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Kosten luftschadstoffbedingter Gesundheitsschäden in der Schweiz

Struktur der Kostenkonzepte

3.5 Kosten luftschadstoffbedingter Gesundheitsschäden in der Schweiz

3.5.1 Luftschadstoffbedingte Gesundheitsschäden in der Schweiz Zu den in der Schweiz vorherrschenden Immissionskonzentrationen liegt vorläufig noch wenig gesichertes Wissen über allfällige Gesundheitsrisiken vor. Festzustehen scheint, dass in sommerlichen und winterlichen Smogpe-rioden Spitzenbelastungen auftreten, die von gesundheitlicher Relevanz sind und Risikogruppen (Kleinkinder, Ältere, gesundheitlich Geschädigte, Personen, die im Freien arbeiten müssen, Sportler/innen [Ozon] und Kinder) akut gefährden. Dank der zur Zeit in der Schweiz laufenden epidemio-logischen Untersuchungen kann in Zukunft mit besseren Kenntnissen über die effektiven Gesundheitsbeeinträchtigungen gerechnet werden: Pro-gramm SAPALDIA5), Untersuchungen an Schulkindern im Tessin (bezüglich Ozon), etc. Im Vordergrund steht der Einfluss der Luftschadstoffe – vor allem von Ozon und Stickstoffoxiden – auf die Atemwege, die Lungenfunktion und auf Allergien.

Die meisten Luftschadstoffe führen aber nicht zu spezifischen Krankheiten, von denen sofort auf die Ursache geschlossen werden könnte. Die in Frage kommenden Krankheiten werden durch viele verschiedene Ursachen aus-gelöst oder begünstigt. Die Luftverschmutzung ist dabei in der Regel eine Ursache unter anderen, was die Identifikation und Zuordnung von Gesund-heitsschäden erschwert.

Die gesundheitlich relevanten Schadstoffe in der Schweiz

In den 60er und 70er Jahren war SO2, zusammen mit anderen Schwefel-oxiden fast ein Synonym für Luftverschmutzung. Aus diesem Grund wurden in dieser Zeit die meisten (ausländischen) Gesundheitsstudien im Zusam-menhang mit diesem Schadstoff durchgeführt. Gleichzeitig wurden die meisten lufthygienischen Anstrengungen auf die Reduktion des Schwefel-gehalts von Brennstoffen konzentriert. In den 80er Jahren verlor der Schad-stoff SO2 an Bedeutung und heutzutage bereiten die SO2-Immissionen nur noch im Fall von Wintersmog Probleme. Die Stickoxidemissionen erreichten Mitte der 80er Jahre fast das Siebenfache der Emissionen von 1950, während die Kohlenwasserstoffe in der gleichen Zeit auf das Vierfache anstiegen. NO2 und VOC sind Vorläufersubstanzen von Ozon. Aufgrund der Immissionsverhältnisse in der Schweiz stehen bei der Bewertung der Gesundheitsschäden Ozon, die Stickstoffoxide und die VOC im Vorder-grund. Die Bedeutung der Staub-/Russ- und der SO2-Immissionen hat in der Schweiz abgenommen und ist kleiner als im benachbarten Ausland.

3.5.2 Kosten immissionsbedingter Gesundheitsschäden

Der Kenntnisstand in bezug auf quantitative Aussagen zum Zusammenhang zwischen Schadstoffbelastung und Gesundheitsschäden ist sehr begrenzt.

Auch im Ausland liegen nur vereinzelte epidemiologische Untersuchungen vor (BMU, 1987). In der BRD wurde aufgrund einer Auswertung von Krankenkassendaten von Bevölkerungsgruppen in unterschiedlich belaste-ten Gebiebelaste-ten ein Zusammenhang zwischen Luftschadstoffbelastung und Häufigkeit und Dauer von Atemwegs- und Herz-/Kreislauferkrankungen abgeleitet (Heinz, Klaassen-Mielke, 1990). Eine Reihe von Untersuchungen zu immissionsbedingten Krankheiten stammt aus den USA (s. Prognos, 1992, S. 78ff.). Nur einige wenige dieser Arbeiten sind jedoch grundlegender Art. Die übrigen basieren auf ihnen, variieren einzelne Annahmen oder differenzieren einzelne Elemente.

5)

Swiss Study on Air Pollution and Lung Diseases in Adults, 1990–1992.

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Methodik der Kostenschätzung (INFRAS, TB1, Okt. 1993)

In Ermangelung schweizerischer Arbeiten werden die Ergebnisse der Arbeit von Heinz et al. aus der BRD auf die Schweiz übertragen (Heinz, Klaassen-Mielke, 1990 und Prognos, 1992, Bd. 2). Heinz et al. greifen auf Daten aus Statistiken der allgemeinen Ortskrankenkassen in der BRD zurück (1981–

1985). Gegenstand der Datenauswertung sind die Arbeitsunfähigkeits-fälle einschliesslich der ErkrankungsArbeitsunfähigkeits-fälle von Erwerbstätigen, die einen Krankenhausaufenthalt zur Folge haben (für die Erkrankungen, die nicht zur Arbeitsunfähigkeit geführt haben und nicht stationär behandelt wurden, liegt kein geeignetes Datenmaterial vor). Allfällige Auswirkungen auf die Mortalität werden nicht untersucht. Ausgewertet werden die Erkrankun-gen, welche den Diagnosegruppen Atemwegserkrankungen sowie Herz-und Kreislauferkrankungen zugeordnet werden können. Die immissions-bedingten Gesundheitsschäden ergeben sich aus einem Vergleich der Häufigkeit und der Dauer der Kranken- und Arbeitsunfähigkeitsfälle in unterschiedlich belasteten Gebieten für definierte Bevölkerungsgruppen (nach Alter und Geschlecht) und für die zwei Krankheitsgruppen6). In einer ergänzenden Studie wurde zusätzlich eine nach Schadstoffen differenzierte Datenauswertung durchgeführt (Heinz, in: Prognos, 1992, Bd. 2).

Ausgehend vom Mengengerüst von Heinz et al. für immissionsbedingte Gesundheitsschäden in BRD-Belastungsgebieten wird eine Übertragung auf die schweizerische Situation vorgenommen. Zu diesem Zweck werden für die Schweiz Belastungsgebiete definiert und quantifiziert. Als Kriterium zur Abgrenzung der Belastungsgebiete dient sinnvollerweise eine Immis-sionsbelastung, welche den Grenzwert überschreitet. Für jeden relevanten Schadstoff ergäben sich daher andere Belastungsgebiete. Die ent-sprechenden Immissionsdaten sind nur teilweise verfügbar. Auch in der deutschen Studie werden die Belastungsgebiete nicht nach einzelnen Schadstoffen abgegrenzt. Zum immissionsbelasteten Gebiet in der Schweiz werden die 51 Städte gezählt, die sich innerhalb der Agglomerationen des BFS befinden (BFS, 1984). Kleinere isolierte Städte auf dem Land werden nicht einbezogen:

6)

Um Verzerrungen zu vermeiden, werden beruflich exponierte Perso-nen, nicht ganzjährig versicherte Beschäftigte, AusländerInnen und ausserhalb der Untersuchungs-region Arbeitende aussortiert.

Belastungsgebiet: 51 Städte mit 2'038'000 EinwohnerInnen (1990)

1'220'000 Erwerbstätigen 818'000 Nichterwerbstätigen

Bei der Umrechnung der immissionsbedingten Gesundheitskosten von 1984 in der BRD zu schweizerischen Gesundheitskosten 1990 werden die BRD-Teuerung von 1984–1990, ein Kaufkraftsparitätskurs von Fr. 1,05/1 DM (1990) und schweizerische Kostensätze im Gesundheitswesen (gem. Eco-plan, 1991) verwendet.

Mit der Beschränkung der Kostenschätzung auf die Gruppe der Erwerbs-tätigen wird nur ein Teil der luftschadstoffbedingten Krankheitskosten erfasst. Etwa 40% der Bevölkerung sind nicht erwerbstätig. Darunter befinden sich Bevölkerungsgruppen, die recht empfindlich auf höhere Schadstoffbelastungen reagieren, wie Kinder und ältere Leute. Um diese Gruppen nicht vollständig zu vernachlässigen, wird bei den Nicht-erwerbstätigen mit einem reduzierten Kostenansatz pro Krankheitstag gerechnet. Rund 60% der durchschnittlichen Ausgaben der Krankenkassen pro Arbeitsunfähigkeitstag bei den Erwerbstätigen stammen aus der Lohn-fortzahlung. Diese wird bei den Nichterwerbstätigen nicht berücksichtigt.

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Wir nehmen an, dass die Gesundheit der Nichterwerbstätigen durch die Immissionen in Belastungsgebieten gleich beeinträchtigt wird wie diejenige von Erwerbstätigen. Bei Erkrankungen Erwerbstätiger und Nichterwerbs-tätiger treten zusätzlich Freizeitkosten (Nutzeneinbussen in der Freizeit) sowie Kosten infolge von Ausfällen nichterwerbswirtschaftlicher Arbeit auf (Hausarbeit, Gemeinschaftsarbeit, etc.). Diese werden aber auch bei den erwerbstätigen Kranken nicht erfasst.

Monetäre Kosten immissionsbedingter Gesundheitsschäden in der Schweiz (INFRAS, TB1, Okt. 1993)

Die Umrechnung der Ergebnisse aus der BRD ergibt folgende Gesundheits-kosten (1990):

Immissionsbedingte Gesundheitskosten pro Person CH 1990

Atemwegserkrankungen 91 – 276 Fr./a

Herz- und Kreislauferkrankungen 42 – 370 Fr./a

Total pro erwerbstätige Person in Belastungsgebieten 133 – 646 Fr./a Total pro nichterwerbstätige Person in Belastungsgebieten 54 – 220 Fr./a

Tabelle 3.6

Immissionsbedingte Gesundheits-kosten in Belastungsgebieten für Erwerbs- und Nichterwerbstätige im Jahr 1990 (Fr. pro Person und Jahr).

Basis: BRD-Gesundheitskosten in Be-lastungsgebieten nach Heinz et al., 1990

Die immissionsbedingten Gesundheitskosten infolge der Luftver-schmutzung in Schweizer Belastungsgebieten (51 Städte) liegen im folgenden Grössenbereich:

380 Mio. Fr./a–1'850 Mio. Fr./a (1990).

Der Anteil der Gesundheitskosten bei Nichterwerbstätigen beträgt:

81 Mio Fr./a ÷ 391 Mio Fr./a (1990).

Auf die Schweiz hochgerechnet ergeben sich die folgenden immissionsbe-dingten Gesundheitskosten (INFRAS, TB1, Okt. 1993):

Um den Einfluss einzelner Schadstoffe auf die Gesundheit abzuschätzen, wurde eine zusätzliche, nach Schadstoffen differenzierte Datenauswertung vorgenommen (Heinz, in: Prognos, 1992, Bd. 2). Dabei werden die Immis-sionskonzentrationen von Schwebestaub, Stickstoffdioxid und Schwefel-dioxid berücksichtigt – Ozon figuriert leider nicht als Einflussvariable. Es ergibt sich ein Einfluss der NO2- und der Schwebestaubbelastung auf die Häufigkeit von Arbeitsunfähigkeitsfällen bei Herz-/Kreislaufkrankheiten. Die Häufigkeit von Atemwegserkrankungen wird dagegen nur von der Schwebestaubbelastung beeinflusst. Die Schwefeldioxid- und die Stickoxid-belastung beeinflussen die Dauer von Atemwegserkrankungen. Es kann kein Einfluss der Schadstoffbelastung auf die Dauer der Herz-/Kreislaufer-krankungen nachgewiesen werden. In der Schweiz muss zusätzlich ein signifikanter Einfluss der Ozonbelastung auf die Atemwegserkrankungen vermutet werden.

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Aufgrund dieser Angaben kann keine genau differenzierte Zuweisung der Gesundheitskosten auf einzelne Schadstoffe vorgenommen werden. Wir gehen davon aus, dass die Kosten den folgenden Emissionen zugerechnet werden:

– SO2-Jahresemissionen – NOx-Jahresemissionen

– VOC-Sommeremissionen (Ozon-Vorläufersubstanz) – NOx-Sommeremissionen (Ozon-Vorläufersubstanz) 3.5.3 Zusammenfassende Bemerkungen

Bei der von Heinz übernommenen Monetarisierung der Gesundheitskosten handelt es sich um einen Human-Kapital-Ansatz. Die immissionsbedingten Gesundheitskosten werden teilweise aufgrund von Lohnfortzahlungs- und Krankengeldbeiträgen bei Arbeitsunfähigkeit ermittelt. Obwohl hier ver-sucht wird, auch die Nichterwerbstätigen einzubeziehen, ist dieser Ansatz problematisch. Die derart monetarisierten Kosten vernachlässigen diverse Kostenelemente (s. auch Prognos, 1992, S. 85 ff.):

– Krankheits- und Behandlungsfälle, die nicht zu Arbeitsunfähigkeit führen – Arbeitsleistungen im nichtformellen Sektor der Wirtschaft (Hausarbeit,

unbezahlte Arbeit für die Gemeinschaft) – Nutzen der Freizeit

– Schmerzen, Trauer – Psychosoziale Schäden

– Die Kostenschätzungen enthalten nur die Zunahme von Atemwegs- und Herz-/ Kreislauferkrankungen. Andere Krankheiten (Allergien etc.) sowie eine allfällige Zunahme der Mortalität bleiben unberücksichtigt.

Die Übertragung der Ergebnisse der Studie von Heinz auf die Schweiz bleibt aufgrund der unterschiedlichen Immissionsverhältnisse problematisch und liefert daher nur eine grobe Schätzung der zu erwartenden Gesundheitsko-sten. Es ist zu erwarten, dass das zur Zeit laufende Programm SAPALDIA in absehbarer Zeit neue Hinweise auf das Ausmass und die Ursachen des immissionsbedingten Krankheitsgeschehens in der Schweiz liefern wird.

Gebäudeschäden

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