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5. Der metastabile Czochralski-Silicium-Defekt 143

5.2 Bordotiertes Cz-Silicium

5.2.1 Kristallzucht und Verunreinigung

Um Einkristalle mit höchstem Reinheitsgrad herzustellen, findet typischerweise das Float-Zone (FZ)-Verfahren Anwendung [141]. Aufgrund der hohen Herstellungskosten hat FZ-Silicium in der industriellen Solarzellenproduktion derzeit jedoch nur einen kleinen Marktanteil. In letzter Zeit wurden ungefähr 95% aller Einkristalle gemäß dem preiswerteren Tiegelziehverfahren nach Czochralski hergestellt [142]. Dabei werden polykristalline Siliciumstücke mittels In-duktionsheizung in einem Quarztiegel, welcher sich seinerseits in einem Grafittiegel befindet, aufgeschmolzen [141]. Anschließend wird ein Keimkristall in die Schmelze eingetaucht. Die einkristalline Abscheidung erfolgt unter vertikaler Ziehbewegung sowie Drehbewegungen von Tiegel und Kristall. Das geschmolzene Silicium reagiert dabei mit dem Quarztiegel unter Bildung von Siliciummonoxid (SiO2 +Si→ 2SiO). Über 99% des umgesetzten Sauerstoffs dampft von der Oberfläche der Schmelze in Form von SiO ab. Bei Benutzung eines Stan-dardtiegels bleibt während des Ziehvorgangs die Oberfläche der Schmelze ungefähr konstant, während die Grenzfläche zwischen Schmelze und Tiegel entsprechend der Zunahme des kris-tallisierten Siliciumanteils abnimmt. Insbesondere deshalb nimmt während des Zuchtprozesses die Sauerstoffkonzentration in der Schmelze ab. Ohne weitere Vorkehrungen weist daher der stabförmige Einkristall (Ingot) nahe dem Impfkristall (Seed) am sogenannten Seed End eine höhere Sauerstoffkonzentration auf als am entgegengesetzten Teil, dem Tail End. Die Anpas-sung von Wachstumsrate und Rotation nach Dash [143] ermöglicht das Herstellen versetzungs-freier bzw. -armer Cz-Kristalle. Die bei der Kristallzucht auftretenden Strömungen innerhalb der Schmelze können sehr verschiedene Muster aufweisen. Diese bestimmen als dominanter Faktor den absoluten Sauerstoffgehalt und dessen Verteilung im Kristall. Durch geeignete Wahl der Zuchtparameter und Tiegelgeometrie lässt sich grundsätzlich eine hohe axiale Homo-genität der Sauerstoffkonzentration erreichen [144]. Durch Anlegen eines geeigneten Magnet-feldes während der Cz-Kristallzucht lässt sich des Weiteren die Sauerstoffkonzentration regu-lieren bzw. signifikant verringern, wobei die resultierenden Kristalle als magnetic-field-applied Cz-Si (MCz) bezeichnet werden [145] .

Bei der Zucht eines Kristalls aus der Schmelze wird die Verteilung von Verunreinigungen in der festen Phase durch deren Segregationsverhalten bestimmt. Die Konzentration Cs von Dotierstoffen bzw. Verunreinigungen im Kristall in Abhängigkeit des kristallisierten Anteils der Schmelze x zeigt näherungsweise folgende Abhängigkeit von der Ausgangskonzentration der Schmelze C0 sowie dem Segregationskoeffizienten k [146]:

( )

1

0 1

)

( = − k

s x C k x

C (5.1)

Im Gleichgewicht ist der Segregationskoeffizient k0= CS/Cl definiert als Quotient aus Verun-reinigungskonzentration von Schmelze und fester Kristallphase. Die Segregation lässt sich für

5.2 Bordotiertes Cz-Silicium 145 Kristallzucht mit endlicher Wachstumsrate υ durch einen effektiven Segregations-Koeffizien-ten keff beschreiben:

(

k

) (

D

)

k k k

k eff

/ exp

1 0

0

0

υδ

= +

≡ (5.2)

Hierbei stellt δ die Dicke der Grenzschicht der Schmelze am Kristallübergang dar, für welche Diffusion der bestimmende Transportvorgang ist, im Gegensatz zur Konvektion im Vo-lumenbereich der Schmelze. Die Grenzschichtdickeδ =1,6D1/3ν1/6w1/2 hängt von der Dif-fusionskonstante D der Verunreinigung in der Schmelze, der kinematischen Viskosität ν der Schmelze sowie der Rotationsrate ω des Kristalls ab. Je stärker keff von eins abweicht, desto größer ist die Variation der Konzentration der entsprechenden Verunreinigung entlang des Kristalls.

Kim und Langlois erzielten mit einer detaillierten quantitativen Modellierung der Sau-erstoffsegregation beim Wachstum von Cz-Kristallen mit einem Gleichgewichtswert von k0 =1,25 sehr gute Übereinstimmung mit experimentellen Resultaten [147]. Die in der vorheri-gen Literatur zu findende Streuung von experimentell bestimmten k0-Werten wird in Ref. [148]

diskutiert. In Tabelle 5.1 sind für typische Verunreinigungen in Silicium Werte von k0 sowie D angegeben [149], welche eine Bestimmung des effektiven Segregationskoeffizienten nach Gl.

(5.2) ermöglichen. In Abbildung 5.1 ist die nach Gl. (5.1) berechnete axiale Verteilung ver-schiedener Fremdatome in einem Cz-Si-Kristall dargestellt. Für metallische Verunreinigungen ergeben sich typischerweise k0-Werte deutlich unter eins [149]. Ihre Konzentration nimmt daher ebenso wie die der Dotierstoffe B, Ga und P während des Wachstums entlang des Kristalls vom Seed zum Tail End zu, während der Sauerstoffgehalt abnimmt. Allerdings lässt sich wie bereits erwähnt durch Anpassung der Prozessparameter auch eine sehr homogene axiale Sauerstoffverteilung entlang des Kristalls erreichen [144]. Aus Abbildung 5.1 wird er-sichtlich, dass sich mit Bor eine homogenere Verteilung des Dotierstoffs erreichen lässt als bei-spielsweise mit einem in Kapitel 7 untersuchten Galliumzusatz, welcher eine größere Variation des spezifischen Widerstands zwischen den Enden des Kristalls bedingt.

Abweichungen von „idealen“ Zuchtbedingungen können zu Schwankungen der Cz-Mate-rialqualität und räumlichen Defektverteilung führen. Temperaturschwankungen entlang der

Tabelle 5.1. Diffusionskoeffizienten D und Segregationskoeffizienten im Gleichgewicht k0 für verschiedene Ver-unreinigungen in Silicium [149].

Verunreinigung Diffusionskoeffizient D [cm2/s]

Segregations- koeffizient k0

B 9,1×10-2 8×10-1

Ga 3,74×10-1 8×10-3

P 3,85 3,5×10-1

O 1,3×10-1 1,25

C 3,3×10-1 7×10-2

Cu 4,7×10-3 4×10-4

Fe 1,3×10-3 8×10-6

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 10-2

10-1 100

101Seed End Tail End

Cz-Si: axiale Verteilung von Verunreinigungen Gallium

Kohlenstoff Phosphor Bor Sauerstoff

Konzentrationsverhältnis C S/C 0

Anteil erstarrter Schmelze x

Abbildung 5.1. Verteilung verschiedener Verunreinigungen entlang eines Cz-Si-Ingots nach Gl. (5.1). Die ermit-telten Kurven entsprechen der Annahme einer gleichmäßigen Verteilung der Verunreinigung in der Schmelze. Der Berechnung liegen die Diffusions- und Segregationskoeffizienten im Gleichgewicht aus Tabelle 5.1 sowie fol-gende Zuchtparameter entsprechend Ref. [144] zu Grunde: υ = 0,01 cm/s, ν = 0,01 cm2/s, ω = 0,1 s-1.

Grenzfläche von Schmelze und Kristall bzw. thermisches Nichtgleichgewicht bei der Kris-tallisation können beispielsweise mikroskopische radiale Schwankungen („striations“) des Wi-derstands [149] sowie der Verteilung intrinsischer und extrinsischer Punktdefekte [150, 151]

bedingen. Bei einer bestimmten Ziehgeschwindigkeit treten im Zentrum des Ingots bzw. der Wafer Leerstellen bzw. zahlreiche Leerstellen-korrelierte Defekte auf. Im Randbereich hin-gegen finden sich vermehrt Eigenzwischengitteratome Sii („interstitials“) bzw. Sii-korrelierte Defekte. Diese beiden Regionen werden entsprechend der Skizze auf der linken Seite von Abbildung 5.2 [152] durch einen ringförmigen Bereich getrennt, in welchem nach Oxidations-prozessen Stapelfehler beobachtet werden können. Dieser Ring wird als OSF-Ring („Oxi-dation-Induced Stacking Fault“) bezeichnet [153-155], wobei die zu Grunde liegenden Keime bereits direkt nach der Kristallzucht vorliegen [156]. Es wird angenommen, dass die Keime aus während der Zucht entstandenen Sauerstoffpräzipitaten bestehen, welche die Bildung von Sii -Agglomeraten bzw. Stapelfehlern während der Oxidation der Wafer bedingen [157].

Die Position des OSF-Rings hängt von der Ziehgeschwindigkeit und dem Temperaturgra-dienten an der Grenzfläche von Schmelze und Kristall ab [156]. Durch Erhöhung der Ziehschwindigkeit lässt sich der Ring immer weiter Richtung Randbereich verschieben, wo er ge-gebenenfalls wieder vollständig verschwinden kann. Eine Reduzierung der Geschwindigkeit kann seinen Radius schrumpfen lassen, bis er sich schließlich vollständig in der Kristallmitte zusammenzieht und verschwindet. In der Literatur finden sich einige Untersuchungen bzgl.

derartiger Inhomogenitäten. Sie zeigen beispielsweise eine verminderte Gate-Oxid-Qualität des leerstellenreichen Bereiches innerhalb des OSF-Ringes [158] sowie radiale Schwankung der elektronischen Qualität bzw. Diffusionslänge von Wafern, insbesondere einen kreisförmigen Bereich mit geringerer Qualität im Zentrum von Cz-Wafern [159-161]. Der Bereich im Inneren des OSF-Ringes scheint in der Regel defektreicher bzw. von geringerer Materialqualität zu sein [158, 162, 163].

5.2 Bordotiertes Cz-Silicium 147

Abbildung 5.2. Schematische Darstellung eines Querschnitts durch einen Cz-Si-Ingot. Im leerstellenreicheren Be-reich werden Leerstellencluster (voids) beobachtet, wohingegen ein Überschuss an Eigenzwischengitteratomen Sii zu Versetzungen führt. Im Zwischenbereich treten ringförmige Strukturen unter anderem in Form des OSF-Ringes auf. Die linke Darstellung entspricht der typischerweise beschriebenen Struktur mit reduzierter Materialqualität im leerstellenreichen Ingotzentrum, welche sich für einen Wafer entlang der gestrichelten Linie ergibt. In der rechten Darstellung ist die vor einigen Jahren beschriebene „Invertierung“ der Defektverteilung skizziert, welche sich durch einen Sii-Überschuss bzw. Versetzungen im zentralen Bereich äußert [152]. Weiterhin ist der zu Grunde liegende Zusammenhang der Temperaturgradienten bei der Zucht (GC: Gradient im Zentrum, GS: Gradient im äu-ßeren Ingotbereich) sowie die Veränderung der Kristallwachstumsrate fp angedeutet (Abbildung aus [152]).

Auf der rechten Seite von Abbildung 5.2 ist ergänzend die vor einigen Jahren berichtete Beobachtung einer durch Zuchtparameterwahl bedingten „Invertierung“ der Defektverteilung skizziert, welche sich durch einen Sii-Überschuss bzw. Versetzungen im zentralen Bereich äu-ßert [152].