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6.1 Vorbemerkung

Es ist unumstritten, dass für die Herstellung nachhaltigen PtLs der Strom i. W. aus erneuer-baren Energiequellen stammen muss. Diese Anforderung ergibt sich bereits aus den alter-nativen Herstellungsrouten für synthetischen Flugkraftstoff. Wenn nämlich der Strom aus Gas- oder Kohlekraftwerken stammen würde, wäre ein deutlich effizienterer Weg der Her-stellung die unmittelbare Synthese aus Gas bzw. aus Kohlevergasungsprozessen.

Daran schließt sich allerdings die Folgefrage an, welche Anforderungen an den erneuerba-ren Strom zu stellen sind. Wenn die PtL-Anlagen in Deutschland errichtet werden und keine

„zusätzlichen“ EE-Anlagen gebaut werden, so folgt kurzfristig lediglich eine Kannibalisierung erneuerbarer Strommengen – es wird also kein zusätzlicher Beitrag zur Dekarbonisierung geleistet. Dies gilt, solange unser Stromsystem noch von nuklearer und fossiler Stromerzeu-gung geprägt ist.

Langfristig, in einer vollständig von EE dominierten Stromerzeugung, wird das Kriterium der Zusätzlichkeit überlagert von der Erfordernis der Systemdienlichkeit. Daher müssen die PtL-Kriterien zwischen den verschiedenen Marktphasen des Strommarktes unterscheiden.

Genauso ist aber eine Differenzierung nach Reifegrad und Systembedeutung der PtL-An-lage erforderlich. Im Anfangsstadium ist das Innovationspotenzial von PtL hoch, der Strom-verbrauch der einzelnen Anlagen gemessen an dem Gesamtenergiekomplex marginal. In dieser Zeit sind die anzulegenden Kriterien für die Qualität des Stroms eher großzügig aus-zulegen. Anders in der Reifephase von PtL, wenn der Stromverbrauch und auch das Lastpro-fil nennenswert sind und PtL in einem normalen kompetitiven Umfeld mit anderen (erneu-erbaren) Kraftstoffen auftritt.

Im Folgenden soll die Frage thematisiert werden, welche Anforderungen an den Strom für die PtL-Anlagen in diesen Marktphasen zu stellen sind. Dabei engen wir den Untersuchungs-horizont in einer Hinsicht ein: Es werden nicht weitere Zusatznutzen von Ökostrom-Produk-ten über die anlagen- und erzeugungsseitigen Kriterien hinaus untersucht, die heute eben-falls für die Definition von Ökostrom herangezogen werden, etwa Zusatznutzen durch Ener-gieeffizienz, verschärfte Umwelt- und Standort-Kriterien, Suffizienz, anbieterbezogene Merkmale, zeitgleiche Belieferung, Kohlenstoffsenken (Aufforstung) o.ä. Siehe hierzu aus-führlich Hauser et al. (2019).

Grundsätzlich erfolgt die Bewertung der Zusätzlichkeit des EE-Stroms dabei vor dem Hinter-grund des regulatorischen Umfelds, insbesondere:

Der Ausbauziele (§1) und der Ausschreibungsvolumina des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes;

Des Doppelvermarktungsverbotes nach §80 EEG;

Der Regeln der Stromkennzeichnung gemäß § 42 EnWG;

Das System der Herkunftsnachweise im Rahmen des European Energy Certificate Sys-tems.

Für eine ausführliche Beschreibung dieser Rahmenbedingungen siehe u. a. Seebach, Bra-cker, Pehnt (2019).

6.2 Stufen der Zusätzlichkeit für den deutschen Markt

Im Folgenden wird diskutiert, welche grundsätzlichen Mechanismen für eine Zusätzlichkeit denkbar sind. Dabei kann auf einige aktuelle Analysen des Ökostrommarkts aufgesetzt wer-den.1

Quelle: Darstellung ifeu

Abbildung 8: Mechanismen der Zusätzlichkeit

6.2.1 Zusätzlichkeit durch prozentuales Ausbauziel bei Annahme eines perfekt funktionierenden Marktes

Unterstellt man, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG perfekt funktionieren würde, so würde die zusätzliche Strommenge, die für die PtL-Herstellung in Deutschland aufgewen-det wird, im Jahr 2025 zu 40-45 % aus erneuerbaren Energieanlagen erzeugt, 2035 zu 55 bis 60 %. Die Bundesregierung plante eine Anhebung des Ausbauziels auf 65 % im Jahr 2030.

Diese Anhebung ist aber noch nicht gesetzestechnisch umgesetzt.

Konkret müsste durch den zusätzlichen Stromverbrauch für PtL das Ausschreibungsvolumen derart angepasst werden, dass dieses Ziel erreicht wird. PtL-Strom wäre 2025 also gewisser-maßen „automatisch“ zu 40-45 % zusätzlich.

Wenn Betreiber von PtL-Anlagen planen, den restlichen Anteil von 55 – 60 % nicht-erneuer-baren Strom im Jahr 2025 durch Installation eigener EE-Anlagen abzudecken, so würde dies ––––––––––––––––

1 Hamburg Institut (2019). Ökostrommarkt 2025. Wie eine intelligente Steuerung des Ökostrommarktes die Energiewende beschleunigt. Im Auftrag von Lichtblick SE. Öko-Institut, ifeu (2019): Ökologische Bewertung von Verkehrsarten: Strombilanzierung. Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes. IZES (2019): Marktana-lyse Ökostrom und HKN, Weiterentwicklung des Herkunftsnachweissystems und der Stromkennzeichnung.

Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes. Öko-Institut (2019): Kein Selbstläufer: Klimaschutz und Nach-haltigkeit durch PtX. Impulspapier im Auftrag des BUND im Rahmen des Kopernikus-Projektes „P2X“

nach §5 Abs. 5 EEG auf die Zielerreichung angerechnet. In der „reinen Lehre“ bedeutet das, dass für ein eigeninitiiertes Megawatt ein Megawatt weniger ausgeschrieben werden muss.

Aus volkswirtschaftlicher Perspektive kommt es in einem solchen Fall dann zu einer Kosten-umverteilung, aber zu keinem zusätzlichen Ausbau.

In dieser Perspektive ist es nicht möglich, PtL-Anlagen in Deutschland vor dem Hintergrund des Ausschreibungssystems zu mehr als 40-45 % mit zusätzlichen erneuerbaren Energiean-lagen zu versorgen.

Bedenke: Es ist durchaus vorstellbar, dass im Rahmen eines legislatorischen „Reallabors“

oder einer Weiterentwicklung des EEG die Regeln der Zielanrechnungsregeln zukünftig ge-ändert werden, um Anreize für einen marktwirtschaftlichen EE-Ausbau außerhalb des EEG zu geben. Würden eigeninitiierte Anlagen nicht im Rahmen des §1 und der sich entspre-chend ergebenden Ausschreibungsvolumina anerkannt, würde dies eine zusätzliche Mög-lichkeit für einen marktgetriebenen EE-Ausbau schaffen.

6.2.2 Zusätzlichkeit durch Initiierung und Betrieb neuer Anlagen (Initiierungs-modell)

In der Praxis wird es die im vorangehenden Kapitel beschriebene Form der unmittelbaren Wechselwirkung nicht geben, denn die Anpassung der Ausschreibungsvolumina erfolgt im Nachhinein und mit entsprechender zeitlicher Verzögerung. Auch setzt dies voraus, dass die Ausschreibungsvolumina auch tatsächlich erfolgreich umgesetzt werden. Die zahlreichen Hemmnisse insbesondere im Bereich der Windprojekte und die damit einhergehenden ak-tuellen Probleme durch niedrige Gebotsvolumina in den Ausschreibungen verweisen aber darauf, dass ein höherer Strombedarf nicht 1:1 und nicht instantan durch das EEG in einen erforderlichen EE-Ausbau umgesetzt wird. Vielmehr gehen viele Studien davon aus, dass die energiepolitischen Ziele auch im Bereich der Stromerzeugung zumindest bis zur Mitte des Jahrzehnts erstmalig unterschritten werden, wenn nicht kurzfristig größere Veränderungen des politischen Instrumentariums erfolgen.

Dies legt nahe, im EEG nicht geförderte Anlagen als EE-Anlagen mit zusätzlicher Wirkung anzuerkennen, insbesondere wenn sie durch den PtL-Hersteller direkt oder indirekt initiiert wurden. Im OK-Power-Label (Stand 2018) wird dies „Initiierungsmodell“ genannt (wobei im OK Power Label abweichend vom vorliegenden Vorschlag eine EEG-Vergütung zugelassen ist).1 Die Wirkung besteht dann vor allem darin, dass durch den Anlageninitiator Standorte erschlossen und die Ausbaulücke zur Zielerreichung verkleinert wird. Außerdem wird die EEG-Umlage verringert und damit insgesamt die Akzeptanz für den Ausbau erneuerbarer Energien gesteigert.

Der Begriff „Initiierung“ muss entsprechend definiert werden. Im OK Power Label wird unter Initiierung die Projektierung und Strukturierung der Finanzierung verstanden.

Für einen solchen vom EEG ungeförderten EE-Ausbau gibt es wiederum verschiedene Vari-anten. Für alle diese Varianten können Zusatzkriterien definiert werden. In Übereinstim-mung mit Art. 27 der europäischen RES Directive könnte gefordert werden, dass die Anlagen

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1 Im aktuellen OK Power Label wird das Initiierungsmodell verändert als „Neuanlagenmodell“ konzipiert.

innerhalb eines bestimmten Zeitraums ab Installation der PtL-Anlage in Betrieb genommen werden.1

Variante I.1: Bau von EE-Anlagen durch den PtL-Hersteller oder einen beauftragten