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Verglichen mit der Vorjudikatur fiel die Reaktion des Schrifttums auf die jüngste Entscheidung mAn eher verhalten aus.

In seiner Glosse zur jüngsten Entscheidung wiederholt Bernat überwiegend seine bereits im Kapitel IV. A. 3. dargestellten Argumente, wonach die Unterhaltsverbindlichkeit der Eltern einen ersatzfähigen Vermögensschaden darstelle, der Gleichheitssatz eine nach der Vermögenssituation der Eltern differenzierende

102Vgl OGH 29.01.2015, 9 Ob 37/14 b.

103Vgl OGH 29.01.2015, 9 Ob 37/14 b.

Behandlung verbiete, das Schadenersatzrecht „kein Mittel der sozialen Krisenintervention“ darstelle und aus § 1327 eine gesetzlich normierte Trennung zw der biologischen Eltern-Kind-Beziehung sowie der Unterhaltsverbindlichkeit abzuleiten sei. Erneut verwies er darauf, dass eine Vorteilsanrechnung der Elternfreuden mangels Aufrechenbarkeit scheitere und eine Zuerkennung von Schadenersatzansprüchen dem Kindeswohl diene. Hinsichtlich der jüngsten Entscheidung führt Bernat aus, dass die Begründung des Senates inkonsequent sei, da zum einen an der Nicht-Ersatzfähigkeit von Unterhaltsschäden iZm wrongful conception festgehalten werde, zum anderen - und abweichend von der Entscheidung 6 Ob 101/06 f - jedoch die Ersatzfähigkeit von psychischen Alterationen mit Krankheitswert iZm der verfahrensgegenständlichen Schwangerschaft ohne weitere Begründung dem Grunde nach anerkannt werde. Das vom OGH ergriffene Argument, der Unterhaltsschaden sei "mit der Existenz des Kindes und dem Eltern-Kind-Verhältnis [ebenso] untrennbar verbunden" müsse bei konsequentem Fortdenken der Rsp auch für die psychischen Alterationen gelten.104 Schwarzenegger zufolge verkenne die Rsp, dass der Grundsatz der Personenwürde und der Zuspruch von Schadenersatz nicht miteinander kollidierten. Eine gefühlte Beeinträchtigung der Personenwürde geborener Kinder sei bereits in dem Vertrag über die Durchführung der schwangerschaftsverhütenden Maßnahme bzw dem Vertrag über eine pränatale Untersuchung als Entscheidungsgrundlage für die Vornahme einer Abtreibung zu sehen, da diese auf die Verhinderung der Existenz des Kindes gerichtet seien. Eine Anknüpfung an die Geltendmachung von schadenersatzrechtlichen Ansprüchen sei daher zu spät. Er führt weiter ins Treffen, dass das Familienrecht nur das Innenverhältnis der Eltern-Kind-Beziehung regle und keine Aussagen hinsichtlich einer etwaigen Unzulässigkeit einer Überwälzung von Unterhaltsverbindlichkeiten treffe. Wie Bernat105 verweist Schwarzenegger auf § 1327 und sieht darin einen positiven Anhaltspunkt für die Zulässigkeit eines schadenersatzrechtlichen Anspruchs.

Es bestehe grundsätzlich eine Anerkennung, dass materielle Nachteile nicht mit ideellen Vorteilen verrechenbar seien. Es sei aber keine Begründung ersichtlich, weshalb dies in Fällen von wrongful conception anders sein solle. Vielmehr sei es die Rsp, die das Kind in seiner Würde beeinträchtige, indem sie es durch eine derartige Verrechnung einer Nützlichkeitsanalyse unterwerfe. Er weist darauf hin, dass im spiegelverkehrten Fall der Tötung eines Kindes Trauerschmerzengeldansprüche der Eltern nicht mit ersparten Unterhaltsleistungen aufgerechnet würden. Dass der OGH in der jüngsten Entscheidung den Zuspruch von Schmerzengeld aufgrund psychischer

104Vgl Bernat, RdM 2015, 151 ff.

105Vgl Bernat in FS Krejci Bd II 1072.

Alteration iZm der Schwangerschaft und Geburt des Kindes nicht von vornherein ausschließe, sei eine nicht nachvollziehbare Differenzierung, denn beide Kausalketten vom pflichtwidrigen Verhalten zur psychischen Alteration bzw zur Unterhaltsverbindlichkeit hätten das Kind in gleicher Weise als notwendiges Bindeglied. Er hält an seiner früher geäußerten Kritik zur Widersprüchlichkeit der Rsp in den Fällen von wrongful conception und wrongful birth fest und plädiert für eine rasche und widerspruchsfreie Bewältigung des gesamten Problemkreises.106

Swoboda veröffentlichte zwar nach dem Erscheinen der jüngsten Entscheidung ein Abstract zum Thema, ging in diesem aber nicht näher auf die Entscheidung 9 Ob 37/14 b ein.107 Kletečka hält fest, dass nach der jüngsten Entscheidung kaum mehr Fälle von wrongful conception, deren Klagen auf Ersatz des Unterhalts Erfolg haben könnten, denkbar seien108 und Zwettler spricht davon, dass von einer gemäßigten Einheitstheorie angesichts der jüngsten Entscheidung nicht mehr gesprochen werden könne. Die Rsp des OGH habe bestehende Unterschiede der Rechtsprechungslinien verfestigt und Widersprüche, deren Klärung noch drängender werde, verschärft. Mit einer höchstgerichtliche Auflösung der Widersprüche sei jedoch erst zu rechnen, wenn der OGH einen Fall zu entscheiden habe, bei dem der Grundsachverhalt wrongful conception entspricht und das Kind mit einer Behinderung zur Welt kommt.109

Bzgl der Kritik an der jüngsten Entscheidung ist mAn ergänzend hinzufügen, dass auch die Begründung der Existenzsicherung einer näheren Betrachtung bedarf. Bei der Ausgleichszulage gem §§ 292ff ASVG, §§ 149ff GSVG bzw §§ 140ff BSVG handelt es sich um eine subsidiäre Leistung mit Fürsorgecharakter im Rahmen der Pensionsversicherung, deren Ziel die Sicherung des Existenzminimums der pensionsberechtigten Person und deren Unterhaltsberechtigten ist.110 Voraussetzung für den Anspruch auf Ausgleichszulage ist ua, dass das Einkommen der pensionsberechtigten Person unterhalb festgelegten Grenzen liegt.111 Der Begriff des Einkommens ist dabei weit zu verstehen, unabhängig aus welchem Titel Geld oder eine geldwerte Leistung erhalten wird und unabhängig davon, wer Leistungserbringer

106Vgl Schwarzenegger, Der OGH, ein unerwünschtes Kind und die Einheitstheorie, EF-Z 2015, 166 (167 f).

107Vgl Swoboda, "Wrongful birth" und "wrongful conception" im Lichte des österreichischen Schadenersatzrechts, AnwBl 2016, 392.

108Vgl Zitat in Aichinger, Geburt trotz Sterilisation: Fünftes Kind, keine Haftung, Die Presse 2015/16/02.

109Vgl Zwettler, „Wrongful birth“ und „wrongful conception“ II Warten auf den „Parkinson Case“, AnwBl 2017, 430 (432, 435).

110Vgl RIS-Justiz RS0085127; RIS-Justiz RS0084847.

111Vgl §§ 292 f ASVG; §§ 149 f GSVG; §§ 140 f BSVG.

ist.112 Nicht vom Einkommensbegriff umfasst sind lediglich bestimmte, taxativ aufgezählte Leistungen.113 Voraussetzung für den Bezug einer Ausgleichszulage ist daher, dass die finanzielle Existenz der pensionsberechtigten Person sowie deren unterhaltsberechtigten Angehörigen ohne Gewährung der Leistung bereits gefährdet ist. Auf diese gesetzlichen Voraussetzungen geht der Senat in seiner Begründung jedoch nicht ein, sondern folgert aus der Gewährung der Ausgleichszulage die Sicherung der finanziellen Existenz. Das Gericht lässt auch außer Acht, dass der zehnte Senat im Jahre 1999 und somit vor der jüngsten Entscheidung aus dem Themenbereich wrongful conception aus dem Jahr 2015 ausgesprochen hat, dass die Gewährung der Ausgleichszulage nicht dazu diene Personen, die nach zivilrechtlichen Bestimmungen gegenüber der ausgleichszulagenbeziehenden Person schadenersatzpflichtig sind, finanziell zu entlasten. Der erkennende Senat hielt fest, dass aus diesem Grund nicht die von dem privaten Haftpflichtversicherer geleistete Unfallrente um den Bezug der Ausgleichszulage, sondern diese um die Rente aus dem Versicherungsvertrag zu kürzen sei.114 Umgelegt auf den Sachverhalt der jüngsten Entscheidung müsste die Höhe des Schadenersatzanspruchs Auswirkungen auf die gewährte Ausgleichszulage haben, nicht jedoch diese auf die Zuerkennung des geltend gemachten Anspruchs. Weiters blieb in der jüngsten Entscheidung die Auffassung F. Bydlinskis, die die Basis der Rsp bildet, unbeachtet. Subsidiäre Unterhaltsverbindlichkeiten oder andere subsidiäre Auffanginstitute, wie etwa die Sozialhilfe, seien seines Erachtens nämlich gegenüber der Ersatzpflicht der schädigenden Person nachrangig. Derartige Institute hätten nicht den Zweck schadenersatzpflichtige Personen von ihrer Pflicht zu entlasten.115