeruli exprimiert278.

Es wurde bereits mehrmals über die Beteiligung des CRH-Systems an der physiologischen

279-281 und tumorspezifischen282-286 Modulation der Angiogenese berichtet. Bei den funktionellen Tests wurde gezeigt, dass CRH, CRHR1 (Corticotropin-releasing hormone receptor 1) und CRHR2 (Corticotropin-releasing hormone receptor 2) in die Prozesse der Tumorgenese (unter anderem Tumorangiogenese) involviert sind287-290. Das CRHR1-Protein wurde mittlerweile als prognostischer Marker bei dem Endometriumkarzinom291 und CRH-mRNA als Teil eines mRNA-Panels bei Überwachung des Blasenkarzinoms292 vorgeschlagen. Für das Leberkarzinom wurden in in silico-Analysen eine tumorspezifische Herunterregulierung des CRHBP293 und des Weiteren eine signifikante Assoziation der Expression mit der schlechten Prognose gezeigt294.

Von uns wurden initiale funktionelle Untersuchungen an den renalen Tumormodellen durchgeführt. Bei der Charakterisierung des Invasionsverhaltens der mit Hilfe von siRNA-Transfektion CRHBP-reexprimierten Zelllinie RCC-GS wurden abhängig von der angesetzten

95 Konzentration des 5-Aza-2`-Deoxycytidins (vorgeschaltete unspezifische Demethylierung) gegensätzliche Effekte beobachtet. Die höhere Konzentration (0,5µM) bewirkte ein invasiveres Verhalten der Zellen und die niedrigere (0,125µM) umgekehrt. Eine mögliche Erklärung wäre, dass unspezifische Expressionsänderungen durch die 5-Aza-2`-Deoxycytidin-Behandlung einen heterogenen Einfluss haben und zugleich von der Agenskonzentration abhängig sind. Es wurde berichtet, dass bestimmte Genpromotoren (vermutlich durch das Beibehalten des semi-heterochromatischen Zustandes) nach der Entfernung des Demethylierungsagenzen schnell erneut hypermethyliert und reprimiert werden295. Wenn das gleiche Verhalten auch auf das CRHBP-Gen zuträfe, wäre zusätzlich zu der Optimierung der 5-Aza-2`-Deoxycytidin-Konzentration auch dieser Aspekt bei der Planung weiterer Experimente zu berücksichtigen.

Die von unserer Arbeitsgruppe mit immunhistologischen Nachweismethoden und Westernblots bereits früher gezeigte starke Reduktion des CRHBP-Proteins in ccRCC-Geweben, verglichen mit den korrespondierenden peritumoralen Geweben286, steht im Einklang mit den in der Publikation Nr. 6 beschriebenen Ergebnissen unserer Methylierungs- und RNA-Analysen. Die inverse Korrelation des Methylierungsgrades mit der mRNA-Expression286 und die Assoziation der Hypermethylierung mit der Aggressivität der ccRCCs wurden in beiden Fällen durch die in silico-Validierung mit der TCGA KIRC-Datenbank bestätigt (Publikation Nr.6). Unsere statistischen Analysen zeigten, dass dieses Mitglied des CRH-Systems in die Tumorgenese der ccRCCs (und insbesondere des aggressiven Subtyps) involviert ist. Die Eignung der CRHBP-Methylierung / Expression als prognostischer oder prädiktiver Marker sollte in weiteren funktionellen Untersuchungen und Validierungsstudien geprüft werden. Die Beteiligung des CRH-Systems an den Prozessen der Tumorangiogenese macht die beteiligten molekularen Strukturen auch für die Erforschung neuer VEGF-intervenierender Therapieansätze interessant.

96 3.9 Zusammenfassende Diskussion.

3.9.1 Neue Erkenntnisse.

Funktionelle Untersuchungen. Die neuen Daten der Demethylierungs- und Reexpressionsexperimente an den renalen Tumorzelllinien zeigten eine Beteiligung des CRHBP an dem Invasionsverhaltens der RCC-GS-Zelllinie das durch die Konzentration des Demethylierungsagens beeinflüsst war.

Deskriptive Tumorbiologie. Die gewonnenen Daten über die Methylierungsgrade und gegebenfalls Expressionslevel der Genloci MIR124-3, MIR9-1, GATA3, GATA5, CST6, LAD1, NEFH und CRHBP in den untersuchten Zellkulturmodellen und Kohorten der renalen Primärgewebe sind investigativer Natur und tragen zur molekularen Charakterisierung der RCCs bei. Für die Marker GATA5 und CRHBP wurde hier jeweils eine inverse Korrelation zwischen mRNA-Level und Methylierungsgrad gefunden.

Translationale Tumorbiologie. Aus den vorgestellten Ergebnissen geht deutlich hervor, dass die DNA-Methylierungsänderungen in MIR124-3, GATA3, GATA5, CST6, LAD1, NEFH und CRHBP mit der Entwicklung der Nierenzellkarzinome signifikant korrelieren. Die DNA-Methylierungen der Genloci MIR124-3, GATA5 und NEFH wurden in der vorgelegten Arbeit als geeignete prognostische Kandidatenmarker für das Rückfallrisiko identifiziert.

Unsere Studien zeigten ferner, dass die signifikant erhöhten Methylierungen untersuchter Loci der Gene CST6, LAD1 und NEFH im statistischen Zusammenhang mit der Therapieantwort stehen. Trotz geringer Anzahl der analysierten Proben wurde eine klare, allein durch die Methylierungswerte zustande kommende Dichotomisierung der Proben in therapieantwort-assoziierte Subgruppen beobachtet. Sofern sich die gute Spezifität und Sensitivität dieser epigenetischen Alterationen bei der Therapieprädiktion in weiteren Studien erhärten, lässt sich damit die Erwartung vertiefen, dass anhand des Methylierungsgrades des Tumorgewebes eine Prädiktion bezüglich der Therapiestrategie möglich wäre. Somit können diese Epialterationen als prädiktive Kandidatenmarker vorgeschlagen werden.

Inzwischen wurde von unserer Gruppe ein weiterer epigenetischer Kandidatenmarker NELL1 (neural EGFL like 1), der mit fortgeschrittener Krankheit assoziiert, berichtet296.

Kürzlich wurden LAD1 und NEFH in einem 4-Methylierungsmarker-Panel, basierend auf den Ergebnissen der Messungen an zwei unabhängigen Kohorten der primären ccRCCs, als Prognosemarker für ccRCCs vorgeschlagen222. GATA5, LAD1 und NEFH gehören auch zu

97 den insgesamt neun für die Prognostik der RCCs von der gleichen Arbeitsgruppe vorgeschlagenen Marker in einem kürzlich erschienenen Review297. Diese Empfehlung ist Ergebnis einer Metaanalysenstudie von 49 einschlägigen Publikationen297. Diese Daten können als erste Validierungen der von uns identifizierten oben genannten Marker angesehen werden.

Die Beobachtung, dass die untersuchten epigenetischen Muster aller acht Gene unterschiedliche klinische Relevanz zeigten, ist auf ihre individuellen funktionellen Eigenschaften zurück zu führen. Alle Prozesse im Organismus sind ein Zusammenspiel immenser Vielzahl an internen und externen bio- / chemischen Molekülen und intrinsischen und extrinsischen Faktoren. Es wäre daher nicht zu erwarten, je einen einzelnen robusten und unabhängigen Marker für bestimmte klinische Fragestellungen identifizieren zu können.

Sinnvoller erscheint es die Erstellung kombinierter und integrativer fragespezifischer Markerpanels anzustreben.

3.9.2 Aktuelle klinische Anforderungen bei RCCs.

Die Notwendigkeit einer neuen Generation klinischer Marker für die Nierenzellkarzinome ist gegeben. Zwar liefern die aktuellen Modelle eine allgemeine prognostische Aussage, jedoch weniger eine über die Therapiewahl, obwohl den Klinikern eine neue Generation gezielter Krebstherapeutika, die unterschiedliche Therapieregime ermöglichen, bereits zur Verfügung steht. Dabei wären bei der Wahl der Behandlungsmethode unter anderem solche Aspekte wie häufige Resistenzen, schlechte Erfolgschancen bei der späten Diagnose (palliativer Aspekt bei den mRCCs), erhebliche Nebenwirkungen und Kostenfragen zu berücksichtigen. Daher wäre eine Verbesserung bereits vorhandener Entscheidungsmodelle, um die Subgruppe der Therapieansprecher identifizieren zu können und eine weitergehende Individualisierung der Therapieschemata zu erreichen, von großem Interesse.

98 3.9.3 Aspekte für zukünftige Untersuchungen.

Für die klinische Nutzung molekularer Marker wären funktionelle Untersuchungen und klinische Validierungsstudien notwendig. Bei dem Design zukünftiger Untersuchungen, wie Markerscreening, funktionelle Untersuchungen und klinische Validierungsstudien, um statistisch robuste biomolekulare Signaturen zu entdecken bzw. zu etablieren, sind mehrere allgemeingültige Faktoren zu berücksichtigen. Weiter unten folgen, ohne einen Anspruch auf die Vollständigkeit, einige solche relevante Aspekte.

Als Erstes wäre bei der Identifizierung der Methylierungsmarker festzuhalten, dass die zu untersuchenden Loci allein schon aufgrund ihrer Lokalisation im Genom unterschiedlich aussagekräftig bezüglich gesuchter Assoziationen sein können. Beispielsweise weisen einige neuere Untersuchungen111,298-302 daraufhin, dass die funktionell wichtigen Methylierungsänderungen in den Tumoren nicht nur in den „klassischen“ Bereichen der Expressionsteuerung wie Promoter und / oder in den dichtmethylierten CGIs zu finden wären, die bis heute bevorzugt primär untersucht werden. So können je nach Fragestellung sogenannte „CpG island shores“, die bis zu 2 kb die CpG-Inseln flankieren relevant sein, was auf die Kontrollfunktion solcher „shores“ in Bezug auf z. B. Enhancer zurückgeführt wird298,302. Auch die Methylierungen weiterer, von den GpG-Inseln freier, genomischer Strukturen, wären im Stande, als tumorale Biomarker entscheidende klinische Aussagekraft zu liefern. Das wären beispielsweise sogenannte „CpG-Canyons“ (niedrig methylierte Regionen, die oft die Andockstellen für Transkriptionsfaktoren beinhalten)299, repetitive Elemente allgemein111, die innerhalb der Introns liegende Transposons und kryptische bzw.

Antisense-Startstellen im einzelnen300. Überdies könnte bereits der Unterschied im Methylierungsniveau einer einzigen CpG-Stelle etwas über die Aktivität eines Genes bzw.

über seine Teilnahme an pathologischen Prozessen aussagen303. Die genomweite Sequenzierung und assoziative Analysen der Methylierungsmuster würden für detailliertere Analysen von Nutzen sein.

Ein weiterer zu beachtender Faktor wäre, unter anderem auf die sogenannte Feldkanzerisierung und die klonale Evolution der Tumore zurückzuführende, häufig vorhandene intra-/intertumorale epi-/genetische Heterogenität. Mit steigender intratumoraler Heterogenität (unter anderem einhergehend mit durch den therapeutischen Eingriff hervorgerufener sogenannter „bottleneckevolution (en.) - genetischer

Flaschenhals-99 Evolution (dt.)) wäre auch ein steigendes Therapieresistenzrisiko zu erwarten. Eine repräsentative Abbildung der vorhandenen klinisch relevanten Heterogenität, vor dem Hintergrund klinisch bzw. histologisch „konvergenter Phänotypen“ der Tumore, wäre anzustreben. Es wird aktuell diskutiert, ob dafür die Einzelbiopsie-Entnahmen, die nur eine Subregion in dem Tumor erfassen und nicht alle tatsächlich vorhandenen Tumorsubklone (unter anderem klinikrelevante), ausreichen würden304,305. Speziell für die ccRCCs wurde festgestellt, dass die intratumorale Heterogenität der Treibermutationen („driver mutations“) bei den multiregional entnommenen Geweben, verglichen mit den in dem TCGA publizierten Einzelbiopsie-Studien, mit einer höheren Mutationsfrequenz einhergeht51,58. Andererseits wurde gezeigt, dass es möglich wäre die klonale Architektur aus den Einzelbiopsien zu rekonstruieren55. Als Konsequenz aus dieser noch unzureichend erforschten aber eventuell klinisch relevanten Problematik wurden Multiregion-Probenentnahmen und „single-cell“-Analyseverfahren vorgeschlagen. Sie würden die Detektion heterogener molekularer

„Passagier-“ und „Treiber“-Veränderungen, unter anderem auch in den prämalignen Läsionen in Bezug auf ihr tumorigenetisches Potenzial ermöglichen306.

In unseren Prädiktionsstudien waren multivariate Unabhängigkeitsanalysen wegen der kleinen Probenzahl statistisch nicht durchführbar. Auch die Größe und die Heterogenität des Kollektivs bezüglich unterschiedlicher individueller Faktoren (Geschlecht, Alter, Lebensstil, BMI (body mass index - en.), Diät usw.), die Methylierungsänderungen beeinträchtigen können, wären bei der Planung weiterer Studien zu beachten. Des Weiteren wären beispielsweise die zeitlichen Umstände der Probenentnahme (dynamische Änderungen des molekularen Status, unter anderem durch die therapeutischen Maßnahmen) und die Unterschiede in den Analyseverfahren zu berücksichtigen188,307.

Die Vor- und Nachteile der Zelllinien als Tumormodelle für die funktionellen Untersuchungen wären ebenfalls zu berücksichtigen. Die Ergebnisse aus den Experimenten an Zellkulturmodellen, die als komfortable und praktikable „Monokulturen“ der Tumorzellen dienen, geben nur die ersten Anhaltspunkte für weitere Untersuchungen und sind nicht eins zu eins auf die in vivo-Prozesse zu übertragen. Das beruht darauf, dass die Zellen in Kultur der permanenten in vitro-Modelle sich in einer von der natürlichen abweichenden Umgebung befinden und einem abweichenden Selektionsdruck als innerhalb einer sich teilenden Tumorzellpopulation in vivo unterliegen. Daraus resultieren auch entsprechend abweichende molekularbiologische Profile wie Expressions- und Metabolismus-Muster. Die Zellen können

100 sich häufig eine zusätzliche Methylierung (vor allem der gewebsspezifischen Gene)

„anlegen“, die teilweise 5-90-fach höher sein kann als in den Ursprungstumoren308. Die Anwendung der Zelllinien bei der Entwicklung neuer Therapeutika könnte auch aufgrund veränderter Methylierungsmuster ihre Limitationen haben. Es wurde bereits gezeigt, dass die renalen Zelllinien veränderte Methylierungsmuster (unter anderem auch der therapierelevanten Gene) im Vergleich zu primären Tumor- und Metastasen-Geweben aufweisen309. Wenngleich der epigenetische Status der Primärtumore im Großen und Ganzen wiedergegeben wird, ist es wichtig die Korrelation der epigenetischen Muster untereinander zu überprüfen121. Es wird mittlerweile die Notwendigkeit „epigenetischer Tumormodelle“

diskutiert306. Die von uns initial gefundenen Tendenzen in Änderungen der DNA-Methylierung in den Zelllinien wurden durch die Messungen in den Gewebskohorten weitgehend bestätigt.

Zu den starken Hilfsmitteln bei dem Screening und der Validierung von Kandidatenmarkern gehören seit einigen Jahren in silico-Analysen, bei denen bioinformatische Verfahren für die Extraktion klinisch nützlicher Informationen verwendet werden. Dabei wird eine gewaltige Menge an externen Daten (unter anderem aus dem TCGA-Projekt) alleine oder in Kombination mit eigenen experimentell generierten Daten ausgewertet310,311. Als effizienter und präziser, verglichen mit konventionellen „Eine -Ebene-Datensätzen“, werden aktuell integrative Analysen sogenannter „cross-omics“ Daten (molekulare Profile auf beispielsweise genetischer, epigenetischer und Expressionsebenen) diskutiert59,312,313. Durch die Definierung molekularer Subtypen der ccRCCs mit Hilfe von Kombination genomischer und epigenomischer Daten, konnte beispielsweise eine Aussage über den Erfolg von Sunitinibtherapie bei metastasierenden Patienten gemacht werden314. Die Durchführung der in silico-Analysen ist ein sinnvolles Werkzeug bei den Biomarkeruntersuchungen.

101 3.9.4 Perspektiven für die klinikorientierte RCC-Forschung.

Neben den prognostischen und prädiktiven Fragestellungen wäre der Einsatz biomolekularer Marker in weiteren translationalen Bereichen der medizinischen Forschung denkbar. Sinnvoll wären beispielsweise die Einsatzmöglichkeiten der biomolekularen Marker für die Diagnostik bzw. Kontrolle prä-neoplastischer Läsionen, für die Überwachung von Patienten mit nachteiligen biomolekularen Merkmalen bzw. die Therapieüberwachung zwecks rechtzeitiger Resistenzindikation.

Überdies würde die Suche nach prognostischen und prädiktiven Biomarkern die Kandidaten für die neuartigen therapeutischen Interventionen wie beispielsweise miRNA-Inhibitoren bzw.

miRNA-Mimics315 oder auch für epigenetische Modulatoren, wie DNA-Methyltransferasen-Inhibitoren und Histon-Deacetylasen-DNA-Methyltransferasen-Inhibitoren316, liefern. Auch für den neuen therapeutischen Ansatz, bei dem die kompetitiven Fähigkeiten therapiesensitiver Klone ausgenutzt werden, wäre das Erstellen individueller epigenetischer molekularer Profile des Patienten vom Nutzen54,317.

102

4 Zusammenfassung.

Identifizierung epigenetischer Alterationen als Biomarker für Genese, Progression und Therapieansprechen des Nierenzellkarzinoms.

Natalia Dubrowinskaja

Fragestellung. Die aktuellen prognostischen Modelle, die zwecks Risikostratifizierung und Therapieauswahl bei der Behandlung der RCCs herangezogen werden, weisen einige Limitationen auf. Vor dem Hintergrund, häufig vorhandener Therapeutikaresistenzen, aktueller gezielter Therapieansätze und einer mutmaßlichen ausgeprägten inter- und intratumoralen Heterogenität ist eine Verbesserung bereits vorhandener Entscheidungsmodelle erforderlich. In dieser Dissertation wurde der Frage nachgegangen, ob die untersuchten epigenetischen Alterationen das Potenzial besitzen, brauchbare Informationen zur Verbesserung der Prognose bzw. Prädiktion des Nierenzellkarzinoms zu liefern.

Erkenntnisse. 1) Es wurde eine Beteiligung des CRHBP-Gens an dem Invasionsverhalten der tumorrelevanten Nierenzellkarzinom-Zelllinie RCC-HS gezeigt, was zum Verständnis und Aufklärung der hinter der Tumorentwicklung bei den Nieren stehender molekularer Mechanismen beiträgt.

2) Es wurden neue Informationen über DNA-Methylierungssignaturen der in vitro-Zellmodelle und renaler Primärgewebe der Gene MIR124-3, MIR9-1, GATA3, GATA5, CST6, LAD1, NEFH und CRHBP gewonnen.

3) Hinsichtlich einer potenziellen Rolle als prognostische bzw. prädiktive Marker für RCC wurden statistisch signifikante Ergebnisse für die Methylierungssignaturen der Gene MIR124-3, GATA5, CST6, LAD1, NEFH und CRHBP erzielt.

Fazit. Die Ergebnisse dieser Arbeit weisen klar daraufhin, dass DNA-Methylierungsalterationen für prognostische oder prädiktive Fragestellungen bei RCCs aussichtsreiche Kandidaten darstellen.

Offene Fragen. Zukünftige Untersuchungen müssen bei der Ausweitung bzw. Optimierung methylierungsbasierter Signaturen einige relevante Faktoren berücksichtigen. Des Weiteren sind prospektive, unabhängige, multizentrische Evaluierungen notwendig.

103 Ausblick. Ferner ist zu erwarten, dass die Durchführung funktioneller Untersuchungen an identifizierten Kandidaten zu einem verbesserten Verständnis der Tumorbiologie beitragen könnte bzw. Grundlage zur Identifizierung neuer therapeutischer Zielstrukturen darstellen könnte.

104

5 Summary.

Identification of epigenetic alterations as a biomarker of genesis, progression and therapy response of renal cell carcinoma.

Natalia Dubrowinskaja

Background. The current prognostic models used for risk stratification and therapy selection in the treatment of RCCs have some limitations regarding their prognostic and predictive value. Based on settings of frequently existing therapeutic resistance, currently used targeted therapies and a putative pronounced inter- and intratumoral heterogeneity, an improvement of already existing decision models is necessary. The aim of this thesis was to examine whether the investigated epigenetic alterations have the potential to provide useful information for improving the prognosis or prediction of renal cell carcinoma.

Findings. 1) Involvement of the CRHBP gene in the invasive behavior of the renal tumor

Findings. 1) Involvement of the CRHBP gene in the invasive behavior of the renal tumor