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2 Institutionelle und gesundheitsförderliche Gegebenheiten der Sportvereine im Hinblick auf Suchtprävention

3.2 Integrative Modelle zur Gesundheitsförderung

3.2.2 Anforderungs-Ressourcen-Modell zur Gesundheit (Peter B ECKER )

3.3.1.2 Kontroll- und Kompetenzüberzeugungen

Kontroll- und Kompetenzüberzeugungen sind Bestandteile der menschlichen Persön-lichkeit. Die Ansätze der Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen gehen auf Ursprünge der sozialen Lerntheorie von ROTTER (1966)51 und der Attributionstheorie von HEIDER

(1958)52 zurück. Bislang forschten vor allem Vertreter der Klinischen Psychologie hier-zu (im deutschsprachigem Raum z. B. LOHAUS & SCHMITT 1989; KRAMPEN 1991). Im Bereich der Sportwissenschaften sind die empirischen Arbeiten zu Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen noch rar. Erwähnenswert sind zwei Studien von MRAZEK (IN: KRAMPEN 1989) und eine neuere Arbeit von GESER & KRÖSS (1997). Einen hohen Be-kanntheitsgrad hat das Modell von KRAMPEN (1991), dieses Modell soll deshalb auch Grundlage dieser Arbeit sein. KRAMPEN (1991) verfolgt ein generalistisches Konzept53, das sich für die Anwendung auf multidimensionale Handlungsfelder wie das der Sport-vereine eignet und auch schon im Bereich der Suchtforschung Einsatz fand.

Kompetenzüberzeugungen gelten als Indikator für die aktuelle Selbstwahrnehmung eigener Kompetenzen im Bereich des Gesundheitsverhaltens und können damit Prädi-kator für gesundheitsförderliches (alkohol- und nikotinreduziertes) Verhalten sein. Die Annahme ist dabei, dass eine erhöhte Wahrscheinlichkeit zur Verhaltensausführung besteht, wenn die Überzeugung besteht, ausreichend Kompetenzen zur Verfügung zur haben. Kontrollüberzeugungen werden als generalisierte Erwartungshaltung definiert, die jedes Individuum lebensgeschichtlich erwirbt. Somit können sich Personen danach unterscheiden, ob sie Ereignisse als durch sie selbst kontrollierbar erleben (interne Kontrolle) oder ob sie die Kontrollierbarkeit von Ereignissen anderen, außerhalb ihrer eigenen Person liegenden Kräften zuschreiben (externale Kontrolle).

51 ROTTER (1966) geht in seinem Modell zur sozialen Lerntheorie der Persönlichkeit von eindimensionalen und bipolaren Kontrollüberzeugungen aus, die über Situationen und Lebensbereiche generalisierte Er-wartungen einer Person darüber definieren, ob Ereignisse im Leben beeinflusst werden können (inter-nale Kontrollüberzeugungen) oder nicht (exter(inter-nale Kontrollüberzeugungen). KRAMPEN (1991, 13) kriti-sierte die offene, weitgehend unverbindliche Liste von Persönlichkeitsvariablen und die nur lose Anbin-dung an theoretische Hintergründe verfolgte aber den Gedanken des Konzeptes als "generalized ex-pectancies".

52 HEIDER (1958) beschäftigte sich mit der Frage, wie Menschen Informationen über eigenes und fremdes Verhalten interpretieren, um Urteile über die Ursachen von Ereignissen fällen zu können. Dabei kommt es bezüglich von Leistungserbringung zu einem Muster typischer Attributionsfaktoren wie z. B. Fähig-keit, Anstrengung, äußere Umstände oder Zufall. Anwendung findet die Attributionstheorie hauptsäch-lich in der Sozial- und Motivationspsychologie.

53 "Generalistisch" meint an dieser Stelle ein nicht nur auf einen bestimmten Handlungskontext bezoge-nes Konzept zu Kontrollüberzeugungen. LOHAUS & SCHMITT (1989) haben vergleichsweise einen be-reichsspezifischen "Fragebogen zur Erhebung von Kontrollüberzeugungen zu Krankheit und Gesund-heit“ (KKG) entwickelt.

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Situation Handlung Ergebnis

Kompetenzüberzeugung Kontrollüberzeugung

Abb. 7: Unterscheidung zwischen Kompetenzüberzeugung und Kontrollüberzeugung (nach KRAMPEN)

KRAMPEN unterscheidet folgende Faktoren, die im empirischen Teil geprüft werden:

Selbstkonzept eigener Fähigkeiten (FKK-SK)

Das Selbstkonzept eigener Fähigkeiten meint eine generalistische Erwartung darüber, dass in Handlungs- oder Lebenssituationen Handlungsmöglichkeiten, mindestens eine, zur Verfügung stehen (= Handlungs-Ergebnis-Erwartung) (KRAMPEN 1991, 20). Anzu-streben sind hohe Werte, die für Selbstsicherheit, viele Handlungsmöglichkeiten in Problemsituationen, Aktivität, Ideenreichtum, viele Handlungsalternativen und hohes Selbstvertrauen sprechen.

Internalität (FKK-I)

Internalität (internal health locus of control) ist „eine subjektiv bei der eigenen Person wahrgenommene Kontrolle über das eigene Leben und über Ergebnisse in der person-spezifischen Umwelt." (KRAMPEN 1991, 20). Erstrebenswert sind hohe Werte, diese sprechen für eine erfolgreiche Vertretung eigener Interessen, Selbstbestimmung über wichtige Ereignisse im Leben, Regulation sozialer Interaktionen, Erleben, dass das eigene Handeln wirksam und effektiv ist.

Soziale Externalität (FKK-P)

Unter sozial bedingter Externalität (powerful others health locus of control) wird eine generalisierte Erwartung verstanden, dass wichtige Ereignisse im Leben vom Einfluss anderer ("mächtiger") Personen abhängen. (KRAMPEN 1991, 20). Anzustreben sind niedrige Werte, die für folgende Eigenschaften sprechen: sieht sich und das Leben als wenig abhängig von anderen Menschen, ist emotional wenig vom Verhalten anderer abhängig, ist durchsetzungsfähig, fühlt sich durch mächtige Andere nicht beeinträch-tigt, sieht Ereignisse im Leben als wenig fremdverursacht und ist relativ frei von Ge-fühlen der Ohnmacht und Hilflosigkeit.

Fatalistische Externalität (FKK-C)

Unter fatalistischer Externalität (chance health locus of control) versteht KRAMPEN

(1989, 20) eine generalisierte Erwartung, dass das Leben und Ereignisse in ihm von Schicksal, Glück, Pech und dem Zufall abhängen. Die Bereitschaft zur aktiven Ge-sundheitsvorsorge ist bei der fatalisitischen Kontrollüberzeugung vermutlich sehr ge-ring. Erstrebenswert sind deshalb geringe Werte, die für folgende Charakteristika spre-chen: ist nicht schicksalsgläubig, glaubt nicht an die Bedeutung des Zufalls, sieht Mög-lichkeiten, sich vor Pech zu schützen, Glück spielt für Erfolg eine geringe Rolle und Rationalität.

Selbstwirksamkeit (FKK-SKI)

Selbstwirksamkeit setzt sich als Sekundärskala zusammen aus der Multiplikation der beiden Faktoren "Selbstkonzept eigener Fähigkeiten" und "Internalität". Hohe Werte in der Selbstwirksamkeit sind anzustreben. Diese stehen für ein hohes Selbstbewusst-sein, sichere Handlungsplanung und -realisierung, Ideenreichtum, Flexibilität, Aktivität und Handlungsfähigkeit.

Externalität (FKK-PC)

Externalität setzt sich als Sekundärskala zusammen aus der Multiplikation der Fakto-ren "Soziale Externalität" und "Fatalistische Externalität". Geringe Werte sind anzustre-ben. Diese sprechen für ein geringes Gefühl der Abhängigkeit von äußeren Einflüssen, geringen Fatalismus (Schicksalsglaube), geringe Hilflosigkeit, geringe Abhängigkeit von mächtigen Anderen sowie für Unabhängigkeit und wenig Konformität.

Internalität versus Externalität (FKK-SKI-PC)

Bei der Internalität versus Externalität handelt es sich um eine Tertiärskala, die sich aus der Multiplikation der Faktoren "Selbstwirksamkeit" und "Externalität". Hohe Werte sind anzustreben. Diese sprechen für: internale Kontrollüberzeugungen, relative Unab-hängigkeit von Zufallseinflüssen, geringe Fremdbestimmung, hohe Autonomie, Aktivität und Handlungsorientiertheit.

Der von KRAMPEN entwickelte Fragebogen zu Kontroll- und Kompetenzüberzeugungen (KRAMPEN 1991) beinhaltet insofern persönlichkeitspsychologische Aspekte (Deskripti-on individueller Unterschiede, Erklärung individueller Unterschiede, Prognose v(Deskripti-on Ver-halten und Erleben und Modifikation) sowie handlungstheoretische Aspekte (Deskripti-on und Rek(Deskripti-onstrukti(Deskripti-on v(Deskripti-on Handlungen, Prognose v(Deskripti-on Handlungen).

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Aus klinischen Befunden von Alkoholikern (N = 71) geht hervor (KRAMPEN 1991, 66), dass diese zu Beginn einer stationären Behandlung deutlich erhöhte Externalitätswerte aufwiesen, das Selbstkonzept eigener Fähigkeiten stark reduziert und die Internalität wiederum deutlich erhöht war. Bei der Internalität handelte es sich wohl eher um die Internalisierung einseitiger Schuldzuweisungen - vermutlich auf Basis von Fremdattri-butionen - also einer quasi "im luftleeren Raum schwebenden" Internalisierung (ebd., 66).

In der Arbeitsdefinition zur "Suchtgefährdung" wird davon ausgegangen, dass eine Person mit drohender Suchterkrankung entgegen der eben zitierten Untersuchungser-gebnisse niedrige Internalitätswerte aufweist. Einerseits werden ohnehin Fremdattribu-tionen in diese Ergebnisse hineininterpretiert, zum anderen werden niedrige Internali-tätswerte depressiven Persönlichkeiten zugeordnet; Depressionen gehen mit Suchter-krankungen häufig einher. Des weiteren werden für die Definition reduzierte Werte beim Selbstkonzept eigener Fähigkeiten und hohe Werte bei der sozialen und fatalisti-schen Externalität zugrunde gelegt.

GESER & KRÖSS (1997) nahmen an, dass "jede intensive sportliche Betätigung sowohl zu unspezifischen als auch zu sportartspezifischen Effekten" führe, wobei das Selbst-bild generell verbessert werde und Veränderungen der Kontrollüberzeugungen hinge-gen abhängig von den einzelnen Sportarten seien (da der Einzelne nicht bei jeder Sportart gleichermaßen Kontrolle über das Ergebnis hat). Als Messinstrument diente der Fragebogen von KRAMPEN (1991, vgl. auch Teil II – Kap. 2.3.2). Ergebnisse dieser Untersuchung (N = 193) waren:

(1) Die Entwicklung von Kompetenzüberzeugungen hängt von den Handlungsmustern und Anforderungen einer bestimmten Sportart ab. Wenn eine Sportart mit hohen Anstrengungen verbunden ist, ist zur Bewältigung ein höheres Maß an Kompe-tenzüberzeugungen notwendig; sind mehr Geschicklichkeit und Kraftanstrengung gefragt, sind diese Merkmale nicht unbedingt an Kompetenzüberzeugungen ge-bunden. Aus dem Alltagsverständnis heraus - so argumentieren GESER & KRÖSS

sei Ausdauersport anstrengender als Karatesport, deshalb fallen die Werte der Kompetenzüberzeugungen hier höher aus.

(2) Das sportliche Handeln ist nie losgelöst vom unmittelbaren Erfolg zu sehen, so dass eine Veränderung der Kontrollüberzeugungen auch immer eine Veränderung der Kompetenzüberzeugung mit einschließt. Nur im Mannschaftssport könnte dies anders aussehen: "Ein einzelner Sportler kann zu einer positiven Einschätzung

seiner Kompetenz kommen, auch wenn seine Mannschaft erfolglos war, d. h. wenn das gewünschte Handlungsergebnis nicht erzielt wurde. In einem Mannschafts-sport sind die Handlungs-Ergebnis-Erwartungen (= Kontrollüberzeugungen) aus der Sicht der einzelnen Sportler in viel stärkerem Maße von externen Faktoren de-terminiert als in einem Einzelsport" (GESER & KRÖSS 1997, 42-52). Bei der Ausprä-gung der Kontroll- und KompetenzüberzeuAusprä-gungen ist von Evidenz, welche Vorer-fahrungen in der Beeinflussung von Gesundheit und Krankheit (Sucht) bestehen, wie körperliche Prozesse durch Selbst- und Fremdbild bestimmt werden, über wie-viel Wissen der Einzelne zu Kausalitäten von Suchterkrankungen verfügt und wel-che Herangehensweisen an neue Herausforderungen und Problematiken gewählt werden.

Eine weitere Untersuchung soll Erwähnung finden, obwohl sie mit einem anderen Messinstrument durchgeführt wurde. MRAZEK (IN: KRAMPEN 1989, 112-118) erfasste mit einem selbst entwickelten, 18 Items umfassenden Fragebogen "Körperbezogener Locus of Control (KLC)"54 globale wie bereichsspezifische körperbezogene internale und externale Kontrollüberzeugungen. Dabei rückt er die Fitness als Oberbegriff für körperliche Leistungsfähigkeit, aber auch für Gesundheit und gutes Aussehen in den Mittelpunkt seines Forschungsinteresses. Kontrollüberzeugungen spielen für ihn in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, "da Gesundheit, Aussehen und Leis-tungsfähigkeit immer mehr als Ergebnis eines aktiven Gestaltungsprozesses und we-niger als ‚zufällig oder schicksalhaft gegeben‘ verstanden werden" (ebd., 112). Seine Ergebnisse stammen aus vier Untersuchungen an 309 Erwachsenen, 225 Sportstu-denten, 154 Musikstudenten sowie 1026 Jugendlichen der Klasse 6 - 10 (Durch-schnittsalter 14 Jahre); bei den Jugendlichen zeigten sich folgende Effekte: (1) sozio-demographisch: "Mädchen sind global externaler und Jungen internaler orientiert. Be-reichsweise gilt dies für Gesundheit und Leistungsfähigkeit, nicht für Aussehen. (...) Hauptschüler sind global und bereichsspezifisch (außer dem Aussehen) deutlich exter-naler orientiert als Real- und Oberschüler. (...) Jugendliche aus unteren sozialen Schichten haben hinsichtlich Gesundheit und Leistungsfähigkeit und damit auch global externalere Kontrollüberzeugungen als Jugendliche aus mittleren und höheren Schichten.". (2) körperbezogen: "Die Anzahl bisheriger Krankenhausaufenthalte und Operationen scheint die gesundheitsbezogenen Kontrollüberzeugungen nicht zu be-einflussen. (....) Aussehensbezogene Kontrollüberzeugungen sind offenbar weitgehend

54 Körperbezogene und allgemeine Kontrollüberzeugungen sind zwar verwandte, aber keinesfalls identi-sche Konstrukte (MRAZEK IN: KRAMPEN 1989, 117).

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unabhängig von Körpergröße und Gewicht. (...) Sportlich aktive Jugendliche (...) bei-derlei Geschlechts sind leistungsbezogen weniger external orientiert als nicht aktive."

(ebd., 117).

Im empirischen Teil dieser Arbeit wird den Fragen nachgegangen:

• Unterscheiden sich Kontroll- und Kompetenzüberzeugungen (KRAMPEN 1991) bei Jugendlichen mit Sportvereinszugehörigkeit und Jugendlichen ohne Sportvereins-zugehörigkeit?

• Gibt es einen Zusammenhang zwischen Sportartkategorien (SYGUSCH 1998) und Kontroll- und Kompetenzüberzeugungen (KRAMPEN 1991)?

3.3.1.3 Subjektives Gesundheitskonzept - Einstellungen gegenüber