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Ergebnisse der Expertenbefragung .1 Strukturen der Sportvereine.1Strukturen der Sportvereine

II Empirischer Teil

1.4 Ergebnisse der Expertenbefragung .1 Strukturen der Sportvereine.1Strukturen der Sportvereine

Alle Experten waren sich darüber einig, dass Spaß, Gemeinschaft und Freude an der Bewegung die zentralen motivationalen Elemente des Sporttreibens sind. HEIGL belegt dies mit einer wissenschaftlichen Studie (ZÖPFL, H.; HEIGL, J. 1992). Demnach gehen zwei Drittel der Befragten in den Sportverein, weil sie Lust, Spaß an der Bewegung und Kameradschaft erfahren wollen. An zweiter Stelle stehen Leistungsvergleich, Erfolg haben wollen und Profilierung. Der Einstieg in den Sportverein erfolgt in der Regel über die Eltern und über Freunde. Nach SCHULZ-ALGIE und MATTHERN sind vorrangig mittel-ständische Jugendliche und Jugendliche aus Realschulen und Gymnasien im Verein vertreten. Die Jugendlichen versprechen sich von einer Vereinsmitgliedschaft die Teil-habe an einer "kleinen sozialen Welt" und das Erleben eines "Heimatgefühls". Darüber hinaus können Jugendliche Freundschaften schließen und eine vertraute Beziehung zum Übungsleiter aufbauen. MATTHERN stellt dennoch einen Widerspruch fest. Einer-seits suchen Jugendliche das "Wir-Gefühl", andererEiner-seits die "organisatorische Unge-bundenheit". Sie fordert deshalb eine Neuorientierung der Sportvereine in Richtung bedürfnisorientierter Angebote (nicht mehr in Traditionen denken) mit Wechselmöglich-keiten zwischen den Sportarten. Auch MAURER und HEIGL betonen die häufigen Mehr-fachmitgliedschaften von Jugendlichen in Sportvereinen. MAURER ist der Überzeugung, dass "monosportive" Sportvereine, wie der reine Turnverein, der reine Handballverein usw. aussterben werden. Alle Experten sprechen von hohen und zunehmenden Aus-trittszahlen von Mitgliedern im Jugendalter, insbesondere von Mädchen. Da der Sport-verein noch weitgehend patriarchalisch geprägt sei, würden die Jungen dem Sport e-her treu bleiben, weil sie sich mit ihm mehr als Mädchen identifizieren können. Als Ur-sache für die Vereinsaustritte im Jugendalter werden genannt: große Vielfalt an Frei-zeitangeboten, andere Interessen und Aufgaben (z. B. Freund/Freundin, Schulab-schluss oder Berufseintritt), Sportvereine würden zu wenig auf die Bedürfnisse der Ju-gendlichen eingehen und es werde nach Leistung selektiert.

Sportvereine sollten sich vielmehr wieder auf ihre gesellschaftspolitischen und soziolo-gischen Aufgaben besinnen. Laut HEIGL kenne kaum ein Vorstandsmitglied die eigene Jugendordnung im Verein. Insgesamt kann dennoch festgehalten werden, dass der

Sportverein gegenüber anderen Freizeitaktivitäten für Kinder und Jugendliche einen bedeutenden Stellenwert hat.

1.4.2 Persönlichkeits- und Sozialentwicklung im Sportverein

Drei der Experten waren sich darüber einig, dass der Begriff "Gesundheit" für Jugendli-che kein Thema sei. Der JugendliJugendli-che gehe davon aus, dass er "Gesundheit" habe.

Deshalb müssten Pädagogen den Begriff umschreiben wie "das macht dich toll, das macht dich stark...". Zu einer "gesunden Persönlichkeitsentwicklung" gehören für SCHULZ-ALGIE und MATTHERN auch Bewusstwerden zur eigenen Person, Sich-Präsentieren, Ich-Stärke, Konfliktfähigkeit, Kommunikation, Auseinandersetzung mit Grenzen, soziale Kompetenz und demokratisches Verhalten. SCHMID umschrieb "ge-sund" mit Stärke, Selbstvertrauen, Toleranz, Kommunikations- und Genussfähigkeit.

Für alle Experten sei die Vorbildfunktion der Jugendleiter/Übungsleiter bei der Persön-lichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen entscheidend. MAURER differen-ziert, Jugend- und Übungsleiter sollten die Bedürfnisse von Jugendlichen wahrnehmen, offen gegenüber deren Problemen sein, bewusst Zeiten für Kommunikation (z. B. vor oder nach dem Training) einplanen und die Jugendlichen an Entscheidungen teilhaben lassen. Für HEIGL sind klare Strukturen und Konzepte eines Sportvereins zur Sinnge-bung notwendige Rahmenbedingungen:

„Wenn ich als Jugendleiter noch so gegen Alkohol und Nikotin bin, aber gleichzeitig 'Betroffener' heiße, dann brauch' ich mich beim Jugendlichen gar nicht mehr vorzustellen. Erwachsene, ko-mischerweise, schlucken das. Wenn die Persönlichkeitsentwicklung bei Jugendlichen normal verläuft, brauchen sie zwei Sachen, sie brauchen Normen - das ist ein Riesenproblem unserer heutigen Zeit. Jugendliche haben keine Normen mehr von der Gesellschaft, wir leben im Plura-lismus. Wo bekommen die Jugendlichen heute noch ihre Werte her? Gehen Sie heute mal in die Schule und Sie haben vier Lehrer. Dann haben Sie vier verschiedene Werte. Welche Werte soll jetzt der Schüler als die richtigen erkennen? Die seiner Mutter, die seines Vaters, die der Großmutter, die der Medien?.... Das ist die große Gefahr, wenn ich keine zentralen Grundwerte sehe wie Menschenwürde, Toleranz, Friedenswelle. (....)

Der Jugendliche braucht Trendwerte, um auch welche zu brechen. Denn Pubertät bedeutet, in-dem ich mich mit den Normen der Erwachsenenwelt auseinandersetze und auch mal anecke.

Wenn ich als kleiner Junge mit 12 Jahren in meiner Klosterschule eine Zigarette geraucht habe, dann habe ich über ein Duzend Lehrer auf Trab gebracht; da gab es eine eigene Konferenz, um über diesen Unfug zu beraten. Wenn ich heute an der selben Schule eine Zigarette rauchen wollte, dann käme Pater Emanuel und würde mir die Zigarette anzünden. Das heißt, wenn ich heute anecken will, dann muss ich U-Bahn-Surfen oder Dinge tun, Drogen nehmen, wo ein letzter Konsens in der Gesellschaft besteht, um noch anecken zu können. Das ist eben etwas, was ich bei den Vereinen vermisse, dass ich ehrliche Grenzen setzen muss, Grenzen, die auch einmal angeeckt werden können.“

Vier der Experten sprechen dem Sportverein eine Erziehungsfunktion zu. Diese sei den Verantwortlichen aber nicht immer bewusst. Auf die Frage, ob sich Übungsleiter in familiäre Angelegenheiten einmischen sollten, meinte die Mehrheit der Experten, dass dies auf das Alter der Kinder und Jugendlichen ankäme. Nahezu übereinstimmend

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wurden die Jugendleiter/Übungsleiter als erste Ansprechpersonen bei Problemen Ju-gendlicher genannt. Jugendliche würden sie vor den Eltern und Lehrern in ihr Vertrau-en ziehVertrau-en. HEIGL begründet dies mit der altersmäßigen Nähe ohne emotionalen Bezug zum Jugendlichen.

1.4.3 Suchtgefährdung und Suchtabhängigkeit

SCHULZ-ALGIE und MATTHERN sind der Ansicht, dass im Sportverein einerseits kontrol-lierter mit Suchtmitteln umgegangen werde, andererseits werde man im Sportverein in Bezug auf Alkohol sozialisiert. Gefährdete Sportarten seien ihrer Meinung nach - dies bestätigen SCHMID und HEIGL - die Mannschaftssportarten (z. B. Fußball, Handball oder Volleyball). Der einzelne könne sich hinter der Mannschaft "verstecken". Weniger ge-fährdet seien Jugendliche in Einzelsportarten wie Leichtathletik und Turnen. Die Aus-wirkung auf die Leistung wird eher sichtbar. HALLMEIER sieht keine Unterschiede des Suchtmittelkonsums bei den verschiedenen Sportarten. Während im Fußball mehr Bier getrunken werde, werde im Segelverein mehr Champagner konsumiert. MAURER und HEIGL sind der Auffassung, dass im Sportverein deutlich weniger geraucht und Alkohol getrunken werde. Vermutet wird von allen Experten, dass Sportvereinsaktive weniger suchtmittelgefährdet sind als Nichtvereinszugehörige. In einer von HEIGL zitierten und selbst durchgeführten Untersuchung von 8- bis 10-jährigen Schützenkindern (BAYERISCHER SPORT-SCHÜTZEN-BUND 1996) wurde deutlich, dass diese aufgrund von Kameradschaft, gemeinsamen Erlebnissen, körperlicher und sportlicher Auslastung mehr Frustrationstoleranz und deutlich besser ausgeprägte protektive Faktoren als Nicht-Sportvereinszugehörige zeigten.

HEIGL: „Und wenn wir uns heute (...) darüber einig sind, dass stark ausgebildete protektive Faktoren gleichzeitig auch ein gemindertes Potenzial an Suchtfaktoren bewirken, dann kann ich sagen, dass aufgrund der Möglichkeiten an Erlebnissen, an Kameradschaft, an Verantwortung, an Sozialität aber auch an sportlicher und körperlicher Auslastung die protektiven Faktoren stärker ausgebildet sind als bei anderen. Nur deshalb sind sie weniger suchtgefährdet. Wer im Sport auch mal gelernt hat, sich zu schinden, sich durchzusetzen, Freude zu empfangen oder auch mal Frustration aushalten zu müssen, der ist auch im Alltag mal fähiger, etwas durchzu-stehen, Frustrationen mal aushalten zu können oder sich auch mal freuen zu können. Jemand, der im Sport befähigt war, auch mal nein sagen zu können, „das geht über meine Leistung“,

‘Das geht über mein Prinzip‘, der ist auch im Alltag fähig, in einem bestimmten Fall auch mal

‘nein‘ zu sagen. So könnte ich im Endeffekt sämtliche protektive Faktoren durchgehen und sa-gen, wenn die besser sind, dann ist das tatsächlich eine Wunderwirkung des Vereins, dieser Satz gilt für mich aber für alle guten Vereine, dazu brauche ich den Sport alleine nicht.“

Was unter dem Begriff "Sucht" verstanden wird, darüber waren sich die Experten rela-tiv einig. In ihren Beschreibungen orientierten sie sich an der Definition der Weltge-sundheitsorganisation (vgl. Kapitel I - 1). Als Ursachen wurden genannt: Leichte Ver-fügbarkeit des Suchtmittels, fehlende Vorbilder, Suchtmittel als Problemlöser, massive Suchtmittelwerbung, Defizit an persönlichkeitsbildenden Werten, Suchtmittel für den

Zugang zur Peer-Group, Demonstration von Erwachsensein, Vereinsamung, Entgren-zung und Sinnlosigkeit.

SCHMID „Also ein ganz großes Problem ist einfach auch das Vorbild. Das eine Vorbild ist der Ü-bungsleiter: Wie geht er mit diesem Suchtmittel um? Erst mal, was ist präsent in den Sportver-einen? Das sind Medikamente. Und Alkohol und Nikotin. Die sind vorrangig präsent. Und wie wird damit umgegangen? Also schon alleine Medikamente werden oft schon sehr früh an die Kinder und Jugendliche herangetragen. Bei kleinsten Verletzungen oder Unwohlsein oder bei Spielen, da wird er halt behandelt mit entsprechenden Dingen, das verschafft einem einen ganz unverfänglichen Zugang zu Medikamenten. Das heißt, für das kleinste Wehwehchen gibt’s was.

Falsches Lernen ist das für mich. Dann haben wir den Zugang zu Alkohol und Nikotin. Das ist so, dass Nikotin oft mit Erwachsensein oder Männlichkeit zu tun hat. Dass das auch so vorge-lebt wird und dass das auch so dazugehört. Am Rand dabei zu stehen oder in der Kabine schnell mal eine zu rauchen. Oder ich hab auch bei den Hochspringern gesehen, zwischen den Versuchen doch mal eine Zigarette zu rauchen, weil man dann stärker wird. Es ist ganz klar nachgewiesen: selbst eine Zigarette mindert die Leistung sofort.“

„Kann man zugespitzt sagen, dass die Sportvereine auch Suchtpotenzial wecken?“

SCHMID: „Ja, in dem Moment schon. Wo das so vorgelebt wird. In dem Moment, wo es in den Vereinsgaststätten massive Alkoholwerbung gibt. Wo Sportverbände – wie Landessportbünde oder der Deutsche Sportbund mit Partnern aus den entsprechenden Wirtschaftszweigen zu-sammenarbeiten, das heißt Alkoholwerbungen zulassen. So bald die alkoholfreien Getränke nicht entsprechend billiger sind in den Vereinsgaststätten als die alkoholischen, so lange bei Feiern die Kinder anwesend sind, die im Zeichen von Alkohol und Nikotin stehen – das heißt, es wird extrem geraucht, obwohl Kinder etwas vorführen; es wird Alkohol ausgeschenkt, obwohl sehr viele Kinder da sind und die Erwachsenen sich da so nebenbei zutrinken. Das meine ich alles mit Vorbild. Das trägt dazu bei, dass die Kinder einen falschen Zugang bekommen zu den Suchtmitteln. Die bekommen einen falschen Gebrauch vorgelebt.“

Die Hälfte der Experten benannten aktuelle Suchtprobleme in Sportvereinen. Zwei der Experten berichteten, dass selbst während Präventionsmaßnahmen übermäßig Alko-hol konsumiert wurde.

HALLMEIER: „Da war ich irgendwo auf dem Land eingeladen über den Verein (...). Da komme ich in die Vereinskneipe rein, Rauchschwaten, Bierdunst schlug mir entgegen (...) dröge Gesichter schauten mich an, einige schon leicht eingeschlummert, das Gesicht in die Hand gelegt,( ... )Ich habe gedacht, ich spreche vor einer Elefantentruppe. (....) Ich denke, dass es letztendlich wenig Problembewusstsein gibt. Das macht es eigentlich schwierig, um an Vereine tatsächlich heran-zukommen.“

MAURER: „Im Jahr 1992 wollte ich über das Suchtmittelproblem mit dem Schweizer Fußballbund sprechen, der um seine Belegung kämpfte. Wir saßen im Stadion, die Jugendleiter sind ge-kommen, 18 Leute waren da. Eine hatte ein großen Glas Mineralwasser vor sich. Die 17 ein großes Glas Bier. Ich habe das natürlich angesprochen. Aber für mich war klar, wenn das die Grundstimmung ist, dann wird das sinnlos sein. Man müsste zuerst mal mit den Trainern arbei-ten. Ich meine, ich trinke auch Alkohol, aber in der Sportstätte oder gerade, wenn es um dieses Thema geht, würde ich darauf verzichten. Ich habe auch schon erlebt, dass sich die Vereine gegenseitig messen, wer am längsten Alkohol trinken kann und welcher Verein die meisten Meter zusammenbekommt. Das ist dann sehr schlimm. Die jungen müssen dann dort mitma-chen.“

Die Experten stimmten überein, dass der Verein klare Grenzen und Regeln bezüglich des Umgangs mit Suchtmitteln haben sollte. Bei akuten Vorkommnissen sollte der Ju-gendliche vom Übungsleiter direkt angesprochen werden. Eltern sollten bei jüngeren

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Jugendlichen nur mit deren Zustimmung eingeschaltet werden. Bei ernsthaften Sucht-problemen sollte eine entsprechende Fachstelle hinzugezogen werden.

1.4.4 Suchtpräventive Maßnahmen im Sportverein

Alle Experten sind sich einig, dass der Sportverein zur Suchtprävention beitragen kann.

Als Hemmnis für suchtpräventive Maßnahmen wurden häufig die Vorstandsmitglieder von Vereinen genannt. HEIGL schlägt deshalb Maßnahmen zur Gewinnung der Ver-einsfunktionäre vor: Infoschriften und Fortbildungslehrgänge für Funktionäre oder Ab-gabe von Gütesiegeln für Gesundheitsangebote in Vereinen. Realisierbare Beiträge zur Suchtprävention könnten weiter sein: Förderung der Jugendarbeit im Verein; Un-terstützung der Jugend- und Übungsleiter bei der Aus- und Fortbildung, Kooperation mit Beratungseinrichtungen; Förderung der Kommunikation zwischen Jugendlichen und Übungsleitern. Strukturellen Maßnahmen in den Vereinsgaststätten z. B. Einfluss-nahme auf das Getränkeangebot und Verbot von Suchtmittelwerbung wird hingegen wenig Chance eingeräumt. Nur Bewusstsein könne das Verhalten verändern. Wertvoll sei es, wenn Jugendliche sich ihre eigenen Regeln aufstellen:

MAURER: „Mit Verboten kann man wenig erreichen. Verbote nützen nichts. Bei uns war das noch anders. Wenn ich einen Jugendlichen mit Zigarette erwische, dann konnte der nach Hause ge-hen. Heute lasse ich die Regeln von den Jugendlichen selbst aufstellen. Und da staunt man, wie knallhart die ihre Regeln formulieren. Und dann halten die sich auch daran. Die sind zu sich sehr viel härter. Und die kontrollieren sich gegenseitig. Also ich hatte eine Gruppe mit einer Leiterin und ca. 30 Leuten, Türken und andere Nationalitäten, es gab viele Probleme. Und dann bekam diese Gruppe die Aufgabe, 'jetzt nehmt Ihr Euch mal zwei Stunden Zeit, ihr müsst ir-gendwie noch das 'Dschungelgesetz' schreiben' und das wurde dann auch besiegelt, wer das Gesetz unterschrieben hat, bekam ein farbiges Bändchen. Und da haben sie auch kontrolliert, dass auch nur die ein Bändchen tragen, die das Gesetz unterschrieben hatten. Und von da an wurde es einfacher. Weil das dann keine Verstöße gegen die Vorschriften des Platzwartes oder des Präsidenten, sondern es waren ihre Gesetze. Und ich denke, da kann man schon etwas machen.“

Für die Durchführung von Präventionsmaßnahmen kommt nach SCHMID und MAURER

erschwerend hinzu, dass zwischen Sozialarbeitern und Übungsleitern zwei Welten existieren würden:

MAURER: „Die Sportwelt, das sind Leute, die aus irgendeinem Grund selbst Sport betreiben und bereit sind, sehr viel eigene Arbeit und Leistung hineinzustecken - ehrenamtlich. Also das ist nicht üblich, im Basissport, dass man dafür bezahlt wird. (...) Bei der Sozialarbeit habe ich fest-gestellt, dass man nicht so oberflächlich die Probleme ansieht, dass man tiefer geht, dass man sich vorbereiten will. Also im Sport, da sitze ich mit drei zusammen am Tisch, nach einer halben Stunde sind sich alle einig. Keine Probleme. Wir haben Leiterkurse gehabt, da sind 20, 30 Leute zusammengekommen, die haben sich vorher nie gesehen. Kein Problem. Wenn ich mit Sozialleuten zusammenarbeite, dann wollen sie zuerst wissen, wer ich bin, sie wollen mir ir-gendwie ihr Befinden Ausdruck geben. (...) Ich habe festgestellt, dass es gar nicht möglich ist, rasch auf irgendeine Problematik zu reagieren. Diese Leute brauchen meistens eine lange An-laufzeit. Und dann kommt dazu, dass der Abend, der Samstag - das sind heilige arbeitsfreie Zeiten. Man ist ja da nicht bezahlt, also arbeitet man da auch nicht. Und das ist ein Konfliktfeld, weil ich Kurse für Sportleiter nur am Wochenende machen kann, weil sie unter der Woche im Beruf stehen. (...) Deshalb zwei Welten. Ich habe auch festgestellt, es gibt sehr viele Frauen im

sozialen Feld, die überhaupt keine sportliche Grunderfahrung haben. Für diese Frauen ist Sport fast was Arrogantes, Widerliches, Aggressives - und sind natürlich dann beeinflusst durch die-ses negative Grundbild.“

Eine Aussage über die Effizienz von suchtpräventiven Maßnahmen ließe sich laut Ex-perten nur schwer treffen, da es sich um ein multifaktorielles Geschehen handele. Per-sönlichkeitsveränderungen ließen sich nicht nach einem halben Jahr ablesen. Es seien lediglich Teilbereiche auf Veränderungen überprüfbar.

1.5 Zusammenfassung

Sportvereine nehmen im Freizeitgeflecht von Jugendlichen eine zentrale Stellung ein und das, obwohl gerade während der Adoleszenzphase vermehrt Austritte zu ver-zeichnen sind und den Vereinen eine gewisse "Hochschwelligkeit" nachgesagt wird.

Dennoch fühlen sich Jugendliche von Vereinen angezogen, sie erlernen dort positive wie negative Verhaltensweisen im Umgang mit Suchtmitteln. Problematisch erscheint die Abgrenzung zwischen normativer Entwicklung und den Gefahren einer Suchtent-wicklung. Die Domäne der Werbeindustrie scheint ungebrochen und die Macht der Trinkgewohnheit in den Vereinen schwierig zu verändern. Realistische Beiträge zur Persönlichkeits- und Sozialentwicklung im Sinne einer primär- und sekundärpräventi-ven Suchtvorbeugung werden in der Sensibilisierung von Jugend- und Übungsleitern durch Schulungen und einem qualitativen Ausbau der überfachlichen Jugendarbeit gesehen. Hinsichtlich der praktischen Umsetzung müssen anfängliche Berührungs-ängste zwischen Fachkräften für Suchtprävention und ehrenamtlichen Jugend- und Übungsleitern einkalkuliert werden. Vermutet wird, dass sich in Sportvereinen explizit Jugendliche der Mittelschicht aufhalten, sportvereinsgebundene Jugendliche prinzipiell weniger suchtgefährdet sind als Nicht-Vereinszugehörige, dies jedoch von einem suchtmittelkritischen Klima des Vereins, der Sportart und vom Vorbildverhalten der Jugendleiter abhängt. Die Interviews bestätigen weitgehend die theoretischen Zusam-menhänge und damit die in Teil I – Kap. 3.4 formulierten Hypothesen. Mit Hilfe einer Feldstudie, die im folgenden Kapitel dargestellt wird, sollen die Hypothesen systema-tisch geprüft werden.