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Kooperieren, vernetzen und Infrastruktur erhalten

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 35-38)

Interview mit Bernd Fuhrmann, Bürgermeister der Stadt Bad Berleburg

Die Kurstadt Bad Berleburg gehört zu den flächengrößten Kommunen Deutschlands. Sie liegt an der westfälisch-hessischen Grenze etwas abseits der großen Verdichtungsräume an Rhein, Main und Ruhr. Das Projekt der Großen Emma hat Interesse geweckt, weil sich auch in Bad Berleburg und der umliegenden Region Wittgenstein die Frage stellt, wie sich Daseinsvorsorge und eine angemessene Infrastruktur auch in mittelfristiger Zukunft so organisieren lassen, dass Dorf- und Stadtkerne weiter-hin Ankerpunkt des öffentlichen Lebens sein können. Lesen Sie dazu und zur Großen Emma ein Interview mit dem Bürgermeister von Bad Berleburg, Bernd Fuhrmann.

Um dem damit einhergehenden Leerstand, der schwierigen Finanzierbarkeit kommunaler Infra-struktur und dem absehbaren Fachkräftemangel für unsere international tätigen mittelständischen Unternehmen sowie den stark vertretenen Kliniksektor zu begegnen, wurde mit Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen ein Programm mit dem Titel „Meine Heimat 2020“ ins Leben gerufen. In diesem Gesamtprozess spielen unter öffentlicher Beteiligung das städtische Leitbild, Haushaltskonsolidierung, Dorfentwicklungs-planung, eine gemeinsam mit der Universität Siegen durchgeführte Infrastrukturerhebung und nicht zuletzt die Teilnahme an der „Regionale Südwestfalen“ eine wesentliche Rolle.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Bad Berleburg mit einer recht überschau-baren Einwohnerzahl von etwas unter 20.000 ist eine der flächengrößten Städte Nordrhein-Westfalens. Worin liegen für Sie aktuell die größten Herausforderungen wenn es darum geht, Daseinsvorsorge auf hohem Niveau und eine angemessene Infrastruktur vorzuhalten?

Sparkassen

BAD BERLEBURG

Die Stadt Bad Berleburg liegt im Nordos-ten des Kreises Siegen-Wittgenstein mitNordos-ten im Rothaargebirge. Sie wird umgeben vom größten zusammenhängenden Waldgebiet Deutschlands und gehört zu den flächen-größten Kommunen deutschlandweit. Auf die Kernstadt entfallen 6.700 Einwohner. Die restlichen 13.000 Bürger der Stadt verteilen sich bei einer geringen Siedlungsdichte auf 22 verschiedene Ortschaften. In Bad Berle-burg bilden mehr als 200 Vereine die Basis für ein umfangreiches Sport-, Freizeit- und Kulturangebot. Herauszuheben sind das Schloss Berleburg der Fürsten zu Sayn-Witt-genstein und das für Westeuropa einzigarti-ge Artenschutzprojekt der Wiederansiedlung des größten Landsäugers, des Wisents.

Bernd Fuhrmann

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Der Landkreis Siegen-Wittgenstein liegt zwar im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutsch-lands aber dennoch etwas abseits großer Metropolregionen. Er gehört zum klassischen ländlichen Raum. Die demografische Ent-wicklung mit den Stichworten sinkende Geburtenrate, wachsender Altersdurchschnitt und Urbanisierung zeigt sich zunehmend auch in den alten Bundesländern. Könnten Sie die Situation für Ihren Kreis bitte kurz umreißen?

Bernd Fuhrmann:

Die Demografie-Prognosen für den Kreis Siegen-Wittgenstein sind ebenso wenig erfreulich wie für andere ländlich geprägte Regionen, die nicht unmittelbar an Ballungszentren angrenzen.

Für unsere Stadt wird ein Einwohnerschwund von nahezu zwölf Prozent für die kommenden zehn Jahre vorhergesagt. Der Anteil der Über65jährigen wird in 20 Jahren auf knapp ein Drittel anwachsen. Zudem verlassen viele junge Menschen die Region Wittgenstein – oftmals mit dem Ziel, an den großen Universitäten Deutsch-lands zu studieren.

Fuhrmann:

Bad Berleburg, die Stadt der Dörfer, ist mit 275 qkm die zweitgrößte Flächenkommune in Nordrhein Westfalen – und damit größer als die Landeshauptstadt Düsseldorf oder die Finanz-metropole Frankfurt am Main. Neben der Kern-stadt mit etwa 6.700 Einwohnern gilt es, in 22 Ortschaften mit Einwohnerzahlen von 60 bis 1.700 Personen liebenswertes Leben zu erhalten.

Die Kunst dabei ist, Kirchturmdenken zu über-winden, Liebgewonnenes loslassen zu können und gleichzeitig jedem Dorf seine Identität, seine eigene Seele zu bewahren.

In einigen unserer Dörfer haben sich bereits Initiativen gegründet, die sich erfolgreich mit den Themen Kooperation, Vernetzung und Bündelung aller Kräfte in der jeweiligen Ortschaft und auch darüber hinaus beschäftigen. Diese sind auch deshalb so erfolgreich, weil z.B. In der Eder-Elsoff-Initiative sieben Ortsvorsteher, Kirche und Kommune an einem Strang ziehen. So wurde im neuen Dorfverein Aue-Wingeshausen die Pflege des städtischen Grüns ehrenamtlich über-nommen, ein Friedhof wird in Wunderthausen und Christianseck von der Dorfbevölkerung betrieben, ein ganzes Dorf hatte sich In Arfeld einer Industrie-brache angenommen und Ehrenamtler organisieren größtenteils die Veranstaltungsplanung der Stadt,

wobei die Erlöse der Jugendarbeit der Vereine und des Jugendfördervereins Bad Berleburg zugute-kommen. All diese Projekte laufen auf vollen Touren und haben Bad Berleburg in den ver-gangenen Jahren weit vorangebracht.

Ein offenes System

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Gerade der ländliche Raum steht in vielen Regionen Deutschlands vor der Aufgabe, bei abnehmender Siedlungsdichte und knapper kommunaler Kassen, die lokale Infrastruktur fortzuentwickeln. Welche Strategien werden diesbezüglich in Bad Berleburg präferiert?

Fuhrmann:

Bad Berleburg hat aus den genannten Gründen eine Studie in Auftrag gegeben, die aufbauend auf einer Stärken- und Schwächenanalyse Ent-wicklungspotenziale für jede einzelne Ortschaft erarbeitet sowie ortsübergreifende Versorgungs-schwerpunkte definiert. Diese gesamtstädtische Dorfentwicklungsplanung wurde vom Institut für Regionalmanagement erstellt. Die daraus abgeleiteten Konzepte wurden vom Stadtrat einstimmig bestätigt und werden jetzt Zug um Zug umgesetzt.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Die Bündelung von mehreren Infrastruktur-angeboten an einem spezifischen Ort ist neben mobilen Angeboten oder Online-Diensten ein möglicher Weg, Infrastruktur auch unter schwierigen demografischen Rahmen-bedingungen aufrechtzuerhalten. Welche Vorteile verbinden sich im Vergleich zu den genannten Alternativen mit der Großen Emma?

Fuhrmann:

An der Großen Emma hat mich besonders begeistert, dass sie ein offenes System ist, von dem die Region als Ganzes aber auch die Menschen im Einzel-nen profitieren könEinzel-nen. Die Große Emma will das erhalten, was sich in der Vergangenheit bewährt hat Sparkassen

Die Große Emma will das erhalten, was sich in der

Ver-gangenheit bewährt hat und was tragfähig ist. Sie entspricht genau den Prämissen, die wir mit unserem Dorfentwicklungsprozess

bereits verfolgen.

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Bernd Fuhrmann

Das Schloss Berleburg wurde im 13. Jahrhundert errichtet. Es befindet sich im Besitz der Familie Sayn-Wittgenstein-Berleburg und dient heute als Museum.

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FORUM NEUE LÄNDER

UNSER GESPRÄCHSPARTNER Bernd Fuhrmann ist 1965 in Hilchenbach (Siegerland) geboren. Er engagierte sich seit 1987 ehrenamtlich wie auch hauptberuflich im Deutschen Turnerbund, dem Deutschen Leicht-athletik-Verband und dem Landessportbund NRW. 1994 erwarb Fuhrmann den Abschluss als Diplom-Sozialpädagoge an der Universität Sie-gen. Von 1996 bis 2004 arbeitete er als Stadtju-gendpfleger in Bad Berleburg. Im Oktober 2004 wurde Fuhrmann erstmals zum Bürgermeister der Stadt Bad Berleburg gewählt. Diesen Erfolg konnte er bei den Wahlen 2009 bestätigen.

Neben seiner Tätigkeit als Bürgermeister enga-giert sich Fuhrmann bei verschiedenen Vereinen und regionalen Zukunftsprojekten.

Die Große Emma hat in den vergangenen anderthalb Jahren einen großen Schritt hin zu ihrer Erwachsenwerdung getan.

Die Weiterentwicklung und Erprobung der Instrumente zur Einrichtung tragfähiger Versorgungsstrukturen im ländlichen Raum wird nun vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft finanziell gefördert. Die Große Emma dient als

Vorbild. Sie findet bundesweite Aufmerksamkeit und steht im Landkreis Meißen kurz vor der Voll-endung des ersten Pilotprojektes. Diese Entwicklung ist nicht zuletzt dem großen Engagement zu verdanken, das innerhalb des Ostdeutschen Sparkassenverbandes in dieses Projekt investiert wurde.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE wird den Fortgang des bundesweiten Modellvorhabens Regio-LAB und den Reifeprozess der Großen Emma in den kommenden Jahren weiter verfolgen. Ansätze wie die Große Emma haben es gerade aufgrund der schwierigen demografischen Entwicklungen im ländlichen Raum verdient, bundes- und auch europaweit zu reüssieren. Falk Schäfer und was tragfähig ist. Sie entspricht genau den

Prä-missen, die wir mit unserem Dorfentwicklungsprozess bereits verfolgen. Ich hoffe, dass sie nicht nur den durch Urbanisierung und sinkende Geburtenrate getriebenen Rückbau von Dienstleistungsangeboten eindämmt, sondern vielleicht auch neue Angebote gerade in den kleineren Ortschaften in Wittgenstein schafft.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Die Große Emma wurde maßgeblich im Ost-deutschen Sparkassenverband zusammen mit der Agentur InD-Initialdesign entwickelt. Auf welchem Wege sind Sie auf dieses Angebot auf-merksam geworden und welche Punkte haben Sie besonders überzeugt?

Fuhrmann:

Die Sparkasse Wittgenstein engagiert sich gemeinsam mit den Kommunen in gesellschaftlichen Fragen, wie dem demografischen Wandel in unserer Region. Sie sieht es als Teil ihrer Verantwortung, Impulse in die Region weiterzugeben. Die Sparkasse Wittgenstein war es auch, die uns auf die Große Emma aufmerksam gemacht hatte. Wir können nun auf ein vorkonfektioniertes Dienstleistungsangebot

zurückgreifen, das unsere Ideen und Konzepte öko-nomisch sinnvoll ergänzen wird.

Überzeugt hat mich persönlich, dass die

„Große Emma“ etwas von einer „eierlegenden Wollmilchsau“ hat, dabei aber trotzdem plausibel nachvollziehbare Umsetzungswege aufzeichnet, die nahezu hundertprozentig auf die Bedürf-nisse unserer ländlichen Region abgestimmt sind. Darüber hinaus halte ich viel davon, gute Lösungsmöglichkeiten zu adaptieren, um nicht stets das Rad neu erfinden zu müssen.

Von Erfahrungen profitieren UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

In welchem Stadium befindet sich die Große Emma in Bad Berleburg aktuell, wenn es darum geht, das Konzept in der Stadt und der Region zu implementieren? Gibt es bereits konkrete Örtlichkeiten und Partner, die für das Projekt in Frage kommen?

Fuhrmann:

Es findet eine Regionalanalyse statt, die die bereits existierenden strategischen Planungsansätze der

Region zusammenführt. Ergänzend werden die bestehenden infrastrukturellen Grundaus-stattungen Wittgensteins aufgenommen und vor dem Hintergrund der demografischen Ent-wicklungstendenzen bewertet. Die Situation hier in Wittgenstein lässt sich dann für alle Projektteil-nehmer besser einschätzen. Alle drei Kommunen Wittgensteins arbeiten intensiv in dem Prozess zusammen und wollen voneinander profitieren.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Inwiefern ist auch die Sparkasse Wittgenstein involviert?

Fuhrmann:

Sie begleitet das Projekt und hat die Moderation übernommen. Zudem stellt die Sparkasse Wittgenstein uns fortlaufend neue Informationen zur Verfügung, die sie aus eigenen Projekten zum demografischen Wandel erarbeitet hat.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Unter der Ägide der Sparkasse Meißen geht aktuell ein Pilotprojekt der Großen Emma an den Start.

Inwiefern konnten Sie bis dato von den Erfahrungen Ihrer sächsischen Kollegen profitieren?

Fuhrmann:

Zurzeit profitieren wir sehr von der konzeptionellen Vorarbeit, die in Sachsen geleistet wurde. In den nächsten Monaten wollen wir unsere Zusammenarbeit weiter intensivieren, z. B.

indem wir in gemeinsamen Treffen Projektergeb-nisse austauschen. Andererseits können wir als Modellkommune für Nordrhein-Westfalen unsere Erfahrungen aus unserem gesamtstädtischen Dorfentwicklungsprozess einbringen. n

Das Interview führte Falk Schäfer www.bad-berleburg.de

www.osv-online.de www.grosse-emma.com

Bad Berleburg wird umgeben vom größten zusammenhängenden Waldgebiet Deutschlands.

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INSPIRATIONEN/INFORMATIONEN

Woiwodschaft bezeichnet die regionalen Verwaltungseinheiten in Polen. Etymologisch rekurriert der Begriff auf die alten Herzogtümer unter der polnisch-litauischen Krone.

Die heutige Struktur der insgesamt 16 Woiwodschaften entstammt

der Verwaltungsreform des Jahres 1999.

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