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Konzeption der chemischen Analytik

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Abb. 2.1.3.D Anstieg des E2-Spiegels in Serum während der Schwangerschaft. Die beiden Linien geben das 5. und 95. Perzentil an (nach Gerhard und Runnebaum 1998).

2.2 Konzeption der chemischen Analytik

2.2.1 Stand der Forschung: Messtechnik estrogener Substanzen Untersuchungsgebiete

Estrogene Substanzen, zu denen das Estradiol zu zählen ist, werden in unterschiedlichen Arbeitsgebieten untersucht. In der medizinischen Diagnostik wird E2 routinemäßig in Vollblut, Plasma, Serum, Follikelflüssigkeit aus dem Ovar sowie in Urin (nicht-invasive Methode) bestimmt. Urin stellt auch in der Dopinganalyse, bei der hauptsächlich nach anabolen Steroiden gesucht wird, das vorherrschende Substrat dar (Gower et al. 1995). Im Pferdesport werden bei plötzlichen Todesfällen der Tiere unter Belastung Dopingtests gelegentlich auch in Muskelgewebe oder Knochen durchgeführt (Uboh et al. 1995). In der Lebensmittelanalytik wird vor allem Rindfleisch standardisiert Hormonuntersuchungen unterzogen (Hartwig et al. 1995, 1997).

Der Einsatz von Steroid-Bestimmungen aus Fäkalien von Tieren wird im Kontext der Verhaltensforschung eingesetzt, um z.B. den Zyklus der weiblichen Tiere festzustellen.

In der Umweltanalytik werden Xenoestrogene (Übersicht in Metzler und Pfeiffer 2001) v.a.

im Zuge von Wassergüteuntersuchungen bestimmt (Upmeier 2001).

Messtechniken

Als Messtechniken sind sowohl HPLC als auch GC/MS und Radioimmunoassay (RIA) etabliert. Welche Technik angewendet wird, ist abhängig vom Substrat und den zu bestimmenden Konzentrationen.

Die älteste angewandte Technik ist die GC/MS. Die erste Auftrennung von Steroiden mit Hilfe der Gaschromatographie gelang Vandenheuvel et al. 1960. Steroide gehörten zu den ersten Substanzen, die auf einen kommerziell erwerbbaren GC/MS-System untersucht wurden. Die GC/MS bietet neben niedrigen Nachweisgrenzen für Steroide die Möglichkeit, die gemessenen Substanzen eindeutig zu identifizieren und damit eine Spezifität von 100 % zu erreichen. Auch Simultanbestimmungen einer Vielzahl von Substanzen sind dadurch möglich.

Immunologische Verfahren (v.a. RIAs) sind generell empfindlicher als GC/MS. Sie bieten jedoch nicht die Identifikationsmöglichkeit von Substanzen, und auch keine so hohe Selektivität (Spezifität) wie die GC/MS. Die Methode des Radioimmunoassay (RIA) wurde von 1959 von Berson und Yalow gemeinsam entwickelt, um im klinischen Umfeld aus relativ kleinen Blutproben einfache und kostengünstige Tests auf bestimmte Krankheiten (z.B.

Diabetes) durchführen zu können (Yalow und Berson 1959). 1977 erhielt Yalow den Nobelpreis für Medizin für die Erfindung des RIA. Der RIA hat sich vor als sehr wichtige und außerordentlich empfindliche klinische Hormonbestimmungsmethode etabliert. Wichtigster Parameter ist die Spezifität des verwendeten Antikörpers. Er soll möglichst außer dem zu bestimmenden Antigen in der Probe keine anderen Antigene binden (Kreuzreaktionen). Für den Test der Spezifität des Antikörpers sind meist aufwendige Versuche notwendig, bei denen die Verdrängung des Antigens durch eine große Zahl verschiedener Substanzen gemessen wird (zur Spezifität des Antikörpers in dieser Untersuchung siehe Kap. 3.2.3.2 und 5.1.5).

Die HPLC wird relativ selten für Steroidbestimmungen eingesetzt, da die Nachweisgrenzen sehr viel höher sind als bei immunologischen Verfahren. Ein Beispiel für eine E2-Bestimmung aus Plasma mit elektrochemischer Detektion stellt die Arbeit von Yamada et al.

(2002) dar.

2.2.2 Etablierung des Estradiol-Nachweises in historischen Knochen Stand der Forschung

Obwohl in der Medizin, Chemie und in der Doping-Kontrolle, der Umweltanalytik E2-Nachweise und Bestimmungen weit verbreitet sind, existiert für das Substrat Knochen praktisch keine Literatur.

Der erste Nachweis von Steroiden in archäologischem Material mit Hilfe von TLC erfolgte durch Lin et al. (1978) an humanen Coproliten aus Nevada. Von Bethell et al. (1994) und Sobolik et al. (1996) wurden ähnliche Versuche an historischem Fäkalmaterial durchgeführt:

Das festgestellte Muster der bestimmten Substanzen ähnelte dem moderner Kotproben.

Allerdings wurden auch Unterschiede festgestellt, die auf Abbauprozesse hindeuten. In archäologischem Kontext sind die Arbeiten über die Inhalte der Keramiken zu nennen, die als Nachgeburtstöpfe angesehen werden (Rademacher und Waidelich 1996) Einerseits mit Hilfe von Dünnschichtchromatografie (Beitler 1997), andererseits unter dem Einsatz von GC/MS (Alt und Mußhoff 1997) wurden hier Steroide nachgewiesen.

Die Untersuchung von Cholesterol in alten Geweben wurde von der Arbeitsgruppe um Evershed etabliert. Zur Gewinnung von Daten zur Nahrungszusammensetzung wurden hier stabile Isotope des Kohlenstoffs in archäologischen Knochen und Zähnen untersucht (Stott und Evershed 1996). Vor allem die Erhaltung des metabolischen Steroid-Vorläufers Cholesterol in Knochen und Zähnen (im diesem Fall aus dem 18. Jahrhundert) deutet auf die mögliche Analysierbarkeit von Steroiden im historischen Knochen hin.

Erwartungswert für Steroide im Knochen

Welche Menge eines Steroids im Knochenmaterial erwartet werden kann, ist nicht nur abhängig von der Absolutmenge in der Knochenmatrix selbst, sondern auch vom Blutvolumen, das im untersuchten Knochenvolumen eingeschlossen ist. Weder bei den rezenten Knochen lässt sich dieses Volumen in den kleinen und kleinsten Gefäßen (incl. der Kapillaren) z.B. durch Spülung mit Puffern entfernen, noch beim historischen Knochen. In historischem Knochen kann zunächst theoretisch erwartet werden, dass ein großer Teil der Substanzen aus dem Blut und den Blutgefäßen in den während der Diagenese entstehenden Hohlräumen verbleibt, sofern er nicht durch Mikroorganismen um- oder abgebaut wird.

In historischem Knochen als Quelle für die Substanz zu erwarten:

• die in der organischen Phase des Knochens eingelagerten Substanzen

• die möglicherweise durch Adsorption an die mineralische Phase des Knochens gebunden Substanzen

• die im Knochenmark zum Zeitpunkt des Todes eingelagerten Substanzen

• die im Blut zum Zeitpunkt des Todes vorhandenen Substanzen (aus dem Blutvolumen im Knochen)

Allerdings zeigen Cook et al. (2000), dass post mortem die Konzentrationsverhältnisse bestimmter im Blut vorhandener Substanzen sich allein durch Rückfluss großer Mengen des Blutes in die zentralen Blutgefäße erheblich verändern können.

Direkte Angaben zum Anteil der Blutgefäße bzw. des Blutes selbst am Volumen des Knochens konnten in der Literatur nicht festgestellt werden. Der Anteil wurde daher aus verschiedenen Grundangaben überschlägig berechnet (für Erwachsene; bei differierenden Angaben in der Literatur wurden Mittelwerte zu Grunde gelegt):

• das Skelett macht zwischen 10 und 18 % des Körpergewichtes aus (z. B. Felsenberg 2001), bei einem Körpergewicht von 70 kg sind dies im Mittel 12,5 kg Knochen

• bei durchschnittlich 5,4 l Blut im Körper eines Menschen befinden sich ca. 1,3 l im Gefäßsystem des Skelettes (Kunsch und Kunsch 2000)

• bei einer Knochendichte von ca. 1,4 g/cm³ des rezenten Knochens 1) [0,9-2 g/cm, abhängig vom Skelettelement und Individualalter (Evans 1973, Skalak und Chien 1987)] stellen 12,5 kg Knochen ein Volumen von 8929 cm³ dar, die 1300 cm³ Blut enthalten [angegeben ist hier die physikalische Dichte des Knochens, nicht die Mineralknochendichte, also der Calciumhydroxylapatit-Gehalt des Knochens, der in der medizinischen Osteodensitometrie als Knochendichte üblicherweise bestimmt wird]

• 1 cm³ Knochen enthält damit ca. 0,15 cm³ Blut

Anm. 1) Die Dichte historischen Knochens weicht aufgrund der Auswirkungen der

diagenetischen Prozesse davon erheblich ab. Hammerl et al. (1991) und Hammerl (1996) konnten hier Werte von durchschnittlich 0,9 g/cm³ messen.

Legt man das ermittelte Blutvolumen im Knochen zugrunde, und geht von den in der klinischen Forschung nachgewiesenen 140-160 pg E2/ml Serum aus, muss für positive Nachweise aus Knochenmaterial vorausgesetzt werden, dass mindestens die organische Phase des Knochens ähnliche oder höhere Konzentrationen als das Serum enthält.

Untersuchungsstrategie

Unter Rückgriff auf etablierte Extraktionsmethoden aus der Lebensmittelchemie (Substrat:

Fleisch) soll zunächst die Extraktion auf rezenten Knochen angepasst werden, da im rezenten Knochen indigenes Estradiol auf jeden Fall nachweisbar sein sollte.

Als Messtechnik soll die GC/MS eingesetzt werden, die sich in den Vorversuchen von Wischmann et al. (2000) als geeignet erwiesen hat. Anschließend werden die erarbeiteten Protokolle auf historischen Knochen angewendet bzw. umgesetzt. Gegebenfalls kommen Untersuchungen mit Radioimmunoassays und HPLC zur Validierung zum Einsatz.

3. Material und Methoden