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Gesamtindikatoren erhält man, indem man mehrere Datenreihen zu einem einzigen Indi-kator zusammenfasst. Von „FrühindiIndi-katoren“

spricht man dabei, wenn sie Informationen über die zukünftige Konjunkturentwicklung liefern. Spiegeln sie die aktuelle Lage wider, so bezeichnet man sie als „gleichlaufende“

Indikatoren. Gemeinhin werden verschiedene Argumente für die Verwendung von Gesamt-indikatoren zusätzlich zur Analyse ihrer ein-zelnen Bestandteile angeführt. Erstens liefern unterschiedliche ökonomische Variablen bisweilen unterschiedliche Signale im Hinblick auf den aktuellen oder zukünftigen Wachs-tumsverlauf. Verschiedene Arten von Schocks können solche divergierenden Entwicklungen verursachen, da sie die verschiedenen Wirt-schaftssektoren in unterschiedlichem Maße und zu unterschiedlichen Zeitpunkten beein-flussen. Daher können mehrere Einzelreihen, die verschiedene Aspekte der Volkswirtschaft umfassen, zu einem Gesamtindikator kombi-niert werden und ergeben so einen zusam-menfassenden Indikator. Ein zweites Argu-ment zielt auf die Tatsache ab, dass statisti-sche Einflüsse wie etwa Messfehler, Kalender-oder Basiseffekte dafür verantwortlich sein können, dass aktuelle Daten zu verschiede-nen Zeitreihen unterschiedliche Entwicklun-gen anzeiEntwicklun-gen, was eine Gesamtbeurteilung schwieriger macht. Soweit diese Schwankun-gen und Fehler voneinander unabhängig sind, würden sie sich in einem Gesamtindex gegen-seitig neutralisieren, sodass dessen Verlauf

weniger erratisch und leichter ablesbar wäre.

Gesamtindikatoren mögen daher auf den ers-ten Blick als ein geeignetes Instrument er-scheinen. Zu beachten ist dabei allerdings, dass sie, nachdem sie einmal konstruiert sind, Daten in fest vorgegebener Weise aggregie-ren. Dies beeinträchtigt ihren praktischen Nutzen und kann zu falschen Schlussfolgerun-gen führen, da für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der spezifische Verlauf verschie-dener ökonomischer Variablen zu unter-schiedlichen Zeitpunkten maßgeblich ist.

Daher können Gesamtindikatoren eine gründ-liche Prüfung der zugrunde liegenden Entwick-lungen nicht ersetzen, und die Analyse von Einzelindikatoren bleibt für eine treffende Be-urteilung der aktuellen und kurzfristigen Ent-wicklungen unabdingbar.

Zur Konstruktion von Gesamtindikatoren wählen öffentliche und private Institutionen im Allgemeinen eine geringe Anzahl einzelner Zeitreihen anhand statistischer wie auch öko-nomischer Kriterien aus.1 Was die

statisti-schen Kriterien betrifft, so sind erstens hin-reichend lange Zeitreihen notwendig, um ver-lässliche Aussagen über den Zusammenhang zwischen einer bestimmten Variablen und dem Konjunkturzyklus treffen zu können.

Zweitens sollten die Zeitreihen möglichst ge-ringen Revisionen unterliegen. Größere Revi-sionen sind für Indikatoren von Nachteil, da erste Schätzungen damit an Aussagekraft ver-lieren. Drittens ist eine geringe Volatilität wichtig, damit von den aktuellen Daten keine falschen Signale ausgehen. Viertens ist im Hin-blick auf die frühzeitige Bereitstellung von In-formationen die Aktualität der Daten von größter Bedeutung. Die in Frage kommenden Indikatoren müssen eine „Vorlaufeigenschaft“

in Bezug auf die Referenzreihen besitzen, und zwar sowohl eine ökonometrische Vorlaufei-genschaft als auch einen Vorlauf aufgrund des Publikationszeitpunkts. Einige Zeitreihen wer-den weit vor wer-den Referenzreihen veröffent-licht und gewinnen somit an Aktualität.

Was die ökonomischen Kriterien anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass die einzelnen Zeitreihen, die einen Gesamtindikator bilden, in erster Linie auf empirischer Grundlage, d. h. auf Basis ihres beobachteten Verhaltens gegenüber der Referenzreihe, und nicht nach wirtschaftstheoretischen Gesichtspunkten ausgewählt werden. Die Vorlaufeigenschaften von Variablen müssen jedoch in der Regel ökonomisch plausibel sein, d. h., es werden nur diejenigen Variablen ausgewählt, deren beobachteter Zusammenhang mit dem Kon-junkturzyklus der volkswirtschaftlichen The-orie entspricht. Einzelne Zeitreihen können aus verschiedenen Gründen Vorlaufeigen-schaften besitzen. Erstens können die in Fra-ge kommenden Datenreihen die Entwicklung von Faktoren anzeigen, die in der Vergangen-heit einen Konjunkturaufschwung bzw. -ab-schwung verursacht oder diese beeinflusst ha-ben. So hatten beispielsweise starke und lang anhaltende Ölpreisschwankungen in der Ver-gangenheit tendenziell erhebliche Auswirkun-gen auf die Konjunktur. In diesem Sinne spie-gelt der Indikatoransatz zum Teil die Zusam-menhänge zwischen ökonomischen Zeitreihen

wider, die in makroökonomischen Modellen verankert sind. Zweitens beziehen sich einige ökonomische Zeitreihen wie etwa die Auf-tragseingänge auf die Situation zu einem frü-hen Zeitpunkt des Produktionsprozesses im entsprechenden Wirtschaftssektor. Drittens können sich in anderen Variablen auch die Erwartungen im Hinblick auf die kon-junkturelle Entwicklung niederschlagen. So spiegeln beispielsweise die Aktienkurse nach allgemeiner Überzeugung die Erwartungen hinsichtlich der zukünftigen Gewinne und in gewissem Maße auch hinsichtlich der weite-ren Konjunktuweite-rentwicklung wider.

Bei der Konstruktion von Gesamtindikatoren greifen öffentliche und private Institutionen in der Regel auf Datenmaterial wie beispiels-weise Umfragedaten zum Unternehmer- und Verbrauchervertrauen, Indikatoren der Bin-nen- und Auslandskonjunktur sowie monetä-re und finanzielle Variablen zurück.

Gewöhnlich werden die ausgewählten Einzel-reihen normiert und synchronisiert. Die Nor-mierung trägt der Tatsache Rechnung, dass nicht alle Basisindikatoren zyklische Schwan-kungen gleicher Amplitude aufweisen. Sie ver-hindert damit, dass die Zeitreihen mit stärke-ren Schwankungen den Gesamtindikator zu stark dominieren. Durch die Synchronisation erfolgt dann eine Bereinigung der unterschied-lichen Vorläufe dieser Zeitreihen. Dies führt dazu, dass die Indikatoren im Durchschnitt einen Gleichlauf aufweisen, sodass das kon-junkturelle Verlaufsmuster des Gesamtindi-kators deutlicher hervortritt als ohne Syn-chronisation. Der Vorlauf des Gesamtindika-tors beschränkt sich auf den Vorlauf der ihm zugrunde liegenden Zeitreihen mit dem kür-zesten Vorlauf. Es kommen verschiedene Möglichkeiten der Messung der relativen Vor-läufe dieser Zeitreihen in Betracht, wobei kei-ne den anderen in jedem Fall überlegen ist.

Die gemessenen Vorlaufzeiten sind zudem möglicherweise im Zeitablauf nicht stabil. Die Art der Synchronisation dieser Zeitreihen wird daher bis zu einem gewissen Grade will-kürlich gewählt.

Die Bestimmung der Gewichte, mit denen die Zeitreihen in Gesamtindikatoren verse-hen werden, gründet nicht auf der Wirt-schaftstheorie. Die Gewichte können entwe-der willkürlich oentwe-der statistisch bestimmt wer-den. Zwei häufig verwendete statistische Methoden werden im Folgenden beschrieben.

Dem einen Verfahren, der Hauptkomponen-tenanalyse, liegt der Gedanke zugrunde, dass die Schwankungen der Einzelreihen zwei Ele-mente widerspiegeln, nämlich einerseits Schwankungen, die allen Variablen der Grup-pe gemein sind, und andererseits variablen-spezifische Entwicklungen. Der erste Teil, die so genannte erste „Hauptkomponente“, gibt die konjunkturellen Entwicklungstendenzen wieder. Je kleiner die variablenspezifische Komponente, desto höher das Gewicht, das einer Einzelreihe zugemessen wird. Bei dieser Methode werden die Gewichte auf der Grundlage des Verhaltens jeder einzelnen Va-riablen gegenüber der Gruppe der den Ge-samtindikator bildenden Zeitreihen unabhän-gig von der gewählten Referenzreihe zuge-teilt. Ein zweites Verfahren, die so genannte Regressionsanalyse, betrachtet dagegen das Verhalten einer einzelnen Variablen sowohl gegenüber der Gruppe der verwendeten Zeit-reihen als auch gegenüber der gewählten Re-ferenzreihe. Bei dieser Methode erhält eine Einzelreihe ein größeres Gewicht, wenn ihre

Entwicklung den Verlauf des Referenzzyklus genauer widerspiegelt. Insofern basiert die Regressionsanalyse auf wirtschaftlichen Zu-sammenhängen zwischen den Referenzzyklen und den verwendeten Zeitreihen. Diese Be-ziehungen spiegelt sie wider, soweit sie durch die Daten bestätigt werden. Die Hauptkom-ponentenanalyse ist dagegen ein rein statisti-sches Verfahren.

Um Aufschluss darüber zu erhalten, welchen Beitrag die verfügbaren Gesamtindikatoren zur Analyse des Konjunkturzyklus im Euro-raum leisten könnten, werden in diesem Auf-satz verschiedene Gesamtindikatoren mit Hil-fe der bereits beschriebenen Standardverfah-ren beispielhaft konstruiert. Sie basieStandardverfah-ren auf verschiedenen Einzelreihen, unter anderem solchen, die häufig von öffentlichen und pri-vaten Institutionen verwendet werden. Zwar werden häufig auch Angaben zu einzelnen Ländern des Euro-Währungsgebiets genutzt, da sie ein breiteres Spektrum von Variablen abdecken, aber die hier verwendeten Daten beziehen sich auf das Eurogebiet als Ganzes.

Hier sind dies die folgenden Einzelreihen:

Daten der Branchenumfrage der Europäi-schen Kommission zum Vertrauen der Indus-trie im Euro-Währungsgebiet, die IndusIndus-trie- Industrie-produktion in OECD-Ländern außerhalb des Euroraums, der von der OECD für die

Abbildung 2

Beispielhafte Gesamtindikatoren

Im Vergleich zur Wachstumsrate der Industrieproduktion gegen-über Vorjahr

Im Vergleich zur Wachstumsrate des BIP gegenüber Vorjahr

-3

1990 1992 1994 1996 1998 2000-2

-1 Beispiel mit Hauptkomponentengewichten (linke Skala)

BIP (Jahreswachstum, rechte Skala)

Beispiel mit Regressionsgewichten (rechte Skala)

Beispiel eines Frühindikators (rechte Skala) Beispiel mit Hauptkomponentengewichten

(linke Skala)

Industrieproduktion (Jahreswachstum, gleitender Dreimonatsdurchschnitt, rechte Skala)

Beispiel mit Regressionsgewichten (rechte Skala)

Beispiel eines Frühindikators (rechte Skala)

-4

1990 1992 1994 1996 1998 2000-8

-6

OECD-Länder außerhalb des Euroraums ver-öffentlichte Frühindikator, ein reales Geld-mengenaggregat für das Eurogebiet und eine Kennziffer für die Renditekurve im Euroraum.

Das Vertrauen der Industrie hat einen kürze-ren Vorlauf als die andekürze-ren Zeitreihen und schränkt damit den Vorlauf aller Indikatoren ein, die diese Größe berücksichtigen. Des-halb werden auch einige Gesamtindikatoren

konstruiert, die das Vertrauen der Industrie nicht enthalten. Diese Kombinationen wer-den als Frühindikatoren bezeichnet, während die Gesamtindikatoren, die das Vertrauen der Industrie enthalten, als Beispiele für gleich-laufende Indikatoren dienen. Einige von ihnen sind nach Synchronisation mit den entspre-chenden Referenzreihen in Abbildung 2 bei-spielhaft dargestellt.