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5.5 Kopplungsanalyse

Zur Identifizierung krankheitsrelevanter QTLs bei der PG-PS-induzierten Enterokolitis und Arthritis wurde eine genomweite Kopplungsanalyse durchgeführt. Dabei wurde mittels χ2-Test, Intervallkartierung und Kruskal-Wallis-Test untersucht, ob Kopplungen zwischen den genetischen Markern und bestimmten Krankheitsmerkmalen bei den F2-Ratten vorlagen (Kapitel 3.6).

5.5.1 χχχχ2-Test

Mit Hilfe des χ2-Tests wurde bei den F2-Ratten mit dem höchsten inflammatorischen Gesamtscore (24%) und bei den F2-Ratten mit den höchsten Arthritiswerten am Tag 24 post injectionem (21%) pro Markerlocus geprüft, ob die beobachtete Häufigkeit von Genotypen der erwarteten Häufigkeit entsprach. Es wurden nur Tiere mit hohen Merkmalswerten berücksichtigt, da bei ca. 20% aller Tiere aufgrund technischer Fehler bei der Injektion von PG-PS nicht mit einer Erkrankung zu rechnen war (persönliche Mitteilung Prof. Dr. Sartor). χ2-Werte mit p ≤ 0,05 wurden als Hinweis auf Abweichung von der erwarteten Häufigkeit und somit auf Kopplung eines Markers mit einem Krankheitsmerkmal gewertet. Da der χ2-Test für jeden Marker (n

= 95) durchgeführt wurde, ist davon auszugehen, daß dieser Bewertung ein Fehler 1.

Art zugrunde liegt, der größer als 5% ist. Auf die Verwendung eines Korrekturfaktors für multiple Vergleiche wurde jedoch verzichtet, da dieser Test vor allem der Ermittlung von Markern zur Genotypisierung der Gesamtpopulation diente und schwächere Kopplungen zwischen Marker und Krankheitsmerkmal dabei nicht ausgenommen werden sollten. Bei der anschließenden Auswertung der Daten der

Gesamtpopulation mittels Intervallkartierung und Kruskal-Wallis-Test wurde eine solche Korrektur vorgenommen.

Bei den Markern, die aufgrund der χ2-Werte für die Tiere mit hohem inflammatorischen Gesamtscore auf eine Kopplung mit der Erkrankung hinwiesen, ist folgendes zu beachten:

Bei den Markern D7Rat63, D10Rat45, D10Rat15 und D11Arb4 wurde im χ2-Test für die Tiere mit hohen Scorewerten der Schwellenwert von p ≤ 0,05 unterschritten. Da jedoch auch nach Berechnung des χ2-Wertes für die gesamte F2-Population der p-Wert deutlich unter 0,05 blieb, steht die Aussagekraft des Ergebnisses der ersten Berechnungen in Frage. Für eine solche Abweichung vom erwarteten Verteilungsverhältnis der Genotypen in der Gesamtpopulation sind mehrere Erklärungen möglich. Zum einen kommt eine genetische Kontamination der Parenteralstämme in Betracht. Die Typisierung einiger Tiere der Elterngeneration mit den betroffenen Markern ergab jedoch keinen Hinweis auf eine solche Kontamination (persönliche Mitteilung PD Dr. Mähler). Weiterhin könnten Tiere mit einem Genotyp, der zu einer besonders schweren Erkrankung führt, vor Beendigung des Versuches verstorben sein und somit das Ergebnis verfälscht haben. Laut Auskunft von Prof. Dr.

Sartor war dies jedoch nicht der Fall. Eine weitere Möglichkeit liegt in einer genetischen Fehltypisierung der F2-Ratten, die jedoch durch Wiederholen der Genotypisierung für die betroffenen Marker ausgeschlossen wurde. Somit bleiben eine erhöhte pränatale Mortalität bei bestimmten Genotypen sowie eine zufallsbedingte Abweichung vom erwarteten Verteilungsmuster als mögliche Erklärungen übrig.

Bei den Markern D4Rat112, D11Rat11, DXRat82 und DXRat43 ließen die ermittelten Genotypfrequenzen für die Tiere mit hohen Scorewerten einen erhöhten Anteil an F344-homozygoten Tieren (RNO 4 und 11) bzw. heterozygoten Tieren (RNO X) erkennen, während nur wenige LEW-homozygote Tiere auftraten. Diese Befunde weisen auf das Vorliegen krankheitsmodulierender Gene im Bereich der oben genannten Marker hin, wobei sich die suszeptibilitätsvermittelnden Allele vom Stamm

Bei den Markern D8Arb6 und D8Rat156 war das genetische Verteilungsmuster bei den Tieren mit hohen Scorewerten zugunsten des homozygoten LEW-Genotyps verschoben. Dies läßt eine Kopplung mit einem krankheitsmodulierenden Gen auf RNO 8 vermuten; das suszeptibilitätsvermittelnde Allel ist auf den Stamm LEW zurückzuführen.

Bei den Markern, die aufgrund der χ2-Werte für die Tiere mit schwerer Arthritis (am Tag 24 post injectionem) auf eine Kopplung mit der Erkrankung hinwiesen, ist folgendes zu beachten:

Im Rahmen der Berechnungen für die Marker D7Rat63, D10Rat45, D11Arb4, D14Rat78 und D14Rat77 wurde bei den Tieren mit schwerer Arthritis und bei der Gesamtpopulation der Schwellenwert von p ≤ 0,05 unterschritten. Diese Ergebnisse sind somit nicht als ein Hinweis auf Kopplung zu werten. Mögliche Erklärungen für diese Beobachtung sind im Abschnitt der Tiere mit hohem inflammatorischen Gesamtscore beschrieben worden.

Bei dem Marker D6Rat135 zeigten die ermittelten Genotypfrequenzen für die schwer an Arthritis erkrankten Tiere einen erhöhten Anteil an heterozygoten Tieren. Dies weist darauf hin, daß eine heterozygote Kombination von Allelen der Parenteralstämme in der Nähe dieses Markers die Arthritissuszeptibilität unterstützt (Heterosiseffekt). An der Position des Markers DXRat82 war das genetische Verteilungsmuster ebenfalls zugunsten der heterozygoten Tiere verschoben. Da auf RNO X lediglich die Genotypen homozygot LEW oder heterozygot vorlagen, lassen diese Befunde eine suszeptibilitätsvermittelnde Funktion eines Allels vom Stamm F344 vermuten.

Bei den Markern D10Rat164 und D10Rat26 ließen die ermittelten Genotypfrequenzen für die schwer an Arthritis erkrankten Tiere eine Verschiebung zugunsten des homozygoten LEW-Genotyps erkennen. Diese Befunde weisen auf eine Kopplung mit einem krankheitsmodulierenden Gen auf RNO 10 hin, wobei sich das suszeptibilitätsvermittelnde Allel vom Stamm LEW ableitet.

5.5.2 Intervallkartierung

Die Methoden der Intervallkartierung verwenden eine vorhandene Karte mit genetischen Markern, um das gesamte Genom (oder interessierende Teile des Genoms) mit Markerintervallen zu überdecken. Jeweils zwei benachbarte Marker bilden dabei ein Markerintervall. Dann untersuchen Intervallkartierungsverfahren in bestimmten Abständen mögliche Positionen innerhalb des Intervalls, um festzustellen, ob das mutmaßlich vorhandene, quantitative Merkmalsgen innerhalb des Markerintervalls liegt. In der vorliegenden Arbeit wurde hierzu eine Maximum-Likelihood-Methode (LANDER und BOTSTEIN 1989) angewandt. Der Schwellenwert des Lod Scores für signifikante Kopplung bei einer genomweiten Analyse wurde entsprechend den Kriterien von LANDER und KRUGLYAK (1995) für einen freien Erbgang auf ≥ 4,3 festgelegt, für einen dominanten oder einen rezessiven Erbgang auf ≥ 3,4 und für einen additiven Erbgang auf ≥ 3,3. Als schwach signifikante Kopplung galt bei einem freien Erbgang ein Lod Score von ≥ 2,8, bei einem dominanten oder rezessiven Erbgang von ≥ 2,0 und bei einem additiven Erbgang von ≥ 1,9.

Die Analyse der Gesamtpopulation ergab für die Kolitis-korrelierten Phänotypen schwach signifikante Kopplungen mit dem Marker D8Arb6 (Merkmal:

Lebergranulome, absolute Leukozytenzahl) sowie mit den Markerintervallen D8Arb6 – D8Rat156 (Merkmal: Enterokolitis, Lebergewicht), D17Rat8 – D17Rat151 (Merkmal: Hämatokrit) und D17Rat151 – D17Rat65 (Merkmal: Lebergranulome). Die suszeptibilitätsvermittelnden Allele waren auf den Stamm LEW zurückzuführen.

Somit bestätigen die Ergebnisse der Intervallkartierung die Berechnungen des χ2 -Tests für RNO 8.

Da die den inflammatorischen Gesamtscore bildenden Parameter am Tag 24 post injectionem erhoben wurden, wurde den an diesem Tag ermittelten Arthritiswerten bei den Berechnungen die größte Bedeutung beigemessen. Hier ergab die Analyse der Gesamtpopulation eine schwach signifikante Kopplung mit dem Markerintervall D7Rat99 – D7Rat4 und signifikante Kopplungen mit dem Markerintervall D10Rat164 – D10Rat26 sowie mit dem Marker D17Rat151. Die suszeptibilitätsvermittelnden

Allele leiteten sich vom Stamm LEW ab. Diese Ergebnisse bestätigen die Berechnungen des χ2-Tests für RNO 10.

5.5.3 Kruskal-Wallis-Test

Mit Hilfe des Kruskal-Wallis-Tests wurde pro Markerlocus geprüft, ob signifikante Unterschiede in der Schwere der Erkrankung zwischen den F2-Ratten mit unterschiedlichen Genotypen auftraten. Die Voraussetzung einer Normalverteilung der Merkmalswerte entfällt bei diesem Test. Entsprechend den Angaben von VAN OOIJEN und MALIEPAARD (1996) wurde der Schwellenwert für Signifikanz auf p ≤ 0,01 (schwach signifikant) bzw. p ≤ 0,005 (signifikant) festgelegt.

Die Berechnungen für die Gesamtpopulation ergaben bei den Kolitis-korrelierten Phänotypen eine schwach signifikante Kopplung des Markers D8Arb6 (Merkmal:

Lebergewicht, inflammatorischer Gesamtscore) sowie signifikante Kopplungen der Marker D8Arb6 (Merkmal: Enterokolitis, Lebergranulome, absolute Leukozytenzahl) und D17Rat65 (Merkmal: Lebergranulome). Auch diese Ergebnisse bestätigen die Berechnungen des χ2-Tests für RNO 8. Außerdem werden die Ergebnisse der Intervallkartierung für den Marker D17Rat65 durch die Ergebnisse des Kruskal-Wallis-Tests bekräftigt.

Die die Gesamtpopulation einschließenden Berechnungen für die am Tag 24 post injectionem ermittelten Arthritiswerte ergaben signifikante Kopplungen mit den Markern D7Rat99, D10Rat26 und D17Rat151. Somit bestätigen auch die Ergebnisse des Kruskal-Wallis-Tests die Berechnungen des χ2-Tests für RNO 10. Zusätzlich werden durch die Ergebnisse dieses Tests die im Rahmen der Intervallkartierung erhaltenen Ergebnisse für die Marker D7Rat99 und D17Rat151 bestärkt.

5.5.4 Zusammenfassende Betrachtung und Kandidatengene

Die Kopplungsanalysen zeigen, daß mehrere Gene die Suszeptibilität für die PG-PS-induzierte Enterokolitis bei der Ratte regulieren. Diese Befunde entsprechen den Beobachtungen bei den CED des Menschen (SATSANGI 2001), der DSS-induzierten Kolitis der Maus (MÄHLER et al. 1999) und der CED der IL-10-defizienten Maus (FARMER et al. 2001; MÄHLER et al. 2002). Im Modell der PG-PS-induzierten Enterokolitis unterliegt sowohl die Suszeptibilität für Kolitis (und Kolitis-korrelierte Merkmale) als auch die Arthritissuszeptibilität einer oligogenetischen Kontrolle. Dabei sind weitgehend unterschiedliche QTLs an der genetischen Regulation dieser Krankheitsmanifestationen beteiligt. Die anhand der Gesamtpopulation erhobenen statistisch signifikanten Ergebnisse der Intervallkartierung und des Kruskal-Wallis-Tests lassen auf das Vorliegen Kolitis-regulierender QTLs auf RNO 8 und 17 sowie auf das Vorliegen Arthritis-Kolitis-regulierender QTLs auf RNO 7, 10 und 17 schließen. Ob den Kopplungsbefunden auf RNO 17 ein gemeinsamer QTL, der an der Regulation der Kolitis und Arthritis beteiligt ist, zugrunde liegt, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht beantwortet werden; die Markerloci mit maximaler Kopplung zur Kolitis bzw. Kolitis-korrelierten Merkmalen (D17Rat65) und Arthritis (D17Rat151) liegen etwa 15 cM voneinander entfernt.

Desweiteren kann nicht ausgeschlossen werden, daß zwei QTLs auf RNO 17 an der Regulation der Kolitis bzw. den Kolitis-korrelierten Merkmalen beteiligt sind (Kapitel 4.4.2). Im Hinblick auf die genetische Analyse der CED des Menschen legen die vorliegenden Ergebnisse eine Stratifikation der Patientenkollektive unter besonderer Berücksichtigung des Auftretens von extraintestinalen Manifestationen nahe.

Ein Kandidatengen, das in der Nähe der Marker D8Arb6 und D8Rat156 lokalisiert ist und den Schweregrad der Kolitis in diesem Modellsystem beeinflussen könnte, ist Thy1. Sein Genprodukt ist ein Oberflächenglykoprotein, das bei Nagern in hohem Maße auf der Oberfläche von CD4(+)CD8(+) doppelt positiven, unreifen Thymozyten exprimiert wird (KLÖTING u. KOVACS 1998a); beim Menschen wird es unter anderem auf den Endothelzellen von Haut und Blutgefäßen exprimiert (MASON et al.

den an der Pathogenese der CED beteiligten Kandidatengenen gehört (DUERR 1996). Durch seine Transmitterfunktion könnte Thy1 eine wichtige Rolle im Verlauf der Entzündungsantwort bei den CED spielen. Ebenfalls in der Nähe dieser beiden Marker liegt Icam1, dessen Produkt ICAM-1 auf Endothelzellen und aktivierten B-Zellen exprimiert wird. ICAM-1 ist ein Mediator für Zellinteraktionen im Entzündungsgeschehen und bei der Immunantwort (HORLEY et al. 1989). Icam1 wurde schon aufgrund von Studien beim Menschen als ein Kandidatengen, das an der Pathogenese der CED beteiligt sein könnte, eingestuft (DUERR 1996;

MATSUZAWA et al. 2003). Ein weiteres interessantes Kandidatengen, das Einfluß auf den Verlauf von Arthritiden nehmen könnte und in der Nähe des Markers D7Rat99 liegt, ist Ifng. Es kodiert für Interferon-γ, einem T-Zell-Produkt, dessen Funktion unter anderem in der Aktivierung von Makrophagen und natürlichen Killer-Zellen, der Stimulierung von B-Zellen und der Expression von MHC-Produkten liegt.

Ihm kommt somit eine wichtige Funktion im Verlauf von immunologischen Prozessen zu.