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Kolumne – aus dem Leben eines Lehrers

Ein Büchergestell ist das Gegenteil einer Schulklasse, fällt mir beim Umzug meines Büros vom Keller in die Wohnung ein. Ich will die Gelegenheit wahrnehmen und mich von altem Ballast befreien. Vor zwanzig Jahren wäre dieses Unter-fangen überblickbar gewesen, nun gerät es zu einem zähen Ringen mit verflossenen Zeiten: Wohin mit Dokumenten von Reisen in Länder, deren Namen inzwischen geändert haben? Wohin mit jenen Briefen, deren Lektüre einst meine Knie zit- tern liess? Wohin mit dem Zeitungs-artikel zu Beat Breus Triumph auf der Alpe d’Huez im Jahre 1982?

Bei allem Respekt vor früheren Tagen: Die Zeit des Abschieds ist gekommen.

In meinen Händen liegen die Notizen aus einem Seminar zur Ideengeschichte der Pädagogik.

Schon beim letzten Umzug, und der liegt inzwischen 15 Jahre zurück, hat mich meine Frau ihretwegen verspottet. Also knöpfe ich mir die vergilbten Papiere einzeln vor – und lese elektrisiert: «Bernhard von Chartres sagte, wir seien gleichsam Zwerge, die auf den Schultern von Riesen sitzen, um mehr und Ent-fernteres als diese sehen zu können.»

Schon damals hat mir das Bild in seiner Bescheidenheit und

Zuver-sicht imponiert: Ich weiss mehr über Philosophie als der Riese Sokrates, mehr über Weltreligionen als das Monument Thomas von Aquin, mehr über Flugzeuge als das Genie Leonardo da Vinci! Und ich anerkenne gleichzeitig, was für ein beschränkter Wirrkopf ich bin im Vergleich zu diesen Grössen der Geistesgeschichte. Wenn wir Geschichte so sehen können, den Gang von Generation zu Generation – was für ein aussichtsreicher Blick auf Erziehung und Unterricht, die immer ein Sprungbrett zum Fortschritt sind!

Ich blättere weiter. Schon bald bleibe ich wieder an einem Text hängen, wie er in der Sozialwissen-schaft von heute nicht mehr formu- liert wird: Ergriffen betrachtet der Verfasser eine weidende Herde und beneidet die Tiere um ihr lustvolles Auskosten des Augenblicks, ohne Erinnerung an gestern und ohne Bangen um die Zukunft. Der Autor – kein geringerer als Friedrich Nietzsche – macht aus dieser Beob- achtung eine tiefgründige Metapher.

Das Bild gelte nämlich auch beim Menschen: «Es ergreift ihn, das Kind zu sehen, das noch nichts Vergange-nes zu verleugnen hat und zwischen den Zäunen der Vergangenheit und der Zukunft in überseliger Blindheit

spielt.» Wie bei Bernhard von Chartres ist vom Verhältnis der Generationen die Rede, doch diesmal ist der Befund ernster.

Das Bild mit den Riesen und den Zwergen strotzte vor Opti- mismus – die Jugend mag noch so beschränkt sein, sie weiss mehr als die alte Generation. Nun stellt sich eine grundlegende Frage der Pädagogik: Inwieweit dürfen die Erwachsenen die Idylle des kindlichen Spiels stören, sie in Kultur und Geschichte einweihen?

Nietzsche hakt nach: «Entfesselt die Jugend und ihr werdet mit ihr das Leben befreit haben.»

Dieser Satz hat mich vor über zwanzig Jahren begeistert. In- zwischen liegen viele Schulzimmer-jahre hinter mir. In dieser Zeit trat das mit dem «Entfesseln der Jugend»

etwas in den Hintergrund, um es gelinde zu formulieren. Aber drei Dinge sind gewiss: Erstens steckt in meinem Büchergestell mehr Leben als vermutet. Zweitens danke ich dem Dozenten, der mir damals solche Texte vorgesetzt hat. Und drittens verspreche ich, beim nächsten Mal an dieser Stelle wieder vom echten Leben zu berichten.

Mario Bernet ist Primarlehrer im Schulhaus Sihlfeld und Praxis-dozent an der PH Zürich.

Illustration: Raffinerie AG

Mario Bernet –

aus dem Leben eines Lehrers

Leben im

Büchergestell

Fundstück

Fundstück

Fotos erzählen Geschich-ten, im vorliegenden Fall zum Beispiel diese: Ein grosser weisser Schwan ging mit seinen grauen Schwanenkindern an Land, um Menschen anzusehen. Da trafen sie auf einen grossen schwarzen Mann mit vielen kleinen Menschlein.

«Da schaut her», sagte der Schwan,

«das sind Männedorfer. Sie leben in Häusern. Im Sommer kommen sie auf den See. Die Menschenkinder machen viel Lärm und spritzen wild um sich. Menschen schwimmen nicht so ruhig wie wir Schwäne.»

Der Lehrer seinerseits dürfte seinen Schülerinnen und Schülern auf dem naturkundlichen Streifzug zum Seeufer analoge Informationen über die Schwäne mit auf den Weg gegeben haben. Er überragt die Kinderschar, und seine Körperhal-tung steht im Kontrast zur Ehr- furcht, der Neugierde und der Be- lustigung, die seine Schülerinnen und Schüler ausstrahlen. Er doziert und ist im Element.

Das Bild hat der Fotograf Hans-Peter Klauser 1936 in Männedorf aus der

Schwanenper-spektive aufgenommen. Es über- rascht durch die Gegenüberstel- lung von Schwan und Lehrer, die sich auf Augenhöhe zu begegnen scheinen. Die Kinder und die jungen Schwäne mustern einander und bilden zwei konzentrische Halb-kreise. Der Junge mit dem Fahr- rad ist wie der Fotograf ein Aussen- stehender. Er scheint vom Landgang der Schwäne fasziniert zu sein.

Der Fotograf erkennt den Charme der Szene, bannt sie auf Film und erzählt uns so seine eigene kleine Geschichte. – Thomas Hermann

«Akzente» (vormals ph | akzente) erscheint viermal jährlich, 21. Jahrgang, Nr. 3, August 2014, ISSN 2296-7281 (Print), 2296-732X (Online). Herausgeberin: Pädago-gische Hochschule Zürich. Redaktion: Christoph Hotz (Redaktionsleitung), Redaktor Kommunikation; Daniel Ammann, Dozent für Medienbildung; Bettina Diet- helm, wissenschaftliche Mitarbeiterin; Thomas Hermann, Dozent für Medienbildung; Vera Honegger, Redaktorin Kommunikation; Rudolf Isler, Dozent für Päda- gogik; Reto Klink, Leiter Kommunikation; Michael Prusse, Abteilungsleiter Sek II Berufsbildung. Redaktionelle Mitarbeit: Melanie Keim, Isabel Plana.

Adresse: Pädagogische Hochschule Zürich, Redaktion «Akzente», Christoph Hotz, Lagerstrasse 2, 8090 Zürich, akzente@phzh.ch, www.phzh.ch/akzente. Grafisches Konzept: Raffinerie AG für Gestaltung, Zürich. Layout: Regi Müller, Typografische Gestalterin PH Zürich. Druck: FO-Fotorotar, Egg ZH. Inserate: IEB AG, Industriestrasse 6, 8627 Grüningen, Tel. 043 833 80 40, Fax 043 833 80 44, info@ieb.ch, www.ieb.ch. Abonnemente: Jahresabonnement CHF 20.- inkl. Porto, Pädagogische Hochschule Zürich, Vera Honegger, Lagerstrasse 2, 8090 Zürich, vera.honegger@phzh.ch. Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier.

Impressum

Foto: © Hans-Peter Klauser / Fotostiftung Schweiz

Foto: © Hans-Peter Klauser / Fotostiftung Schweiz

Berufsbegleitende, anerkannte Weiterbildungen mit Diplomabschluss:

«Ihr Aus- und Weiterbildungsinstitut IKP: wissenschaftlich – praxisbezogen – anerkannt»

Dr. med. Y. Maurer

Ausbildungsinstitut IKP, Zürich und Bern

Seit 30 Jahren anerkannt